2 Chaoten + x Chaos = Sinn²
Chaostheorie der LiebeAlina und Gabriel könnten unterschiedlicher nicht sein: Sie kommt aus schwierigen Verhältnissen und muss sich jeden Cent hart erarbeiten. Trotzdem hat sie ein großes Herz. Er ist ein Draufgänger, ein arroganter ...
Alina und Gabriel könnten unterschiedlicher nicht sein: Sie kommt aus schwierigen Verhältnissen und muss sich jeden Cent hart erarbeiten. Trotzdem hat sie ein großes Herz. Er ist ein Draufgänger, ein arroganter Bad Boy mit viel Kohle, schnellen Autos und einer Vorliebe für wilde Partys. Alina hilft ehrenamtlich auf der Kinderstation des Krankenhauses aus, wo sie die schwer kranke Mia betreut. Hier trifft sie auf Gabriel, der nach einer Schlägerei Sozialstunden ableisten muss. Sofort geraten die beiden aneinander. Doch als sie Mia einen Herzenswunsch, eine Reise in die USA, ermöglichen wollen, gehen die beiden einen ungewöhnlichen Deal ein…
Eine positive Eigenschaft von Chaostheorie der Liebe ist sicherlich, dass man schnell in die Handlung findet. Der Leser wird hier nicht mit ausschweifenden Informationen über Charaktere und deren bisherigen Erlebnissen in ihrem Leben erschlagen, sondern bekommt die „Lebensgeschichte“ kurz und bündig erklärt.
Auf den ersten Seiten lernt man sogleich Gabriel kennen, der sich in einer Selbsthilfegruppe wiederfindet, zu die ihn sein Vater verdonnert hat, nachdem Gabriel durch seinen Drogenkonsum verhaltensauffällig wurde. Sein Vater versucht ihm damit ganz klar die Pistole auf die Brust zu setzen und ihn damit auf seine Weise zu retten.
Gabriel leugnet seine Sucht. Als Leser bemerkt man schnell, dass er zwar noch einen relativ nüchternen Blick auf sein Kokainkonsum hat, doch die Entfernung zu einer exzessiven Sucht beträgt nur noch wenige Schritte.
Alina ist an diesem Tag ebenfalls in der Selbsthilfegruppe anwesend, doch anders als Gabriel ist sie dort, um ihre persönliche Geschichte zu erzählen. Welche Auswirkungen haben Drogen auf ein Menschenleben und was macht diese Sucht mit den Mitmenschen? Die Sucht zerstört nicht nur denjenigen, der die Drogen konsumiert. Sie zerstört auch das Leben jener, die unmittelbar daneben stehen. Hilflos. Schuldig und machtlos.
Weniger gelungen fand ich dagegen das Erzählverhalten, das mich nur teilweise überzeugen konnte. Chaostheorie der Liebe wird zwar mit einem abwechselnden Blick auf Alina und Gabriel erzählt, doch die hier angewandte Er-/ Sie- Erzählperspektive erwirkt eine Distanz, die mir keinen wirklichen Zugang zu den beiden ermöglichen konnte.
Ein personaler Ich- Erzähler hätte mir einen ganz anderen Weg zu der Geschichte ermöglicht. Mir hat es teilweise gefehlt, dass ich nicht in die Gedanken und Gefühle von den beiden Protagonisten blicken konnte.Man weiß nicht, was in den Charakteren wirklich vorgeht, welche Wirkung eine Situation auf Alina oder Gabriel hat. Man erfährt es nur dann, wenn sie es in einem Gespräch selbst zulassen und ihre Gedankengänge in Form eines Geständnisses zum Ausdruck bringen.
Ich konnte nicht wirklich mit den Charakteren mitfühlen, konnte ihre Sorgen teilweise nicht nachvollziehen oder ihre Beweggründe verstehen, warum sie agieren, wie sie eben in dem Moment agieren. Emotional war ich mit den Charakteren nicht auf einer Wellenlänge, was ich sehr schade fand. Stattdessen war mein Blick nüchtern und neutral und die Figuren und ihre Geschichte konnte mich damit nicht so berühren, wie sie eigentlich sollte.
Nach der ersten Begegnung in der Selbsthilfegruppe sehen sich Alina und Gabriel im Krankenhaus wieder. Sie ist hier Ehrenamtliche Helferin und er derjenige, der seine Sozialstunden ableisten muss.
Gabriel ist zu Beginn des Romans eine ziemliche Diva, mit einer großen Klappe. Er ist der Meinung, das er sein Leben vollständig im Griff hat, schließlich ist er in seinem Job erfolgreich. Man merkt aber, wie er durch den Druck in seiner Umgebung immer mehr an Kontrolle verliert. Den Konsequenzen ist er sich nicht wirklich bewusst. Will sie möglicherweise auch nicht wahrhaben. Doch als er mit den ersten Nebenwirkungen seines Drogenkonsums konfrontiert wird, ist klar: er kommt wohl doch nicht so leicht vom Kokain los, als wir eigentlich denkt…
Was seinen Charakter betrifft, war ich zu Anfang ziemlich skeptisch. Gabriel erschien mir sehr unsympathisch. Doch es war spannend, seine Entwicklung zu verfolgen. Diese ist ein langer Prozess, der dem Leser wie ein „Aufwachen“ erscheint. Er lernt die Menschen in seiner Umgebung zu verstehen, sieht Probleme, Missstände, Schicksale anderer Menschen und will daran etwas ändern. Gabriel findet seine Menschlichkeit.
Alina war mir da am Anfang durchaus sympathischer, auch wenn sie wie ein Engel erscheint, der die Welt zu einem besseren Ort wandeln möchte. Daran ist natürlich nichts auszusetzen, doch dadurch projiziert sie sich über alle anderen und verurteilt Menschen vorschnell. Das kann ins Auge gehen. Doch auch sie hat es nicht leicht und bekommt im Leben nichts geschenkt. Auch sie lernt einiges dazu.
Die Nebencharaktere bleiben in diesem Roman eher blass, denn der Blick liegt auf den beiden Hauptcharakteren. Ein wichtiger Nebencharaktere ist jedoch Mia. Sie ist Patientin in jenem Krankenhaus, wo Alina und Gabriel tätig sind.
Sie schottet sich von dem Mitleid in den Augen der anderen ab. Doch Gabriel findet einen Draht zu ihr, denn Er nennt eben die Dinge beim Namen, beschönigt nichts und sagt gerade heraus was er denkt. Für Mia ist er der ideale Gesprächspartner, weil er ihr gegenüber eben nicht in triefendes Mitleid verfällt.
Die Dialoge zwischen den Charakteren konnten mich nicht hundertprozentig überzeugen. Sie wirken manchmal zu mechanisch und steif. Manchmal erschienen mir die in den Gesprächen wiedergegebenen Gedankengänge zu analysiert, durchdacht und haben einen Hinweis auf die Handlung gegeben. Einige Momente wirkten darüber hinaus zu gestellt, zu perfekt.
Die Spannungskurve verläuft wie eine Achterbahnfahrt. Zwischendurch fehlte es mir an interessanten Momenten, die mich an der Geschichte kleben lassen. So konnte mich Beispielsweise ein Treffen bezüglich der Kleiderabsprache oder auch einige Gesprächsinhalte nicht wirklich überzeugen.
Bis die Geschichte dann doch an Tempo zulegt. Ein Flug nach Amerika und der dortige Aufenthalt gibt dem Roman genau dir richtige Dosis an Spannung und einen tollen Überraschungsmoment, der mich zum schmunzeln bringen konnte. Die Geschichte wird lebendiger und man merkt, wie die Handlung und die Charaktere sich plötzlich entwickeln. Gabriel wächst als Charakter und legt quasi eine 180° Wendung hin. Dennoch hat man das Gefühl, dass er immer noch er selbst ist und diese Wendung keinesfalls an den Haaren herbeigezogen ist. Auch die Gefühle zwischen den beiden entwickeln sich langsam. Sie merken es selbst kaum.
Es handelt sich hierbei keineswegs um einen kitschigen Liebesroman. Eher um einen lebensnahen Roman, mit zwei Lebensgeschichten, die lernen einander mit ihren Erfahrungen zu unterstützen. Zwei Chaoten lernen sich kennen, bringen ihr persönliches Chaos in das Leben des anderen und am Ende ergibt es einen Sinn. Sie geben sich in den richtigen Momenten Kraft.
Und auch wenn es einige Kritikpunkte gibt, hat mich dieser Roman dennoch gut unterhalten. Er greift verschiedene Themen auf, wie: die Drogensucht, die Differenz zwischen sozialen Schichten, sowie der Umgang mit Krankheit und den Tod. Es geht um die Suche nach sich selbst, um die Verarbeitung von negativen Erlebnissen und den Umgang mit dem eigenen Schicksal, als auch darum sich einander Halt zu geben. Zwar taucht Chaostheorie der Liebe hier nicht sonderlich tief in die Thematik ein, dennoch wird die Geschichte realistisch und nachvollziehbar erzählt. Außerdem gibt es zwischendurch auch leise Momente, die einen zum nachdenken anregen oder über die man vielleicht sogar selbst schon einmal nachgedacht hat.