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Veröffentlicht am 02.04.2024

Nicht ganz so gut wie der Vorgänger

Und Großvater atmete mit den Wellen
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"Egal, ob es stürmt oder ganz ruhig ist, die Wellen treffen das Land immer im selben Rhythmus. Und wenn du Angst hast oder traurig bist, musst du mit dem Meer atmen."

Diesen Rat erhält der Norweger Konrad ...

"Egal, ob es stürmt oder ganz ruhig ist, die Wellen treffen das Land immer im selben Rhythmus. Und wenn du Angst hast oder traurig bist, musst du mit dem Meer atmen."

Diesen Rat erhält der Norweger Konrad fernab der Heimat auf Java. Dorthin kann er sich retten, nachdem das Handelsschiff, auf dem er als Seemann angeheuert hat, von einem japanischen U-Boot torpediert wurde. Denn es herrscht Krieg - nicht nur in Europa, sondern auch im indischen Ozean, wo die Japaner versuchen Indonesien zu erobern. Konrad gelingt es, sich in ein Krankenhaus zu retten, wo er die ebenfalls norwegische Sigrid kennenlernt. Die Krankenschwester pflegt ihn gesund und ihr gelingt es, seine schnelle Genesung vor den japanischen Besatzern lange versteckt zu halten. Doch dann spitzt sich die Lage zu und beide geraten in japanische Kriegsgefangenschaft.

Nachdem Trude Teige im vergangenen Jahr mit "Als Großmutter im Regen tanzte" einen großen literarischen Erfolg erzielt hat. knüpft sie nun nicht nur zeitgeschichtlich an den ersten Roman an. Denn Konrad ist niemand anderes als der Mann, der viele Jahre später mit Tekla im Wintergarten sitzt und gemeinsam schweigt. Ziehvater von Lilla und Opa von Juni, der Protagonistin aus dem ersten Roman. Hier wird also die Geschichte des Mannes erzählt. von dem Juni lange Zeit gar nicht wusste, dass sie nicht blutsverwandt sind. Wie auch schon im ersten Buch spielen die Zeit im Lager und die unmenschliche Behandlung durch die Besatzungsmacht eine zentrale Rolle in der Romanhandlung. Auch dieses Mal sind die Schicksale der Figuren zwar fiktiv, basieren aber auf Recherchen der Autorin und könnten tatsächlich so geschehen sein. Außerdem wird wieder ein Kapitel des Zweiten Weltkrieges behandelt, dass vielen Leser*innen vielleicht weniger bekannt ist: Die Lage der Europäer in den Überseekolonien.

Im Unterschied zum Vorgänger gibt es dieses Mal aber keinen Handlungsstrang, der in der Gegenwart spielt. Juni tritt lediglich als eine Art fiktive Vorwortverfasserin auf. Wie es mit ihr und ihrer Schwangerschaft weitergegangen ist, erfährt man in diesem Band also nicht. Mir hat das ein wenig gefehlt. Ebenso wie die weibliche Perspektive, die meiner Meinung nach "Als Großmutter im Regen tanzte" ausgemacht hat. Zwar gibt es auch hier beeindruckend durchsetzungsstarke Frauen. Allerdings ist die Grundhandlung hier deutlich "klassischer" und die besondere weibliche Perspektive auf den Krieg weniger stark gezeichnet. Auf der anderen Seite führt genau das aber dazu, dass man "Und Großvater atmete mit den Wellen" auch lesen kann, ohne Teiges Erstling zu lesen. Lediglich am Ende könnte es zu Verständnisproblemen kommen. Allerdings wirken die eher wie eine freundliche Aufforderung, sich doch auch mit der weiblichen Perspektive auseinanderzusetzen.

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Veröffentlicht am 03.06.2023

Lesenswerter Nordseekrimi mit kleinen Abzügen

Akte Nordsee - Der Teufelshof
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,, [...] das bekam man nach eine Prozess. Nicht Gerechtigkeit, sondern ein Urteil."

Fentje Jacobsen muss wissen, wie es vor Gericht zugeht. Schließlich ist sie nicht nur Lämmer-Bäuerin und Familienmensch, ...

,, [...] das bekam man nach eine Prozess. Nicht Gerechtigkeit, sondern ein Urteil."

Fentje Jacobsen muss wissen, wie es vor Gericht zugeht. Schließlich ist sie nicht nur Lämmer-Bäuerin und Familienmensch, sondern auch Rechtsanwältin auf Eiderstedt. Und in dieser Funktion wird sie einmal mehr gebraucht, als Hennings Eltern nach dessen Hochzeit tot in ihren Betten gefunden werden. Und auch Hennig selbst entgeht nur knapp dem Tod. Schnell rückt er aber in der engen Kreis der Verdächtigen auf. Schließlich profitiert er vom Tod der Eltern. Klar, dass Fentje, die mit Hennig zusammen aufgewachsen ist, die Verteidigung übernimmt. Doch auch Hennigs frisch gebackene Ehefrau, die Lettin Anna mit zwielichtiger Vergangenheit, steht ganz oben auf der Liste möglicher Täter. Ein gewisser Journalist mit Namen Niklas John war in seiner Jugend in einer Beziehung mir Anna. Als er von den Anschuldigungen hört, die gegen seine Ex-Freundin erhoben werden, beschließt er, sie aus dem schlimmsten Medienrummel herauszuhalten. So ist es also kein Wunder, dass sich auch Fentjes und Niklas Wege knapp ein Jahr nach den gemeinsamen Ermittlungen im Fall der erhängten Lehrerin wieder kreuzen.

Eva Almstädt ist mit ihren Krimis rund um die Ermittlerin Pia Korittki bekannt geworden. Während die Polizistin aber an der Ostsee ermittelt, spielen alle Fälle der ,,Akte Nordsee" wie der Name schon sagt am anderen deutschen Meer. Statt einer Polizistin ermitteln hier ein Journalist und eine Anwältin in ländlicher Idylle. Gesprenkelt sind die Handlungsorte dann hin und wieder auch von touristisch bekannten Zielen wie Föhr oder Sylt. Da kommt beim Lesen ganz automatisch Urlaubsstimmung auf. Dennoch würde ich auch ,,Der Teufelshof" nicht in die Kategorie Wohlfühlkrimi einordnen. Dafür ist die Handlung dann doch zu gruselig und nimmt stellenweise sogar Thriller-artige Züge an. Der Leser wird also gut unterhalten und rätselt lange bis zur überraschenden Aufklärung mit, wer denn nun der Täter sein könnte. Bei Roman von Eva Almstädt erwartet den Leser eben solides Krimihandwerk.

Getrübt wird der rundum positive Eindruck aber durch Logikfehler und das Gefühl, hingehalten zu werden. Da gibt es SMS an ein Handy, das eigentlich schon zerstört wurde und Alkohol für schwangere Frauen, der erst im letzten Moment per hastig eingeschobenem Satz an den Ehemann gereicht wird. Am störendsten war für mich allerdings das Gefühl, hingehalten zu werden. Denn dem Leser ist schon recht bald klar, welcher Ermittlungsansatz die Protagonisten weiterführen würde. Allerdings wird der beflissentlich ignoriert, bis er im letzten Drittel dann - Überraschung - zur Aufklärung führt. Hier hätte ich mir etwas mehr Raffinesse gewünscht.

Wer über solche Unstimmigkeiten hinwegsehen kann, wird mit "Akte Nordsee - Der Teufelshof" aber gut unterhalten. Ein Krimi für den Liegestuhl.

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Veröffentlicht am 30.04.2023

Ein historischer Roman mit 60er-Jahre-Feeling

Die Kriminalistinnen. Der Tod des Blumenmädchens
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,,Und es wäre ihm lieber gewesen, du wärst krachend gescheitert. Natürlich wollte er das. Aber du hast dich bewährt."

Lucia muss mit vielen Widerständen umgehen, als sie ihren Sekretärinnen-Job aufgibt ...

,,Und es wäre ihm lieber gewesen, du wärst krachend gescheitert. Natürlich wollte er das. Aber du hast dich bewährt."

Lucia muss mit vielen Widerständen umgehen, als sie ihren Sekretärinnen-Job aufgibt und sich gemeinsam mit wenigen anderen Frauen in den 1960er Jahren als Kriminalistin ausbilden lässt. Damit zählt sie zu den ersten in Deutschland überhaupt - und trifft bei einigen männlichen Kollegen auf wenig Gegenliebe. Doch viel Zeit zum Grübeln bleibt ihr nicht. Denn schon kurz nach Beginn des praktischen Ausbildungsteils wird sie zu einem Wohnungsbrand gerufen. Vor Ort finden Lucia und Kollege Otto ein totes Hippiemädchen. Und obwohl ihr Chef Potthoff dem Fall wenig Aufmerksamkeit zu Teil werden lässt, ist Lucia fest entschlossen, den Tod des Blumenmädchens nicht als missglückten Wohnungseinbruch ad acta zu legen.

Wie Titel und Setting schon vermuten lassen, ist Mathias Berg dritter Roman - der erste in der Reihe um die nordrhein-westfälischen Ermittlerinnen - eine Homage an die 60er Jahre. An vielen Stellen fließt Zeitgeschichtliches ein: Telefonieren in der Telefonzelle, der Dienst-Käfer vor dem Polizeipräsidium, die allgegenwärtigen Kommunen. Das wird recht stimmig in den Roman eingebunden. Die Frauen bei der Düsseldorfer Kriminalpolizei gab es übrigens tatsächlich, 1969 wurde das Pilotprojekt ins Leben gerufen und die 14 Anwärterinnen landeten glatt im SPIEGEL, wie auch Lucia und ihre Kolleginnen zu Beginn des Krimis.

Doch auch ernste Themen dieser Zeit lässt der Autor nicht außen vor: Die Fragen nach dem (sexuellen) Selbstbestimmungsrecht der Frau in der Ehe, nach illegalen Abtreibungen und ihren Folgen und den Stand der Frau in den vermeintlich schon fortschrittlichen 60er Jahren werden genauso gestellt. In dieser Tiefe hatte ich das nicht erwartet. Denn zu Beginn liest sich "Der Tod des Blumenmädchens" wie einer der vielen Feel-Good-Krimis, die gerade zu verschiedene Abschnitten der deutschen Geschichte auf den Markt kommen. Die Lektüre ist dennoch leicht, scheut sich aber nicht davor, die ernsten Themen anzusprechen. Ein kleiner Wermutstropfen: Leider ist innerhalb der Romanhandlung nur für eine recht oberflächliche Auseinandersetzung Platz.

Schade ist allerdings, dass der Fall um die ermordete Lena oft mal zu Gunsten der Figurengestaltung in den Hintergrund rückt. Wir erfahren ziemlich viel über Lucias Familiengeschichte, ihr Liebesleben, Flirt mit Kollegen und Freundschaften. Das macht die Figur auf der einen Seite sehr nahbar (zumal aus der Ich-Perspektive erzählt wird). Es führt aber auch dazu, dass es manchmal ganze Kapitel gibt, die für die eigentliche Handlung wenig relevant sind. Hier zeigt sich deutlich: Der Roman ist als Beginn einer Buchreihe angelegt. Deswegen soll sich der Leser bitte mit Lucia identifizieren. Das Ende , in dem noch einiges offen gehalten wird, tut sein Übriges.

Überraschend war dann aber doch, wie spannend das Buch wurde, als die Auflösung näher rückte. So viel interessante Szenen in unterschiedlichen Settings hätte ich gar nicht erwartet. Klar, auch hier spielt der Autor mit Klischees und ist vielleicht - insbesondere beim Schildern der Hippie-Party - ein kleinen wenig drüber. Insgesamt war ich aber davon überrascht, wie interessant die Handlung im Verlauf des Romans noch wird. In der Form hatte ich das nicht erwartet und flog nur so durch die Seiten, als es endlich um die eigentliche Ermittlung ging.

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Veröffentlicht am 24.04.2023

Eine mutige Entscheidung

Gelegenheiten
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Rezension Gelegenheiten

„Ja, so war das im Leben. Wenn man den ersten Schritt wagte, konnte sich auf einmal alles verändern.“

Karla wagt in Romy Schneiders „Gelegenheiten“ einen ziemlich großen Schritt: ...

Rezension Gelegenheiten

„Ja, so war das im Leben. Wenn man den ersten Schritt wagte, konnte sich auf einmal alles verändern.“

Karla wagt in Romy Schneiders „Gelegenheiten“ einen ziemlich großen Schritt: Den Freund verlassen, nach Frankreich gehen und schreiben. Denn nach acht Jahren Beziehung merkt die Anfang Dreißigjährige, dass das vermeintliche Luxusleben in Berlin Mitte sie nicht glücklich macht. Irgendwo auf dem Weg in die exquisite Welt der Unternehmensberater, der oberen Schicht und der Parties hat sie sich selbst verloren - und damit auch den Traum, Schriftstellerin zu werden. In Frankreich, so hofft sie, findet Karla genügend Abstand, um mit dem Schreiben voranzukommen und auch sich selbst wieder näher zu sein.

Eigentlich vereint „Gelegenheiten“ all die Dinge, die ich bei Büchern nicht mag: Sprachlich ist der Roman - vor allem auf den ersten fünfzig Seiten - wenig raffiniert gestaltet. Die Sätze sind kurz und knapp und dienen einzig und allein der Informationsvermittlung. Sprachbilder oder weniger nüchterne Sätze sucht man vergebens. Stattdessen werden einige Gefühlslagen der Protagonistin in sich ständig wiederholenden Varianten des gleichen Satzes präsentiert. Vieles in der Handlung ist außerdem recht schwarz-weiß gestaltet: Da das Geld und die Karriere, hier das echte Leben in der Provence mit weniger Luxus, dafür mehr Zeit und Selbstfindung. Im Mittelpunkt steht auch das Schreiben und der Versuch, den ersten Roman zu veröffentlichen. Wie viel Autobiographisches wohl dabei sein mag, darf der Leser rätseln. Auf der Hälfte des Romans erahnt man außerdem die Auflösung am Ende.

An dieser Stelle könnte die Rezension enden. Ein mittelmäßiger Roman, eben ein Debut, das man Lesen kann, aber nicht muss. Allerdings hat mich etwas an ,,Gelegenheiten“ gepackt, sodass ich mehr als die Hälfte des Buches in einem Zug gelesen habe. Vielleicht ist es der Mut der Protagonistin, der den Lesern eine neue Sicht auf ihr eigenes Leben und ihre eigenen Träume werfen lässt. Vielleicht ist es die Konsequenz, mit der sie ihre Entscheidungen trifft und den einmal eingeschlagenen Weg weiter verfolgt. Vielleicht ist es auch nur die Sommerstimmung in Frankreich, die mich so gefesselt hat. Es ist schwer zu sagen, was genau den Sog des Textes ausmacht. Aber das positive Gefühl nach dem Lesen hält noch lange an. Und gerade weil ich so viele Kritikpunkte beim Reinlesen gefunden habe, ist dieser erzählerische Sog ganz besonders zu betonen. Mühelos werden alle Schwächen durch die Stärke der Protagonistin und die Entwicklung der Handlung in Frankreich ausgemerzt.

„Gelegenheiten“ ist also in richtiger Feel-Good-Roman, eine Sommerlektüre für heiße (Urlaubs-)Tage. Eine Hymne auf das Leben, auf mutige Entscheidungen und darauf, auf die innere Stimme zu hören. Vielleicht ist es sogar DAS Buch des Sommers. In jedem Fall sollte man den Text bei einem Glas kühlen französischen Rosé genießen.

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Veröffentlicht am 07.04.2023

Was bleibt im Krieg von Literatur und Humanismus?

Durch das große Feuer
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Durch das große Feuer

„Du hast keine Angst vorm Sterben, Henry, du hast nur etwas dagegen, jemanden zu töten. Das ist nicht Feigheit.“

Ellwood und Gaunt kennen sich seit der weiterführenden Schule, ...

Durch das große Feuer

„Du hast keine Angst vorm Sterben, Henry, du hast nur etwas dagegen, jemanden zu töten. Das ist nicht Feigheit.“

Ellwood und Gaunt kennen sich seit der weiterführenden Schule, seit der Zeit auf dem Internat Preshute. Seitdem hegen beide nicht nur große körperliche Zuneigung zueinander, sondern auch eine geheime Liebe. Doch Homosexualität ist Anfang des 20. Jahrhunderts noch verboten, steht sogar unter Strafe. Und so bleiben beiden nur höchst zweideutige Verse der Romantik und aus der Antike, um ihre Gefühle auszudrücken. Doch die bleiben beim anderen unerhört.

Mit den Streichen, den körperlichen Auseinandersetzungen und der Strenge im Jungeninternat ist es allerdings bald vorbei. Nach dem Attentat auf den Österreichischen Thronfolger steht auch England im Krieg und lechzt nach junge Rekruten, die nach Belgien und Frankreich geschickt werden können. 1913 verpflichtet sich erst Gaunt, dann Elwood. Was folgt, sind Jahre voller Grausamkeit, voller Angst und Sorge um den anderen. Und während der Krieg immer länger dauert, drängt sich zunehmend die Frage auf: Warum tun wir das überhaupt? Insbesondere Gaunt, dessen Mutter Deutsche ist, scheint es keiner der Kriegsparteien recht machen zu können.

Für ihren Roman hat Alice Winn unzählige Quellen studiert und reale Schilderungen aus dem Ersten Weltrrieg einfließen lassen. Darauf lässt zumindest das ausführliche Quellenverzeichnis im Anhang schließen. Dadurch liest sich der Roman nicht immer leicht. Stellenweise sind die Schilderungen von Toten und Verletzten an der Front nur schwer auszuhalten. Da geht es um zerrissene Lungen, mit Leichenteilen gefüllte Sandsäcke und Torsos ohne Köpfe. In weiten Teilen erinnert Winns Roman damit an die klassischen deutschen Anti-Kriegsromane wie „Im Westen nichts Neues“ oder „Heeresbericht“. Nicht nur der Schilderungen des sinnlosen Grauens ähneln sich, auch die psychischen Folgen, die Kriegsneurosen und das Gefühl, im Heimaturlaub in der falschen Welt gelandet zu sein, werden auch hier thematisiert. Damit zeigt die Autorin vor allem eines: Das Leid ist Dasselbe gewesen - egal, in welchen Schützengraben man schaute.

Dennoch gibt es einen entscheidenden Unterschied, der diesen Roman zu etwas besondere macht: Die Geschichte wird entlang zwei empfindsamer Liebenden erzählt. Die Zuneigung zwischen Ellwood und Gaunt entwickelt einen Sog, der auch die düsteren Kriegsschilderungen überstehen lässt. Anfangs versucht Ellwood noch, dem Krieg die schöne Literatur entgegenzusetzen. Doch je weiter der Krieg voranschreitet, desto hoffnungsloser wird dieses Unterfangen. Bis der junge Mann schließlich ganz damit aufhört und nur noch eigene Gedichte verfasst (und veröffentlich), die sich weniger durch kunstvolle Sprache auszeichnen als durch detaillierte Schilderungen aller Grausamkeiten an der Front. Alice Winn zeigt so nicht nur, welche gute Kennerin der (englischen) Literatur sie ist, sondern stellt unterschwellig auch die Frage danach, was die schöne Literatur in Zeiten von Grausamkeit eigentlich noch ausrichten kann. Was all die humanistische Bildung wert ist, wenn die Welt in Flammen steht.

Nun sind die Themen und Fragen in der Literatur schon häufig aufgeworfen worden und man mag sich fragen: Warum jetzt schon wieder ein (Anti-)Kriegsroman? Die Gestaltung des Buches und vor allem der Fokus auf der Homosexualität und den Männlichkeitsidealen junger Engländer verleiht diesem Roman aber einen neuen - und durchaus interessanten - Blick auf den Krieg.

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