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Veröffentlicht am 21.08.2022

Spannender Justizkrimi aus der Perspektive der Strafverteidiger

Pirlo - Falsche Zeugen
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Dies ist der zweite Band der „Pirlo“-Reihe und im Prinzip unabhängig von den Geschehnissen des Reihenauftaktes zu lesen. Allerdings wird in „Pirlo – Falsche Zeugen“ viel verraten, was sich vor rund einem ...

Dies ist der zweite Band der „Pirlo“-Reihe und im Prinzip unabhängig von den Geschehnissen des Reihenauftaktes zu lesen. Allerdings wird in „Pirlo – Falsche Zeugen“ viel verraten, was sich vor rund einem halben Jahr zugetragen hat. Wer also „Pirlo – Gegen alle Regeln“ noch lesen möchte, der sollte mit dem Buch auch zuerst beginnen. Den Handlungen und Ereignissen aus „Pirlo – Falsche Zeugen“ könnt ihr aber auch ohne jegliche Vorkenntnisse folgen.

Die Gestaltung des Covers gefällt mir und passt gut zur Reihe. Auch die beiden Personen auf dem Cover haben Ähnlichkeit mit den beschriebenen Hauptcharakteren vom Strafverteidiger-Duo Anton Pirlo und Sophie Mahler.

Mir fiel der Einstieg ins Geschehen leicht, es ging zügig voran. Anfänglich hatte ich ein paar Schwierigkeiten, den Überblick bei einigen Familienmitgliedern von Faruk Maliki, dem Verdächtigen in einem Mordfall und Mandant von Pirlo und Sophie zu behalten. Ich konnte sie schlecht auseinanderhalten, das gelang mir aber im Verlauf des Buches immer besser.
Die betitelten Kapitel stimmten mich immer auf das Kommende ein, Zeit und oder Ortsangaben halfen mir eine gute Übersicht über die Entwicklung der Ereignisse in ihrem zeitlichen Ablauf zu erhalten. Manches ist auch mit einem Augenzwinkern zu verstehen, was dem Ganzen mehr Leichtigkeit und Lockerheit bringt.

Das Buch wird von zwei Handlungssträngen dominiert, die sich wunderbar ergänzen. Der auktoriale Erzähler beleuchtet einzig die Handlungen von Sophie Mahler und Anton Pirlo. Ich erfuhr nur, was sie erfahren, was sie aus welchen Gründen machen und welche Emotionen sowie Gedanken sie beschäftigen. Das gibt diesem authentischen Justizkrimi eine faszinierende Tiefe, die ebenso von den Charakteren lebt. Manche kenne ich noch aus dem ersten Fall des Strafverteidiger-Duos, andere kamen neu hinzu.

Bei Anton Pirlo bin ich immer noch unschlüssig, wie sehr ich ihn eigentlich sympathisch finden soll. Er ist ein Chaot, wie er im Buche steht, hat aber auch sehr reizvolle und einfühlsame Augenblicke, die ihn nahbar machen. Meisten jedoch hätte ich ihn schütteln mögen, während meine Sympathiepunkte für seine Kollegin Sophie Mahler beinah ins Unendliche stiegen. Hach, ich mag diesen Charakter sehr gern. Sie bleibt sich stets treu, auch wenn sie manchmal hadert. Sophie ist bodenständig, clever und verlässlich. Eigentlich das perfekte Gegenstück zu Pirlo. Aber eben nur fast, sie ziehen sich zwar gegenseitig an, stoßen sich aber auch fast sofort wieder ab. Aber das macht den Reiz ihrer Zusammenarbeit aus und das bringt jede Menge zackige Wortduelle, die so manche fiesen Seitenhiebe parat hatten, mit sich.

Der Schreibstil ist markant. Schnelle Sprache gepaart mit knackigen Sätzen und einer Alltagsarroganz, die den Nagel häufig auf den Kopf trifft. Dazu kommt ein bunter Mix aus Ironie, humorvollen Augenblicken, garniert mit gelegentlichem Sarkasmus. Abgerundet wird das ganze durch ein packendes Tempo, das mich zwischen Privatangelegenheiten der beiden Strafverteidiger und ihrem Job wie bei einem Tennismatch zackig hin und her fliegen lässt.
Dabei ist dieses Mal alles stimmig. Sogar Pirlos eigene Vergangenheit und mögliche Verstrickungen in familiäre Probleme, die mächtig Ärger bereithalten könnten.

Der Handlungsaufbau ist schlüssig und gut durchdacht. Alles beginnt als Pirlo in einem Casino auf seinen späteren Mandanten zum ersten Mal trifft. Der ihn vom ersten Augenblick an den letzten Nerv zu rauben droht. Und es endet mit einer packenden Hauptverhandlung, in der es ganz düster für die Verteidiger aussieht.
Zwischen drin wird genau erklärt, wie es wozu kam, nur nicht immer warum. Denn das müssen Pirlo und Sophie herausfinden.
Dies sorgt für überraschende Ereignisse, bringt Dynamik ins Geschehen und sorgt gleichzeitig dafür, dass die Vorgehensweise in Verbindung mit der mühevollen Arbeit der Strafverteidigung sowie ein kompletter Verhandlungsablauf schön veranschaulicht und leicht verständlich dargestellt werden. Passend zur Thematik werden auch die Clanstrukturen glaubwürdig dargelegt. So ergibt sich ein rundes Gesamtbild und ein wirklich spannender Justizkrimi, der sich so auch tatsächlich ereignen könnte.

Das Finale ist unglaublich packend für mich gewesen. Bis zum Schluss war ich mir nicht sicher, ob mein Misstrauen eines Charakters gegenüber gerechtfertigt gewesen ist. Immer wieder lockte mich Ingo Bott auf falsche Fährten und die Auflösung war überraschend, mein Verdacht jedoch goldrichtig.
Richtig gut gefallen hatte mir übrigens am Schluss die smarte Übersicht über die Grundzüge des Strafprozessrechts. Das war nicht nur interessant zu lesen, sondern rundet den Gesamteindruck von „Prilo – falsche Zeugen“ gelungen ab.

Fazit:
Ein richtig toller und spannender Justizkrimi. Knackig wird vom Anfangsverdacht bis zum Finale in der Hauptverhandlung eine ganze Bandbreite an Ereignissen erzählt. Packend, unterhaltsam, authentisch.

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Veröffentlicht am 08.08.2022

Ein Thriller, der zum Nachdenken und Reflektieren anregt

Poppy. Dein Kind verschwindet. Und die ganze Welt sieht zu. (Die Emer-Murphy-Serie 1)
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Das Cover ist für mich ganz klar ein Blickfang und auch das Kernthema des Buches, nämlich, dass Kinder als lebende Reklametafeln auf sozialen Medien benutzt werden, sprach mich sofort an. Wie oft habe ...

Das Cover ist für mich ganz klar ein Blickfang und auch das Kernthema des Buches, nämlich, dass Kinder als lebende Reklametafeln auf sozialen Medien benutzt werden, sprach mich sofort an. Wie oft habe ich mich schon gefragt, warum Eltern ihre Schützlinge fast völlig schutzlos Tausenden fremden Menschen aussetzen, die nicht nur harmlos sind. Unter ihnen tummeln sich auch Monster, die sich wie in einem Schlaraffenland fühlen. Kritiker werden dabei müde belächelt und vielleicht sogar als missgünstig betrachtet. Mir gefiel es gut, dass dies auch besprochen und nicht nur aus Elternsicht, sondern auch aus Followersicht bewertet wurde.

Erzählt wird „Poppy. Dein Kind verschwindet. Und die ganze Welt sieht zu“ aus mehreren Perspektiven. Neben den Eltern konnte ich ebenso der Kommissarin Emer Murphy über die Schulter schauen sowie diverse Auszüge aus einem Pädophilen-Form im Darknet, dem Twitteraccount der Polizei und von einem Mama-Forum lesen. Zwischendurch eingestreut wurden auch noch andere Figuren beleuchtet, aber stets so, dass ich nicht den Überblick verlor. Diese Mischung war jedenfalls total interessant, da es meinen Radius erweiterte und ich viel mehr Einblicke erhielt, als es den einzelnen Charakteren möglich gewesen ist. Dieser Umstand verleitete mich stets dazu mitzuraten und mich ebenfalls zu fragen: “ Wo ist Poppy?“

Unterteilt ist „Poppy. Dein Kind verschwindet. Und die ganze Welt sieht zu“ in mehrere Teile, die jeweils einen ganzen Tag abbilden. Innerhalb dessen werden die verschiedenen Blickwinkel, die immer mit den Angaben, zu welcher Tageszeit sich die Ereignisse abspielen, gekennzeichnet wurden, in Kapitel unterteilt. So entwickelt sich die Geschichte chronologisch und nachvollziehbar weiter.
Der Schreibstil ist unglaublich leichtgängig und schafft es sogar bei weniger interessanten Stellen, mich ans Geschehen zu fesseln.
Ein weiterer Pluspunkt ist für mich ganz klar die angenehme Länge der Kapitel. So entstand viel Dynamik innerhalb des Buches.

Zu Beginn stehen die Eltern von Poppy, Jens und Lotte im Mittelpunkt. Sie verdienen als Mamablogger ihr Geld durch gesponserte Beiträge und präsentieren ihre zweijährige Tochter am laufenden Band. Ob die Kleine will oder nicht, denn sonst fließt kein Geld mehr.
Anfänglich fand ich beide Eltern unangenehm, im Verlauf der Geschichte jedoch verschob sich dieses Gefühl. Gegen Jens entwickelte ich eine regelrechte Abneigung, manchmal hatte ich den Eindruck, dass Poppy für ihn nur eine Gelddruckmaschine ist. Gleichzeitig regte sich Mitleid für Lotte in mir. Eine offenbar traumatische Vergangenheit macht sie unterwürfig, wenn es um Lebens- und Entscheidungsfragen geht. Dabei schafft sie es nicht konsequent für ihre eigene Wünsche und Bedürfnisse einzustehen. Leider auch nicht für ihre Tochter. Dennoch glaube ich schon, dass sie Poppy über alles liebt.

Die Ermittlerin Emer reizte mich von allen Charakteren am meisten. Sie umgab stets eine Aura aus Geheimnissen, die ich ebenso ergründen wollte wie die Ereignisse ihres Zusammenbruchs, der zu ihrer aktuellen Dienstuntauglichkeit führte.
Generell besticht „Poppy. Dein Kind verschwindet. Und die ganze Welt sieht zu“ durch seine authentisch gezeichneten Figuren, bei denen vieles nicht so war, wie es den Anschein erwecken wollte.

Der Mix aus diversen Familienproblemen, egal ob die die Ermittlerin oder die Familie von Poppy betraf, und unterschiedlichen Traumata ist genau ausbalanciert. So bekommt die Geschichte einen erschütternden realistischen Touch.
Am meisten begeisterte mich, wie geschickt Kristine Getz die Thematik umgesetzt hatte. Das war kein schwarz-weißer Blick auf den Brennpunkt „Kinder im Netz“, sondern beleuchtete sorgfältig von verschiedensten Blickwinkeln, ohne dabei selbst wertend zu sein. Damit spielt sie ganz deutlich mit meinen eigenen Werten und verleitet mich dazu, meine eigene Meinung zu bilden.

Das Finale überraschte mich. Ich hatte wirklich keine Idee, wie das Buch enden würde. Die Aufklärung kam rasant und ausführlich. Dennoch blieben kleine Details ungelöst, wer weiß, vielleicht werden sie im zweiten Band aufgeklärt. Mir jedenfalls hat das Buch richtig gut gefallen, besonders die Auflösung fand ich schlüssig und erschreckend realistisch. Ein echter Thriller, der mir zum Schluss vor Fassungslosigkeit den Atem nahm.

Fazit:
Ein Thriller, der zum Nachdenken und Reflektieren anregt. Aber auch zu unterhalten weiß, einen langsam aber sicher ans Geschehen fesselt und bis zum Schluss nicht mehr loslässt.

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Veröffentlicht am 04.08.2022

Ruhiger Thriller zwischen Schein und Sein

Das Loft
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„Das Loft“ hat definitiv ein Cover, welches ich ansprechend finde. Auch der Klappentext weiß neugierig zu machen und ich war wirklich gespannt auf das Buch. Von Linus Geschke habe ich bislang noch kein ...

„Das Loft“ hat definitiv ein Cover, welches ich ansprechend finde. Auch der Klappentext weiß neugierig zu machen und ich war wirklich gespannt auf das Buch. Von Linus Geschke habe ich bislang noch kein Werk gelesen und war daher auch ganz froh, dass ich für den Einstieg das Buch erwischte habe, welches zu keiner Reihe gehört, sondern ein Einzelband ist.
Im Nachgang muss ich feststellen, dass der Titel eigentlich total nichtssagend ist und im Grunde nicht so recht zum Inhalt passt.

Der Aufbau von „Das Loft“ war gewöhnungsbedürftig, denn er hielt für mich drei Perspektiven bereit. Marc und Sarah erzählten in der Ich-Form, was sie denken und fühlen, was sich oftmals im Schwelgen an Erinnerungen verlor. An und für sich mochte ich, dass ich zwei Sichtweisen auf ein und dasselbe Ereignis erhielt, aber im Verlauf der Geschichte wurde es mir dann manchmal zu viel. Es zog sich so alles irgendwie doppelt zu lesen, auch wenn die Wahrnehmung der beiden manchmal wirklich sehr verschieden ist. Aber für meinen Geschmack hätte das Ganze geraffter sein können. Zusätzlich irritierte mich, dass sich die beiden in ihren Gedankengängen manchmal direkt ansprachen, dann wiederum übereinander redeten, als würden sie mir erzählen, was sie jeweils am anderen mochten oder nicht. Mehr Einheitlichkeit hätte ich besser gefunden.
Hinzu kommt noch der personale Erzähler, der die Kriminalhauptkommissarin Bianca Rakow begleitet. Ihre Erlebnisse, Handlungen und Gedankengänge bleiben stets im Hier und Jetzt. Wer sich jetzt freut, dass wir Lesenden an ihren Ermittlungen richtig teilhaben, den muss ich enttäuschen. Oft schwenkt der personale Erzähler in private Bereiche ab, was ich schon schade fand.

Das Spiel mit der Eigen- und Fremdwahrnehmung war interessant, da besonders die Selbstdarstellung der beiden Verdächtigen Marc und Sarah durch die Beteiligung der Sicht ihres jeweiligen Partners und von Bianca noch zusätzlich in einem anderen Licht dargestellt wurde. So war es schwierig herauszufiltern, wie viel ich glauben kann und was die Wahrheit tatsächlich ist. Das führte zu reichlichen Spekulationen auf meiner Seite und doch ertappe ich mich dabei, dass ich den Charakter Henning wesentlich interessanter fand als den Rest der Truppe. Über ihn erfuhr ich aber nur durch die Erzählungen der anderen etwas, sodass Henning nie richtig greifbar wurde und durch seine Launigkeit das meiste Interesse bei mir weckte.

So richtig mit reißen vermochte „Das Loft“ mich nicht. Mir fehlte ein bisschen der Pepp, auch die Spannung litt durch das ständige Beleuchten sämtlicher Blickwinkel. Es hatte so ein bisschen den Eindruck, als müsste ich ein und dasselbe Ereignis durch drei verschiedene Mikroskope betrachten und bewerten. Der Spannungsbogen zog erst so richtig im letzten Drittel an, als sich abzeichnete, dass sich das Finale näherte.
Das Ende war eine absolute Überraschung. Ich wäre nie auf diese Lösung gekommen und fand das richtig genial ausgetüftelt. Allerdings überzeugte mich zum Schluss Marcs Verhalten nicht ganz, sodass ein schaler Beigeschmack zurückbleibt.

Fazit:
„Das Loft“ ist ein Thriller, der extrem viel mit dem Thema Fremd- und Eigenwahrnehmung spielt, um so zu verschleiern, was die Wahrheit ist. Das muss der Lesende definitiv mögen, dann erhält er einen unterhaltsamen Thriller mit einem unvorhersehbaren Finale.

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Veröffentlicht am 04.08.2022

Dunkle Satire pur

How to kill your family
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„How to kill your family“ ist der Debütroman von Bella Mackie und ein Einzelband. Die optische Aufmachung des Buches gefällt mir extrem gut. Das schwarze Cover mit der weißen Schrift und dem pinken Rand ...

„How to kill your family“ ist der Debütroman von Bella Mackie und ein Einzelband. Die optische Aufmachung des Buches gefällt mir extrem gut. Das schwarze Cover mit der weißen Schrift und dem pinken Rand ist ein absoluter Hingucker. Ganz begeistern konnten mich auch die vielen kleinen verschwommenen Totenköpfe auf der ersten und letzten Seite des Buches. Richtig coole Idee. Dagegen sieht die Originalversion echt langweilig aus.

Ich habe keine Ahnung, was ich mir wirklich vorgestellt hatte, was mich in „How to kill your family“ erwarten würde, aber das, was ich zu lesen bekam, war es definitiv nicht. Die Plotidee gefiel mir richtig gut. Eine Serienmörderin sitzt im Gefängnis für ein Verbrechen, das sie gar nicht begangen hat, klingt ungewöhnlich, aber genial. Und dass sie auch noch selbst davon erzählt, perfekt. Doch das Grace, die Hauptakteurin in „How to kill your family“ zum größten Teil Monologe hält, war zwischenzeitlich schon recht ermüdend. Da trösteten mich auch der schwarze Humor und die scharfzüngigen Beschreibungen der sozialen Ungerechtigkeit wenig darüber hinweg.
Graces Geschichte springt lustig zwischen den Zeitebenen. Mal sitzt sie im Gefängnis und erzählt, was sie gerade erlebt, dann erzählt sie von ihrer Kindheit, um dann zwischendurch zu erzählen, wie sie ein Familienmitglied nach dem Nächsten der Artemis ins Jenseits befördert. Immerhin werden alle drei Handlungsebenen, also Gefängnisaufenthalt, ihr Leben und das ihrer Taten in chronologischer Reihenfolge erzählt. Das stiftet somit keine Verwirrung und ich konnte dem Geschehen gut folgen.
Zwischenzeitlich verlor sich die liebe Grace in ausladenden Beschreibungen, die im Hörbuch übrigens gerafft werden.

Ich muss gestehen, dass ich das Buch im Wechsel gelesen und gehört habe. Britta Steffenhagen leistet ganze Arbeit und verleiht Grace und deren Geschichte nicht nur eine authentische Stimme, sondern bringt Leben ins Geschehen. Dennoch ertappte ich mich gelegentlich dabei, dass ich mit den Gedanken abschweifte.
Die Ausführung der verschiedenen Taten war dagegen immer superspannend und ich fand Grace unheimlich raffiniert in ihrem Vorgehen. Mit ihr selbst wurde ich nicht so richtig warm, auf der einen Seite konnte ich den Frust von Grace verstehen, aber ihre Methoden waren schon recht brachial. Und besonders mit einem Mitglied der Artemis-Familie hatte ich großes Mitleid.

Wer sich nun fragt, warum es noch einen männlichen Sprecher, nämlich Nils Andre Brünnig, gibt, der muss sich sehr lange gedulden, um auf des Rätsels Lösung zu kommen. Mich hat das irgendwann zum Spekulieren angespornt.

Ich würde nicht sagen, dass mich „How to kill your family“ gelangweilt hätte. Im Gegenteil, ich fand die Story ziemlich ungewöhnlich und interessant. Aber ich hätte mir weniger ausschweifende Beschreibungen und noch weniger Monologe gewünscht.
Das letzte Fünftel des Buches hatte es aber wirklich in sich. Ein packender und überaus überraschender Plot Twist machte mich echt sprachlos. Was für eine geniale Wendung und Idee. Und ich liebte das Ende total, es war herrlich unvorhersehbar und absolut passend zu dieser wirklich perfiden Story.

Fazit:
„How to kill your family“ ist dunkle Satire pur, gespickt mit sozialkritischen Kommentaren und mit Morden, die recht unblutig sind. Für alle eine Leseempfehlung, die es gern ausführlich mögen und auch ohne viele Dialoge auskommen.

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Veröffentlicht am 25.07.2022

Keine Rockstarschnulze, sondern eine facettenreiche Geschichte

Rock this way
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Schon beim Anblick des Covers hatte ich wahnsinnige Lust, auf ein großes Konzert zu gehen. Die Stimmung schwappt förmlich über. Die gute Laune und der Wunsch, den Star auf der Bühne zu feiern, ist präsent. ...

Schon beim Anblick des Covers hatte ich wahnsinnige Lust, auf ein großes Konzert zu gehen. Die Stimmung schwappt förmlich über. Die gute Laune und der Wunsch, den Star auf der Bühne zu feiern, ist präsent. Der Titel und auch das Cover sind absolut Programm und passen perfekt zur Story.
Bei „Rock this way“ handelt es sich um einen Einzelband und der Handlungsaufbau orientiert sich an der Jubiläumstour des Protagonisten Ben Paxton. Die Idee gefiel mir richtig gut, da das Rahmengerüst auch viel Platz für andere Ereignisse als nur die umjubelten Konzerte bot.

Ich startete gut in „Rock this way“, weil ich das erste Zusammentreffen der beiden Protagonisten Ben Paxton und Isabel Masters zwanzig Jahre vor der Jubiläumstour richtig interessant fand. Es war von Beginn an eine besondere Magie zwischen den beiden spürbar und ich mochte diesen kribbeligen Funkenflug. Und doch, wenn die Vernunft siegt, dann entwickelt sich daraus eine ganz andere Zukunft. So fühlte es sich vor allem bei Isabell für mich wie ein düsterer Ausblick auf das Leben an, was sie wohl erwarten würde.
Der Zeitsprung von zwanzig Jahren wurde von Sonja Rüther super gelöst und ich mochte es sehr, auf gereiftere und ältere Protagonisten zu treffen. Das Leben ist kein Zuckerschlecken und genau das wurde hervorragend transportiert. All meine Befürchtungen, die Isabel betrafen, erfüllten sich. Sie umgab eine düstere, melancholische und völlig erschöpfte Aura, doch die Ausmaße dessen, was sie erlebt hatte, konnte ich nicht erahnen.

Ich mochte die Protagonisten sehr. Ben war mir sehr sympathisch, trotz seines Ruhmes zeigte er wenig Starallüren, wirkte bodenständig und dennoch wie ein Getriebener. Es war spannend, ihn während der Tournee besser und intensiver kennenzulernen, ebenso wie Isabel. Dank des personalen Erzählers blieb ich stets dicht an den Emotionen und Gedanken der Protagonisten dran, was Nähe und Zuneigung schuf.
Ich fand es grandios, dass alle Charaktere, egal Pro- oder Antagonist, stets authentisch ausgearbeitet wurden und Lebendigkeit in all seinen Facetten ausstrahlten.

„Rock this way“ bietet einen tollen Blick in die Welt der Kunstschaffenden inklusive der wirtschaftlichen Aspekte, denen sie begegnen müssen und die sie durchaus schwer niederdrücken können. So sind beispielsweise Streamingdienste alles andere als Gelddruckmaschinen für die Künstler. Im Gegenteil. Aber auch die Beleuchtung von den Schattenseiten des Ruhmes sowie die Auswirkungen der Medienberichterstattung auf das Leben jener, die in den Fokus rücken, ist eindrucksvoll geschildert. Es ist eben doch nicht alles Gold, was glänzt.

Mit vielen plötzlichen Wendungen, die manchmal nur in kleineren Details hervorblitzen, erhöht sich die Spannung, stachelt die Neugierde auf die Zusammenhänge an und erzeugten bei mir Mitgefühl, gelegentlich auch Mitleid. Zwischendrin schlichen sich manchmal Längen ein und es erschöpfte mich, die Gedankenspiralen der Protagonisten immer und immer wieder vorgesetzt zu bekommen. Immer wenn ich kurz davor war, das Buch mal für eine Weile zur Seite zu legen, um eine Pause zu machen, schaffte es Sonja Rüther mich wieder einzufangen und mich an die neuen Ereignisse zu fesseln.

Die Tournee des Ben Paxton ist der rote Faden der Geschichte und wird konsequent weitergestrickt. Abgerundet wird das Bild durch die selbst getexteten Lieder von Sonja Rüther, die sie ihrem Star mit auf die großen Bühnen Amerikas gibt. In der Reihenfolge seiner Songliste werden sie in die Geschichte eingestreut. Die Idee dazu habe ich geliebt, wirklich aufgenommen habe ich den Inhalt aber nicht. Denn mein Englisch ist leider nicht so flüssig, dass ich die Songtexte spontan hätte korrekt übersetzen können und ich bin da ehrlich. Ich war schlicht zu faul, sie mir mühsam ins Deutsche zu übertragen.
Dennoch, „Rock this way“ hat unglaublich viel Tiefgang. Das hier ist mitnichten eine schnöde Lovestory, sondern eine Geschichte, die auch das wahre Leben genauso schreiben könnte. Die Mischung aus tragischen Lebensumständen und einer Liebe, die nur sehr unwirklichen Boden zum Wachsen findet und die Beleuchtung des Ruhmes mit all seinen Seiten ist schön ausgeklügelt. Ich hatte so einige Aha-Momente beim Lesen und ein viel besseres Verständnis dafür, wie schädlich mediale Macht sein kann und was das für Auswirkungen auf die Personen haben kann, welche die unprofessionelle Berichterstattung trifft.

Fazit:
„Rock this way“ hat Rhythmus in jeder Textzeile und schafft einen absolut mitreißenden Spagat zwischen Liebe, Schuld, Freundschaft sowie dem Wirken und dem Sein als Person des öffentlichen Lebens.

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