Eine ganz besondere Geschichte
Hey JuneDas Cover kam mit so einer frühlingshaften Romantik daher, dass ich ganz verliebt in es war. Ich konnte mir beim Betrachten so gar kein Drama vorstellen. Denn die geschwungenen Noten versprachen eine angenehme, ...
Das Cover kam mit so einer frühlingshaften Romantik daher, dass ich ganz verliebt in es war. Ich konnte mir beim Betrachten so gar kein Drama vorstellen. Denn die geschwungenen Noten versprachen eine angenehme, lebensbejahende Leichtigkeit. Um ehrlich zu sein, erwartete ich auch keine besonders tief berührenden Emotionen, sondern eine leichte und fröhliche Liebesgeschichte. Eine extreme Fehleinschätzung, auf die ich später noch zu sprechen komme.
Mir jedenfalls gefiel das Cover auch nach dem Lesen noch, denn es passte definitiv zur Geschichte. Die Wahl des Titels klärte sich rasch auf und die Skizzierungen der Stadt Leipzig verrieten, dass der Hauptteil der Handlungen sich dort abspielen würde.
Das Innenlayout war absolut stimmig zum Cover. Datumsangaben am Kapitelanfang zeigten an, in welchem Zeitrahmen sich die Ereignisse zutrugen.
Der Einstieg war direkt eine Vorschau in die Zukunft des weiteren Geschehens. Sie verriet nicht viel, im Gegenteil. Ich badete im Ungewissen, wie es dazu kommen konnte, und gleichzeitig fragte ich mich, welche Pläne die Protagonistin Leah wohl verfolgen würde. Dies steigerte die Spannung extrem und ich bekam eine Ahnung davon, dass es hier wohl nicht nur eitel Sonnenschein geben würde.
Sehr erfrischend an dieser Geschichte war für mich, dass sie mit relativ wenigen Figuren auskam. So war es überhaupt kein Problem, dem Ganzen zu folgen. Auch legte Sonja Rüther zwei ganz klare Fokusse. Ich begleitete mithilfe des personalen Erzählers hauptsächlich Leah, durfte aber auch Belinda, der Mutter von Henry, gelegentlich über die Schulter sehen. In meinen Augen ein wirklich kluger Schachzug. Durch Belinda war ich zwar noch immer nah am Geschehen, genoss aber den Vorteil, dass sie mehr Abstand zu manchen Emotionen hatte. Noch mehr davon hätte dem Ganzen mit Sicherheit geschadet.
Leah war mir von Anfang an sympathisch. Als absoluter Kopfmensch agierte sie gerade beruflich total ambitioniert. Ihre Liebe zum Planen und Organisieren hatte sie als ernst zu nehmende Geschäftspartnerin einer Männerdomäne etabliert. Nur privat sollte möglichst alles flexibel bleiben, sodass der Heiratsantrag ihres Freundes Peer sie aus dem Tritt brachte. Leahs Ziel war immer ein selbstbestimmtes Leben und das bitteschön auch in einer Partnerschaft. Warum sie so dachte, erfuhr ich in immer kleinen Rückblicken und konnte ihre Einstellung dazu sehr gut nachvollziehen. Ich nahm Leah als eine sehr freundliche und durchsetzungsstarke Persönlichkeit wahr.
Mit Henry erschuf Sonja Rüther einen Charakter, der im ersten Stepp geheimnisvoll wirkte. Sein Verhalten sprach für einen kultivierten Mann, der charismatisch und ein formvollendeter Gentleman war. Die Dunkelheit, die in ihm wohnte, kam Stück für Stück ans Tageslicht und raubte mir an manchen Stellen den Atem. Seine Traurigkeit umwob ihn wie Nebel und es war schön, wenn Sonnenstrahlen diesen Schleier durchbrachen.
Eine Herausforderung war für mich Belinda, Henrys Mutter. Bei ihr schlug die berufliche Passion als Journalistin komplett zu. Sie fiel immer mit der Tür sofort ins Haus und konnte mit ihrer Fragerei wirklich unangenehm werden. Aber es dauerte nicht lange, bis auch sie mich um den kleinen Finger wickeln konnte. Belinda hatte einen superwarmherzigen Charakter. Mit beiden Beinen stand sie fest im Leben und war dennoch nicht vor Fehlern gefeit gewesen.
Alle drei Hauptcharaktere legten eine starke Persönlichkeitsentwicklung hin. Dabei wirkten sie absolut natürlich und waren mit einem unglaublichen feinen Gespür für Details ausgearbeitet worden. Ich hatte oftmals das Gefühl, echte Menschen auf ihrem Weg zu begleiteten.
Aber auch die Nebenfiguren arbeitete Sonja Rüther liebevoll und authentisch aus. Ich glaube bei ihrem Antagonisten konnte die leidenschaftliche Thrillerautorin nicht aus ihrer Haut. Der brachte ordentlich Nervenkitzel in das Geschehen und intensivierte die Emotionen. Außerdem lag immer eine unterschwellige Bedrohung in der Luft, die alles eindringlicher wirken ließ.
Keine Figur in dieser Geschichte wurde mit Klischees beladen, sondern als eindrucksvolle Individuen dargestellt.
Sonja Rüthers Schreibstil war besonders. Ihr gelang ein besonders schönes, bildhaftes Beschreiben der unterschiedlichen Szenarien. Besonders, wenn es um so empfindliche Passagen wie das Hören von Musik ging. Sie schaffte es, die Gefühle zu transportieren, die gelebte Musik in Menschen auslösen kann, unter Berücksichtigung ihrer eigenen Emotionen. Es war so intensiv, dass es regelrecht fühlbar war. Hier kam ein ganz besonderer Teil des Buches zum Tragen. Denn Sonja Rüther erschuf nicht nur ein Liebesdrama sondergleichen, sondern auch noch eine eigene Oper. Am Anfang war mir nicht klar, wie das alles zusammenhing, doch Stück für Stück verwob sie die Geschichte mit einer Oper, die nicht weniger Emotionen in mir wecken konnte wie die Story an sich.
Ich habe die Mischung an Gefühlen in diesem Buch geliebt. Denn es gab eine wunderschöne Ausgewogenheit zwischen Humor und Tragik. Kurz: Hier tobte das echte Leben mit all seinen Facetten.
Fazit:
„Hey June“ begeistert mit einer sehr tiefgründigen und emotionalen Geschichte, in der die Figuren atmen und sich entwickeln können. Volle Leseempfehlung.