Ein Thriller im Stil einer TV-Produktion
Murder in the FamilyOptisch finde ich „Murder in the Family“ sehr ansprechend. Der in blaugehaltene Fingerabdruck hat auch eine andere Haptik als der Rest des Buchumschlages. Dadurch entsteht ein leichter 3-D-Eindruck. Was ...
Optisch finde ich „Murder in the Family“ sehr ansprechend. Der in blaugehaltene Fingerabdruck hat auch eine andere Haptik als der Rest des Buchumschlages. Dadurch entsteht ein leichter 3-D-Eindruck. Was mich zudem sehr begeistert ist, dass ich schon auf dem Cover mit der Frage „Kannst du den Fall vor ihnen lösen“ herausgefordert werde.
Motiviert schlage ich das Buch auf und staune erst einmal über den Aufbau.
Die beliebte Sendung Infamous ist eine True-Crime-Sendung, in deren einzelnen Staffeln Cold-Case-Fälle von unabhängigen Experten beleuchtet und besprochen werden. Dabei werden alte Beweise gesichtet und die Experten sollen mit neuen Denkanstößen versuchen, neue Ermittlungsansätze zu finden. Dadurch ergibt sich, so die Hoffnung der Produzenten, die Möglichkeit live im Fernsehen das Verbrechen vielleicht doch noch aufzuklären.
In der aktuellen Staffel möchte der Regisseur Guy Howard den Cold-Case seines Stiefvaters Luke Ryder lösen lassen. Dieser wurde vor zwanzig Jahren brutal ermordet und von Guys damals fünfzehnjähriger Schwester aufgefunden. Neben den sechs Experten gibt es dieses Mal noch ein siebtes Teammitglied. Der Lesende selbst. Denn erzählt wird die spannende Jagd nach neuen Beweisen und der Versuch der Aufklärung des Verbrechens vor laufender Kamera im Drehbuchformat.
Abgerundet wird das Ganze mit einem Mix aus Zeitungsartikeln, Chatverläufen, E-Mails, Skripten, Regieanweisungen und sogar einem Diskussionsforum für Zuschauer. So ist die Erzählart überwiegend im Stil der wörtlichen Rede gehalten. Gleichzeitig ist alles da, damit ich mir selbst ein eigenes Bild von allem machen kann.
Zu Beginn fällt mir der Einstieg in „Murder in the Family“ nicht so leicht. Die ungewöhnliche Art, diesen Thriller mit den ganzen Ereignissen zu erzählen, ist gewöhnungsbedürftig. Die Vielzahl an neuen Charakteren und die große Menge an Informationen rund um das Verbrechen muss ich erst einmal sortieren und verarbeiten. Zum Glück gibt mir Cara Hunter die Zeit, um in diesem interessanten Handlungsgerüst anzukommen.
Langsam überwinde ich die Hürden und fühle mich als stummes Mitglied der Expertenrunde. Ich entdecke alles zeitgleich wie sie und kann dementsprechend meine eigenen Überlegungen anstrengen und Schlüsse ziehen. Auf den möglichen Täter habe ich mich schnell eingeschossen, doch Cara Hunter lockt mich immer wieder mit raffiniert gesetzten Plot Twists in neue Richtungen.
Was mich immer mehr begeistert, ist die Tatsache, dass der Aufbau sich wirklich exakt an eine Fernsehproduktion hält. Wie es in der Branche üblich ist, so werden auch hier die Knaller Enthüllungen oft zum Ende des jeweiligen Drehtages enthüllt. Damit treibt Cara Hunter die Spannung immer wieder auf die Spitze und das Buch entwickelt sich zum Suchtpotenzial.
Allerdings sollte nicht unterschätzt werden, dass das Lesen Konzentration und Aufmerksamkeit erfordert. Oft gibt es kleine Hinweise und Andeutungen, die so klug platziert sind, dass sie auch schnell aus dem Fokus rutschen können. Die vielen Wendungen machen „Murder in the Family“ zu einem rasanten Thriller.
Ach, ich bin ja superambitioniert ans Lesen gegangen und war mir sehr sicher zu wissen, wer der Mörder von Luke Ryder war. Cara Hunter lässt mich auch gnadenlos in dem Glauben und packt ein Finale aus, mit dem ich nie und nimmer gerechnet hätte. Ich bin völlig überrascht von der Wendung und kann es kaum fassen. Das Ende ist sauber und doch hat es mir ein neues Rätsel hinterlassen. Die Wahrheit dahinter ist Auslegungssache des jeweiligen Lesenden, mich hat das jedenfalls begeistert das Buch zuschlagen lassen.
Fazit:
Ungewöhnlich und spektakulär aufgebauter Thriller mit vielen spannenden Wendungen. Volle Punktzahl und eine dicke Leseempfehlung.