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Veröffentlicht am 05.07.2022

Kernthemen Individualität, Diversität und Vielfalt

Julian ist eine Meerjungfrau
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Das ausdrucksstarke Cover hatte mir von Anfang gefallen. Es macht schon auf den ersten Blick klar: Du darfst stolz auf das sein, was du bist und fühlst. Ja, „Julian ist eine Meerjungfrau“ ist ein Buch, ...

Das ausdrucksstarke Cover hatte mir von Anfang gefallen. Es macht schon auf den ersten Blick klar: Du darfst stolz auf das sein, was du bist und fühlst. Ja, „Julian ist eine Meerjungfrau“ ist ein Buch, welches als Kernthema Individualität, Diversität und Vielfalt hat. Und alles beginnt mit einem kleinen Schwarzen Jungen, der mit seiner Oma im Zug sitzt und plötzlich drei Meerjungfrauen sieht. Wunderschöne Damen in langen Kleidern, die an die magischen Wesen aus dem Meer erinnern. Und Julian ist verzückt. Er stellt sich vor, wie es wäre seine Sachen einfach abzustreifen, um auch eine Meerjungfrau zu werden. Was für ein Spaß würde es im Meer geben, zwischen all diesen bunten und fröhlichen Meeresbewohnern. Und so reift eine Idee in ihm heran. Es soll kein Traum sein, nein, er wird eine Meerjungfrau.

Und er verwandelt sich in Großmutters Haus in eine. Dank Spitzengardine, Kopfschmuck aus Farn und großzügigem Lippenstift im Gesicht. Doch, oh weh? Was wird Großmutter dazu sagen?
Eine knackige Schlüsselszene, ganz klar. Wird die Stimmung kippen oder darf Julian eine Meerjungfrau sein?
Was ich hier mit so vielen Worten beschreibe, kommt in diesem herrlichen Kinderbuch fast ohne sie aus. Allein die herzlichen und warm gestalteten Menschen, die lebendig gezeichneten Charaktere, deren ausdrucksstarke Gesichter alles verdeutlichen, was wir beim Betrachten wissen müssen, sorgen dafür, dass diese Bilder zu einem sprechen. Sie erzählen die Geschichte eines Jungen, der sich dank Akzeptanz seiner Mitmenschen entfalten darf, der niemandem etwas dabei „wegnimmt“, sondern einfach nur glücklich sein darf. Und das völlig unabhängig von blöden Klischees oder geschlechterspezifischer Rollenverteilung. Meerjungfrau darf sein, wer auch immer eine Meerjungfrau sein möchte. So lässt es sich auch ganz unbeschwert und voller Lebensfreude auf einer Meerjungfrauen-Parade feiern.

Fazit:
Ein wunderschönes Bilderbuch für Kinder ab 3 Jahre mit großflächigen Illustrationen, die mit vielen liebevollen Details alles vermitteln, was wichtig ist.

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Veröffentlicht am 05.07.2022

Ein Türöffner für die eigene Kreativität

Der Fuchs und die verlorenen Buchstaben
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Anlässlich von 20. Jahre Kinderbuch beim Knesebeck Verlag erschienen die vier beliebtesten Titel in einer Mini-Auflage und „Der Fuchs und die verlorenen Buchstaben“ gehörte dazu. Ich mag die Größe, da ...

Anlässlich von 20. Jahre Kinderbuch beim Knesebeck Verlag erschienen die vier beliebtesten Titel in einer Mini-Auflage und „Der Fuchs und die verlorenen Buchstaben“ gehörte dazu. Ich mag die Größe, da das Buch in jede Handtasche passt und unterwegs für viel Unterhaltung sorgen kann.
Denn diese zauberhafte Geschichte ist genau das: Ein Türöffner für die eigene Kreativität.

Die Rahmenhandlung wird schnell erklärt, dabei webt sich sofort ein märchenhafter Zauber um die Bestandteile dieser wundervollen Geschichte. Auf den ersten Blick geht es um ein süßes Mädchen, welches sich ein ganz besonderes Märchenbuch von ihrer Lehrerin ausleiht. Doch auf dem Weg nach Hause verliert es unbemerkt all die schönen Buchstaben, die doch die Märchen erzählen. Übrig bleibt ein reichbebildertes Buch. Gemeinsam mit dem Mädchen entdecken die Lesenden die ganzen zauberhaften und mit vor Details wimmelnden Illustrationen. Und noch etwas anderes geschieht. Ähnlich wie das Mädchen werden auch wir vom passiven Leser zum aktiven Geschichtenerzähler. Es braucht Mut und ein bisschen Zuversicht, doch dann perlen die eigenen Fantasien nur so hervor und ergeben eigene kreative Geschichten. Dies alles ermöglichen pro Doppelseite kurze Sätze, die einen Vorschlag machen, wie die Erzählung des jeweiligen Bildes wohl weitergehen könnte.

Die Vielfältigkeit der Illustrationen ist erstaunlich. Bei den ein oder anderen Zeichnungen musste ich an Bühnenbilder eines Kasperletheaters denken. Liebevoll gestaltete Schauplätze, die nicht immer architektonisch korrekt waren, aber einen tollen Überblick gewährten. Dann ähnelten manche Illustrationen Collagen, die sich aus allerlei Farben und Mustern zusammensetzten und märchenhafte Gestalten und Orte erschufen. Die Zeichnungen webten ihre eigene Magie, luden zum Betrachten, Träumen und Entdecken ein, förderten nebenbei die Kreativität und die Lust, eigene Geschichten zu erzählen.
Das Mädchen fällt durch ihr auffälliges Jäckchen und der dazugehörigen Kapuze auf, während der schlaue Fuchs zwar ein treuer Begleiter auf jeder Seite ist, doch öfter mal mit dem Hintergrund zu verschmelzen scheint. Dabei ist doch der Fuchs nicht aus den Augen zu lassen, hat er möglicherweise etwas mit den verlorenen Buchstaben zu tun?

Für Kinder ab 5 Jahren ist das Buch meiner Meinung nach nur in Begleitung eines Erwachsenen empfehlenswert. Der Aufbau der Geschichte ist komplex und könnte ohne ein wenig Führung überfordernd wirken. Zudem könnte die kleine Schrift Leseanfängern schwerfallen.
Für ältere Kinder bietet „Der Fuchs und die verlorenen Buchstaben“ jedoch ein wahrer Quell an Möglichkeiten, eigene Geschichten zu erfinden und sie in die Welt zu tragen.

Mir persönlich hat „Der Fuchs und die verlorenen Buchstaben“ sehr gut gefallen. Die Gesamtkomposition aus Text und Illustration war wirklich gut gelungen. Außerdem mochte ich es sehr, wie dazu ermuntert wurde, sich selbst Geschichten auszudenken. Denn in der eigenen Vorstellungskraft gibt es keine Regeln und damit auch kein richtig oder falsch.

Fazit:
Eine wunderschöne Liebeserklärung an die Macht der eigenen Vorstellungskraft und die Magie, Buchstaben zu spannenden Geschichten zu verweben.

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Veröffentlicht am 21.06.2022

Ein Atlas der besonderen Art

Atlas der Unordnung
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Ob bewusst oder unbewusst, täglich begegnen uns Grenzen. Sie stehen seit vielen Jahren wieder vermehrt im Fokus der Geopolitik. Wir lesen und hören ständig von ihnen. Seien es Migrations- und Flüchtlingsströme, ...

Ob bewusst oder unbewusst, täglich begegnen uns Grenzen. Sie stehen seit vielen Jahren wieder vermehrt im Fokus der Geopolitik. Wir lesen und hören ständig von ihnen. Seien es Migrations- und Flüchtlingsströme, Nahostkriege, Pandemien oder Eurokrise, ständig füllen Grenzen die Schlagzeilen. Gerade durch den aktuellen Krieg war mein Wunsch relativ groß dieses Thema besser zu verstehen. Daher war ich ganz begeistert, dass „Atlas der Unordnung“ nun auch auf Deutsch erhältlich ist, während die französische Originalausgabe schon 2016 erschien und 2021 überarbeitet wurde.

„Atlas der Unordnung“ ist optisch schon ein tolles Buch. Das gebundene Werk ist hochwertig verarbeitet, ebenso die vielen Karten, die unterstützt durch Schaubilder und Info-Grafiken einen tieferen Blick in ein sehr vielschichtiges Thema gewähren. Das Cover mag ich sehr, denn es vermittelt dem Betrachtenden gleich zu Beginn einen kurzen Eindruck, wie skurril Grenzen sein können und wie komplex vor allen Dingen.

In das Sachbuch bin ich sehr leicht eingestiegen und fand gleich auf der ersten Seite sehr erschreckend, wie gut Lord Curzon of Kedestons Einschätzung zu Grenzen und deren Notwendigkeit schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren. Sie sind so präzise formuliert, dass sie noch immer aktuell sind. Auch die nachfolgende Zitatensammlung verschiedenster Personen des öffentlichen Lebens, hauptsächlich Politikern, zum Thema Grenzen lässt bei manchem tiefblicken.
Die Einleitung sorgte ebenfalls dafür, dass ich problemlos in den „Atlas der Unordnung“ hineinkam, denn zuerst wurde erklärt, was eine Grenze überhaupt ist und welche Gegebenheiten dazu führt, dass sie entstehen kann. Sehr gut fand ich zudem, dass sofort Begriffe wie Annexion und Expansion erklärt wurden, was im Zusammenhang mit Grenzen extrem wichtig zu wissen ist.
Ziemlich erschrocken hatte mich auch, dass nur rund 50 Staatsgrenzen durch friedliche Abspaltung entstanden. Die restlichen Grenzen wurden kriegerisch erwirkt.

Das Hauptthema von „Atlas der Unordnung“ sind geografische Land- und Seegrenzen zwischen den jeweiligen Staaten. Wie es sich für einen Atlas gehört werden hier selbstverständlich alle Regionen der Welt abgedeckt. Auch die Unterteilung des Buches in fünf Kernthemen war übersichtlich und gelungen.
In jedem Abschnitt gibt es erst mal einen einleitenden Sachtext zum jeweiligen Kernthema, anschließend folgt das Anschauungsmaterial in Form von Land- und / oder Meereskarten sowie Infografiken. Durch die Fallbeispiele wird verständlich visualisiert, worum es im Detail geht.
Außerdem wurden mir die verschiedensten Grenztypen erklärt und grafisch verständlich aufbereitet, so wie deren Vor- und Nachteile aufgeführt. So gab es schlüssige Erklärungen weshalb auch natürliche Grenzen (u. a. Flüsse, Meere, Berge, Wüste) ebenfalls Konfliktbeladen sind und bei näherer Betrachtung gar nicht so natürlich sind. Immerhin werden Grenzen ausschließlich von Menschen definiert.

„Atlas der Unordnung“ bietet wirklich ein breites Spektrum an Wissen und ich kam bei vielem kaum aus dem Staunen heraus. So war die Erkenntnis für mich sehr faszinierend, dass Grenzen, wie wir sie heute definieren, sich erst ab dem 17. Jahrhundert herausbildeten. Davor waren Grenzen oftmals keine konkreten Linien. Oder das Frankreichs Grenzen noch immer in Bewegung sind. So wächst Frankreichs Meereshoheitsgebiet noch immer beständig.

Sehr spannend war für mich ebenfalls das Thema Mauern und Migration. Welche Gründe gab es damals Mauern, Zäune, etc. zu errichten und welchem Zweck dienen sie heute. Ebenso wird auf das Thema Migration aus mehreren Gesichtspunkten eingegangen, was ich sehr interessant und informativ empfand.
Faszinierend war für mich auch die Datumsgrenze. Schon skurril, dass wir auf unserem Planeten mal einen ganzen Tag zurück oder vorweg leben können, je nachdem auf welchem Flecken wir uns befinden.
Besonders aufmerksam gelesen habe ich das letzte Kapitel – umstrittene Grenzen. Sie brachten mir nicht nur das aktuelle Zeitgeschehen und den Kampf um Staatenerweiterung näher, sondern auch, warum auch die Konflikte in und um Jerusalem so stark schwelen.

„Atlas der Unordnung“ ist sehr nützlich für das Verständnis der Geopolitik und präsentiert sich mit seinen vielen Karten und Infografiken für eine breite Leserschaft. Mit seinem Inhalt, der auf dem neuesten Stand ist, finden hier Jung und Alt alle möglichen Antworten auf interessante Fragen.

Fazit:
„Atlas der Unordnung“ ist ein besonderes Buch, welches mithilfe von Detailkarten anschaulich alle Regionen der Welt abdeckt und alle Grenzfragen behandelt, die es gibt.

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Veröffentlicht am 21.06.2022

Ein modernes Märchen über die Kraft der Bücher

Der Buchspazierer
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Als ich „Der Buchspazierer“ im Buchladen im Regal stehen sah, war ich ganz verzaubert von dem gebundenen Werk und seinem Cover. Ich mochte es auf Anhieb. Nachdem lesen muss ich sagen, dass die beiden Figuren, ...

Als ich „Der Buchspazierer“ im Buchladen im Regal stehen sah, war ich ganz verzaubert von dem gebundenen Werk und seinem Cover. Ich mochte es auf Anhieb. Nachdem lesen muss ich sagen, dass die beiden Figuren, die auf dem Cover abgebildet waren, nicht denen entsprachen, die ich beim Lesen vor Augen hatte. Aber das macht mir nichts, denn noch immer bin ich vom Buchkleid ganz angetan.

Nicht so angetan war ich am Anfang von der Geschichte selbst. Herr Henn schrieb mir viel zu ausschweifend und sein detailverliebter Szenenaufbau ließ mich mit den Augen rollen. Hinzukam, dass ich den Eindruck hatte, in einer Dauerwerbesendung eines Teleshoppingkanals über Bücher festzustecken. Abgerundet wurde das Ganze von einem alleswissenden Erzähler, der es liebte, ständig Perspektivwechsel zu vollführen, ohne dass ich es habe kommen sehen. Das störte mich schon ein wenig, weil dieses Hin und Her Gehüpfe zwischen den Figuren Verwirrung bei mir schürte. So glaubte ich manchmal einem Logikfehler auf der Spur zu sein, der aber gar keiner war.
„Das kann ja heiter werden“, dachte ich mir so und hatte Angst vor den nächsten Seiten mit ihrem schwülstigen und teilweise antiquierten Schreibstil.

Doch zum Glück entpuppte sich „Der Buchspazierer“ als eine ganz zauberhafte Geschichte. Ja, es war jetzt sicherlich keine sehr anspruchsvolle und tiefgründige Lektüre, aber sie war so voller Wärme und Liebe für das geschriebene Wort.
Das Lesen der Geschichte glich einem gemütlichen Spaziergang durch die Gassen eines beschaulichen Städtchens in Begleitung des charmanten Buchhändlers Carl Kollhoff. Auf seiner täglichen Buchauslieferungsroute lernte ich seine Kundschaft aber auch ihn näher kennen, erfuhr von ihren Leben, Ängsten und Sorgen. Mittendrin in dieses so festgefahrene Leben von Carl platzt ein quirliges neunjähriges Mädchen mit Namen Schascha, die ordentlich Schwung in die Geschichte brachte.

Carsten Henn spielte in „Der Buchspazierer“ gern mit deutlichen Gegensätzen. Während Carl trotz seines stattlichen Alters von 72 Jahren eher naiv und in seinem Verhalten kindlich schüchtern wirkte, hatte Schascha mit ihren 9 Jahren schon eine ziemlich altkluge Art und die Gabe, hinter die Fassaden der Mitmenschen zu blicken. Ihre aufgeweckte Art war aber durchaus erfrischend und so stand Schascha sinnbildlich dafür, alte Strukturen aufzubrechen und diese für Schönes und Neues zu öffnen.

„Der Buchspazierer“ lebte von seinen unterschiedlichen Charakteren. Jeder hatte sein persönliches Päckchen zu tragen, sie alle versteckten sich hinter Alltagsmasken. Das machte diese Geschichte zu einer gemütlich kuscheligen und ganz märchenhaften Erzählung, in der nicht nur viele wundervolle Werke namentlich Einzug hielten, sondern auch die Magie von Büchern eingefangen wurde.

Fast jeder Charakter in dieser Geschichte machte eine Entwicklung seiner selbst durch. Auch wenn sich hier das Buch nicht selbst zu ernst nahm und sich manches schon sehr einfach in eine neue Richtung und günstigen Lösungsansätzen wendete, so blieb doch der Zauber bestehen.

Das Finale berührte mein Herz und ich kam nicht umhin, ein paar Tränchen zu verdrücken. Ja, für den ein oder anderen mag es ein wenig zu viel Kitsch bereithalten, aber ich fand die Dosierung genau richtig.
Das Ende gefiel mir genauso, wie es geschrieben wurde, für mich hätte da gern noch stehen dürften: „Und wenn sie nicht gestorben sind, so liefern sie noch heute auf einem schönen Spaziergang Bücher aus“.

Fazit:
Eine Geschichte, die durch ihre Rührseligkeit Liebe, Wärme und Geborgenheit schenkt, aber auch nicht auf eine gute Portion Drama verzichtet. Ein tolles Buch für alle, die Bücher lieben und es gemütlich mögen.

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Veröffentlicht am 21.06.2022

Eine spannende Mischung aus Realität und Fiktion

Geständnis eines Hochbegabten
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Bei der Entscheidung, „Geständnis eines Hochbegabten“ lesen zu wollen, war für mich der Klappentext am reizvollsten und das Wissen, dass sich der Autor beim Schreiben des Buches von einem echten Fall hat ...

Bei der Entscheidung, „Geständnis eines Hochbegabten“ lesen zu wollen, war für mich der Klappentext am reizvollsten und das Wissen, dass sich der Autor beim Schreiben des Buches von einem echten Fall hat inspirieren lassen. Das Cover hingegen gefällt mir nur bedingt, denn die Anordnung des Titels ist schon extrem gewöhnungsbedürftig. Dabei finde ich die farbliche Komposition durchaus gelungen. Besonders neugierig hat mich die rote Schrift auf der Rückseite des Buches gemacht, was da wohl geschrieben steht?

Der Prolog sorgte sofort für einen packenden Einstieg. Ich begleitete einen Gefangenen zu seiner Hinrichtung und diese Szene führte mir eindrucksvoll den thailändischen Vollzug der Todesstrafe vor Augen. „Death by Gunfire“ gibt es mittlerweile nicht mehr, aber zudem Zeitpunkt, wo die Handlungen spielen, war dies die Art, wie die Todesstrafe vollstreckt wurde. Mir blieb die Luft weg, ich spürte Mitleid mit dem Mann, aber auch dessen Verzweiflung und Angst.
Mit diesem Gefühl und dem Entsetzen startete ich in den ersten Abschnitt. „Geständnis eines Hochbegabten“ wurde insgesamt in vier Teile unterteilt, wobei nur der Prolog und Teil 1 den Charakter eines True Crime Berichtes hatten. Das erzeugte wahnsinnig viel Spannung und ich erfuhr Details über die Ereignisse, die zur Entdeckung des grausig ermordeten Politikerehepaares und den dazugehörigen Ermittlungen führten.

Die verblieben drei Teile wurden in der Ich-Form geschrieben, sodass ich stets den freiberuflichen Journalisten Max Weiden begleitete. Der Fokus lag einzig auf dem sehr komplexen und ziemlich undurchsichtigen Fall. Das Geschehen zog sich über mehrere Jahre, sodass die Unterteilung in vier Abschnitte sehr nützlich gewesen ist.
Mir gefiel dabei sehr die recht klare Abgrenzung vom Prozessgeschehen, vom inneren Konflikt des erzählenden Protagonisten Max Weiden zwischen dem eigenen Anspruch nach professioneller Distanz und dem Wunsch dem Landsmann näherzukommen, ihm vielleicht aus seiner Ausweglosenlage helfen zu können.

Thomas Einsingbach gelingt es eindrucksvoll, lebendige Schauplätze mit handelnden Figuren so zu erschaffen, dass alles unglaublich realistisch wirkt und dadurch sehr bewegend wird. Die Details rund um das thailändische Rechtssystem, politischen Rankespielchen und Strukturen der dortigen Drogenmafia, über Verteilebenen und Bezeichnungen wurden verständlich aufbereitet und so in den Kontext eingebettet, dass ich sie nachvollziehen konnte.
Einzig im zweiten Teil, als ich Max als Prozessbeobachter begleitete, entstanden hier und da ein paar kleine Längen. Die jedoch sofort ab dem Moment passé waren, als Max zwar allmählich der Beziehungsaufbau zum Verurteilen Sven Luring gelingt, er aber noch mit einer intensiveren Recherche haderte.
Besonders intensiv wurde es, wenn ich die Tagebucheinträge von Sven Luring las. Sie wurden im Buch mit einem anderen Schriftbild verdeutlicht, sodass nicht nur inhaltlich, sondern auch optisch ein plausibler Bruch entstand und ich dem Geschehen insgesamt flüssig folgen konnte. Die Haftbedingungen im thailändischen Gefängnis sind wirklich unfassbar schlecht und die Schilderungen davon gingen mir unter die Haut.

Die Geschichte vom „Geständnis eines Hochbegabten“ wird über mehrere Monate, gar Jahre erzählt, doch dank Datumsangaben und flüchtigen Hinweisen, was zwischenzeitlich geschah, fiel es mir nie schwer den Überblick zu behalten. Was mich besonders beeindruckt hatte, war, dass auch die Familie des mutmaßlichen Mörders nicht vergessen wurde. Ihr Schicksal hat mich sehr ge- und berührt und zeigte erschreckend neutral, welche Tragödien sich nach solch einer Hiobsbotschaft abspielen können.

„Geständnis eines Hochbegabten“ ließ sich ungemein flüssig lesen, was auch daran lag, dass es dem Autor glänzend gelang dem thailändischen Lokalkolorit mit reichlich zeitgeschichtlichen Ereignissen und real existierend Figuren zu verknüpfen und sie gekonnt mit unserer europäischen Lebensart- und Einstellung gegenüberzustellen. Gewürzt mit reichlichen und äußerst verschiedensten Emotionen entstand eine sehr bewegende Leseatmosphäre.

Bis zum Schluss hoffte und bangte ich mit, würde es gelingen, den zum Tod Verurteilen zu retten? Aber auch die wahren Hintergründe blieben bis zur Auflösung im Dunkeln. Es gab keine vollständige Erklärung über die Ereignisse, aber genug Indizien, um sich selber ein akzeptables Ende zu stricken.
Gerade dies gefiel mir ungemein gut, da das Buch „Geständnis eines Hochbegabten“ den Charakter eines originalen True Crime Geschehnisses beibehielt.

Fazit:
Eine spannende Mischung aus Realität und Fiktion, gebündelt zu einem Thriller, der unter die Haut geht, zum Rätseln einlädt und zum Nachdenken anregt. Der True Crime Charakter verleiht dem Buch extrem viel Lebendigkeit.

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