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Veröffentlicht am 30.04.2022

Ein wirklich unglaublicher Teeladen

Das unglaubliche Leben des Wallace Price
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Wallace Price hat sein Leben voll und ganz seinem Beruf als Anwalt gewidmet. Eines Tages fällt er tot um und findet sich auf seiner eigenen Beerdigung wieder, wo er sich selbst im Sarg liegen sieht. Gekommen ...

Wallace Price hat sein Leben voll und ganz seinem Beruf als Anwalt gewidmet. Eines Tages fällt er tot um und findet sich auf seiner eigenen Beerdigung wieder, wo er sich selbst im Sarg liegen sieht. Gekommen sind lediglich seine drei Kanzlei-Partner und seine Ex-Frau, die sich darüber auslassen, was für ein schlechter Mensch er war. Keiner kann ihn wahrnehmen, bis auf eine Frau, die sich als Meiying vorstellt. Sie ist sein Sensenmann, die ihm beim Übergang helfen soll.

Mei bringt ihn dafür zu dem ihr zugeordneten Fährmann: Hugo betreibt den Teeladen „Charons Fähre“, in dessen obersten Stock eine Tür ins Unbekannte führt. Für Wallace gibt es eine schlechte und eine gute Nachricht. Die Schlechte: Er ist wirklich tot und sein bisheriges Leben vorbei. Die Gute: Vor dem Schritt durch die Tür kann er eine Weile im Teeladen bleiben. In der ungewöhnlichen Wohngemeinschaft des Teeladens lernt er allerhand Neues über sich selbst und das Leben.

Nachdem T.J. Klunes Roman über Mr. Parnassus für mich ein absolutes Highlight war, wollte ich unbedingt auch diese Neuerscheinung lesen. Ich habe mich ohne den Klappentext zu lesen in die Lektüre gestürzt und war deshalb erst einmal überrascht, dass der Roman so ernst losgeht und Wallace Price nach wenigen Seiten stirbt. Schnell merkte ich jedoch, dass diese Geschichte mit klassischeren Büchern über den Tod nicht viel gemein hat.

Der Autor schildert Wallace Teilnahme an seiner eigenen Beerdigung und dessen Eintreffen in Hugos Teeladen in so unterhaltsamen Ton, dass ich als Leserin nur wenig Traurigkeit empfunden habe. Die Wohngemeinschaft, die sich in „Charons Fähre“ eingerichtet hat, ist höchst ungewöhnlich: Neben Hugo und Mei leben dort auch noch Hugos toter Großvater Nelson und sein toter Hund Apollo. Von diesen lernt er nach und nach alles über sein Dasein zwischen Tod und Tür, zum Beispiel wie er die Kleidung wechseln, sich auf einen Stuhl setzen oder spuken kann. Es sind Szenen voller Herz und Charme, die mich begeistert weiterlesen ließen.

Ich fand die Geschichte sehr einfühlsam erzählt. Trotz der skurrilen Situation würde ich das Buch nicht als lustig bezeichnen. Der Tod spielt im Buch eine zentrale Rolle und es gibt viele nachdenklich stimmende und emotionale Szenen. Die queere Liebesgeschichte fügt sich gelungen in die Handlung ein. Ich habe alle Charaktere im Teeladen im Nu in mein Herz geschlossen und fieberte mit, wie sich die Situation entwickeln wird. Denn bald wird klar, dass diese wirklich nur ein temporärer Zustand sein kann. Und so unglaublich es in Anbetracht des Themas klingen mag: Nach meinem Empfinden hat das Buch ein schönes Happy End erhalten.

„Das unglaubliche Leben des Wallace Price“ beginnt zwar mit dem Tod des Protagonisten, schickt ihn dann aber auf eine in jeglicher Hinsicht bunte Reise, die mir wirklich gut gefallen hat. Beim Lesen durchlebte ich eine große Bandbreite an Emotionen, wobei die positiven deutlich überwogen haben und die Lektüre trotz einiger ergreifender Momente nie tieftraurig wurde. Von mir erhält der Roman eine klare Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 26.04.2022

Sieben Ringe und ein feuriger Engel

Die Silberkammer in der Chancery Lane
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Peter Grant wird in wenigen Tagen zum ersten Mal Vater. Bis zur Geburt sollte er unbedingt Licht ins Dunkel gebracht haben, was den neuesten Falcon-Fall angeht: In den London Silver Vaults in der Chancery ...

Peter Grant wird in wenigen Tagen zum ersten Mal Vater. Bis zur Geburt sollte er unbedingt Licht ins Dunkel gebracht haben, was den neuesten Falcon-Fall angeht: In den London Silver Vaults in der Chancery Lane ist ein Mann auf mysteriöse Weise gestorben, kurz nachdem er einen ganz bestimmten Ring gesucht und dann den Ladenbesitzer mit einer Waffe bedroht hat. Eine erste Untersuchung ergibt, dass es sich bei der Waffe um ein Imitat handelt und dem Mann das Herz so herausgetrennt wurde, als wäre es mit einem Eiskratzer geschehen. Die Spur des gesuchten Rings führt Peter zu einer zweiten Leiche und auf die Fährte einer Gruppierung, die sich zuletzt vor über fünfundzwanzig Jahren getroffen hat und die nun ins Visier einer Gestalt geraten sind, die wie ein Engel mit brennendem Speer aussieht.

Der inzwischen neunte Fall für Peter Grant beginnt mit dessen Ankunft am Tatort in den London Silver Vaults. Mit dabei ist DC Danni Wickford, die vor kurzem mit dem Grundkurs Falcon-Management begonnen hat und nun ihren ersten Praxiseinsatz auf dem Gebiet erlebt. Der einzige Anhaltspunkt, der sich ihnen bietet, ist der mysteriöse Ring, nach dem der Tote vor seinem Ableben gesucht hat.

Aus meiner Sicht eignet sich der Band gut für einen Quereinstieg in die Serie, da Danni viele grundlegende Dinge erklärt werden. Es wartet einiges an klassischer Ermittlungsarbeit in Form von Recherchen und Befragungen auf die Ermittler. Indem Peter und Danni der Spur des Rings folgen, stoßen sie auf allerhand Überraschendes. Besonders unterhaltsam fand ich die mysteriöse Gestalt des feurigen Todesengels. Während diese mehr auf Konflikt und weniger auf Konversation setzt helfen andere neue Charaktere mit ihrem Spezialwissen weiter.

Im Laufe der Fälle wurde die Serie um immer mehr Charaktere begeistert, von denen viele immer wieder auftauchen. Auch in diesem Band gibt es zahlreiche Wiedersehen, wobei die meisten von ihnen kurz ausfallen und der Fokus auf dem aktuellen Fall bleibt. Die unterhaltsamen Füchse haben einige Auftritte, während Abigail leider kaum in Erscheinung tritt, obwohl sie während des ganzen Bandes Beverley bei den Geburtsvorbereitungen unterstützt.

Der Band bietet eine gelungene Mischung aus Ermittlungsarbeit, überraschenden Entwicklungen, Actionszenen und Einblicken in die Privatleben von Peter und weiterer Polizist:innen. Nachdem ich den achten Band etwas schwächer erlebte, schöpft Ben Aaronovitch das Potenzial seiner Welt hier wieder aus. Egal, ob ihr die Reihe schon kennt oder nicht: Schnappt Euch diesen magischen Kriminalfall für einige Stunden bester Unterhaltung!

Veröffentlicht am 23.04.2022

Tomaten über Tomaten

Tomaten
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Von Adora bis zur Zahnradtomate: Der dreizehnte Band der illustrierten Lieblingsbücher von Kat Menschik widmet sich ganz der großen Vielfalt an Tomatensorten, die es zu entdecken gilt. Außen ist das Buch ...

Von Adora bis zur Zahnradtomate: Der dreizehnte Band der illustrierten Lieblingsbücher von Kat Menschik widmet sich ganz der großen Vielfalt an Tomatensorten, die es zu entdecken gilt. Außen ist das Buch knallrot, doch innen entdeckt man schnell eine die verschiedensten Farben und Formen.

Der Reise durch die Welt der Tomaten vorangestellt ist ein kurzer persönlicher Text von Kat Menschik, in welchem sie sich als ausgesprochene Tomatenliebhaberin zu erkennen gibt und die Entstehungsgeschichte des Buches beschreibt. Die folgenden 69 Seiten sind je einer Tomatensorte gewidmet. Die Seiten sind alle gleich aufgebaut: Sie zeigen eine Illustration der ganzen Frucht, welche mit dem Namen der Sorte und einem Kommentar von Kat Menschik versehen ist. Diese Kommentare sind meist zwei oder drei Sätze lang und informieren zum Beispiel über den Geschmack, Verwendung oder Besonderheiten.

Kat Menschik gelingt es, ihre große Begeisterung für Tomaten und Tomatenzucht an die Betrachter:innen dieses Buches zu vermitteln. Sie lädt dazu ein, neue Sorten zu entdecken und die Unterschiede zu erleben. Nach „Essen essen“, dem sechsten Band der illustrierten Lieblingsbücher, ist dies das zweite Buch, in dem nicht nur die Illustrationen von Kat Menschik stammen, sondern auch alle Texte. Es ist ein weiteres Beispiel dafür, dass diese Lieblingsbücher-Reihe nicht nur optisch, sondern auch thematisch kunterbunt ist und bei jedem Band eine neue Überraschung wartet.

Im Vergleich hat mir „Essen essen“ noch etwas besser gefallen: Dort waren die Seiten randvoll beschrieben und illustriert, wodurch ein schöner Wimmeleffekt entstand. Hier ist der Stil deutlich nüchterner mit genau einer Tomate pro Seite auf weißem Grund, wodurch je nach Größe der Sorte viel Platz frei bleibt. Im Vergleich ist auch relativ wenig Text enthalten, wodurch das Buch innerhalb weniger Minuten gelesen ist. Es zielt vor allem auf die Inspiration durch Betrachtung der gelungenen Illustrationen ab und eignet sich daher vor allem als (Selbst-)Geschenk für alle Tomatenliebhaber:innen, die Lust auf das Züchten und Kosten neuer Sorten haben.

Veröffentlicht am 19.04.2022

Kurzweilige, unterhaltsam chaotische Hochzeitskomödie

Undercover Bridesmaid – Das perfekte Durcheinander
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Sophie Breeze ist eine professionelle Brautjungfer: Sie lässt sich von Bräuten buchen, um diese in den Vorbereitungen und während des großen Tages bestmöglich zu unterstützen. Den anderen Gästen gegenüber ...

Sophie Breeze ist eine professionelle Brautjungfer: Sie lässt sich von Bräuten buchen, um diese in den Vorbereitungen und während des großen Tages bestmöglich zu unterstützen. Den anderen Gästen gegenüber gibt sie sich als Freundin aus, damit niemand Verdacht schöpft. Als sie von der Marquise von Meade die Anfrage erhält, ihre Tochter als Brautjungfer zu unterstützen, ist die völlig aus dem Häuschen: Die Hochzeit der berühmten Lady Cordelia Swann verspricht, das Ereignis des Jahres zu werden! Cordelia selbst sieht allerdings nicht ein, weshalb sie Sophies Dienste in Anspruch nehmen soll. Sie stellt allerlei Anforderungen an Sophie, die sie dazu bringen sollen, zu kündigen. Doch so leicht gibt Sophie nicht auf.

Zu Beginn des Buches lernte ich Sophie kennen, während sie ganz in ihrem Element ist: In ihrer Rolle als Brautjungfer zieht sie im Hintergrund die Stippen, damit bei der Hochzeitsfeier alles nach Plan läuft. Die Hochzeitssaison neigt sich dem Ende zu, doch für das nächste Jahr hat sie schon zahlreiche neue Aufträge erhalten. Nur eine Hochzeitseinladung kommt ihr gar nicht recht: Die ihres Ex-Freundes Daniel. Und dabei war sie selbst seit der Trennung nicht einmal auf einem Date!

Bald hat sie jedoch gar keine Zeit mehr, sich darüber Gedanken zu machen, denn ihr neuer Auftrag als Brautjungfer von Lady Cordelia beansprucht ihre gesamte Zeit. Für Sophie ist es die Chance, Zugang zu weiteren Klientinnen der High Society zu erhalten. Doch Cordelia stellt sich als echter Bridezilla heraus: Sie stellt unmögliche Ansprüche, scheucht Sophie in der Gegend herum und lässt sie spüren, dass sie nicht erwünscht ist. Ein Lichtblick ist ihr Bruder Tom, der als Viscount einer der begehrtesten Junggesellen der Stadt ist und bei dem Sophies Zuneigung auf Gegenseitigkeit zu beruhen scheint. Doch dieser kennt nicht einmal ihren wahren Namen, den sie für Cordelias Hochzeit in Emily geändert hat.

Der Roman legt ein gutes Tempo vor und eine skurrile Szene jagt die nächste. Ich fand es sehr unterhaltsam, Sophie bei ihren verzweifelten Versuchen zu begleiten, den Ansprüchen von Cordelia gerecht zu werden. Zwischen den Kapiteln gibt es immer wieder Einschübe mit verrückten Anfragen anderer Bräute oder Dialogen mit Dienstleistern, bei denen nicht alles nach Plan läuft, die das Planungschaos noch verstärken. Sophie fällt es grundsätzlich schwer, Nein zu sagen, und weil sie den Auftrag der Familie Swann nicht verlieren will, verhält sie sich ihnen gegenüber geradezu devot. Im Laufe der Geschichte macht sie aber eine schöne Entwicklung durch. Etwas mehr erhofft hatte ich mir von der Lovestory, für die leider kaum Zeit blieb.

Wer Lust auf eine kurzweilige und chaotische Hochzeitskomödie hat, für den ist „Undercover Bridesmaid“ genau das Richtige!

Veröffentlicht am 15.04.2022

Was ist auf der „Lazy Susan“ geschehen?

Sturmopfer
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Lucy lebt mit ihrem Mann Daniel und ihren Kindern Billie und Fin in einem abgelegenen Touristenort an der zerklüfteten Südwestküste Englands. Eines Mittags ist sie allein zu Hause, als sie die Nachricht ...

Lucy lebt mit ihrem Mann Daniel und ihren Kindern Billie und Fin in einem abgelegenen Touristenort an der zerklüfteten Südwestküste Englands. Eines Mittags ist sie allein zu Hause, als sie die Nachricht erhält, dass die „Lazy Susan“, das Boot der Familie, auf dem Meer treibend gefunden wurde. War es etwa nicht richtig festgemacht? Aus Lucys Unruhe wird bald Bestürzung, als sie erfährt, dass Daniel nicht wie geplant in seiner Firma ist. Während ein Sturm herannaht, läuft die Suche auf offener See an. Dann stellt sich heraus, dass auch Lucys Kinder nicht dort sind, wo sie sein sollten. Ein verzweifelter Wettlauf gegen die Zeit beginnt, der dominiert wird von der Frage, was auf der „Lazy Susan“ vorgefallen ist.

Ich habe mich sehr über einen neuen Thriller aus der Feder von Sam Lloyd gefreut, nachdem mich sein Debüt „Der Mädchenwald“ vor anderthalb Jahren begeistern konnte. Gleich auf der ersten Seite wendet sich eine unbekannte Stimme direkt an die Protagonistin Lucy und spricht von Schmerzen, die sie ihr zufügen wird. Doch diese Botschaft erhielt nur ich als Leserin. Danach wechselt die Perspektive zu Lucy und ich erlebte hautnah mit, wie die finanziellen Sorgen, die sie umtreiben, plötzlich zum kleinsten Problem werden und ihr ganzes Leben zerbricht.

Der Autor schreibt sehr atmosphärisch und schafft starke Bilder: Während ein schwerer Sturm heranrollt und das Meer aufwühlt, suchen Helfer nach Lucys Familie, die vermutlich auf dem Boot war. Aus Lucys Handlungen spricht pure Verzweiflung und ich bangte mit, zu welchem Ergebnis die Suche führen wird. Die Kapitel aus Sicht von Detective Inspector Abraham Rose, der mit der Untersuchung der Vorfälle betraut wird und dem apokalyptische Bibelzitate im Kopf herumschwirren, verstärken die bedrohliche Stimmung noch weiter.

Lucy erlebt eine konstante Abwärtsspirale, bei der eine schreckliche Nachricht die nächste jagt und die Situation immer tragischer wird. Die Suche nach Antworten auf das Warum ist jedoch wenig ergiebig und die Situation erscheint ausweglos. Hilflos muss Lucy zusehen, wie ihr Leben zerbricht. Diese Chronik einer Tragödie ist harter Lesestoff, bei dem ich persönlich eine Möglichkeit für die Protagonistin vermisste, irgendwie Einfluss zu nehmen.

Weitere Einschübe der Stimme von der ersten Seite machten mir klar, dass Lucy noch mehr Leid erwarten wird. Erst im letzten Drittel des Buches kommt allmählich Licht ins Dunkel, was die sich aufdrängenden Fragen angeht. Aus meiner Sicht hat der Autor beim Versuch, eine möglichst undurchsichtige Handlung zu schaffen, für ein Ungleichgewicht gesorgt, bei dem ich lange nichts als Fragezeichen im Kopf hatte und plötzlich alles sehr schnell geht und eine Erklärung geliefert wird, bei der ich die Raffinesse vermisst habe. Mir hat die Gelegenheit zum Miträtseln gefehlt. Wer Lust auf einen atemlosen, tragischen und sehr atmosphärisch erzählten Thriller hat, für den könnte „Sturmopfer“ genau das Richtige sein.