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Veröffentlicht am 02.05.2020

Krasse Geschichten mit dystopischen und irrealen Szenarien

Friday Black
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Stell dir vor, Du arbeitest am Black Friday in einem Bekleidungsgeschäft - und die Menschen kommen aufgrund der Angebote nicht nur in Massen, sie drehen dabei völlig durch und verhalten sich zombiehaft ...

Stell dir vor, Du arbeitest am Black Friday in einem Bekleidungsgeschäft - und die Menschen kommen aufgrund der Angebote nicht nur in Massen, sie drehen dabei völlig durch und verhalten sich zombiehaft ganz ohne Rücksicht auf Verluste. Mehrere Tote pro Geschäft sind normal, sie werden in einer Ecke gesammelt. Szenen von dichtem Gedränge bis hin zu Knochenbrüchen kennt man aus dem Fernsehen, doch der Autor Nana Kwame Adjei-Brenyah verschärft diesen Ausnahmezustand in seiner titelgebenden Story „Friday Black“ bis ins Extrem.

Das Buch beinhaltet zwölf Kurzgeschichten mit einer großen Bandbreite an Themen. Rassismus und Gewalt spielen eine zentrale Rolle, aber auch die Beziehung zu den Eltern, übersteigerter Ehrgeiz und Konsumwahn. Der Autor legt nicht nur seinen Finger in die Wunden der Gesellschaft, er bohrt ihn ganz tief hinein. Dabei wird vieles überspitzt dargestellt bis hin zu geradezu dystopischen und irrealen Szenarien. In „Durch den Blitz“ erleben die Menschen den letzten Tag vor der Auslöschung immer wieder und bringen sich mal gegenseitig um, mal essen sie Pfannkuchen miteinander. In „Lark Street“ redet der Protagonist mit seinen abgetriebenen Zwillingen, die er in der Hand trägt. In vielen Geschichten werden Menschen ermordet - zum Beispiel erschießen Weiße Schwarze ohne Konsequenzen unter dem Deckmantel des Selbstschutzes oder können dies in einer anderen Geschichte auch einfach simulieren, um für den „Ernstfall“ gerüstet zu sein oder weil es ihnen Spaß macht.

„Krass“ ist ein Wort, dass meine Gefühle rund um diese Geschichten gut zusammenfasst. Sie sind brutal und gingen mir immer wieder unter die Haut. Dabei fand ich etwa zwei Drittel sehr gut, mit dem Rest konnte ich wenig bis gar nichts anfangen. Enden sind bei Kurzgeschichten immer so eine Sache, ich fand sie in Summe eher abrupt und hätte mir oft einen bewussteren Abschluss gewünscht.

„Friday Black“ ist wie ein wilder Ritt, der unbequem ist und den man hinterher trotzdem nicht bereut!

Veröffentlicht am 01.05.2020

Ein actionreicher und rasanter Fantasy-Thriller

Vengeful - Die Rache ist mein
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Fünf Jahre sind vergangen, seit Victor Vale und Eli Ever sich in einem folgenreichen Kampf begegnet sind. Seither gilt Victor als tot, und Eli ist als Massenmörder hinter Schloss und Riegel. Doch die Wahrheit ...

Fünf Jahre sind vergangen, seit Victor Vale und Eli Ever sich in einem folgenreichen Kampf begegnet sind. Seither gilt Victor als tot, und Eli ist als Massenmörder hinter Schloss und Riegel. Doch die Wahrheit sieht etwas anders aus: Victor lebt, doch seine Fähigkeit hat sich verändert und wird zunehmend zur Bedrohung für ihn selbst. Und Eli ist im Gefängnis eine ungewöhnliche Kooperation eingegangen und in der Folge höchst aktiv. Schließlich betritt in Merit eine neue EO die Bühne: Marcella Riggins wurde von ihrem Mann, einem einflussreichen Mafioso, getötet, nachdem sie seine Affäre entdeckt hat. Jahrelang stand sie in seinem Schatten. Nun will sie nicht nur Rache, sondern strebt auch nach Macht - und ihre neue zerstörerische Fähigkeit erweist sich auf dem Weg nach ganz oben als überaus hilfreich.

Nachdem mich die Autorin im letzten November mit „Vicious. Das Böse in uns“ begeistern konnte, war diese Fortsetzung ein Must Read für mich. In Deutschland lagen zwischen den Veröffentlichungen der beiden Bücher nur wenige Monate, in Amerika jedoch fünf Jahre, denn die Autorin hat dazwischen die Weltenwanderer-Trilogie geschrieben. Diese fünf Jahre hat die Autorin auch in ihrer Buchwelt vergehen lassen.

Wie schon im ersten Band sind die Kapitelüberschriften als Countdown angelegt. Der Leser erfährt jeweils, wie viele Wochen oder Jahre vor einem unbekannten Ereignis das Kapitel spielt. Es gibt es mehrere Handlungsstränge, wobei in manchen Phasen häufiger hin und her gesprungen wird und der Fokus in anderen länger auf einem bestimmten Charakter bleibt.

Nach einem Intro, in welchem Marcella zur neuen EO wird und ihre Fähigkeit entdeckt, liegt der Fokus zunächst vor allem auf Victor. Er ist mit seiner Wahlfamilie, bestehend aus Sydney, Mitch und Dol, im Land unterwegs, um nach einer Heilung für sich zu suchen. Denn seit Sydney ihn mithilfe ihrer Fähigkeit von den Toten zurückgeholt hat, spielt seine Gabe verrückt. Hinter sich her zieht er eine Spur aus toten EOs, die ihm nicht helfen konnten und danach für immer schweigen sollten. Die neue Organisation EON, welche sich um die Neutralisation ExtraOrdinärer kümmert, ist ihm jedoch auf der Spur - mit Beratung von niemand geringerem als Eli Ever.

Ich fand es interessant, die Entwicklung der Charaktere zu beobachten. Victor ist selbst zum Massenmörder geworden, um sein Problem zu vertuschen, wodurch sich die Frage stellt, was ihn noch von Eli unterscheidet. Sydney, die ihn begleitet, ist inzwischen eine junge Frau, die das Leben auf der Flucht zunehmend anstrengend findet und immer mehr eigene Entscheidungen trifft. Eli ist durch die Hölle gegangen und kalt gestellt, hat sich aber trotzdem noch nicht aufgegeben. Und der Weg von Marcella hat gerade erst begonnen.

Marcella bringt als neue Figur frischen Wind in die Handlung. Sie ist eine starke Frau, die genug davon hat, nur hübsches Beiwerk zu sein. Innerhalb kürzestern Zeit pflastern Tote ihren Weg an die Spitze der Macht. Auch die Gestaltwandlerin June ist neu dabei und hat Fähigkeiten, die neue Möglichkeiten eröffnen. Schade fand ich, dass man nur wenig über ihre Vergangenheit erfährt.

In Sachen Tempo, Action und Brutalität schließt das Buch nahtlos an seinen Vorgänger an. Es gibt erneut zahlreiche Tote, jedoch ohne allzu detaillierte Schilderungen der Gewalt. Weil neue Charaktere hinzu gekommen sind und die bisherigen allesamt weiterhin mitmischen ist die Handlung komplexer geworden und es gibt ständig neue Überraschungen. Auch der Showdown kann sich sehen lassen und bietet einen stimmigen Abschluss. Alle Leser, die „Vicious“ begeistern konnte, sollten sich diese Fortsetzung auf keinen Fall entgehen lassen!

Veröffentlicht am 01.05.2020

Kann Floris Traum von einem Leben als Künstlerin wahr werden?

Die Schwestern vom Ku'damm: Tage der Hoffnung
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Im Jahr 1958 kehrt Florentine Thalheim nach West-Berlin zurück. Sechzehn Monate hat sie in Paris verbracht, doch dann hat ihr Freund Pascal sie verlassen. Auch in der Heimat hat sie nur eins im Sinn: Kunst! ...

Im Jahr 1958 kehrt Florentine Thalheim nach West-Berlin zurück. Sechzehn Monate hat sie in Paris verbracht, doch dann hat ihr Freund Pascal sie verlassen. Auch in der Heimat hat sie nur eins im Sinn: Kunst! Deshalb kommt sie erst einmal bei ihrem Cousin Gregor und dessen Lebensgefährten unter, statt bei ihren Eltern einzuziehen und sich entsprechend der Pläne ihres Vaters im Modekaufhaus Thalheim am Ku’Damm einzubringen. Als sie an der Hochschule für bildende Künste abgelehnt wird, ist die Enttäuschung groß. Doch so schnell gibt Flori nicht auf.

Nachdem der Fokus erst auf Rike und dann auf Silvie Thalheim lag, ist in „Tage der Hoffnung“ Flori an der Reihe. Nach über einem Jahr in Paris kehrt sie in die Heimat zurück, doch den Plänen ihres Vaters will sie sich trotzdem nicht beugen. Stattdessen will sie ihre Zeit ganz der Kunst widmen. Floris experimentiert gerne mit Farben, doch auch das Fotografieren interessiert sie. Mit Begeisterung und Leidenschaft setzt sie ihre Projekte um. Über die Kunst findet sie neue Freunde, die ihr Halt geben. Ausgerechnet ihr Lehrer ist es, der ihr das Leben schwer macht und Zweifel in ihr sät.

Floris Werdegang steht im Mittelpunkt, doch man erfährt auch viel darüber, wie es für die Familie Thalheim grundsätzlich weitergeht. Schön fand ich, dass Flori viel Zeit mit ihrer Cousine Franzi verbringt, die inzwischen eine bekannte Schauspielerin ist. Deren Eltern leben im Ostteil der Stadt und wollen dort auch nicht weg, was zunehmend zum Problem wird. Luisa, die Mutter von Oskars Kind, bringt mit ihren Wünschen zusätzliche Unruhe in das Familienkonstrukt.

Flori ist deutlich jünger als ihre beiden Schwestern und fühlt sich von den beiden immer wieder ausgeschlossen. Sie hat das Gefühl, brisante Familiengeheimnisse immer als allerletzte zu erfahren. Von diesen gibt es wieder einige. Das Thema Wer-hat-mit-wem wurde für meinen Geschmack schon im zweiten Band zu sehr ausgereizt, und dieser Kritikpunkt zieht sich weiter durch dem dritten Band.

Lange wird das Buch von Familienangelegenheiten und Floris Kunst dominiert, während die historischen Entwicklungen eher am Rande thematisiert werden. Ich hätte mir eine etwas straffere Erzählung dieser Phase gewünscht. Mit dem Bau der Mauer kommt neuer Schwung in die Handlung. Ereignisse wie die Rede Willy Brandts gegen den Mauerbau und ein Besuch Marlene Dietrichs in Berlin werden thematisiert. Beim Thama Mauerbau hat sicher jeder bestimmte Bilder im Kopf, und Flori passt mit ihrer Kamera gut ins allgemeine Geschehen. Der Leser begleitet sie durch Höhen und Tiefen bis hin zu einem emotionalen und historischen Moment, der die Trilogie gelungen abschließt!

Veröffentlicht am 25.04.2020

Speziell und originell - mir hat es gefallen!

Meine Schwester, die Serienmörderin
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Korede und ihrer Schwester Ayoola begegnet der Leser zum ersten Mal, als sie gerade dabei sind, eine Leiche zu entsorgen. Es handelt sich um Ayoolas Freund, auf den sie aus Notwehr mit einem Messer eingestochen ...

Korede und ihrer Schwester Ayoola begegnet der Leser zum ersten Mal, als sie gerade dabei sind, eine Leiche zu entsorgen. Es handelt sich um Ayoolas Freund, auf den sie aus Notwehr mit einem Messer eingestochen hat. Und Korede weiß als Krankenschwester eben, wie man sauber macht. Das Problem: Es ist bereits der dritte Vorfall dieser Art, und Korede kauft ihrer Schwester die Sache mit der Notwehr nicht mehr ab. Offensichtlich ist Ayoola eine Serienmörderin. Als Ayoola kurz darauf im Krankenhaus auftaucht und mit dem Arzt flirtet, in den Korede schon lange verliebt ist, bekommt sie es mit der Angst zu tun. Auf keinen Fall darf Tate das nächste Opfer von Ayoola werden!

Zu Beginn der Geschichte ist es eigentlich schon zu spät für die beiden Schwestern: Ayoola hat ihren dritten Mord verübt, und Korede hängt tief mit drin, weil die beiden die Leichen gemeinsam entsorgt haben. Zum einen fragt man sich, wie es so weit kommen konnte, zum anderen, ob Ayoola gestoppt werden kann. Es handelt sich um eine bitterböse Geschichte mit einer großen Portion schwarzem Humor. Die Atmosphäre ist entsprechend mehr „Das ist jetzt aber wirklich blöd.“ und weniger „Oh mein Gott! Mörderin!“. Die beiden Schwestern verbindet auf den ersten Blick nicht viel, doch im Verlauf des Buches erfährt man mehr darüber, was die beiden gemeinsam durchlebt haben, was Erklärungen für ihr Verhalten liefert. Das Thema der weiblichen Selbstbestimmung bildet den ernsten Kern des Buches. Bei hohem Tempo wird vor allem auf viele kurze Szenen gesetzt, die Koredes Dilemma zeigen, statt zu verweilen und in die Tiefe zu gehen. Speziell und originell - mir hat es gefallen!

Veröffentlicht am 21.04.2020

Einblicke in eine fremd erscheinende Welt

Kein Teil der Welt
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Esther und Sulamith waren von klein auf beste Freundinnen, die alle Geheimnisse miteinander geteilt haben. Für sie als Teil der Zeugen Jehovas war da immer eine Distanz zu den Weltmenschen in der Schule. ...

Esther und Sulamith waren von klein auf beste Freundinnen, die alle Geheimnisse miteinander geteilt haben. Für sie als Teil der Zeugen Jehovas war da immer eine Distanz zu den Weltmenschen in der Schule. Doch dann verliebt Sulamith sich und beginnt, den Glauben mit seinen Regeln und Pflichten zu hinterfragen.

Ein Jahr später ist Esther mit ihren Eltern aus dem Ruhrgebiet in das Heimatdorf ihres Vaters im Osten gezogen. Es ist kurz nach der Wende und die Zeugen Jehovas sind nicht mehr verboten. Nun bauen ihre Eltern hier einen neuen Königreichssaal auf und versuchen, neue Menschen für ihren Glauben zu gewinnen. Was mit Sulamith passiert ist, darüber redet niemand. Und Esther muss feststellen, dass ihre Eltern ihr schon lange einige Dinge verheimlichen.

Ich habe mich mit den Zeugen Jehovas bislang nur oberflächlich auseinandergesetzt und fand es interessant, Einblicke von einer Autorin zu erhalten, die im Alter von 15 Jahren die Gemeinschaft verlassen hat. Die Geschichte ist fiktiv, doch bei den Schilderungen von Esthers und Sulamiths Teenager-Alltag bei den Zeugen, wo sie unter anderem am Predigtdienst, Bibelstudium und Versammlungen teilnehmen und Dinge wie Geburtstag und Weihnachten nicht feiern dürfen, hat sie ihre Erfahrung einfließen lassen. Auf einer zweiten Zeitebene wird von Esthers Ankommen in Ostdeutschland berichtet, sodass man als Leser in der Zeit vor und zurück springt und allmählich erfährt, was vor dem Umzug passiert ist.

Das Buch ist keine Abrechnung und beschönigt auch nichts, sondern erlaubt eine kritische Auseinandersetzung. Gleichzeitig erzählt es vom Erwachsenwerden - es geht um Freundschaft, die erste Liebe, dem Loslösen vom Elternhaus und dem Streben nach Normalität. Hier kommen jedoch die Regeln der Zeugen Jehovas ins Spiel - unter anderem darf man nicht einfach so eine Beziehung anfangen, erst recht nicht mit einem Weltmenschen - durch die bald Konflikte mit weitreichenden Folgen entstehen. Eine tiefgründige Geschichte mit vielen Einblicken in eine fremd erscheinende Welt, die an vielen Stellen bedrückt und schleichend an Dramatik gewinnt bis hin zu einem offenen Ende, das ich als stimmig erlebte.