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Veröffentlicht am 18.04.2020

Wird an Ellerys Geburtstag erneut ein Mensch verschwinden?

Wie viele willst du töten
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Ellery hat in ihrem Leben früh Schreckliches erlebt: An ihrem vierzehnten Geburtstag geriet sie in die Fänge eines Serienmörders. Doch im Gegensatz zu den Mädchen vor ihr kam sie mit dem Leben davon: Reed ...

Ellery hat in ihrem Leben früh Schreckliches erlebt: An ihrem vierzehnten Geburtstag geriet sie in die Fänge eines Serienmörders. Doch im Gegensatz zu den Mädchen vor ihr kam sie mit dem Leben davon: Reed Markham vom FBI konnte den Täter überführen und fand sie in dessen Wandschrank. Vierzehn Jahre später ist Ellery selbst Polizistin in Woodbury, Massachusetts. Über ihre Vergangenheit hat sie hier mit niemandem geredet, auch ihr Geburtsdatum im Juli kennt absolut niemand. Dennoch hat ihr jemand in den letzten drei Jahren jeweils pünktlich die gleiche anonyme Geburtstagskarte geschickt. Und jedes Mal verschwand zur gleichen Zeit jemand aus dem kleinen Ort, in dem sie lebt und arbeitet. Bislang wollte ihr niemand glauben, dass die drei Fälle in einem Zusammenhang stehen. Doch nun ist wieder Juli - wird wieder ein Mensch verschwinden? Verzweifelt wendet Ellery sich an Reed Markham mit der Bitte, ihr zu helfen.

Das Buch fällt mit seinem farbigen Buchschnitt ins Auge und die mit meinem Leseexemplar verschickte Geburtstagskarte machte mich neugierig. Zu Beginn des Buches befindet sich Ellery mit ihrem Chef Sam in einem Motelzimmer. Die beiden haben eine Affäre und sie nutzt die Gelegenheit, ihn zu bitten, sie in den drei Vermisstenfällen der letzten Jahre ermitteln zu lassen. Er winkt jedoch ab, denn er glaubt nicht daran, dass hier ein Wiederholungstäter am Werk ist. Von den Geburtstagskarten hat Ellery ihm allerdings nichts erzählt und er ahnt auch nicht, was ihr als Kind zugestoßen ist.

Ein bisschen merkwürdig fand ich es schon, dass in Woodbury niemand Ellerys Geburtsdatum kennen soll. Als Polizistin steht es doch bestimmt irgendwo in ihren Akten. Auch ihr konsequentes Schweigen ihrem Chef gegenüber was die Karten und ihre Vergangenheit angeht konnte ich nicht hundertprozentig nachvollziehen, damit steht sie sich und ihrem Ziel ausführlicherer Ermittlungen aus meiner Sicht selbst im Weg.

Schließlich steht Reed Markham nach einem einzigen Anruf vor ihrer Tür. Er hat aufgrund einer Beurlaubung nach einem Ermittlungsfehler gerade nichts besseres zu tun und ist neugierig, was aus dem Mädchen geworden ist, deren Fall ihm damals große Bekanntheit und einen Karriereschub brachte. Sein Auftauchen wird von Ellerys Kollegen verständlicherweise reichlich skeptisch aufgenommen.

Lange ist die Spannung im Buch psychologischer Natur. Ellery und Reed arbeiten die drei Vermisstenfälle noch mal durch und suchen nach neuen Hinweisen. Die erste Vermisste hatte sich kurz zuvor mit ihrem Freund gestritten, die zweite hatte ein Alkoholproblem und der dritte Depressionen - vielleicht ist hier doch jeweils das Naheliegende vorgefallen? Dagegen sprechen nur die Karten, die jedoch wenige Anhaltspunkte bieten.

Schließlich kommt es zu einem Fund, der die Situation verschärft. Danach gibt es in regelmäßigen Abständen neue Erkenntnisse, durch die Verdächtige ins Spiel gebracht werden. Die Geschichte spielt dabei mit der Frage, wem man überhaupt trauen kann. Ich ahnte jedoch früh, auf wen das Ganze hinauslaufen wird. Ein dramatischer Showdown rundet die Geschichte dennoch zufriedenstellend ab.

„Wie viele willst du töten“ von Joanna Schaffhausen kommt nur langsam in Fahrt und bietet vorwiegend psychologische Spannung. Das Aufarbeiten alter Fälle und die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit der Protagonistin machen den Großteil des Buchs aus, auf das Fortsetzungen folgen sollen. Das Buch ist für alle Thrillerfans interessant, die gerne bei düsterer Atmosphäre miträsteln und nicht so viel Blut und Action haben wollen.

Veröffentlicht am 10.04.2020

Ein neues Leben in West-Berlin

Neuleben
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Im West-Berlin des Jahres 1953 studiert Therese Jura an der Freien Universität und steht kurz vor dem ersten Staatsexamen. In der DDR durfte sie nicht studieren, denn ihre Familie hatte Landbesitz und ...

Im West-Berlin des Jahres 1953 studiert Therese Jura an der Freien Universität und steht kurz vor dem ersten Staatsexamen. In der DDR durfte sie nicht studieren, denn ihre Familie hatte Landbesitz und ihr Ziehvater war als Offizier bei der Wehrmacht. Doch als eine von zwei Frauen wird ihr von dem Professoren und Kommilitonen auch nach mehreren Semestern noch immer das Leben schwer gemacht. Unterstützung erhält sie von ihrem leiblichen Vater Leo, der als Strafverteidiger arbeitet und bei dem sie wohnen darf.

Gisela hat gerade Thereses Halbbruder Felix geheiratet. Sie arbeitet als Schneiderin und tritt eine neue Stelle im Konfektionshaus Engelmann an. Er selbst studiert noch, sodass sie auf ihr Ankommen angewiesen sind. Doch viel lieber würde sie selbst Schnitte entwerfen wie einst ihre Mutter Anna. Nicht in allen Punkten sind sie und ihr Mann sich einig: Sie möchte auch nach seinem Studium gerne weiterarbeiten. Und sie macht sich Sorgen, dass auffliegen könnte, was Felix immer wieder in die DDR hinein- und aus ihr herausschmuggelt.

Nachdem mich die Geschichte von Anna und Charlotte in „Zwei Handvoll Leben“ begeistern konnte, habe ich mich über die Nachricht gefreut, dass in „Neuleben“ die Geschichte ihrer Kinder Gisela und Therese erzählt wird. Es handelt sich hierbei um die Mutter und die Tante der Autorin. Diese hat es im Jahr 1953 beide aus der DDR nach Westberlin verschlagen.

Katharina Fuchs konnte mich erneut mit ihrer Erzählung der Ereignisse fesseln. Gespannt verfolgte ich die Lebenswege der beiden Frauen, die sich nicht unterkriegen lassen. Therese wir in der Universität regelrecht drangsaliert, und als ihre Mitstreiterin Marie wegen schlechter Noten aufgeben will fürchtet sie eine weitere Verschlechterung ihrer Lage. Gisela braucht als Ehefrau die Erlaubnis ihres Mannes, um arbeiten zu gehen. Doch das Schneidern allein reicht ihr nicht und sie sucht nach Wegen, um eine abwechslungsreichere Tätigkeit ausüben zu dürfen.

Das Lebensgefühl der 50er Jahre wurde in diesem Roman gelungen eingefangen. Es ist ein Aufbruch in eine neue Zeit, doch an vielen Stellen herrschen auch noch alte Denkweisen. Der größte Teil des Buches spielt in West-Berlin, wo die Entwicklungen in der DDR kritisch beäugt werden. Auch die Tätigkeit der Stasi wird thematisiert. Die Geschichte ist authentisch erzählt, nichts wird überdramatisiert oder beschönigt. Gleichzeitig bietet sie viele spannende, berührende und nachdenklich stimmende Momente.

Der Roman lässt sich ohne Vorkenntnisse lesen, was jedoch ganz sicher dazu führt, dass man „Zwei Handvoll Leben“ danach unbedingt lesen will. Also am Besten gleich chronologisch lesen! Von mir erhält „Neuleben“ eine große Leseempfehlung für alle Leser von Familiengeschichten!

Veröffentlicht am 05.04.2020

Zehn kurze Episoden mit Unterhaltungswert

Keiner hat gesagt, dass du ausziehen sollst
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Tom und Louise treffen sich vor ihrer ersten Sitzung der Paartherapie im Pub gegenüber. Vier Mal hat Louise mit einem anderen Mann geschlafen und es Tom schließlich gestanden. Nun steht die Ehe des arbeitslosen ...

Tom und Louise treffen sich vor ihrer ersten Sitzung der Paartherapie im Pub gegenüber. Vier Mal hat Louise mit einem anderen Mann geschlafen und es Tom schließlich gestanden. Nun steht die Ehe des arbeitslosen Musikkritikers mit der Ärztin auf dem Prüfstand. Gibt es für sie noch eine Zukunft? Darüber reden die beiden mal direkt, mal über Umwege. Auch vor dem nächsten Termin treffen sie sich wieder im Pub, was schnell zu einer Gewohnheit wird.

Die Grundidee des Buches hat mich neugierig auf diesen neuen Titel aus der Feder von Nick Hornby gemacht: Als Leser begegnet man den beiden Protagonisten ausschließlich im Pub vor ihrer Paartherapie. Insgesamt zehn Mal treffen sie sich dort. Zu Beginn ist vor allem die Affäre ein Thema und ob die Sitzungen den beiden wirklich helfen können. Die unterschiedliche Haltung der beiden zum Brexit wird angesprochen genauso wie die ganz verschiedenen Erfahrungen, die sie in ihren Berufen sammeln.

Jedes Gespräch der beiden stellt sich als Schlagabtausch mit Worten dar. Tom und Louise nutzen jede Vorlage, die der andere bietet - mal für sarkastische Erwiderungen, mal für ein humorvolles Weiterspinnen des Gedankens, mal für bewusstes Missverstehen. Sie reden dabei nicht nur über sich, sondern haben auch Spaß daran, sich Geschichten zu den Paaren auszudenken, die vor ihnen bei der Therapie sind und die sie beim Hinausgehen beobachten. Auch bei den Überlegungen, welche neuen Partner die beiden wohl nach einer möglichen Scheidung hätten, sind beide eifrig und kreativ bei der Sache. Schlagfertigkeit und Wortwitz steht hier im Vordergrund, wodurch das eigentlich ernste Thema einer Ehekrise für den Leser zu einer heiteren Sache wird.

Ob die beiden die Kurve kriegen oder nicht war mir dabei ehrlich gesagt egal, denn wirklich sympathisch wurden sie mir nicht und es gibt auch keine Versuche, Verständnis für die jeweilige Haltung der beiden herzustellen. Als Leser erhält man ein Bild von Tom, Luise und ihrer Ehe, das sich auch für einen Stammgast im Pub beim regelmäßigen Lauschen gebildet hätte. Das Buch bleibt konsequent bei der Außenperspektive, sodass man keine Einblicke in die Gefühlswelt der beiden erhält oder was ihr soziales Umfeld über sie denkt. Es bleibt bei der leichten Unterhaltung an der Oberfläche und dem geschickten Spiel mit Worten und Kommunikation. Zehn schnell gelesene Episoden mit Unterhaltungswert!

Veröffentlicht am 03.04.2020

Ein Roman für gemütliche Lesestunden

Bleib doch, wo ich bin
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In „Bleib doch, wo ich bin“ betreibt Kaya im ländlichen Neuberg ein Büchercafé. Ihre Freizeit verbringt sie am liebsten bei ihrem Shetlandpony Achterbahn. Häufig passt sie auf ihre Nichte Milli auf, die ...

In „Bleib doch, wo ich bin“ betreibt Kaya im ländlichen Neuberg ein Büchercafé. Ihre Freizeit verbringt sie am liebsten bei ihrem Shetlandpony Achterbahn. Häufig passt sie auf ihre Nichte Milli auf, die sich eines Tages mit einer heiklen Bitte an sie wendet: Kaya soll sich als Millis Mutter ausgeben und einen Termin mit Millis neuem Klassenlehrer wahrnehmen. Denn bei ihrem Praktikum in einer Pharmafirma hat sie zwei Versuchsratten gestohlen und ist nicht mehr zur Arbeit erschienen. Milli zuliebe lässt sich Kaya darauf ein und erscheint in voller Montur inklusive Brille ihrer Schwester, durch die sie kaum etwas sieht, beim Gespräch. Als sie kurz darauf auf einer Scheunenparty heftig mit einem Mann flirtet, der trotz fliegender Funken Vorbehalte zu haben scheint, ahnt sie nicht, dass es sich dabei um Millis Lehrer handelt...

Der Debütroman von Lisa Keil beginnt mit einer verzwickten Situation: Protagonistin Kaya ahnt nicht, dass der Mann, den sie mehr als sympathisch findet derselbe ist, gegenüber dem sie sich als Mutter einer seiner Schülerinnen ausgegeben hat. Während sie mit Lasse flirtet kämpft der mit seinem Gewissen. Die Sprache ist leicht und unterhaltsam, sodass ich mich in die Geschichte hineinfallen lassen konnte. Die Ereignisse bespricht Kaya vor allem mit ihrem besten Freund Rob, der eine Tierarztpraxis betreibt. Dabei erfährt man als Leser einiges über die Arbeit dort, denn die Autorin Lisa Keil arbeitet selbst als Tierärztin und hat ihre eigenen Erfahrungen einfließen lassen. Auch ihre Liebe zu Pferden spürt man bei Kayas Besuchen ihres Ponys deutlich. Als Leserin begleitete ich Kaya durch Höhen und Tiefen. Es gibt viele romantische Szenen, aber auch Streitigkeiten und Missverständnisse. Ich hätte mir jedoch noch mehr überraschende Momente gewünscht. Insgesamt ist das Buch eine schöne Liebesgeschichte auf dem Land, mit dem man gemütliche Lesestunden verbringen kann!

Veröffentlicht am 30.03.2020

Ist Elizabeth eine Mörderin?

Miracle Creek
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In der amerikanischen Kleinstadt Miracle Creek kommt es zur Explosion eines Sauerstofftanks, wodurch ein achtjähriger Junge sowie eine fünffache Mutter sterben. Angeklagt wegen Mordes ist nun die Mutter ...

In der amerikanischen Kleinstadt Miracle Creek kommt es zur Explosion eines Sauerstofftanks, wodurch ein achtjähriger Junge sowie eine fünffache Mutter sterben. Angeklagt wegen Mordes ist nun die Mutter des Jungen: Sie soll das Feuer gelegt haben, das zur Explosion geführt hat. Für die Mehrheit ist klar, dass sie schuldig ist - schließlich hat man sie in der Nähe des Tatorts mit Wein und Pralinen gefunden, bei sich Zigaretten und Streichhölzer der gleichen Marken wie die Tatwerkzeuge. Doch im Kreuzverhör wird bald klar, dass nicht alles so eindeutig ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Bei der Verhandlung anwesend sind auch die anderen Personen, die an jenem Abend vor Ort waren. Und manch einer hat der Polizei nicht alles erzählt.

Das Buch beginnt mit einer kurzen Erklärung zur sogenannten HBO-Therapie, bei der in Überdruckkammern reiner Sauerstoff verabreicht wird. Ein Risiko dabei ist die hohe Explosionsgefahr. Das erste Kapitel nimmt den Leser mit ins Jahr 2008, wo es zu solch einem Vorfall gekommen ist. Es ist aus der Sicht von Young geschildert, deren Mann Pak die Überdruckkammer betreibt und sie an jenem Abend bittet, kurz seinen Platz an der Schalttafel einzunehmen. Doch dann muss auch sie hinaus, um etwas aus dem nahegelegenen Haus zu holen. Als sie wiederkommt, brennt es bereits und sie sieht, wie ihre Tochter durch den Knall der Explosion durch die Luft fliegt.

Fast ein Jahr später beginnt der Prozess gegen Elizabeth, deren Sohn in der Überdruckkammer ums Leben kam. Sie ist an diesem Abend zum ersten Mal nicht mit ihrem Sohn gemeinsam in die Kammer gegangen - das ist nur eins von vielen Indizien, die für sie als Verursacherin des Feuers sprechen. Neugierig sog ich als Leserin alle Informationen auf, las Argumente und Gegenargumente und begann, mir mein eigenes Bild zu machen.

Das Besondere an dieser Geschichte ist aber nicht der Prozess an sich, sondern die wechselnden Perspektiven. Drei Mütter mit ihren Kindern und ein Mann waren an jenem Abend zur Therapie da, außerdem Young, Pak und ihre Tochter Mary. Die Überlebenden wohnen dem Prozess bei und denken darüber nach, wie sie den Vorfall sowie die Zeit davor und danach erlebt haben. Dabei wird bald klar, dass es einige Dinge gibt, die sie der Polizei nicht erzählt haben, um sich selbst oder andere zu schützen. Sie reden sich ein, dass es sich um nebensächliche Details handelt, die nichts an der Tatsache ändern, dass Elizabeth die Mörderin ist. Für den Leser, der als einziger alle Geheimnisse erfährt, entsteht dadurch jedoch ein neues Bild, das zahlreiche neue Fragen aufwirft.

Während ich gespannt weiterlas, erhielt ich umfassende Einblicke in die Gefühls- und Gedankenwelt der Beteiligten. Young und Pak sind aus Korea ausgewandert, um ihrer Tochter Mary in Amerika ein besseres Leben zu bieten. Dazu mussten sie zahlreiche Entbehrungen in Kauf nehmen und vor allem Mary wird in der Schule immer wieder rassistisch beleidigt. In Teresa sehen viele Mitmenschen nur die Mutter eines behinderten Kindes, und auch bei Elizabeth war das lange so. Neben all den Geheimnissen, Lügen und der Frage, was denn nun wirklich passiert ist bietet der Roman eine interessante Auseinandersetzung mit der koreanischen Kultur, Rassismus und dem Umgang mit Kindern, die nicht dem Durchschnitt entsprechen.

Mich konnte das Buch von Beginn an packen. Auch während ruhigerer Episoden las ich neugierig weiter. Ich wurde ins Nachdenken gebracht und schließlich wieder von der nächsten Wahrheit überrascht, durch die manches neu interpretiert werden muss. Ein intensives Buch, das ich sehr gerne weiterempfehle!