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Veröffentlicht am 27.05.2023

Alles begann mit einer Wette

Der Eisbär und die Hoffnung auf morgen
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Tom Horsmith, ein Student der Geowissenschaften, feiert Geburtstag in seinem Heimatdort St. Piran in Cornwall mit Freunden in einer Bar. Der Cider zeigt schon seine Wirkung, als der Politiker Montague ...

Tom Horsmith, ein Student der Geowissenschaften, feiert Geburtstag in seinem Heimatdort St. Piran in Cornwall mit Freunden in einer Bar. Der Cider zeigt schon seine Wirkung, als der Politiker Montague Causley, der gerade seinen Wahlkreis besucht, die Bildfläche betritt. Tom bezeichnet ihn als Lügner und insbesondere Klimaleugner, was zu einem Streit führt und in einer Wette endet: Wenn Causleys Haus, das direkt oberhalb eines Kiesstrands steht, in 50 Jahren unter Wasser steht, dann soll er sich dort hineinsetzen und ertrinken - wenn dem nicht so ist, dann müsse Tom ins Meer gehen und ertrinken. Ein Mitschnitt des Wortgefechts landet im Internet und geht viral - mit ungeahnten Folgen, die das Leben der beiden Männer über Jahrzehnte prägen.

Der Roman schlägt zu Beginn einen geradezu märchenhaften Erzählton an und verspricht den Leser:innen eine merkürdige Geschichte über eine Wette und einen Eisbären, die einmal jedem Menschen auf der Welt bekannt war und sich über Jahrzehnte erstreckt hat. Der Erzähler nimmt sich Zeit, die beiden Protagonisten Tom Horsmith un Monty Causley ausführlich vorzustellen und zu erklären, wie es am 20. Geburtstag von Tom, der gleichzeitig der 40. Geburtstag von Monty war, zu der verhängnisvollen Wette kam.

Nach Abschluss der Wette springt der Roman zwei Jahre in die Zukunft und führt mit der Inuit Lykke Noorgard, in die Tom sich auf den ersten Blick verliebt, eine weitere für den Verlauf der Geschichte wichtige Person ein. Ohne Verschnaufpause folgt ein weiterer Sprung um acht Jahre, wo es zu einem erneuten Aufeiandertreffen von Tom und Monty kommt. Ich erlebte das Tempo als hoch und befürchtete, abgehängt zu werden. Ein schockierendes Ereignis traf mich schließlich gänzlich unvorbereitet, gleich gefolgt von einem weiteren Zeitsprung um 15 Jahre.

Danach, kurz vor der Hälfte des Buches, verweilt die Geschichte endlich länger auf einer Zeitebene und ich hatte Gelegenhet, das Gelesene sacken zu lassen. Die Spannung bleibt durch überraschende Entwicklungen weiter hoch, während es mir endlich gelang, eine stärkere Verbindung zu den Charakteren aufzubauen. Ihre Gespräche darüber, was der Klimawandel mit unserer Erde macht und welche radikalen Maßnahmen nötig wären, um diesen effektiv zu stoppen, stimmten mich sehr nachdenklich. Ironmonger präsentiert im Roman seine Theorie, wie die Dinge sich entwickeln könnten, die mir plausibel erschien.

In "Der Eisbär und die Hoffnung auf morgen" vermittelt John Ironmonger den Leser:innen auf eindringliche Weise die dringende Notwendigkeit, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen. Diese Botschaft kommt in einem fesselnden Roman mit vielschichtigen Charkteren und einer spannenden Handlung, den ich sehr gerne weiterempfehle.

Veröffentlicht am 06.05.2023

Eine Auswahl der besten Zeitschriftenbeiträge von Charles Dickens

Bei Dämmerung zu lesen
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"Bei Dämmerung zu lesen" ist eine Sammlung von elf bislang unbekannten Zeitschriftenbeiträgen des Schriftstellers Charles Dickens. Die Leser:innen erhalten Einblicke in Themen, welche das viktorianische ...

"Bei Dämmerung zu lesen" ist eine Sammlung von elf bislang unbekannten Zeitschriftenbeiträgen des Schriftstellers Charles Dickens. Die Leser:innen erhalten Einblicke in Themen, welche das viktorianische England beschäftigt haben und erfahren, wie Dickens als journalistischer Schriftsteller mit seinen Beiträgen das Zeitgeschehen auf unterhaltsame Weise kommentiert, damit aber gleichzeitig auch auf Sozialreformen gedrängt hat.

Der Band enthält 11 Texte sehr unterschiedlicher Länge und Stilistik. Im Text "Sonntag" berichtet Dickens beispielsweise davon, wie vergnüglich Sonntagsausflüge sind und kritisiert Bestrebungen, diese einzuschränken. "Weihnachten im ewigen Eis" beruht auf den Erlebnissen des Schiffsarztes Robert McCormick, die von Dickens vor der Veröffentlichung überarbeitet wurden. Es berichtet davon, wie sich die Mannschaft einer Polarexpedition in den Weihnachtsferien im Packeis eingeschlossen auf einer Eisscholle die Zeit vertrieben hat.

Der Stil der von Dickens geschriebenen oder überarbeiteten Texte ist unterhaltsam und nachdenklich stimmend zugleich. In einigen Beiträgen holt er für meinen Geschmack jedoch zu weit aus, sodass mein Interesse nicht durchgängig erhalten blieb. Das Nachwort von Michael Klein gab mir Hintergrundinformationen zu den Texten und ihrer Entstehungsgeschichte. Allerdings hätte ich es besser gefunden, wenn diese Einordnung direkt vor jedem Beitrag gestanden hätte, um mir ein besseres Verständnis zu ermöglichen.

Insgesamt ist "Bei Dämmerung zu lesen" ist eine interessante Sammlung von bislang unbekannten Zeitschriftenbeiträgen von Charles Dickens, welche sowohl Fans des Autors als auch denen, die sich für die Geschichte Englands interessieren, ans Herz gelegt werden kann.

Veröffentlicht am 29.04.2023

Wie lange kannst du unentdeckt bleiben?

Going Zero
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"Go Zero!" - Diese Textnachricht erhalten am 1. Mai um 12 Uhr zehn Personen in Amerika auf ihr Handy. Sie wurden aus einer größeren Gruppe Kandidat:innen ausgewählt, um an einem einzigartigen Experiment ...

"Go Zero!" - Diese Textnachricht erhalten am 1. Mai um 12 Uhr zehn Personen in Amerika auf ihr Handy. Sie wurden aus einer größeren Gruppe Kandidat:innen ausgewählt, um an einem einzigartigen Experiment teilzunehmen. Im Rahmen des Betatests der Fusion-Initiative sollen sie 30 Tage unauffindbar bleiben, dann erhalten sie eine Belohnung von 3 Millionen US-Dollar. Doch Ihnen auf der Spur ist der Unternehmer Cy Baxter mit seiner Firma Fusion und in Zusammenarbeit mit den US-Geheimdiensten. Er und seine Mitarbeiter können auf sämtliche digitalen Informationen zugreifen, die über Personen und ihr Umfeld laufend gesammelt werden. Haben die Zeros überhaupt eine Chance? Fest entschlossen, zu gewissen, ist zumindest die Bibliothekarin Kaitlyn. Ihre Motivation zu siegen geht jedoch über das Preisgeld hinaus.

Der Roman beginnt eine Woche vor dem Start des Betatests. Kaitlyn erhält per Post die Nachricht, dass sie eine potenzielle Teilnehmerin ist und die Nachricht "Go Zero!" auf ihrem Handy erscheinen könnte. Auch wenn nicht sicher ist, dass sie ausgewählt wird, hat sie einige Vorbereitungen getroffen. Der Milliardär Cy Baxter ist allerdings fest entschlossen, keinen Zero davonkommen zu lassen. Nur wenn er alle zehn Kandidat:innen findet erhält er von den US-Geheimdiensten riesige Geldsummen für die weitere Kooperation. Zwei Stunden nach dem Versand der Go Zero-Nachrichten macht er sich mit seinem Team ans Werk.

Als Leserin überlegte ich sofort, wie ich mich wohl verhalten würde, wenn ich an einem solchen Experiment teilnehmen würde. Welche Möglichkeit, unterzutauchen, ist wohl die vielversprechendste? Neben Kaitlyn begleitete ich auch die anderen neun Zeros eine Weile und erfuhr, für welche Strategien sie sich entschieden haben. Der Fokus bleibt aber auf Kaitlyn auf der einen Seite sowie Cy Baxter und seiner Partnerin Erika auf der anderen Seite. Das Katz-und-Maus-Spiel ist fesselnd und kurzweilig geschrieben, sodass die Tage des Experiments nur so vorbeiflogen.

Die Mittel, die Cy und sein Team einsetzen, um die Zeros aufzuspüren, scheinen beim Lesen nicht allzu weit hergeholt. Vieles davon ist heute sicherlich schon möglich oder wird es in naher Zukunft sein. Die Frage ist jedoch, ob und in welchem Rahmen solche Technologien auch zum Einsatz kommen dürfen. McCarten zeichnet in diesem Roman das düstere Bild einer allumfassenden Überwachung, das nachdenklich stimmt, wo die Grenzen sein sollten, um Privatsphäre und Datenschutz zu wahren, aber gleichzeitig Möglichkeiten zur Verbrechensaufklärung zu haben.

Durch das sehr hohe Tempo fühlte ich mich zwischenzeitlich etwas abgehängt. Es bleibt wenig Zeit, sich ausführlicher mit den Persönlichkeiten der Charaktere auseinanderzusetzen und sie bleiben relativ eindimensional. Spätestens als Kaitlyn wahre Motive offenbar werden zieht die Spannung aber nochmals stark an, sodass ich mich atemlos durch die letzte Kapitel las. Insgesamt ist "Going Zero" ein spannender und zum Nachdenken anregender Roman, der eine erschreckende Vision einer Zukunft zeigt, in der Privatsphäre nur noch ein ferner Traum ist.

Veröffentlicht am 25.03.2023

Hochwertige Neuausgabe zum 25-jährigen Erscheinen

Sommerhaus, später
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25 Jahre nach dem Erscheinen von "Sommerhaus, später" ist der Titel nun in einer hochwertigen, in Leinen gebundenen Neuausgabe veröffentlicht worden. Für mich war es das erste Buch von Judith Hermann. ...

25 Jahre nach dem Erscheinen von "Sommerhaus, später" ist der Titel nun in einer hochwertigen, in Leinen gebundenen Neuausgabe veröffentlicht worden. Für mich war es das erste Buch von Judith Hermann. Es enthält neun Erzählungen, die mich in ganz unterschiedliche Umgebungen mitnahmen.

Gleich der erste Satz von "Rote Korallen" zog mich in seinen Bann: "Mein erster und einziger Besuch bei einem Therapeuten kostete mich das rote Korallenarmband und meinen Geliebten." (S.11) Von Neugier getrieben las ich "Rote Korallen" an einem Stück. Die Erzählerin ließ mich an der Geschichte ihrer Großmutter teilhaben und spannt dabei einen Bogen bis zu ihrer Erzählgegenwart.

Judith Hermanns Sound wurde von Kritikern vielfach gelobt und auch ich erlebte diesen als Interesse weckend und zugänglich. Es gab viele Momente, die bei mir Resonanz erzeugten, auch wenn das Beschriebene sich gelegentlich dem Rationalen entzieht.

Neben der ersten Erzählung hat mich vor allem das titelgebende "Sommerhaus, später" gedanklich länger beschäftigt. Der Charakter Stein fällt in seinem Handeln aus dem Rahmen des Gewöhnlichen heraus und trifft Entscheidungen, die überraschen und nachdenklich stimmen. Andere Erzählungen konnten mich weniger abholen, beispielsweise ließ ich "Bali-Frau" schnell hinter mir.

Insgesamt sind die neun Erzählungen eine gelungene Zusammenstellung, in denen ich Charakteren begegnete, die ein gewöhnliches Leben führen. Ihr Handeln entspringt aus der Sehnsucht nach etwas und führt zu überraschenden Entwicklungen. Auch 25 Jahre nach der Erstveröffentlichung ist "Sommerhaus, später" eine lohnenswerte Lektüre.

Veröffentlicht am 18.03.2023

Vom norddeutschen Bauernhof auf die Laufstege von Paris

Der Traum vom Leben
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Luise ist siebzehn Jahr alt und lebt mit ihrer Familie auf einem Bauernhof in der norddeutschen Provinz. Als Friseurin arbeitet sie in Gittes Friseursalon und hilft jede freie Minute auf dem Hof aus. Als ...

Luise ist siebzehn Jahr alt und lebt mit ihrer Familie auf einem Bauernhof in der norddeutschen Provinz. Als Friseurin arbeitet sie in Gittes Friseursalon und hilft jede freie Minute auf dem Hof aus. Als sie an einem Friseurwettbewerb teilnimmt, wird ein Starfriseur auf sie aufmerksam, der ihr ein verlockendes Angebot macht: Er könne sie mit nach Paris zur Fashion Week nehmen. Dort taucht Luise in ein Leben ein, das völlig anders ist als alles, was sie bislang erlebt hat. Und es soll nicht dabei bleiben, dass sie nur hinter den Kulissen tätig ist...

Der Roman beginnt in einem Dort in Ostfriesland im Jahr 1992, wo Luise als Tochter von Bauern aufgewachsen ist und eine Friseurlehre absolviert hat. Ihre Eltern haben einen kleinen Hof, der kaum Gewinn abwirft, und führen ein eher einfaches Leben. Als Luise mit ihrer Chefin Gitte für einen Friseurwettbewerb nach Bremerhaven reist, ist das ein Abenteuer, das von ihren Eltern mit Skepsis aufgenommen wird. Mit ihrem Entschluss, nach Paris zu reisen, krempelt sie ihr Leben schließlich völlig um.

In Paris taucht Luise in eine Welt ein, die sie sich nie erträumt hätte. Sie lernt Supermodels und Designer kennen, wird schließlich selbst als Model entdeckt und findet sich auf den Laufstegen von Paris wieder. Doch das Leben als Model ist nicht nur glamourös, sondern auch hart und fordernd. Luise muss sich entscheiden, welchen Preis sie für ihren Traum zu zahlen bereit ist und ich war gespannt, was sie alles erleben wird. Dabei steht ihr Leben in der französischen Hauptstadt in starkem Kontrast zu denen Szenen auf dem Bauernhof, die man zuvor erlebt hat.

Katharina Fuchs ist es gelungen, mich in die Welt von Luise eintauchen zu lassen und deren Emotionen und Gedanken authentisch und einfühlsam zu beschreiben. Ich konnte mich gut in ihre Lage hineinversetzen. Besonders beeindruckend fand ich die Beschreibungen des Trubels rund um die Modeschauen und der Aftershow-Partys. Die Autorin, welche selbst in Paris gelebt hat, fängt in diesem Roman die verrückte Welt der Modebranche und des schilldernden Nachtlebens von Paris in den 90er Jahren gelungen ein und hat sich hier von einer wahren Geschichte inspirieren lassen.

Nachdem die ersten Tage in Paris sehr ausführlich beschrieben sind, nimmt das Tempo im letzten Drittel deutlich zu. Mir persönlich wurde das etwas zu schnell. Da es noch einige lose Fäden und ein relativ offenes Ende gibt scheint eine Fortsetzung naheliegend.

Insgesamt ist "Der Traum vom Leben" ein gelungener Roman, der seine Leser:innen nach Paris und in die Welt der Mode in den 90er Jahren entführt. Dabei geht es nicht nur um den Glamour und die Schönheit der Modewelt, sondern zunehmend auch um die dunklen Seiten des Modellebens wie Erfolgsdruck, Hunger und Ausbeutung. Sehr gerne empfehle ich dieses abwechslungsreiche und faszinierende Buch weiter.