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Veröffentlicht am 08.04.2018

Sei du selbst!

DUMPLIN'
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Wer Willowdean sieht, der kommt nicht gleich auf die Idee, dass ihre Mutter den jährlichen Schönheitswettbewerb von Clover City organisiert und vor Jahren selbst gewonnen hat. Denn sie ist übergewichtig ...

Wer Willowdean sieht, der kommt nicht gleich auf die Idee, dass ihre Mutter den jährlichen Schönheitswettbewerb von Clover City organisiert und vor Jahren selbst gewonnen hat. Denn sie ist übergewichtig und wird von ihrer Mutter nur Dumplin‘ – Knödel – gerufen. Eigentlich macht Willowdean das nicht viel aus. Sie hat eine tolle beste Freundin, springt im Sommer im Badeanzug in den Pool und ist ein riesiger Fan von Dolly Parton. Doch als sie sich in den gut aussehenden Bo verliebt, kommen ihr Zweifel. Warum will er sich nur heimlich mit ihr treffen? Durch ihre Entscheidung, selbst am Schönheitswettbewerb teilzunehmen, wird ihr Leben schließlich völlig durcheinandergewirbelt.

Das Cover ist schlicht-elegant und von einem Krönchen geziert, ganz so, wie es sich für ein Buch rund um einen Schönheitswettbewerb gehört. Doch das abgebildete Mädchen im knallroten Kleid hat aber keine Size Zero, sondern einige Kurven – genau wie Willowdean, die sich in diesem Buch zur Teilnahme am Wettbewerb entschließt. Dieser ist schon auf den ersten Seiten ein Thema, denn für ihre Mutter beginnen gerade wieder die Vorbereitungen auf das große Event. Will selbst hat damit nichts am Hut, sie verbringt ihre Zeit lieber mit ihrer besten Freundin, der Musik von Dolly Parton und ihrem Job im Fast-Food-Restaurant.

Von Beginn an hat mir Wills lockerer, leicht sarkastischer Ton gefallen. Sie ist selbstbewusst und ihr Übergewicht ist für sie keine große Sache. Viel nerviger ist, dass ihre beste Freundin Ellen immer mehr Zeit mit ihrer arroganten Kollegin aus dem Klamottenladen verbringt, in dem sie selbst niemals etwas passendes finden wird. Deswegen verpasst sie den richtigen Moment, um ihr zu sagen, dass sie in ihren Kollegen Bo verliebt ist. Außerdem vermisst sie ihre Tante, die vor einigen Monaten gestorben ist und die ihr näher stand als ihre Mutter. Ich konnte gut nachvollziehen, dass sie sich im Stich gelassen fühlt und ihr ausgerechnet in dieser aufregenden Phase jemand zum Reden fehlt.

Mit ihrer Entscheidung, am Schönheitswettbewerb teilzunehmen, kommt ordentlich Schwung in die Geschichte. Will schließt neue Freundschaften, muss sich damit auseinandersetzen, wie es mit ihr und Bo weitergeht und dann ist da auch noch Mitch, der sie um ein Date bittet. Die Geschichte ist temporeich und bietet viele lustige und skurrile Momente. Der Ton ist aber auch immer wieder nachdenklich, wenn es um Wills Gefühle gegenüber Bo, Mitch, Ellen und dem Wettbewerb geht. Ich war sehr neugierig, welchen Weg sie gehen wird. Denn sie ist genau wie die Geschichte alles andere als 0-8-15. Ein wenig gestört haben mich lediglich die Ansätze einer Dreiecksgeschichte, bei der Will sich zum Glück doch früher als später damit auseinandersetzt, was sie wirklich fühlt.

Der Tag des Wettbewerbs rückt mit jeder Seite näher, und entsprechend mehr Raum nehmen die Vorbereitungen mit der Zeit ein. Auch diese erledigt Will auf ihre ganz eigene Weise und mit den Songs von Dolly Parton im Ohr. Die Sängerin ist ihr großes Vorbild, vor allem in Bezug darauf, dass sie sich nicht so viele Gedanken darüber gemacht hat, was andere über sie denken. Auch wenn ich nur wenige Songs kannte fand ich Wills Begeisterung ansteckend und die Momente, an denen sie dadurch an ihre verstorbene Tante erinnert wird, berührend. Bis zum Schluss bleibt Will sich selbst treu und ließ mir als Leserin keine Wahl, als sie ins Herz zu schließen.

In „Dumplin“ gerät Willowdeans Leben durcheinander, als sie sich verliebt, mit ihrer besten Freundin verkracht und trotz Übergewicht zur Teilnahme am großen Schönheitswettbewerb ihrer Stadt entschließt. Die Geschichte hat emotionale Momente, sie weiß aber vor allem zu unterhalten. Ein gelungenes Buch rund um Familie, Freundschaft, die erste große Liebe und wie wichtig es ist, zu sich selbst zu stehen. Ich gebe eine klare Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 08.04.2018

Gefühlvolle Familiengeschichte

Bis zum Himmel und zurück
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Katja ist Drehbuchautorin und erhält ein verlockendes Angebot: Sie soll ein Konzept für eine neue Feel Good Familienserie entwickeln. Das ist ihre Chance! Denn die Arbeit für „Wache Mitte“, bei der sie ...

Katja ist Drehbuchautorin und erhält ein verlockendes Angebot: Sie soll ein Konzept für eine neue Feel Good Familienserie entwickeln. Das ist ihre Chance! Denn die Arbeit für „Wache Mitte“, bei der sie ihre Drehbücher ständig wegen Sonderwünschen der anstrengenden Hauptdarstellerin umschreiben muss, macht ihr schon lange keinen Spaß mehr. Jetzt fehlt ihr nur noch eine zündende Idee. Zum Glück ahnen die Auftraggeber nicht, wie zerrüttet ihre eigene Familie ist. Seit Jahren hat sie keinen Kontakt zu ihren Eltern mehr – bis ihre Mutter aus Italien anruft und sie informiert, dass ihr Vater in Bremen im Koma liegt. Als dann auch noch ihre bislang unbekannte Halbschwester vor ihrer Tür in Hamburg steht, ist das Chaos perfekt. Doch eins lässt sie nicht los: Ihre Schuldgefühle wegen eines lange zurückliegenden Schicksalsschlags…

Das Cover des Buches vermittelt Leichtigkeit und gibt mit dem Titel ein Versprechen, das im Buch noch oft wiederholt werden soll. Denn Katjas Vater ist Wissenschaftler und erforscht Kometen, sodass sich die Gute-Nacht-Geschichten ihrer Kindheit rund um das Weltall und Astronauten drehten. Inzwischen ist Katja erwachsen und hat zu ihren Eltern keinen Kontakt mehr. Als ihre Mutter sich meldet und ihr sagt, dass „die Frau“ sie über den Schlaganfall und das Koma von Katjas Vater informiert hat, ist für sie klar: Sie hat seit Jahren nicht mit ihm geredet, deshalb muss sie ihn jetzt auch nicht besuchen. Dennoch kommen durch die Nachricht zahlreiche Erinnerungen an die Oberfläche.

Schnell merkt man als Leser, dass Katja mit sich selbst nicht ganz im Reinen ist. Ihre Nicht-Beziehung zu Ratko besteht vor allem darin, dass er redet und sie schweigt. Als Drehbuchautorin soll nun ausgerechnet sie über Familie schreiben, die vor Jahren jeglichen Kontakt zu ihren Eltern abgerochen hat. In kurzen Rückblenden erfährt man als Leser immer mehr über ihre Kindheit, warum ihre Familie zerfallen ist und wieso sie bis heute Schuldgefühle hat. Hier gibt es einige traurige Momente und ich konnte gut nachvollziehen, warum Katja die Irrationalität ihrer Gedanken und Gefühle bis heute nicht überwunden hat. Ihre quirlige Halbschwester Jella, von deren Existenz Katja bis dato gar nichts ahnte, sorgt schließlich dafür, dass sie sich der Vergangenheit stellen muss.

Zum ersten Mal erfährt Katja mehr über das Leben ihres Vaters nach dem Kontaktabbruch und trifft mit Jellas Bruder Joost auf jemandem, der unter den Entwicklungen ebenfalls gelitten hat, wenn auch aus anderem Grund und auf andere Weise. Die Autorin hat Charaktere mit Tiefe geschaffen, über die ich gerne mehr erfahren wollte. Katja hat in der Vergangenheit Erfahrungen gemacht, an denen sie beinahe zerbrochen ist, und die mich betroffen machten. Unterhaltsame Szenen lockerten die Stimmung aber immer wieder ein wenig auf, und auch eine schöne Liebesgeschichte wird ganz ohne Kitsch erzählt. Ein vielschichtiges Buch, das trotz ernster Themen zum Ende hin hoffnungsvoll stimmt und mich berühren konnte.

In „Bis zum Himmel und zurück“ sucht Katja nach einer Idee für eine lockere Familienserie, als sie die Nachricht vom Schlaganfall und Koma ihres Vaters erhält, zu dem sie vor Jahren den Kontakt abgebrochen hat. Das Buch erzählt in Rückblicken von Unfall und Selbstmord, selbstverletzendem Verhalten und dem Auseinanderbrechen von Familien. In der Gegenwart bringen die Ereignisse Katja und ihr Umfeld dazu, vieles endlich aufzuarbeiten. Hier gibt es auch so manche unterhaltsame Szene, die der Geschichte trotz so vieler ernster Themen immer wieder eine gewisse Leichtigkeit zurück gibt. Ich gebe deshalb eine ganz klare Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 08.04.2018

Wer kommt dem mysteriösen Axeman auf die Schliche?

Höllenjazz in New Orleans
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New Orleans im Jahr 1919: Ein Unbekannter treibt in der Stadt auf bestialische Weise sein Unwesen und verhält sich wie ein Geist. Der sogenannte Axeman tötet und verstümmelt seine Opfer mit einer Axt und ...

New Orleans im Jahr 1919: Ein Unbekannter treibt in der Stadt auf bestialische Weise sein Unwesen und verhält sich wie ein Geist. Der sogenannte Axeman tötet und verstümmelt seine Opfer mit einer Axt und hinterlässt Tarotkarten. Dann verlässt er das Haus, ohne dass etwas auf seine Tat hinweist. Detective Lieutnant Michael Talbot versucht, ihm auf die Schliche zu kommen. Doch seine Ermittlungen laufen ins Leere, bis er einen Tipp von der Presse erhält. Unterdessen wollen auch zwei andere die Identität des Axeman lüften: Luca kommt gerade aus dem Gefängnis und soll den Täter im Auftrag der Mafia finden, weil er deren Geschäft in Gefahr bringt. Und Ida hat einen langweiligen Bürojob bei der Pinkerton Detektivagentur und nutzt den Fall, um heimlich Ermittlungserfahrung zu sammeln. Kann einer von ihnen das Geheimnis lüften?

Der Totenkopf auf dem Cover macht schon deutlich, dass in diesem Buch großzügig gemordet wird. Auch die Bedeutung des Titels ist schnell gelüftet: Im Prolog erhält der Journalist John Riley einen Brief des Axeman, der den Zeitpunkt des nächsten Mordes ankündigt und dass jeder verschont bleibt, in dessen Haus dann eine Jazzband spielt. Wer wissen will, was es damit genau auf sich hat, muss sich allerdings in Geduld üben, denn der Brief spielt erst in der zweiten Buchhälfte eine Rolle.

Erst einmal lernt der Leser Michael, Luca und Ida kennen. Diese könnten unterschiedlicher nicht sein. Michael ist offiziell mit den Ermittlungen zu diesem Fall betraut und gerät aufgrund des ausbleibenden Erfolgs immer stärker unter Druck. Sein Privatleben bietet außerdem Anlass zu zahlreichen Gerüchten – hält er daheim wirklich eine Frau eingesperrt? Luca wurde gerade erst aus dem Gefängnis entlassen, in das Michael ihn Jahre zuvor gebracht hat. Da die Person, die seine Ersparnisse verwaltet hat, hochgenommen wurde, muss er wieder zurück in den Schoß der Mafia und für diese arbeiten. Dabei trifft er unweigerlich auf Michael. Wie wird das Wiedersehen ausfallen?

Die selbstbewusste Ida hat nur ein Achtel schwarzen Blutes in sich und geht deshalb oft auch als Weiße durch, was in mancher Situation hilfreich ist. Gemeinsam mit ihren besten Freund Lewis, der Kornett in einer Jazzband spielt, ermittelt sie auf eigene Faust. Während der Ermittlungen erhält der Leser ein gutes Bild von New Orleans nach Ende des ersten Weltkriegs. Die Diskriminierung von Schwarzen ist stark ausgeprägt – es gibt zahlreiche Gesetze, die strikte Grenzen ziehen und manche Stadtviertel sind für sie lebensgefährlich. Die Black Hand hat als Mafia die Stadt fest im Griff, und kürzlich wurde das Vergnügungsviertel geschlossen und die Prohibiton verabschiedet. Was all das für den Alltag bedeutet erfährt man aus der Perspektive der unterschiedlichen Charaktere.

Gleich zu Beginn hat mich die vorangestellte Übersicht der Personen ein wenig abgeschreckt. Diese werden alle namentlich aufgelistet, anderthalb Seiten sind allein mit den Mitarbeitern der Polizei gefüllt. Da keine weiteren Informationen abgedruckt sind hat mir das nicht weitergeholfen. Es macht aber früh deutlich, dass hier zahlreiche Personen ihre Finger im Spiel haben. Michael, Luca und Ida ermitteln alle gleichzeitig und nähern sich der Wahrheit aus verschiedenen Richtungen. Das Buch ist voller Verstrickungen, Geheimnisse und Intrigen. Zum Ende hin gab es für meinen Geschmack allerdings zu viele Tote in zu kurzer Zeit.

In „Höllenjazz in New Orleans“ zieht der Axeman mordend durch New Orleans, während gleich drei Personen auf ihre eigene Weise versuchen, seine Identität zu lüften. Die Atmosphäre der Stadt zu jener Zeit wurde gelungen eingefangen und ich fand es spannend, in diese Zeit einzutauchen. Die Ermittlungen sind komplex und versorgen den Leser stückweise mit neuen Informationen. Ich vergebe knappe vier Sterne an die Ermittlungen im historischen New Orleans, die lose auf einer tatsächlichen Mordserie beruhen.

Veröffentlicht am 08.04.2018

Große Themen des 20. Jahrhunderts und persönliche Schicksale

Moonglow
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Im Jahr 1989 sitzt Michael Chabon am Bett seines Großvaters mütterlicherseits. Wenige Tage vor seinem Tod wird dieser unter dem Einfluss von Schmerzmittel unerwartet gesprächig. Mit Michael an seiner Seite ...

Im Jahr 1989 sitzt Michael Chabon am Bett seines Großvaters mütterlicherseits. Wenige Tage vor seinem Tod wird dieser unter dem Einfluss von Schmerzmittel unerwartet gesprächig. Mit Michael an seiner Seite lässt er sein Leben Revue passieren und erzählt dabei so manch Unerwartetes. Zum Beispiel von seiner Zeit in Nazi-Deutschland, wo er Wernher von Braun jagte. Von der ersten Begegnung mit seiner Frau, die mit ihrem Kind als Jüdin den Krieg in Frankreich überlebt hat, doch immer wieder von Wahnvorstellungen geplagt wird. Seiner Zeit im Gefängnis, weil er seinen Chef erdrosseln wollte, und schließlich seinen letzten Jahren in einer Wohnanlage, wo er sich dem Modellbau widmet.

Eins sei vorweg gesagt: Bei „Moonglow“ handelt es sich nicht um die Memoiren von Michael Chabons Großvater, sondern um einen Roman. Einiges davon ist tatsächlich passiert, anderes nicht – was zu welcher Kategorie gehört, das bleibt im Ungewissen. In einem Interview sagte das Autor beispielsweise, dass seine Großmutter, deren psychische Erkrankung ein wichtiges Element des Buches ist, geistig völlig gesund gewesen sei. Gerade diese Vermischung von Realität und Fiktion machte mich neugierig auf die Geschichte.

Das Buch ist nicht chronologisch erzählt, sondern springt in der Zeit hin und her von einer Episode zur nächsten. Gleich zu Beginn des Buches erfährt man als Leser, dass der Großvater in einem Anfall von Wut versucht hat, seinen Chef umzubringen. Handelt es sich um jemanden mit Neigung zur Gewalt? Gar einem Kriminellen? Mit der Zeit wird das Bild, das vom Großvater gezeichnet wird, immer detailreicher. Ein Mann mit vielen unterschiedlichen Facetten, der so einiges erlebt und mitgemacht hat.

Durch die ständigen Zeitsprünge gelingt es dem Autor, mit seiner Geschichte unvorhersehbar zu bleiben und den Leser so manches Mal zu überraschen. Plötzlich werden Geheimnisse gelüftet, die etwas schon viel früher Erzähltes in ganz neuem Licht erscheinen lassen. Für mich war es allerdings zu viel Hin und Her, sodass sich die Geschichte auf dem schmalen Grat zwischen wirr und genial immer wieder in Richtung des ersteren bewegte.

Das Buch spricht viele große Themen des 20. Jahrhunderts auf an, zum Beispiel die letzten Tage von Nazi-Deutschland mit den Vorrücken der USA und der Sowjetunion und grauenhaften Entdeckungen wie die des KZ Dora-Mittelbau oder auch den großen Traum von der Raumfahrt und der Landung auf dem Mond. Gleichzeitig geht es aber auch um persönliche Schicksale wie die Wahnvorstellungen der Großmutter und alltägliche, skurrile Begebenheiten wie die Schlangenjagd des Großvaters oder die Phase, in der die Großmutter im Fernsehen Horrorgeschichten vorgelesen hat. Es ist ein thematisch bunter Mix, mit dem Michael Chabon den Leser unterhält und gleichzeitig ein rundes Gesamtbild zeichnet, bei die Frage, was davon wirklich passiert ist, zur Nebensächlichkeit wird. Ein Buch für alle, die gern in interessante Lebensgeschichten anderer eintauchen, bei denen Unerwartetes ans Licht kommt und man seinen Eindruck auch mal revidieren muss.

Veröffentlicht am 08.04.2018

Ein Besuch stellt Moritz‘ Leben auf den Kopf

Dunkelgrün fast schwarz
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Moritz und seine Freundin Kristin freuen sich auf ihr erstes Kind, der Entbindungstermin steht kurz bevor. Doch dann steht Moritz‘ bester Freund Raffael vor der Tür, den er seit sechzehn Jahren nicht gesehen ...

Moritz und seine Freundin Kristin freuen sich auf ihr erstes Kind, der Entbindungstermin steht kurz bevor. Doch dann steht Moritz‘ bester Freund Raffael vor der Tür, den er seit sechzehn Jahren nicht gesehen hat. Es gab eine Zeit, da waren sie als Motz und Raf unzertrennlich. Sie beide, und Jo. Doch dann ist etwas passiert. War es von Beginn an eine unausweichliche Konsequenz? Oder doch nur eine zufällige Entwicklung? Und was heißt das heute für sie?

Die dunklen Farben des Covers machten mich neugierig, welche Geheimnisse ich wohl entdecken werde, wenn ich einen Blick hinter die abgebildeten Farne und zwischen die Buchdeckel werfe. Gleich zu Beginn wird Moritz‘ Leben von einem Moment auf den nächsten auf den Kopf gestellt, als sein bester Freund nach sechzehn Jahren als Übernachtungsgast vor der Tür steht.

Im Folgenden springt das Buch in die Vergangenheit und erzählt aus der Perspektive von Moritz‘ Mutter Marie, wie die Freundschaft der beiden begonnen hat. Marie ist mit ihren beiden Kindern von Wien aufs Land nach Hallein gezogen, es war zu wenig Platz in der engen Stadtwohnung. Ihr Mann Alexander hat dort ein Haus von seinen Großeltern geerbt. Hier soll sie auf ihn warten, bis er mit dem Medizinstudium fertig ist. Sie ist eine Fremde - genau wie Sabrina, Raffaels Mutter. Und doch sind die beiden ganz verschieden. Moritz und Raf scheinen sich hingegen gefunden zu haben. Doch da gibt es immer wieder Momente, die Marie ins Grübeln bringen, wie gut die Freundschaft für Moritz ist.

Zurück in der Gegenwart lernt man eine weitere Beteiligte kennen: Johanna lebt in Florenz und muss feststellen, dass Raf gegangen ist. Sie setzt alles daran, ihn wiederzufinden, wie sie es schon oft getan hat. Indem der Roman regelmäßig zwischen der Gegenwart und Vergangenheit sowie den Perspektiven von Moritz, Marie und Johanna wechselt taucht man als Leser immer tiefer ins Geschehen ein und begreift Stück für Stück, was eigentlich vor sich geht. Das ist zunächst weder dem Leser noch Moritz klar, als Raffael so urplötzlich in sein Leben eindringt. Der Autorin gelingt es, mich durch die von ihr gewählten Worte zu fesseln und die Geschichte gleichzeitig so geschickt zu erzählen, dass ich auf der Suche nach Antworten unbedingt weiterlesen wollte.

Dunkelgrün fast schwarz ist die Aura, die Raffael umgibt, als er sich bei Moritz einnistet. Denn Moritz sieht bei jedem Menschen Farben, die ihn umgeben. Ein wohlgehütetes Geheimnis, das er Raf damals verraten hat. Mit seinem Verhalten und den Erinnerungen, die er mit sich bringt, reißt er bei Moritz alte Wunden auf. Wie Johanna ins Bild passt, gilt es herausfinden. Am Ende steht ein Begreifen, das viele unterschiedliche Gefühle auslöst und die Frage aufwirft, inwiefern späte Erkenntnis hilft oder schadet. Ein gelungener Abschluss für dieses ungewöhnliche Buch.

Der Autorin Mareike Fallwicks ist mit „Dunkelgrün fast schwarz“ ein starkes literarisches Debüt gelungen. Die Geschichte von Motz, Raf und Jo ist alles andere als eine typische Dreiecksgeschichte. Mit einnehmender Sprache erzählt sie von einer Freundschaft, die manch einer wohl als verhängnisvoll bezeichnen würde. Ich kann jedem nur raten, sich auf diese besondere Geschichte einzulassen und an der Seite der Charaktere die Vergangenheit zu entschlüsseln, um die Gegenwart zu deuten.