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Veröffentlicht am 08.04.2018

Ein orientalisch-kulinarisches Lese-Highlight!

Der Meisterkoch
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Im Haus des Kaufmanns Zumrützade hat sich für den Abend hoher Besuch angekündigt: Der Waffenmeister des Sultans, bekannt für seine hohen und unberechenbaren Ansprüche beim Essen. Nach den ersten köstlichen ...

Im Haus des Kaufmanns Zumrützade hat sich für den Abend hoher Besuch angekündigt: Der Waffenmeister des Sultans, bekannt für seine hohen und unberechenbaren Ansprüche beim Essen. Nach den ersten köstlichen Gängen kommt es zum Eklat: Es wird Lauch serviert, den der Waffenmeister, wie alle wissen, verabscheut. Umso erstaunlicher ist es, dass er probiert, bevor er davonstürmt, und den Koch am nächsten Tag in den Sultanspalast beordert. Dort soll er ihm fortan zwei Mahlzeiten täglich zubereiten. Für den Meisterkoch bedeutet es, das alles nach Plan verlaufen ist: Der junge Mann, der angeblich über den absoluten Geschmack verfügt, ist jetzt dort, wo er sein will. Doch er strebt noch etwas viel Größeres an – nicht aus Machtstreben, sondern aus Liebe.

Das orientalische, golden schimmernde Cover des Buches ist ein echter Hingucker, der dafür sorgte, dass ich mehr über die zwischen den Buchdeckeln wartende Geschichte erfahren wollte. Diese spielt in Istanbul um 1600 und die goldenen Motive des Covers zeigen schon, dass es vor allem um das Kochen geht. Schon auf den ersten Seiten werden die servierten Speisen, die beim Besuch des Waffenmeisters im Haus des Kaufmanns serviert werden, so köstlich beschrieben, dass man am liebsten selbst davon gekostet hätte.

Doch die erste dramatische Wendung lässt nicht lange auf sich warten. Der Waffenmeister probiert den ihm verhassten Lauch, der ihm zu schmecken scheint, und poltert dann hinaus; der Schatzmeister, der ihn begleitet hat, erleidet nach einigen Löffeln eine merkwürdige Lähmung, und im Nu findet sich der Meisterkoch im Sultanspalast wieder. Ich war erstaunt, dass er scheinbar genau das bezwecken wollte und war gespannt, mehr über seine Pläne und seine Begabung zu erfahren.

An der Seite des Meisterkochs in das Leben in der Küche des Sultanspalasts einzutauchen war eine wundersame Erfahrung. Sie war zu jener Zeit als die größte Küche der Welt bekannt, und in ihr geht es zu wie in einem Bienenstock. Ich fand es interessant, mehr über die dort herrschende Hierarchie zu erfahren und wie sie organisiert ist. Jedes Mal, wenn der Meisterkoch zu seinen Messern greift, wird in einer anschaulichen Sprache absolut schmackhaft beschrieben, wie er die Speisen zubereitet und dafür sorgt, dass sie ganz besondere Wirkungen entfalten. Doch was will er damit bezwecken?

Diese Frage wird bald mittels Rückblenden beantwortet, welche abwechselnd zur Handlung im Sultanspalast erzählt werden. Man erfährt, woher er stammt, von wem seine Begabung entdeckt wurde, wo er diese zu nutzen gelernt hat und wie er sich schließlich verliebt hat. Wehmütig blickt er immer wieder auf die Jahre zurück, die ihn zu einem tragischen Charakter gemacht und ihm schließlich ein klares Ziel gegeben haben, dem er sich vollends verschrieben hat.

Die Rückblicke erklären auch, woher er über bestimmte sehr hilfreiche Kontakte verfügt, die ihm seine Hilfe anbieten. Was genau er bereit ist zu tun, wird meist erst verraten, wenn das gewünschte Ergebnis eingetreten ist oder eben nicht, sodass man gespannt bleibt, was die nächsten Schritte sein werden. Einige Auswirkungen sind durchaus drastisch, doch der Meisterkoch konnte mich mit seinem ungebrochenen Willen beeindrucken. Der Hauch Magie, welcher der Gabe des Meisterkochs innewohnt, führt zu manch überraschender Entwicklung, die mich staunen ließ.

In „Der Meisterkoch“ kommt der gleichnamige Protagonist als Koch des Waffenmeisters in die Küche des Sultanspalasts, wo er einen größeren Plan nicht aus Machtstreben, sondern aus Liebe verfolgt. Die schmackhafte Beschreibung seiner Arbeit mit ein wenig Magie, seine tragische Geschichte und sein starker Wille ließen mich tief in die Geschichte eintauchen. Auch ohne kosten zu können wurde ich von den Künsten des Meisterkochs bezaubert. Dieses orientalisch-kulinarische Märchen war für mich ein echtes Lese-Highlight!

Veröffentlicht am 08.04.2018

Das Ringen um die Macht über Mythica und die Magie geht weiter

Eisige Gezeiten
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In Mythica bringen sich die verschiedenen Parteien im Kampf um Macht in Position. Alle vier Essenzen wurden eingefordert und jede befindet sich in der Hand einer anderen Person. Doch wie entfesselt man ...

In Mythica bringen sich die verschiedenen Parteien im Kampf um Macht in Position. Alle vier Essenzen wurden eingefordert und jede befindet sich in der Hand einer anderen Person. Doch wie entfesselt man ihre Kraft? Das ist bisher nur Lucia gelungen, die nach dem Tod ihres Geliebten von Trauer und Wut getrieben ein neues Ziel verfolgt. Magnus und Cleo treffen unterdessen in Limeros ein, wo sie ihre jeweils nächsten Schritte planen. Werden sie dabei miteinander oder gegeneinander arbeiten? König Gaius sticht mit einem geheimen Plan in See, und auch Amara verfolgt in Kraeshia ihre eigene Agenda. Wer wird die Oberhand gewinnen?

Mit „Eisige Gezeiten“ ist nun der vierte Band der Falling Kingdoms-Reihe erschienen, die voraussichtlich sechs Bände umfassen wird. Die Wartezeit war mit anderthalb Jahren seit dem letzten Band wieder recht lang, aber ich freue mich, dass es noch weitergeht. Ich musste deshalb erst ein wenig im dritten Band blättern, um die Erinnerung aufzufrischen und in den vierten Band eintauchen zu können. Dort geht es nach einem kurzen Prolog, in dem man noch einmal das Wichtigste über die Kristallkugeln mit Elementarmagie erfährt und ein kleines Geheimnis gelüftet wird, schwungvoll weiter.

Auch dieser Band bietet wieder eine Vielzahl unterschiedlicher Perspektiven. Erneut begleitet man Cleo, Magnus, Lucia und Jonas. Zusätzlich kommen nun Amara und Felix zu Wort, die dem Leser schon bekannt sind und die diesmal eine größere Rolle spielen, während andere Charaktere wie Nic und Lysandra ein wenig in den Hintergrund treten. Das brachte frischen Wind in die Geschichte sowie neue Einblicke und Erkenntnisse, die dem Leser bislang vorenthalten wurden. Besonders spannend fand ich, was die vier Personen, die jeweils eine Kugel mit Elementarmagie in ihren Besitz gebracht haben, damit machen. Lucia konnte bislang als einzige die Macht entfesseln. Sie hat nach den jüngsten Ereignissen eine dramatische Wandlung durchgemacht und als Leser erlebte ich mit, welche erschreckenden Konsequenzen die Entfesselung tatsächlich hat.

Die anderen Besitzer der Kugeln nutzen diese vor allem, um sich in eine strategisch gute Position zu bringen. Dabei geht der Blick erstmals auch über die Grenzen Mythicas hinaus, denn nicht weit entfernt lauert ein mächtiger Herrscher, der zu einem gefährlichen Feind werden könnte. Diese neue Bedrohung hat mich allerdings nicht voll überzeugt, da mir hier alles zu schnell ging und es zu dramatischen Szenen kommt, die durch die Naivität der Beteiligten überhaupt erst entstehen konnten. Auch in Mythica irritierte mich so manches Mal die Leichtgläubigkeit der Charaktere, während ich es weiterhin gelungen fand, dass niemand eindeutig gut oder böse ist, sondern alles eine Sache der Perspektive ist. Während die Charaktere zu Beginn des Bandes vor allem Erkundungen einholen, beobachten und Pläne schmieden, wird es mit der Zeit wieder actionreicher. Nach einem ersten Spannungshighlight steht die große Frage im Raum, was das für die ganze Welt bedeutet. Weitere dramatische Momente erhielten meine Neugier bis hin zu einem wichtigen Kampf am Ende, durch den sich die Machtverhältnisse erneut verschieben. Der fünfte Band ist in Englisch schon erschienen, weshalb ich hoffe, dass die Übersetzung nicht allzu lange auf sich warten lässt.

In „Falling Kingdoms: Eisige Gezeiten“ geht das Ringen um die Macht über Mythica und die Magie weiter. Die Essenzen sind gefunden, doch nur Lucia ist die Entfesselung bislang gelungen. Es war wieder interessant, die verschiedenen Charaktere auf ihrem Weg durchs Land und nun auch darüber hinaus zu begleiten. Dramatische Momente und kleine Überraschungen hielten die Spannung aufrecht, doch einige Charakteren verhielten sich für meinen Geschmack zu leichtgläubig. Wer die Reihe kennt, der sollte sich auch diesen vierten Band nicht entgehen lassen, auch wenn ein gewisses Mitten-in-der-Reihe-Gefühl nicht ausbleibt. Allen anderen, die Lust auf eine temporeiche High Fantasy-Reihe haben, empfehle ich, die Reihe mit dem ersten Band, „Flammendes Erwachen“, zu beginnen!

Veröffentlicht am 08.04.2018

Was hat Elizabeth ihrer Tochter vierzig Jahre lang verschwiegen?

Zeit der Schwalben
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Adele lebt in London, arbeitet dort als Bäckerin und ist zufrieden mit ihrem Job, obwohl ihr von ihrer Mutter Elizabeth immer signalisiert wurde, dass sie wie ihre höchst erfolgreichen Geschwister mehr ...

Adele lebt in London, arbeitet dort als Bäckerin und ist zufrieden mit ihrem Job, obwohl ihr von ihrer Mutter Elizabeth immer signalisiert wurde, dass sie wie ihre höchst erfolgreichen Geschwister mehr aus ihrem Leben machen soll. Doch nun liegt Elizabeths Unfalltod genau ein Jahr zurück. Als sich die Familie zu diesem Anlass im Elternhaus versammelt, schleicht sich Adele ins Arbeitszimmer ihrer Mutter, als das Telefon klingelt und sie einen verwirrenden Anruf annimmt: Ein Mann spricht von Nachforschungen und nennt den vierzehnten Februar – ihren Geburtstag. Kurz darauf steht eine Frau vor der Tür, die behauptet, herausgefunden zu haben, dass Elizabeth auch ihre Mutter sei. Was steckt dahinter? Adele folgt den Spuren in die Vergangenheit ihrer Mutter, bis hin zu einem Sommer, der alles verändert hat.

Ich lese sehr gern Familiengeschichten mit einem lange gehüteten Geheimnis, weshalb dieses Debüt meine Neugier geweckt hat. Die ersten Seiten machen schnell Lust, tiefer in die Vergangenheit einzutauchen: Sie berichten von einem Haus, das schon viel gesehen hat und auch die Erinnerung an die erste Liebe eines Mädchens im Jahr 1958 bewahren wird. Bevor der Leser darüber mehr erfährt, springt die Geschichte gut vierzig Jahre in die Zukunft, wo sich für Adele die Ereignisse mit einem Anruf und einer angeblichen Schwester vor der Tür überschlagen.

Ich konnte gut nachvollziehen, dass Adele und ihre hochschwangere Schwester Venetia abwehrend reagieren und der Frau auf ihrer Türschwelle nicht so recht glauben wollen. Doch warum sollte diese sich so etwas ausdenken? Es scheint ihr nicht ums Geld zu gehen, und sie ist tatsächlich im Besitz von Notizen Elizabeths. Nach dem ersten Schock beginnt Adele, sich damit auseinanderzusetzen, was das für ihre Familie bedeutet. Natürlich will sie auch mehr darüber erfahren, was ihre Mutter ihr verschwiegen hat. Doch die Personen, die Informationen haben könnten, wollen oder können ihr diese aus nachvollziehbaren Gründen nicht preisgeben. Das wirkte auf mich etwas konstruiert, führt aber zu einer interessanten Spurensuche, auf die Adele sich gemeinsam mit ihrer angeblichen Schwester Phoebe begibt.

Adele und Phoebe sind vom Charakter her völlig unterschiedlich. Adele ist eher zurückhaltend und bedacht, sie wägt Optionen sorgfältig ab und scheut sich eher davor, etwas Neues zu beginnen. Phoebe ist hingegen ein Energiebündel, als Pilotin ist sie überall in der Welt unterwegs und will Dinge am liebsten gestern erledigt haben. Oft prescht sie aber auch zu schnell vor und verunsichert dadurch ihr Gegenüber. Die beiden können also noch einiges voneinander lernen und es war schön, sie bei ihrer gemeinsamen Suche zu begleiten.

Die Nachforschungen im Jahr 2000 werden immer wieder von Rückblicken unterbrochen, in denen Elizabeth in Form ihres Tagebuchs zu Wort kommt und hauptsächlich über die Jahre 1958 bis 1960 berichtet. Man begleitet sie auf ihrem Weg nach Hartheim, wo sie den Sommer verbringen soll, weil ihre Mutter im Sterben liegt. Dort verbringt sie unbeschwerte Wochen. Doch irgendwann kommt alles ganz anders als gedacht. Die Rückblicke fügen sich gelungen in die Handlung ein und erlauben es dem Leser, tief in Elizabeths Gedanken und Gefühle einzutauchen. Neue entscheidende Informationen erhält man dabei gleichzeitig mit Adele und Phoebe, sodass der Handlungsstrang im Jahr 2000 interessant blieb und einige überraschende und auch bedrückende Momente bereit hält, während die Wahrheit stückweise ans Licht kommt. Die Seiten flogen nur so dahin in dieser rundum gelungenen Geschichte, die am Ende alle wichtigen Fragen beantwortet.

„Zeit der Schwalben“ erzählt von Adele, die ein Jahr nach dem Tod ihrer Mutter damit konfrontiert wird, dass diese ihr vierzig Jahre lang etwas Entscheidendes verschwiegen hat. Die beiden Zeitebenen, auf der die Geschichte erzählt wird, sind gelungen miteinander verwoben und ich konnte mich sehr gut in die interessanten Charaktere hineinversetzen, die ein Wechselbad der Gefühle durchleben. Das Buch thematisiert ein ernstes Thema der englischen Geschichte und stimmt nachdenklich, verliert gleichzeitig aber nie eine gewisse Leichtigkeit. Ich gebe eine ganz große Leseempfehlung an jeden, der gerne in Familiengeschichten mit Geheimnissen eintaucht!

Veröffentlicht am 08.04.2018

Identitätssuche auf verschiedenen Ebenen

Außer sich
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Ali reist nach Istanbul, um dort ihren Bruder Anton zu suchen. Denn seit dieser verschwunden ist hat er nichts von sich hören lassen, nur eine Postkarte aus ebendieser Stadt hat er geschickt. Doch wie ...

Ali reist nach Istanbul, um dort ihren Bruder Anton zu suchen. Denn seit dieser verschwunden ist hat er nichts von sich hören lassen, nur eine Postkarte aus ebendieser Stadt hat er geschickt. Doch wie findet man einen Bruder in einer solchen Metropole? Bald trifft sie auf Katho, der ihre Gedanken rund um ihre Identität ins Wirbeln bringt, und auf ihre Erinnerungen an all die Geschichten ihrer Familie in den Generationen vor ihr.

Das Buch beginnt mit einer kurzen Erinnerung von Ali daran, wie sie mit ihrer Familie von Russland nach Deutschland gekommen ist. Danach trifft der Leser ihr erwachsenes Ich bei ihrer Ankunft in Istanbul wieder. Sie geht dem einzigen Hinweis auf den Verbleib ihres Bruders nach. Der Onkel eines Freundes kümmert sich vor Ort ein wenig um sie, und bald lag ich gedanklich neben Ali auf dessen wanzenbefallenem Sofa und tauchte ein in ihre Erinnerungen und Überlegungen.

Die Ereignisse im Buch sind nicht chronologisch erzählt und schon bald gerät Alis Suche nach Anton in den Hintergrund. Viel wichtiger wird ihre Auseinandersetzung mit der eigenen Identität. Da ist zum einen Katho, der eigentlich eine Sie ist, sich aber schon länger Testosteron spritzt und damit eine Möglichkeit nutzt, mit der auch Ali sich bei der Frage „Wer will ich sein“ beschäftigt. Ali beobachtet viel; dabei weiß man oft nicht, was Realität ist und was nur Illusion. Oft lässt sie sich und ihre Gedanken treiben ohne Ambition auf ein irgendwo Ankommen. Ich gewann immer mehr Informationen über sie als Person hinzu und konnte sie doch nie ganz greifen.

Zum anderen taucht man immer tiefer in die Geschichten einzelner Vorfahren ein: Der ihrer Eltern, der Eltern ihrer Mutter, der Eltern dieser Großmutter… Man erfährt, was diese bewegt hat, wie sie gelebt haben und wonach sie sich gesehnt haben. Als russische Juden wurden sie über die Jahrzehnte immer wieder Opfer von Ausgrenzung und Gewalt und haben für die Realisierung von ganz unterschiedlichen Vorstellungen eines ausgefüllten Lebens gekämpft. Beim Lesen der verschiedenen Lebensgeschichten entsteht allmählich ein Eindruck, der sich für mich wie ein Puzzle anfühlte, bei dem nicht alle Teile zusammenpassen und trotzdem die Ahnung eines Bildes entsteht. Hilft all das Ali, für sich selbst und ihre Zukunft Klarheit zu schaffen? Das wird nicht abschließend beantwortet. In jedem Fall hilft es beim Blick zurück und dem Verständnis, wo sie herkommt.

Die Suche nach der eigenen Identität dreht sich um Heimat, Familie und das eigene Fühlen, zu einem großen Teil aber auch um die sexuelle Identität. Viele der insbesondere in der Gegenwart handelnden Personen haben zu dieser ein aus meiner Sicht gestörtes Verhältnis. Die Frage, ob man sich als Mann oder Frau fühlt ist völlig berechtigt und heute kein Tabu mehr. Doch es wird mit Männern und Frauen fast jeden Alters geschlafen, auch innerhalb der eigenen Familie; Prostitution, Missbrauch und Vergewaltigung werden thematisiert. Die oft abstoßenden Schilderungen erschreckten mich und ebenso die Apathie, mit der so mancher Charakter das hinnahm. Der Roman überschreitet hier bewusst Grenzen und rückt dafür andere Aspekte in den Hintergrund, über die ich gerne mehr erfahren hätte, wie die Reaktionen auf Alis Wandlung und ihre Jugend in Deutschland. Der Abschluss ist schließlich wie das ganze Buch eine große Frage mit einer kleinen Antwort, ein mit stumpfer Schere abgeschnittener Faden, der zerfasert und mich aufgewühlt und in Gedanken vor allem bei Alis Familiengeschichte zurücklässt.

„Ausser sich“ berichtet von Ali, die in Istanbul nach Anton sucht, und mehr noch nach Antworten auf die Frage, wo sie herkommt und wer sie sein will. Die Struktur der Geschichte ist kunstvoll; dabei haben bei mir insbesondere die Puzzlestücke rund um Alis Vorfahren und ihre Einwanderung nach Deutschland einen Eindruck hinterlassen, während mir der Fokus auf einige Grenzüberschreitungen zu stark war. Das Lesen ist wie ein Segeln im Sturm, bei dem man mal hierhin, mal dorthin getragen wird und worauf man sich einlassen sollte.

Veröffentlicht am 08.04.2018

Ein neuer Kingsbridge-Roman mit frischen Charakteren und großer Politik

Das Fundament der Ewigkeit
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Kingsbridge im Jahr 1558: Ned Willard kehrt nach einem Aufenthalt bei seinem Onkel in Calais in die Stadt zurück. Er ist fest entschlossen, nun endlich seine geliebte Margery Fitzgerald zu heiraten. Als ...

Kingsbridge im Jahr 1558: Ned Willard kehrt nach einem Aufenthalt bei seinem Onkel in Calais in die Stadt zurück. Er ist fest entschlossen, nun endlich seine geliebte Margery Fitzgerald zu heiraten. Als Sohn der reichsten Kaufmannsfamilie der Stadt ist er keine schlechte Partie. Doch obwohl Margery seine Gefühle erwidert, drängt ihre Familie sie energisch dazu, Bart zu heiraten, den zukünftigen Grafen von Shiring. Als Neds Familie fast alles verliert, hält ihn endgültig nichts mehr in Kingsbridge. Er tritt in den Dienst der protestantischen Elizabeth Tudor, die der katholischen Mary Tudor auf den Thron folgen will. Sie will sich dafür einsetzen, dass niemand mehr aufgrund seines Glaubens getötet wird. In Frankreich und der spanischen Niederlande beobachtet man die Entwicklungen genau – hier ist man katholisch und hat eigene Vorstellungen davon, wie man mit Protestanten umgeht. Wird es Ned gelingen, einen Beitrag zu einem friedlichen Miteinander der Religionen zu leisten?

Nachdem ich vor Jahren sowohl „Die Säulen der Erde“ als auch „Die Tore der Welt“ begeistert gelesen habe, habe ich mich sehr gefreut, als ein dritter Kingsbridge-Roman angekündigt wurde. Seit den Ereignissen des zweiten Buches sind gut 200 Jahre vergangen und im Zentrum der Handlung stehen die Nachfahren der früheren Protagonisten. Ich war gespannt, wie es ihnen ergehen wird. Man braucht aber nicht zwingend das Vorwissen der anderen Bücher, um in diese Geschichte eintauchen zu können.

Das Buch beginnt wie einst „Die Säulen der Erde“ mit einer Hinrichtung. Der Erzähler merkt an, dass er den Verurteilten jahrzehntelang gejagt hat und verhindern konnte, dass dieser den größten Teil der Königsfamilie tötet. Wann dies passiert und wer Erzähler und Verurteilter sind, wird vorerst nicht aufgeklärt. Stattdessen findet man sich im Jahr 1558 wieder, wo Ned Willard gerade von Calais nach Kingsbridge zurückgekehrt ist und feststellen muss, dass seine Geliebte gegen ihren Willen mit dem zukünftigen Grafen von Shiring verheiratet werden soll.

Schnell konnte ich einen ersten guten Überblick darüber gewinnen, wie die verschiedenen Personen zueinander stehen. Durch die erzwungene Heirat Margerys, einem Angriff auf Calais und einer Klage gegen Neds Mutter wurde die Handlung schnell spannend und dramatisch. Wer die Vorgänger kennt, der weiß, dass für die sympathischsten Charaktere erst einmal alles schief geht. Ned lässt deshalb schon bald alles hinter sich und tritt in den Dienst von Elizabeth Tudor, wo er in den folgenden Jahren das politische Geschehen hautnah miterleben wird.

Neben den Kapiteln in England erfährt man auch mehr über die politische Situation in Frankreich, Spanien und der spanischen Niederlande. Die Handlungsstränge sind zu Beginn unabhängig voneinander, laufen später aber alle zusammen. Auch hier werden dem Leser Geheimnisse und Intrigen geboten. Da ist zum Beispiel Neds Bruder Barney, der aus Spanien fliehen muss und zu diesem Zweck in die Armee eintritt oder Sylvie, deren Vater in Paris streng verbotene protestantische Schriften verkauft und die sich in einen Spion der Katholiken verliebt. Gut und Böse sind insbesondere bei den fiktiven Charakteren recht klar verteilt und ich fieberte mit, ob sich die mir sympathisch gewordenen Charaktere behaupten und ihre Pläne verwirklichen können.

Viele Charaktere stehen bald im Dienst von einflussreichen politischen Persönlichkeiten. Beim Lesen erfährt man viel über die politischen Entwicklungen und insbesondere das Thema Katholiken versus Protestanten spielt eine wichtige Rolle. Der Autor berücksichtigt in seiner Geschichte viele historische Ereignisse und verschafft den fiktiven Charakteren wichtige Rollen darin. Die einen planen Verschwörungen, während die anderen versuchen, sie aufzudecken – letzteres nicht immer erfolgreich. Das fand war oft spannend, insbesondere im Mittelteil hätte ich mir aber oft eine straffere, weniger ausschweifende Erzählweise gewünscht. Über 60 Jahre lang begleitet man die Charaktere durch Höhen und Tiefen bis hin zu einem letzten dramatischen Anschlagsplan und einem runden Schluss.

In „Das Fundament der Ewigkeit“ versuchen Nachfahren der Protagonisten der früheren Kingsbridge-Romane, ihre Pläne zu verwirklichen. Dabei spielt das Ringen zwischen Katholiken und Protestanten bis hin zum Bürgerkrieg eine große Rolle, denn die fiktiven Charaktere sind bei vielen historischen Ereignissen hautnah dabei. Der Aufbau der Geschichte ist seinen Vorgängern nicht unähnlich und manche Entwicklungen hätten straffer beschrieben werden können. Insgesamt bietet dieses Buch gelungene Unterhaltung, die sich kein Ken Follett-Fan entgehen lassen sollte!