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Veröffentlicht am 04.01.2017

Jeder kann mitbestimmen, wer das nächste Opfer ist

Anonym
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Gleich an ihrem ersten Arbeitstag bei der Hamburger Polizei wird Nina Salomon Teil einer Mordermittlung. Gemeinsam mit Kommissar Daniel Buchholz widmet sie sich einem besonders heiklen Fall: Die Ermordung ...

Gleich an ihrem ersten Arbeitstag bei der Hamburger Polizei wird Nina Salomon Teil einer Mordermittlung. Gemeinsam mit Kommissar Daniel Buchholz widmet sie sich einem besonders heiklen Fall: Die Ermordung wurde vorab in einem Internetforum des Darknets bekannt gegeben. Per Abstimmung wurde entschieden, dass „Der Anwalt, der einen Vergewaltiger vor seiner gerechten Strafe bewahrt hat“ den Tod am meisten verdient hat. Jeder kann dort völlig anonym jemanden nominieren, und die nächste Abstimmungsrunde steht kurz bevor. Wird es den Ermittlern gelingen, den Täter zu finden oder wenigstens die möglichen Opfer rechtzeitig in Sicherheit zu bringen? Ein gnadenloser Kampf gegen die Zeit beginnt.

Als großer Fan von sowohl Ursula Poznanski als auch Arno Strobel war nach „Fremd“ auch das zweite gemeinsame Buch der beiden Autoren für mich Pflichtlektüre. Die düstere Schlichtheit des Covers in Kombination mit dem silbernen Schimmer gefällt mir. Es bleibt der Farbgebung des Genres treu und fällt trotzdem ins Auge.

Nach einem mysteriösen, blutigen Prolog steigt das Buch gleich mit dem Fund der Leiche des Anwalts ein. Ich gewann schnell einen ersten Eindruck von beiden Ermittlern, die sich am Fundort zum ersten Mal begegnen. Während Nina von Beginn an selbstbewusst und sarkastisch auftritt, machte Daniel einen etwas arroganten Eindruck. Ich freute mich darauf, die beiden besser kennenzulernen und herauszufinden, ob das ungleiche Paar in der gemeinsamen Ermittlung erfolgreich zusammenarbeiten kann.

Warum der Anwalt ermordet wurde, ist im Nu klar, denn die Tat wurde online angekündigt. Gemeinsam mit den Ermittlern lernte ich „Morituri“ kennen. In diesem Forum im Darknet kann jeder eine Person nominieren mit einer Begründung, warum sie ermordet werden soll und dann abwarten, ob sie es auf die Liste der Nominierten schafft. Erste Versuche, die Seite vom Netz zu nehmen, bleiben erfolglos. Diese Idee übte eine perverse Faszination aus, nicht nur auf mich, sondern in der Geschichte bald auch stadt-, land- und weltweit. Auch Nina zieht es immer wieder dorthin. Auf der Suche nach einem Hebel, mit dem sie den Täter identifizieren kann, lässt sie sich bald zu gewagten Schritten hinreißen.

Die Spannungskurve kennt in diesem Buch nur eine Richtung, und zwar aufwärts. Schon bald wird eine neue Abstimmungsrunde gestartet und die Zeit läuft den Ermittlern davon. Können sie herausfinden, wer hinter den vagen Beschreibungen der Nominierten steckt? Hunderte von Hinweisen machen es unmöglich, jeder Spur nachzugehen – treffen sie die richtige Wahl? Die Machtlosigkeit der Polizei und das entsprechende Medienecho schufen eine bedrückende und bedrohliche Atmosphäre. Ich fieberte mit, ob es Nina und Daniel gelingen wird, dem Täter einen Schritt voraus zu sein. In ruhigeren Phasen erhielt ich die Gelegenheit, die beiden noch besser kennen zu lernen. Sie besitzen unterschiedliche Stärken, haben aber auch ihre Ecken und Kanten. Dadurch wurden sie lebendig und mir sympathisch.

Es fiel mir zunehmend schwer, das Buch aus der Hand zu legen. Jede Spur ist mit der Hoffnung verbunden, entscheidende Hinweise zu finden, doch gleichzeitig macht auch der Täter seine nächsten Schritte. Die Autoren verstehen es, die Dramatik fortlaufend zu steigern. Schließlich holen sie noch einmal alles aus der Geschichte heraus und präsentieren ein überraschendes, atemloses und in meinen Augen absolut gelungenes Finale.

In „anonym“ suchen zwei Hamburger Ermittler fieberhaft nach einem Hinweis auf die Identität eines Mörders, der andere online über sein nächstes Opfer abstimmen lässt. Das Szenario wurde gut durchdacht, es konnte mich mit seiner Plausibilität erschrecken und mir vor Augen führen, welche Gefahren die Anonymität des Internets birgt. Mich hat dieser dramatische Wettlauf mit der Zeit vollends fesseln können. Ganz große Leseempfehlung an alle Thriller-Fans!

Veröffentlicht am 04.01.2017

Emotionale Geschichte über zwei Schwestern zur Zeit des zweiten Weltkriegs

Die Nachtigall
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Vianne und Isabelle Mauriac sind höchst verschiedene Schwestern. Ihr vom ersten Weltkrieg gebrochener Vater gab die beiden kurz nach dem Tod der Mutter in fremde Hände, als Vianne 14 und Isabelle 4 Jahre ...

Vianne und Isabelle Mauriac sind höchst verschiedene Schwestern. Ihr vom ersten Weltkrieg gebrochener Vater gab die beiden kurz nach dem Tod der Mutter in fremde Hände, als Vianne 14 und Isabelle 4 Jahre alt war. Während Vianne schon drei Jahre später heiratete, flog die rebellische Isabelle aus einem Internat nach dem anderen. Fünfzehn Jahre später bricht ein neuer Krieg an. Viannes Mann wird einberufen, und sie muss allein für die Sicherheit und das Wohlergeben ihrer Tochter sorgen. Isabelle hingegen will unbedingt selber aktiv werden und dem deutschen Gegner irgendwie Schaden zufügen. Im sich verschärfenden Kriegsgeschehen gehen die beiden auf ihre Weise so manches Wagnis ein…

Das Buch beginnt im Jahr 1995 und der Leser lernt eine alte, in Amerika lebende Dame kennen, die ihre Erinnerungen in einen Koffer auf dem Dachboden verbannt hat. Nun gibt sie ihr Haus auf und besteht gegenüber ihrem Sohn darauf, den Koffer mitzunehmen. Natürlich ist er neugierig und fragt, was es mit dem Kofferinhalt auf sich hat – scheinbar weiß er über diesen Teil ihrer Vergangenheit nichts. Gespannt tauchte ich in die Erinnerungen seiner Mutter ein und fand mich im Frankreich des Jahres 1939 wieder.

Hier lernte ich die Schwestern Vianne und Isabelle kennen. Die beiden gehen mit dem Kriegsbeginn in Frankreich höchst unterschiedlich um. Vianne bricht es das Herz, dass ihr geliebter Antoine die Familie verlassen muss und sie mit ihrer achtjährigen Tochter allein zurückbleibt. Isabelle ist hingegen gerade wieder aus einem Internat geflogen und kommt kurzzeitig bei ihrem Vater in Paris unter. Sie brennt darauf, irgendetwas zu tun: Vielleicht als Sanitäterin, in einer Dechiffrierabteilung oder gar als Verführerin, gegenüber welcher der Gegner die gemeinsten Pläne verrät? Ich fand es interessant, wie unterschiedlich die bodenständige, besonnene Vianne und die abenteuerlustige, mögliche Konsequenzen ausblendende Isabelle im Angesicht des aufkommenden Krieg reagieren.

Die Situation spitzt sich schnell zu und die beiden Schwestern werden Zeugen von Ungerechtigkeit, Leid und müssen sich so mancher Herausforderung stellen. Vianne versucht, für ihre Tochter stark zu bleiben und sie keiner Gefahr auszusetzen. Doch als ein deutscher Hauptmann bei ihr einquartiert wird und Freunde deportiert werden, wird das Stillhalten für sie schnell zu einer Herausforderung. Isabelle hingegen sucht zunehmend die Gefahr und setzt ihren Beschluss, den Widerstand zu unterstützen, tatsächlich um. Der Autorin ist es gelungen, für mich nachvollziehbar zu machen, wie man sich als Frau im Krieg gefühlt haben muss und wie unterschiedlich verschiedene Charaktere damit umgegangen sind. Tägliches Schlange stehen für eine winzige Portion Lebensmittel, Bekannte, die plötzlich verschwunden sind – durch die Erzählung alltäglicher Erlebnisse der Frauen konnte ich in die Zeit eintauchen.

Die Eckpunkte der Geschichte sind gut recherchiert, doch der Fokus liegt auf den Emotionen und weniger auf einem ausführlicheren Einblick in die historischen Hintergründe. Die Geschichte empfand ich als typisch Amerikanisch – viele der ausschweifend beschriebenen Szenen und romantisch-dramatischen Momente vor der Kriegskulisse lesen sich wie für einen Hollywood-Film geschrieben. Für mich schrammte das haarscharf am Kitsch vorbei und ist klar für eine weibliche Zielgruppe geschrieben. Zusätzliche Dramatik erzeugten in Windeseile getroffene Entscheidungen von Charakteren, die ich manches Mal nicht ganz nachvollziehen konnte. Doch insgesamt konnte mich das Buch fesseln und die Seiten verflogen im Nu. Der Spannungsbogen, den die Autorin schlägt, sorgte dafür, dass ich beständig weiterlesen wollte. Neugierig las ich mich durch eine ausgewogene Mischung aus bedrückenden und hoffnungsvollen Momenten bis hin zu einem sehr rührenden Schluss.
In „Die Nachtigall“ begleitet der Leser die höchst unterschiedlichen Schwestern Vianne und Isabelle durch die Jahre des zweiten Weltkriegs in Frankreich. Während sich Vianne für die Sicherheit der Menschen einsetzt, die sie liebt, will Isabelle im Widerstand aktiv werden. In den Kriegsjahren stellen sich die beiden so mancher Herausforderung und begeben sich in immer größere Gefahr. Von mir gibt es vier Sterne für diese emotionale Geschichte über zwei Frauen, die jeweils auf ihre Weise Stärke zeigen.

Veröffentlicht am 04.01.2017

Deine Schwester gilt 13 Jahre lang als vermisst. Dann gibt es Neuigkeiten.

Falsche Schwestern
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Seit 13 Jahren gilt Faiths Schwester Laurel als vermisst. Entführt von einem Fremden am helllichten Tag aus dem heimischen Sandkasten konnte sie trotz einer großangelegten Suchaktion und hoher medialer ...

Seit 13 Jahren gilt Faiths Schwester Laurel als vermisst. Entführt von einem Fremden am helllichten Tag aus dem heimischen Sandkasten konnte sie trotz einer großangelegten Suchaktion und hoher medialer Aufmerksamkeit nicht gefunden werden. Faith stand in all den Jahren im Schatten ihrer Schwester, die meisten Leute interessierten sich nur für sie, weil sie die Schwester der Vermissten ist. Doch dann taucht ein Mädchen bei der Polizei auf, die Laurels heißgeliebten Bären Barnaby dabei hat. Endlich hat Faith ihre große Schwester wieder. Doch in 13 Jahren hat sich vieles verändert. Wie wird es für die Familie nun weitergehen?

Zu Beginn des Buches lernt man Faith kennen, über deren Familie seit 13 Jahren ein dunkler Schatten liegt. Das Verschwinden ihrer Schwestern hat bleibende Spuren hinterlassen. Damals gab es eine enorme mediale Aufmerksamkeit, und so tauchen auch heute noch immer wieder Berichte in der Presse auf, die Faith, ihre Eltern und ihr Umfeld ständig daran erinnern, was passiert ist. Dabei mag es Faith überhaupt nicht, wenn Leute sich nur wegen des Geschehenen für sie interessieren.

Nach einem kurzen Einblick in Faiths Leben und Gedankenwelt kommt auch schon die Nachricht, die alles auf den Kopf stellt: Laurel ist aufgetaucht! Wie reagiert eine Familie nach Jahren der Ungewissheit auf solch eine Nachricht? Welche Person ist aus Laurel geworden? Kann sie sich wieder in die Familie einfügen? Ich brannte darauf, die Antworten auf diese Fragen zu erfahren und ließ mich mitreißen von den ersten Momenten nach Erhalt dieser Nachricht, der ersten Begegnung, der ersten Pressekonferenz.

Von echten Fällen aus der Vergangenheit, über welche die Medien berichtet haben, wusste ich, wie schwierig es für Entführungsopfer sein kann, in die Familie und Gesellschaft zurückzukehren. Ich war gespannt, wie diese fiktive Familie die Herausforderung meistern wird. Für die Presse ist das Happy End des Entführungsdramas natürlich gefundenes Fressen. Das Buch setzt sich intensiv damit auseinander, wie sich das für die Beteiligten anfühlen muss. Das fand ich allerdings nicht allzu spannend und überraschend, da man in der Realität in den Medien allzu oft genau das erlebt: Persönliche Geschichten, die wochenlang ausgeschlachtet werden.

Das Buch gibt umfassende Einblicke in Faiths Gedanken- und Gefühlswelt während der Ereignisse. Sie ist glücklich über die Rückkehr ihrer Schwestern, steht nun aber noch stärker in ihrem Schatten als je zuvor, was bei ihr auch negative Gefühle auslöst. Das konnte ich nachvollziehen, doch wirklich nahe fühlte ich mich ihr nicht. Ihren Freund fand ich leider nicht sonderlich sympathisch und ihre beste Freundin blieb relativ blass. Am Besten gefallen hat mir Michel, der neue Lebensgefährte von Faith’s Vater, der mit seiner klugen und umsichtigen Art immer die richtigen Worte gefunden hat.

Der größte Knackpunkt des Buches war für mich, dass ich sehr früh wusste, worauf das Buch hinauslaufen wird. Dezente Hinweise nehme ich oft nicht war und bewundere dann im Rückblick ihre geschickte Platzierung. Doch in diesem Buch sind Andeutungen so offensichtlich platziert, dass ich sie gar nicht überlesen konnte. Dadurch hat das Buch für mich leider sehr viel von seinem Reiz eingebüßt. Zum Ende hin werden schließlich auch noch Entscheidungen getroffen, die für mich nicht zu den Charakteren passten, die ich bis dato kennengelernt hatte. Die berührende Offenbarung eines allwissenden Erzählers hat mich dann aber versöhnlich stimmen können – ein ganz starker Abschluss für ein eher durchwachsenes Buch.
„Falsche Schwestern“ lässt mich zwiegespalten zurück. Die Autorin schreibt über ein wichtiges Thema und gerade die ersten Momente nach dem Auftauchen der Vermissten konnten mich mitreißen. Das Buch besitzt interessante psychologische Komponenten, doch der Verlauf war für mich früh vorhersehbar, weshalb es mich nicht so recht fesseln konnte. Ich vergebe deshalb solide 3 Sterne für dieses Buch über das Auffinden eines Entführungsopfers nach über einem Jahrzehnt und dessen Konsequenzen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Nach der Zerstörung Großbritanniens kämpft sich Ed durch das verwüstete Land

Am Ende aller Zeiten
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Edgar Hill ist fünfunddreißig und strengt sich im Leben nicht sonderlich an. Als Vater zweier Kinder überlässt er die meisten Familienaufgaben seiner Frau, hat im Laufe der Jahre deutlich an Gewicht zugelegt ...

Edgar Hill ist fünfunddreißig und strengt sich im Leben nicht sonderlich an. Als Vater zweier Kinder überlässt er die meisten Familienaufgaben seiner Frau, hat im Laufe der Jahre deutlich an Gewicht zugelegt und sitzt in seinem Job die Zeit ab. Die Warnung vor Asteroideneinschlägen hört er mitten in der Nacht in betrunkenem Zustand, kurz bevor er einschläft – und kann sich mit seiner Familie wenige Stunden später erst im allerletzten Moment in den schützenden Keller retten. Doch jetzt ist das Leben ein anderes, Großbritannien ist völlig zerstört, er und seine Familie kämpfen ums Überleben. Als Ed zur falschen Zeit am falschen Ort ist, wird er von seiner Familie getrennt. Wenn er sie jemals wiedersehen will, dann muss er in wenigen Wochen das verwüstete Land durchqueren, von Schottland bis Cornwall. Wird Ed über sich hinauswachsen und sein Ziel rechtzeitig erreichen?

Mit FISCHER Tor geht in diesem Sommer ein neuer Programmbereich der S. Fischer Verlage an den Start. Neugierig habe ich mich durch das erste Verlagsprogramm geblättert, und dabei ist mir gleich „Am Ende aller Zeiten“ ins Auge gefallen. Das Buch klang nach einem spannenden Endzeitroman, in welchem der Protagonist über sich hinauswachsen muss. Gespannt, ob ihm das gelingen wird, startete ich mit der Lektüre.

Der Ed, den ich zu Beginn des Buches kennenlernte, war alles andere als ein Vorzeigevater. Er gibt selbst zu, seiner Frau die meisten Aufgaben in der Familie zu überlassen, mit Verweis auf seinen Job, in dem er sich aber auch nicht sonderlich anstrengt. Sonderlich sympathisch wurde mir Ed also erst einmal nicht. Nach diesem kurzen Kennenlernen bricht auch schon die Hölle los, Asteroiden schlagen ein und verwüsten das ganze Land. Hier kam schnell Endzeitstimmung auf. Minuten vor dem Einschlag spielen sich dramatische Szenen ab, Menschen werden panisch und aggressiv. Diese Szenen waren erschreckend, und ich bangte mit, ob Ed und seine ganze Familie das Drama überleben werden.

Ich fand es gut, dass der Roman nicht allzu lang in der Phase unmittelbar nach den Einschlägen verweilt. Statt eines ausführlichen Countdowns der verbleibenden Nahrungs- und Wasserressourcen beschreibt der Autor die Zeit im Keller in hohem Tempo und bringt den Autor bald in eine ganz neue Umgebung. Hier lernt man auch weitere Überlebende kennen und schließlich kommt es zu der schon im Klappentext vorweggenommenen Trennung von Ed und seiner Familie.

Ed, der sich auch nach der Katastrophe nicht allzu intensiv um seine Familie gekümmert hat, dessen Beziehung zu seiner Frau ich als abgekühlt erlebte, muss sich nun fragen, was er eigentlich will. Endlich kommt er zu dem Schluss, der ihn mir gleich viel sympathischer machte: Dass ihm seine Familie wirklich sehr am Herzen liegt, auch wenn er es bislang nicht gezeigt hat. Zu diesem Zeitpunkt ist bereits ein gutes Viertel des Buches gelesen und schon so einiges passiert, aber eigentlich geht es hier erst richtig los.

Was folgt, ist ein anstrengender Weg quer durch das verwüstete Großbritannien. Gemeinsam mit anderen Überlebenden macht sich Ed auf den Weg. Nicht nur die zerstörten Straßen sind eine Herausforderung, sondern auch Begegnungen mit anderen Überlebenden. Sind sie feindlich gesinnt oder friedfertig? Und wem kann man innerhalb der Gruppe vertrauen? Ed und seine Freunde agieren wiederholt recht naiv und begegnen einigen sehr speziellen Gestalten. Immer wieder kommt es zu dramatischen Szenen, in denen weitere Tote zu beklagen sind. Die Beschreibungen von Kämpfen und Verletzungen sind eher oberflächlich, sodass es nicht allzu brutal und eklig wurde.

Etwas vermisst habe ich in diesem Buch ein innovatives, hervorstechendes Element. Durch den Wettkampf mit der Zeit wird die Spannung immer weiter erhöht, doch ich hatte das Gefühl, dass ich die meisten von Eds Erlebnissen in ähnlicher Weise schon mal in anderen Endzeitromanen gelesen habe. Das Buch beinhaltet viele klassische Elemente, weshalb es meiner Meinung nach ein gutes Buch für den Einstieg ins Genre ist. Auch das Ende als Spannungshöhepunkt bedient sich einiger Klischees, für mich ist der Autor hier in Sachen Drama über das Ziel hinausgeschossen. Schließlich lässt das Ende bewusst einige Fragen offen, was meiner Meinung nach gut zur Geschichte passte und Raum für eigene Gedanken ließ.

In „Am Ende aller Zeiten“ erlebt der nicht sonderlich ambitionierte Ed die Verwüstung seiner Heimat. In der Zeit nach der Katastrophe muss er über sich hinauswachsen und kämpft sich quer durch das verwüstete Land. Trotz vieler klassischer, wenig innovativer Elemente fieberte ich mit, ob er sein Ziel erreichen wird. Besonders gut gefallen hat mir die charakterliche Wandlung, die Ed durchmacht. Sehr gern empfehle ich das Buch weiter, vor allem an Einsteiger in das Genre Endzeitroman.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Eintauchen ins Paris des 19. Jahrhunderts

Der Turm der Welt
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Paris im Oktober 1889: Die große, spektakuläre Weltausstellung nähert sich ihrem Ende, und immer mehr hochrangige Besucher strömen in die Stadt. Darunter befindet sich auch Friedrich von Straten als Teil ...

Paris im Oktober 1889: Die große, spektakuläre Weltausstellung nähert sich ihrem Ende, und immer mehr hochrangige Besucher strömen in die Stadt. Darunter befindet sich auch Friedrich von Straten als Teil der deutschen Delegation, der auf einen Auftrag im Rahmen seiner Tätigkeit für den Geheimdienst wartet, und der Constable Basil Fitz-Edwards, der den Sohn des britischen Thronfolgers begleitet. Doch dann werden zwei Ermittler des französischen Gemeindienstes tot aufgefunden – durchbohrt von den riesigen Zeigern der Uhr eines französischen Erfinders, die um fünf vor zwölf zum Stehen kam. Eine klare Drohung – ein weiterer Vorfall in der Öffentlichkeit könnte Paris ins Chaos stürzen und den instabilen Frieden in Europa gefährden. Wird es dem Deuxième Bureau gelingen, die Verantwortlichen rechtzeitig zu finden? Und welche weiteren Parteien schmieden ihre Pläne während dieser turbulenten Tage?

Gleich auf den ersten Seiten des Buches kam Spannung auf, denn zwei Tote werden in der Maschinenhalle der Ausstellung gefunden, die eine deutliche Nachricht an das Deuxième Bureau senden: Die Sicherheit der Weltausstellung und ihrer Abschlussfeierlichkeiten ist bedroht. Meine Neugier, was in der Stadt vor sich geht und ein weiterer Vorfall verhindert werden kann, war schnell geweckt.

Im Folgenden lernt man eine ganze Reihe an Charakteren kennen, die in das Geschehen eingreifen werden. Die Erzählung springt schnell zwischen den verschiedenen Perspektiven hin und her, sodass eine hohe Dynamik entstand. Die Charaktere im Fokus sind zudem höchst unterschiedlich, was für Abwechslung sorgte. Da gibt es zum Beispiel eine einflussreiche Vicomtesse und ihre Tochter, Ermittler aus Frankreich, Deutschland und England, ein Fotograf, eine Kurtisane und eine Hotelinhaberin. Zu Beginn musste ich etwas blättern, um die Charaktere sortieren zu können, doch schon bald hatte ich den Überblick und es kommt zu ersten interessanten Verbindungen zwischen den einzelnen Erzählsträngen.

Obwohl auf den 700 Seiten nur zwei Tage erzählt werden, verflogen die Seiten im Nu. Das historische Paris wurde vor meinem inneren Auge lebendig. Dem Autor ist es gelungen, mit seiner ausführlichen Recherche die Atmosphäre greifbar zu machen, ohne mich mit Details zu langweilen. Immer wieder gibt es mehr oder weniger angenehme Überraschungen, die mal Fragen aufwerfen und mal welche beantworten. Cliffhanger zwischen den einzelnen kurzen Kapiteln machten beständig Lust, weiterzulesen.

Meine Favoriten unter den Charakteren wechselten regelmäßig und ich verbrachte an der Seite eines jedes gern meine Lesezeit. Besonders gut gefallen hat mir zum Beispiel das Ermittlerduo des Deuxième Bureau. Die aus dem Ruhestand zurückgekehrte, kratzbürstige Legende Alain mit ihren eigenwilligen Ermittlungsmethoden und der junge, motivierte Pierre gaben ein unterhaltsames unfreiwilliges Duo ab. Auch mit der Kurtisane Madeleine fieberte ich mit, ihre Bekanntschaften werden ihr bald zum Verhängnis, sie wird zum Spielball eines Unbekannten und muss entscheiden, welches Wagnis das größere Übel ist.

Während aller Kapitel läuft beständig ein Countdown, der die Zeit bis zum Ende der Weltausstellung anzeigt. Was wird dann geschehen? Wird es eine heitere Abschlussfeier oder passiert etwas Schreckliches? Auch auf dem Weg dorthin gibt es immer wieder Highlights in Form von spektakulären sowie psychologischen Spannungsmomenten. Zum Schluss hin wurden schließlich die meisten der aufgeworfenen Fragen zu meiner Zufriedenheit beantwortet und ich erlebte den Abschluss als überaus passend.

„Der Turm der Welt“ lässt das historische Paris des 19. Jahrhunderts lebendig werden. An der Seite von verschiedensten Charakteren las ich mich durch Ermittlungen, Verstrickungen und Geheimnisse. Während die Brisanz der Situation stets gegenwärtig ist, ergab sich für mich nach und nach aus den zahlreichen Einzelsträngen ein großes Bild und immer mehr Puzzlestücke fielen an ihrem Platz. Mich hat die Geschichte bestens unterhalten, historisch interessierte Leser sollten sich diesen vielschichtigen Roman nicht entgehen lassen!