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Veröffentlicht am 15.09.2016

Mit diesem Verlauf der Survival-Show hätte wohl kein Kandidat gerechnet

Survive - Du bist allein
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Zwölf Teilnehmer und ein großes Produktionsteam finden sich in einer Gebirgsregion in den USA ein, um eine neue Realityshow zu drehen. In verschiedenen Einzel- und Teamchallenges sollen die Teilnehmer ...

Zwölf Teilnehmer und ein großes Produktionsteam finden sich in einer Gebirgsregion in den USA ein, um eine neue Realityshow zu drehen. In verschiedenen Einzel- und Teamchallenges sollen die Teilnehmer ihre Survival-Fähigkeiten unter Beweis stellen. Ein saftiges Preisgeld winkt den ersten drei Plätzen sowie dem Publikumsliebling – und raus ist nur, wer selbst aufgibt. Wie werden die Kandidaten sich in den ersten Tagen dieser aufwändigen Show schlagen? Und wie reagiert das Publikum? Einige Zeit in der Zukunft hat sich die Atmosphäre des Wettkampfs verändert, aus Aufregung ist Ernüchterung geworden. Wie weit gehen die Kandidaten, um zu siegen?

Ich bin immer wieder auf der Suche nach Thrillern der etwas anderen Art und war deshalb neugierig, was mich in „Survive. Du bist allein“ erwarten wird. Im Prolog des Buches lernt der Leser den Cutter der Reality-Show kennen, der Szenen im Hinblick darauf zusammenschneidet, die Kandidaten beim Zuschauer auf eine bestimmte, beabsichtige Weise darzustellen. Beinahe beiläufig wird erwähnt, dass der Cutter und auch der Produzent der Fernsehshow nicht mehr lange leben werden. Viel mehr wird nicht verraten, sodass ich unbedingt herausfinden wollte, was es damit auf sich hat.

Im folgenden Handlungsverlauf springt das Buch immer wieder zwischen zwei Zeitebenen hin und her. Zum einen berichtet ein allwissender Erzähler von den ersten Tagen der Reality-Show. Als Leser ist man in der Rolle eines Zuschauers der Show mit einer gehörigen Portion Extrawissen. Die verschiedenen Herausforderungen werden geschildert und man lernt die verschiedenen Kandidaten oberflächlich kennen. Gleichzeitig wird aber immer wieder erwähnt, was für die Zuschauer wie zusammengeschnitten wird, um Spannung zu erzeugen, ein bestimmtes Bild von einem Charakter zu vermitteln oder ähnliches.

Die verschiedenen Challenges fesselten meine Aufmerksamkeit wie vergleichbare Formate im Fernsehen, und man merkte deutlich, dass die Autorin hier ihre eigenen Survival-Kenntnisse hat einfließen lassen. Gleichzeitig wird man als Leser in die Position gebracht, verschiedene Facetten der Inszenierung zu hinterfragen und darüber nachzudenken, wie weit TV-Unterhaltung gehen darf. Immer wieder werden die Kandidaten bewusst getäuscht und wissen selbst nicht immer, was real und was gestellt und nur für die Show ist. Die Gruppendynamik zu beobachten war sehr interessant, schon bald werden Freundschaften geschlossen und Feindschaften entstehen. Von den Kandidaten lernt man aber nur einige wenige besser kennen. Damit man nicht den Überblick verliert - Spitzname des Kandidaten, sein echter Name und seine Spielfarbe – ist auf den Innenseiten der Buchklappen eine Übersicht, die für mich sehr hilfreich war.

Im starken Kontrast zu der Welt, in der die Kandidaten umringt von einem riesigen Produktionsteam um den Sieg kämpfen steht die zweite, etwas spätere Zeitebene. Hier begleitet der Leser Sam alias Zoo-Girl auf ihrer Solo-Challenge. Auf der Suche nach dem nächsten Hinweis in hellblau, ihrer Spielfarbe, gerät sie immer wieder ans Limit ihrer Kräfte. Hier will ich nicht zu viel verraten, denn am Besten liest man das Buch eigentlich mit möglichst wenig Hintergrundinformationen. So viel sei aber gesagt: Diese Erzählebene ist deutlich schonungsloser und beinhaltet noch mehr Schockmomente. Mir hat es sehr gefallen, eine Kandidatin intensiver kennenzulernen und sie auf ihrem Weg zu begleiten.

Ich muss leider zugeben, dass beide Zeitebenen ab einem gewissen Punkt ihren Reiz zunehmend verloren. Die Autorin geizt nicht mit immer neuen Herausforderungen und brenzligen Situationen, trotzdem passierte lange nichts, was mich völlig überrascht hätte, eine wirklich entscheidende Wendung blieb aus. Mit meinem Interesse bergauf ging es dann aber noch einmal zum Ende hin, als Zoo-Girl (endlich) eine sehr emotionale Entdeckung macht. Von da an bis zum Ende konnte die Geschichte mich noch einmal so richtig fesseln.

„Survive. Du bist allein“ erzählt abwechselnd auf zwei Zeitebenen von einer Reality-Show, in welcher zwölf Kandidaten ihre Überlebensfähigkeiten in der Wildnis unter Beweis stellen. Dieser Wettkampf ist bald härter als gedacht. Ich fand den Kontrast zwischen den zwei Ebenen sehr gelungen, und nach einigen Längen im Mittelteil wurde das Buch zum Ende hin noch einmal besonders spannend. Dieses Buch ist perfekt für alle, die Reality-Shows und gleichzeitig eine dystopische Atmosphäre mögen!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Wird Mare ihre Pläne trotz Verfolgung umsetzen können?

Gläsernes Schwert (Die Farben des Blutes 2)
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Nach ihrer Flucht aus der Knochenarena wird Mare von König Maven gejagt, dem Mann, der ihr Vertrauen auf grausame Weise missbraucht hat. Begleitet wird sie von Cal, Farley, Kilorn und ihrem totgeglaubten ...

Nach ihrer Flucht aus der Knochenarena wird Mare von König Maven gejagt, dem Mann, der ihr Vertrauen auf grausame Weise missbraucht hat. Begleitet wird sie von Cal, Farley, Kilorn und ihrem totgeglaubten Bruder Shade. Durch Mavens Verrat ist das alte Versteck der scharlachroten Garde unbrauchbar geworden, doch mit Müh und Not können die Verbündeten sich in einen anderen Stützpunkt der Rebellen retten. Der dort befehlende Oberst ist von Mare und Cal allerdings nicht besonders angetan und verweigert seine Unterstützung, Mare beim Auffinden der Neublüter zu helfen. Kann Mare trotzdem ihre Pläne verwirklichen?

Das Buch ist von der ersten Seite an rasant und katapultiert den Leser mitten hinein in eine Verfolgungsjagd auf Leben und Tod. Da ich den ersten Teil vor einem guten Jahr gelesen habe, musste ich meine Kenntnisse noch einmal kurz auffrischen, wie es überhaupt zu dieser Jagd kam, doch im Nu war alles wieder da und ich stürzte mich voller Vorfreude in die Handlung. Die Action kommt wirklich nicht zu kurz und nach dem ersten großen Kampf war ich froh, kurz Luft zu holen und gemeinsam mit der Protagonistin die Lage zu sondieren.

Für Mare sieht es nach den jüngsten Ereignissen wirklich nicht gut aus. Mehrfach ist sie knapp dem Tod entronnen und darf sich nun gemeinsam mit Cal den Titel des Staatsfeindes Nr. 1 teilen, weshalb sie in Verborgenen agieren muss. Dennoch will sie unbedingt die anderen Neublüter, also Rote mit silbernen Fähigkeiten wie sie selbst, vor Maven retten. Bald formiert sich ein Team aus Verbündeten, das sich gemeinsam auf die Mission begibt. Die Zusammensetzung dieses Teams hat mir sehr gut gefallen. Den besonnenen Kilorn mag ich sehr, und Shade lockerte immer wieder die Atmosphäre auf. Auch Farleys sarkastische Art und Cals pragmatisches Vorgehen machten die Handlung interessant.

Mit Mare selbst erlebte ich in diesem Buch meine Hochs und Tiefs. Auf der einen Seite ist sie tough, lässt sich nicht unterkriegen und will ihre Pläne um jeden Preis umsetzen. Doch dann gibt es immer wieder Phasen, in denen sie sich selbst bemitleidet. Wieder und wieder betont sie, dass sie jetzt nicht mehr die Diebin aus den Stilts ist und auch nicht mehr die adelige Mareena, aber sie nie wieder wirklich frei sein kann, weil jeder sie als Blitzewerferin kennt. Dennoch hatte ich Respekt vor Mare, denn schließlich rappelt sie sich immer wieder auf und setzt auch unmöglich Erscheinendes um.

Die magische Welt der Reihe hat mir erneut sehr gut gefallen und es war interessant, weitere Neublüter mit bislang unbekannten Fähigkeiten kennenzulernen. Diese durften ihr Können auch gleich einsetzen, denn es wird heftig gekämpft in diesem Band. Immer wieder müssen sich Mare und ihre Freunde ihren Feinden entgegenstellen, dabei wird wenig geredet und viel verletzt und getötet. Als Actionliebhaberin kam ich hier voll auf meine Kosten. Trotzdem ich mir dazwischen etwas mehr positive Emotionen und Liebe gewünscht. So schläft Mare mehrfach neben einem Mann, betont dann aber, dass sie dabei viel zu müde für irgendetwas ist, und auch die Gefühle der beiden zueinander kommen nie explizit zur Sprache. Negative Gefühle wie Marens Wut auf Maven und ihre Trauer um die Gefallenen sind hingegen stets präsent, sodass die Atmosphäre insgesamt düster ist.

Die Reihe soll einmal vier Bände umfassen, und so hat die Autorin in diesem Band genug Zeit, sich einer großen Thematik zu widmen, ohne eine erneute 180-Grad-Wendung der Ereignisse vorzunehmen. Mir hat diese Phase von Mares Geschichte viel Spaß gemacht, auch wenn die Handlung hier und da noch etwas straffer hätte sein können. Zum Ende hin bietet die Autorin ein mitreißendes Finale, bei dem noch einmal alle Register gezogen werden und ich das Buch vor lauter Spannung nicht mehr aus der Hand legen wollte. Ein gemeiner Cliffhanger macht schließlich klar, dass Mares Kampf nun in eine neue Phase übergeht, auf deren Erzählung wir aber leider noch etwas warten müssen – in den USA ist Band 3 für 2017 angekündigt.

„Gläsernes Schwert“ ist eine actiongeladene Fortsetzung, in der Mare für die Rettung der Neublüter und ein Erstarken der Rebellion kämpft. Dank unterhaltsamer Verbündeter, mit denen sie unterwegs ist, wird die düstere Atmosphäre immer wieder kurzzeitig aufgehellt und die Seiten verflogen im Nu. Ein bisschen weniger Selbstmitleid auf Mares Seite und eine etwas straffere Erzählung wären das i-Tüpfelchen gewesen. Insgesamt hat mir diese Fortsetzung viel Spaß gemacht und ich freue mich schon riesig auf den nächsten Teil der Reihe!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Delphines Freundschaft zur mysteriösen, faszinierenden L.

Nach einer wahren Geschichte
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Nachdem Delphine mit einem Buch über das Leben ihrer Mutter große Erfolge gefeiert hat, wäre es für sie nun an der Zeit, mit der Arbeit an einem neuen Werk zu beginnen. Zwar hat sie schon eine erste grobe ...

Nachdem Delphine mit einem Buch über das Leben ihrer Mutter große Erfolge gefeiert hat, wäre es für sie nun an der Zeit, mit der Arbeit an einem neuen Werk zu beginnen. Zwar hat sie schon eine erste grobe Idee, möchte wieder zur Fiktion zurückkehren. Doch der unerwartete Erfolg ihres letzten Buches hat bei ihr zu Müdigkeit und Überforderung geführt. Zu genau diesem Zeitpunkt lernt sie die faszinierende L. auf einer Party kennen. Sie arbeitet als Ghostwriter und wirbt schon bald höchst aktiv um ihre Freundschaft. Delphine, die sich von ihr verstanden fühlt und viele Gemeinsamkeiten entdeckt, geht diese neue Freundschaft nur zu gerne ein. Erst merkt sie nicht, dass L. zunehmend Einfluss auf sie ausübt – und dann ist es schon bald zu spät…

Im Prolog des Buches lernt man die Protagonistin Delphine kennen, die dem Leser ein erstaunliches Geständnis macht: Sie hat kurze Zeit nach dem Erscheinen ihres letzten Romans für drei Jahre kein Wort mehr geschrieben, reagierte ihr Körper doch mit heftigem Unwillen, sobald sie es versuchte. Diesen Zustand bringt sie mit dem Kennenlernen von L. in Verbindung, die ihr zu der Zeit begegnete, als sie eigentlich die Arbeit an einem neuen Buch hätte beginnen sollen. Diese ersten drei Seiten machten mich neugierig: Wie ist es zur Schreibunfähigkeit der Protagonistin gekommen? Und was hat das mit L. zu tun?

Im Folgenden nimmt Delphine den Leser mit in die Vergangenheit und beschreibt relativ chronologisch die Ereignisse ab dem Tag, vor dem sie L. kennenlernte. Der Trubel rund im ihr jüngstes Buch, das auf dem Leben ihrer Mutter basiert, hat sie ausgelaugt. In diesem Zustand hat L. leichtes Spiel, sie schleicht sich im Nu in Delphines leben, wird zur Freundin, zur besten Freundin, schließlich zur einzigen Freundin. Aus den Worten der Erzählung lässt sich herauslesen, wie schwer es Delphine noch immer fällt, davon zu berichten. Hier und da hat sie Erinnerungslücken, wiederholt Beobachtungen, die ihr wichtig erscheinen oder stellt Mutmaßungen an, da sie sich in Bezug auf einige Dinge noch immer nicht sicher ist. Immer wieder greift sie auch bewusst vor oder erzählt eine weiter zurückliegende Erinnerung, um einer bestimmten Szene zusätzliche Bedeutung zu geben.

Die Art und Weise der Erzählung lässt umfassende psychologische Einblicke in die Verfassung der Protagonistin zu und man begleitet sie auf der unausweichlich scheinenden Abwärtsspirale. L. bleibt hingegen mysteriös, nie ganz durchschaubar. Sie sondiert die Lage, wägt ab, traut sich immer weiter in Delphines Leben und sorgt gleichzeitig dafür, dass ihre Beziehung ein Geheimnis bleibt. Nach und nach wird dem Leser klar, wie meisterhaft, umfassend und erschreckend L.s Manuipulation ist. Wie viel davon hat sie tatsächlich schon lange im Voraus überaus sorgfältig vorbereitet?

Die Doppeldeutigkeit des Titels gefällt mir. Zum könnte es darauf hindeutet, dass sich zwischen den Buchdeckeln eine Erzählung basierend auf wahren Ereignissen verbirgt. Es könnte aber auch darauf anspielen, dass Delphine sich fragt, wie es für sie nach der Veröffentlichung ihres auf Tatsachen basierenden Buches weitergeht. Die Autorin spielt gelungen mit Realität und Fiktion, stellt die Trennung klar zur Frage. Wie viel Fiktion darf in einer wahren Geschichte stecken und umgekehrt? Was will das Publikum lieber lesen? Und schreibt ein Autor für sich selbst oder das Publikum? Diese Fragen laden zum Nachdenken ein. Gleichzeitig fühlte ich mich aber nicht dazu aufgefordert, beim Lesen dieser Autofiktion den Versuch zu unternehmen, wahre von fiktiven Aussagen zu trennen, sondern ließ den Roman als Ganzes auf mich wirken.

Das Tempo des Buches ist ruhig und die Erzählerin nimmt sich die Zeit, L.s schrittweises Eindringen in ihr Leben ausführlich zu beschreiben. Im Rückblick war dies nötig, um Delphines psychologische Entwicklung in ihrer Gänze zu verstehen. Für mich wurde das Buch noch etwas interessanter, als L. immer aktiver beginnt, in Delphines Leben einzudringen. Zum Ende hin wird schließlich noch einmal alles, was man zu wissen glaubte, in Frage gestellt. Ich habe eine solche Wendung erwartet, für mich schließt diese das Buch genau richtig ab.

In „Nach einer wahren Geschichte“ berichtet Delphine von ihrer Bekanntschaft zur mysteriösen, faszinierenden L. ihr zum Verhängnis wird. Schleichend nimmt L. immer stärker Einfluss auf Delphines Entscheidungen, was auf den ersten Blick lieb gemeint scheint stürzt sie schließlich in eine tiefe Krise. Mir hat dieser psychologische Roman, der verdeckte Manipulation und die Frage nach der Grenze zwischen Fiktion und Realität in den Mittelpunkt stellt, sehr gut gefallen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Alt sein heißt nicht, dass man nichts mehr erleben darf

Eierlikörtage
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Würde man Freunde und Bekannte nach Eigenschaften von Hendrik Groen fragen, dann wäre die Antwort wohl, dass er stets höflich und hilfsbereit ist. Doch Hendrik, 83 Jahre alt und Bewohner eines Altenheims ...

Würde man Freunde und Bekannte nach Eigenschaften von Hendrik Groen fragen, dann wäre die Antwort wohl, dass er stets höflich und hilfsbereit ist. Doch Hendrik, 83 Jahre alt und Bewohner eines Altenheims in Amsterdam-Nord, hat davon allmählich genug. Er beschließt, ein Jahr lang Tagebuch zu schreiben, um sein braves Ich jeden Tag für einige Zeit hinter sich zu lassen und endlich mal einen unzensierten Blick auf sein Leben und seine Gedanken zu geben. Er erzählt von unmöglichen Macken anderer Heimbewohner, willkürlichen Regeln der Heimleitung und dem langsamen Verschleiß seines Körpers. Doch auch von tollen Freundschaften, kleinen Momenten der Freude und der wichtigen Erkenntnis: Alt sein heißt nicht, dass man nichts mehr erleben darf.

Auf dem Cover blickt dem Leser ein älterer Mann entgegen, mit gepflegtem Haar und ordentlicher Kleidung. Für mich eine gelungene Skizzierung des Hendriks, den ich in Form seines Tagebuchs kennenlernen durfte. Vom 1. Januar bis 31. Dezember 2013 verweilt der Leser an seiner Seite und begleitet ihn durch beinahe jeden Tag. Hendrik lebt schon seit einiger Zeit in einem Altersheim und hat niemanden, der ihn regelmäßig besuchen kommen würde. Am liebsten verbringt er seine Zeit daher mit kleinen Spaziergängen oder gemeinsam mit seinen Freunden. Doch auch um Menschen, mit denen er nicht so gern Kontakt hat, kommt er bei den gemeinsamen Mahlzeiten im Heim einfach nicht herum und belauscht so manches skurriles Gespräch.

Von Beginn an gefiel mir der Tonfall, den Hendrik anschlägt: Von seinen täglichen Erlebnissen erzählt er mit einem Augenzwinkern und einer guten Portion Sarkasmus. Mit seinem Charme konnte er mich schnell begeistern und ich freute mich auf unterhaltsame Anekdoten. Hendrik weiß allerdings auch, wann ernste Worte angebracht sind oder er Gefühlen wie Wut oder Enttäuschung einfach mal freien Lauf lassen kann. Ein witziges Highlight gleich zu Beginn war sein unbedachtes Entsorgen ungenießbarer Kekse im Aquarium, das dank der absichtlichen Nachahmung durch seinen Freunds Evert rasch eine mittelgroße Krise im Heim auslöste. Auch Zwischenfälle bei den Mahlzeiten oder Hendriks Beobachtungen der Marotten einiger Bewohner konnten mir immer wieder ein Lächeln auf die Lippen zaubern.

Etwas Besonderes war dieses Buch für mich, weil es nicht nur Humor bietet, sondern einen recht unzensierten Einblick in den Alltag eines Mannes jenseits der 80. Hendrik denkt ziemlich pragmatisch, er spricht Themen wie Inkontinenz, schwindende Mobilität und Gedanken zum Thema Sterbehilfe auf den Seiten seines Tagebuchs offen an und brachte mich zum Nachdenken. Dazu muss gesagt werden, dass der niederländische Autor des Buches selbst ebenso wenig über 80 Jahre alt ist wie die deutsche „Online-Omi“ Renate Bergmann. Dennoch erlebte ich den Charakter des Hendrik Groen als authentisch; ich bin überzeugt davon, dass es in den Altersheimen da draußen viele Männer wie Hendrik gibt. Immer wieder schildert er auch Marotten, die ich schon selbst bei älteren Verwandten beobachtet habe, zum Beispiel die Todesanzeigen durchzusehen und dann lautstark zu verkünden, welche entfernten Bekannten man nun wieder überlebt hat.

Die absoluten Höhepunkte für mich waren die Gründung des Clubs Alanito – Alt, aber nicht tot – und seine Ausflüge, die reihum von einem der acht Mitglieder organisiert wurden. Hier erleben Hendrik und seine Freunde einige tolle Überraschungen, und ich las neugierig weiter, weil ich wissen wollte, wohin der nächste Ausflug sie führen wird. Im Kontrast dazu stehen einige gesundheitliche Rückschläge, die in diesem Alter nicht ausbleiben. Diese trüben die Stimmung vorübergehend, doch ich bewunderte Hendriks Grundhaltung, dass man jeden Tag genießen soll, solange man das kann. So wird die Reise durchs Jahr an Hendriks Seite zu einer Berg- und Talfahrt voller Humor und Freundschaft, aber auch rührenden Momenten, in denen ich Hendrik gern gedrückt und eine Tasse Tee mit ihm getrunken hätte.

In „Eierlikörtage. Das geheime Tagebuch des Hendrik Groen, 83 ¼ Jahre“ gibt der Protagonist ein Jahr lang Einblicke in seinen Alltag in einem niederländischen Altersheim. Das ist sehr oft unterhaltsam und kurzweilig, brachte mich aber auch ins Nachdenken und vergisst nicht, dass Einsamkeit, Krankheit und Tod in diesem Alter immer wieder zum Thema werden. Mit seiner positiven Grundhaltung und der Bereitschaft, auch mit 83 noch beständig Neues ausprobieren zu wollen, hat sich Hendrik Groen meine Sympathien gesichert. Ich vergebe deshalb eine klare Leseempfehlung an alle Altersgruppen!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Witzig und charmant - Petra Hülsmann hat sich noch einmal selbst übertroffen!

Glück ist, wenn man trotzdem liebt
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Isabelle liebt ihren Job im Blumenladen. Und sie liebt Routine. Seit elf Jahren hat sie jeden Mittag eine Suppe bei Mr Lee gegenüber gegessen. Doch nun hat dort das Thiels eröffnet, ein schickes und überhaupt ...

Isabelle liebt ihren Job im Blumenladen. Und sie liebt Routine. Seit elf Jahren hat sie jeden Mittag eine Suppe bei Mr Lee gegenüber gegessen. Doch nun hat dort das Thiels eröffnet, ein schickes und überhaupt nicht asiatisches Restaurant. Statt Nudelsuppe will man sie dort nötigen, Mangold oder Spargel zu probieren. Ein absolutes No Go für Isa, das gleich zu erhitzten Diskussionen mit dem Restaurantbesitzer Jens führt. Nie wieder wird sie einen Fuß ins Thiels setzen! Diesen Vorsatz bricht Isa aber dank Jens‘ dickköpfiger Halbschwester Merle schon nach kurzer Zeit. Bald muss sie sich fragen, ob sie ihren ersten Eindruck von Jens doch noch einmal überdenken will. Aber wann wird sie endlich einem Mann begegnen, bei dem es schon im ersten Augenblick BÄMM macht?

Ich habe mich riesig auf das inzwischen dritte Buch aus der Feder von Petra Hülsmann gefreut. Die Buchbeschreibung hat mich sofort neugierig gemacht. Ich war gespannt, die strukturierte Isabell kennenzulernen und zu erfahren, wie sie auf den Bruch in ihrer Routine reagiert. Das ist auch gleich auf den allerersten Seiten Thema, denn ihre Chefin animiert sie, statt der Fertigsuppe zum Mittagessen dem neuen Restaurant wenigstens mal eine Chance zu geben.

Das erste Aufeinandertreffen von Isabell und Jens hat mich bestens unterhalten können. Isabelle präsentiert sich von ihrer starrsinnigsten, hochnäsigsten Seite und versucht, Jens begreiflich zu machen, dass der Kunde doch König ist und er ihr nun bitte eine Nudelsuppe machen soll. Herrlich! Jens bleibt bei der ganzen Sache total gelassen und hat sich damit meine Sympathien gleich sichern können. Doch auch Isabelle mit all ihren kleinen Macken ist mir schnell ans Herz gewachsen. Jedes Aufeinandertreffen dieser beiden so unterschiedlichen Personen hat großen Spaß gemacht und ich las mich gut gelaunt durch die Seiten in der Hoffnung, dass es möglichst bald zur nächsten gemeinsamen Szene kommen wird.

Parallel zu ihren Wortgefechten mit Jens begibt sich Isabelle auf die Suche nach der großen Liebe. Kann der Friedhofsgärtner Tom ihr Herz gewinnen? Oder ist sie der Person, bei der es BÄMM macht, schlichtweg noch nicht begegnet? Eine große Rolle spielt außerdem ihre Arbeit im Blumenladen. Hier lebt sie ihre Kreativität nicht nur beim Binden von Sträußen aus, sondern setzt beim Upcycling alter Dinge immer wieder neue Deko-Ideen in die Tat um. Wie gerne würde sie den Laden eines Tages übernehmen! Aber kann sich der kleine Laden gegen die wachsende Konkurrenz behaupten?

Mir hat die allmähliche Wandlung, die Isabelle dank vieler so von ihr nicht geplanter Ereignisse durchmacht, sehr gefallen. Sie lernt, dass man sich auch mal auf etwas Neues einlassen und alte Gewissheiten über Bord werfen muss. Die Vorhersehbarkeit der Handlung konnte meine Lesefreude nicht im Geringsten trüben. Die Geschichte ist so unterhaltsam und herzerwärmend geschrieben, dass ich einfach nicht genug bekam und sie beinahe in einem Rutsch durchgelesen habe. Nicht unerwähnt bleiben soll das erneute Auftreten von Knut – diesmal in einer noch bedeutenderen Rolle, jippieh! Auch kann ich euch versichern, dass ihr während und nach der Lektüre das dringende Bedürfnis nach einem schokoladigen Dessert nicht loswerdet. Bis hin zum filmreifen Ende wurde ich durch viele kleine schöne Dinge unterhalten, die dieses Buch zu meinem neuen Liebling von Petra Hülsmann und einem echten Lesehighlight gemacht haben.

„Glück ist, wenn man trotzdem liebt“ erzählt in leichtem Ton die Geschichte von Isabelle, deren tägliche Routine durch die Eröffnung eines neuen Restaurants nebenan durcheinandergewirbelt wird. Petra Hülsmann erzählt mit Witz und Charme und lässt die Protagonistin eine Entwicklung durchlaufen, die zu begleiten mir als Leserin großen Spaß gemacht hat. Mit diesem Buch hat Petra Hülsmann sich noch einmal selber übertroffen, weshalb es von mir eine riesengroße Leseempfehlung gibt!