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Veröffentlicht am 15.09.2016

Von Austern und Druiden - Dupins vierter Fall

Bretonischer Stolz
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Vor fast fünf Jahren wurde Dupin in die Bretagne versetzt, jetzt wurde er von Hauptkommissar zum Leitenden Kommissar befördert. Neben einer Gehaltserhöhung geht das leider auch mit einem ungeliebten Fortbildungsseminar ...

Vor fast fünf Jahren wurde Dupin in die Bretagne versetzt, jetzt wurde er von Hauptkommissar zum Leitenden Kommissar befördert. Neben einer Gehaltserhöhung geht das leider auch mit einem ungeliebten Fortbildungsseminar einher. Glück für Dupin, dass ihn in letzter Sekunde ein neuer Fall von der Teilnahme abhält. In Riec-sur-Bélon hat eine ehemalige Schauspielerin neben einem Parkplatz eine Leiche entdeckt. Von dieser fehlt bei Eintreffen er Polizei aber jede Spur. Ist der Fund etwa nur ein Hirngespinst der alten Dame? Als am nächsten Tag eine weitere Leiche in den Mons d’Arrée gefunden wird, muss Dupin mit Hochdruck auch die abwegigsten Spuren verfolgen…

Dupin verhält sich von der ersten Seite der Geschichte an wieder genauso, wie man es von ihm erwartet: Um seiner Fortbildung so lange wie möglich zu entgehen, besucht er die Pinguine und wird durch den Fund eines Toten schließlich ganz von der Teilnahme abgehalten. Dupins inzwischen vierter Fall ist von Beginn an ungewöhnlich, denn der Tote ist verschwunden, als die Polizei am Fundort eintrifft. Wird Dupin trotzdem Hinweise finden? Meine Neugier auf den neuen Fall war schnell geweckt.

In gewohnter Manier beginnt Dupin mit seinen Befragungen. Hier steht zunächst vor allem Sophie Bandol im Fokus, welche den verschwundenen Toten gesehen haben will. Dupin ist von ihr im Nu fasziniert, während die alte Dame ihre ganz eigene Vorstellung davon hat, was er als Kommissar zu tun hat. An Einzelheiten des Fundes erinnert sie sich nur bruchstückhaft und immer wieder fallen ihr Dinge ein, mit denen sie Dupin auf Trab hält. Die exzentrische Sophie hat die Ermittlungen mühelos auflockern können.

Mit dem Fund des zweiten Toten gerät Dupin unter Druck, erhält gleichzeitig aber auch neue Hinweise, die ihn im ersten Fall weiterhelfen können. Durch die Identität des zweiten Toten ergeben sich verschiedene Ansatzpunkte für die Ermittlungen, sodass verschiedene Spuren verfolgt werden müssen. Wissen die Austernzüchter des Ortes mehr? Führten druidische Aktivitäten den Toten in die Gegend? Und was hat der Verdacht des Sandraubs, in dessen Angelegenheit Kadeg übereifrig ermittelt, mit all dem zu tun? Durch die Befragungen von relevanten Personen lernte ich als Leserin auch dieses Mal wieder so einiges über Land und Leute, diesmal also speziell über Austern und Druiden.

Bei immer neuen Fällen bietet die Reihe rund um Dupin eine gewisse Konstanz, die ich zu schätzen gelernt habe. Der neue Fall schlägt wieder ein ruhiges Tempo an und kommt ohne lange Actionszenen aus, bietet aber trotzdem überraschende Wendungen. Es gibt kurze Einblicke ins Privatleben der Ermittler, welche sich aber nicht in den Vordergrund der Handlung drängen. Die Ermittler sind inzwischen ein eingespieltes Team, deren Umgang miteinander mich immer wieder unterhalten kann. Für mich ist Dupin zu einer festen Größe der aktuellen Kriminalliteratur geworden, die ich nicht mehr missen möchte.

„Bretonischer Stolz“ beginnt mit einer verschwundenen Leiche und lässt Dupin und den Leser im Laufe der Handlung so manches über das Selbstverständnis der Bretonen und ihre Kultur lernen. Dupin ermittelt in verschiedene Richtungen und kommt durch Befragungen und Nachforschungen dem Kern der Sache näher. Spannende Ermittlungen und unterhaltsame Dialoge konnten mich bestens unterhalten. Dieser vierte Teil hält das starke Niveau seiner Vorgänger, sodass ich ihn sehr gerne weiterempfehle.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Der Widerstand kämpft weiter, und Furia ist mittendrin

Die Seiten der Welt
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Seit einigen Monaten hat Furia den Widerstand in der Residenz untergebracht und unterstützt ihn bei verschiedensten Missionen. Jetzt steht sie gemeinsam mit ihren Freunden vor der bislang schwierigsten ...

Seit einigen Monaten hat Furia den Widerstand in der Residenz untergebracht und unterstützt ihn bei verschiedensten Missionen. Jetzt steht sie gemeinsam mit ihren Freunden vor der bislang schwierigsten Aufgabe: Sie wollen den Weg ins Sanktuarium finden, dem Herz der Adamitischen Akademie, jenem Raum, in der die Oberhäupter der Drei Häuser über das Schicksal der bibliomantischen Welt entscheiden. Doch die Sanktuariumskarte befindet sich ausgerechnet in der Hand des mächtigsten Verbrechers in Libropolis‘ Ghetto. Gleichzeitig regt sich etwas in den untersten Refugien: Ist es derselbe Feind, der schon im letzten Krieg in den Nachtrefugien bekämpft wurde? Oder etwas noch Gefährlicheres? Von allen Seiten gejagt geben Furia und ihre Verbündeten nicht auf, um ihren Zielen näherzukommen.

Endlich ist Teil zwei der Seiten der Welt da! Angekündigt als Einzelband war ich zunächst skeptisch, was ich von der Ausdehnung auf eine Trilogie halten soll. Der erste Band hat mir aber so gut gefallen, dass ich einfach weiterlesen musste. Und das habe ich nicht bereut! Die Handlung des zweiten Buches beginnt einige Monate nach den Ereignissen von Teil eins. Im Nu war ich wieder mittendrin in der Welt der Bibliomantik, denn Kai Meyer wählt nicht etwa einen ruhigen Start, sondern schickt den Leser gleich mit auf Furias bislang gefährlichste Mission.

Neben Furia stehen vor allem Cat und Finnan sowie Isis und Summerbelle, die dritte Bibliomantin des Widerstandes, im Mittelpunkt. Sie alle sind aktiv als Rebellen unterwegs. Dabei müssen sie ihren Mut unter Beweis stellen und auch auf unerwartete Gefahren reagieren. Immer wieder musste ich darum bangen, ob die Freunde ihr Ziel erreichen oder sich wenigstens rechtzeitig in Sicherheit bringen können. Mal können kleine Siege gefeiert werden, dann gibt es wieder zahlreiche Rückschläge. Zwischenzeitlich hatte ich das Gefühl, dass es für jeden Schritt vorwärts drei zurück geht. Betrachtet man das Kräfteverhältnis zwischen dem Widerstand und der Akademie, ist das aber auch sehr nachvollziehbar. Kai Meyer lässt den Leser spüren, dass der Weg Kampf gegen den übermächtigen Feind für Furia und ihre Freunde kein leichter ist.

Kai Meyer treibt die Spannung immer wieder auf die Spitze, ermöglicht dem Leser dann aber auch wieder Verschnaufpausen. In diesen erfährt der Leser unter anderem, was in der Residenz vor sich geht und lernt einige Mitglieder der adamitischen Akademie näher kennen. Geheimnisse werden gelüftet und ermöglichen es dem Leser, die Welt der Bibliomantik immer besser zu verstehen. Neben neuem Wissen lernt der Leser auch neue bibliomantische Orte kennen. Der Titel des Buches deutet bereits an, dass es sich bei diesen Zielen vor allem um düstere, gefährliche Ecken der bibliomantischen Welt handelt. Mir gefällt die von Kai Meyer geschaffene Welt der Bibliomantik unglaublich gut, sodass ich begierig jedes neue Detail über diese aufgesogen habe.

Nach ruhigeren Phasen stieg die Spannung meist schnell an. Mal müssen die Rebellen möglichst unauffällig agieren, mal Kämpfe bestehen. Dabei setzt sich der Trend des Vorgängers fort, dass so mancher Charakter ein Opfer des tobenden erbitterten Kampfes wird und das Ende des Buches nicht mehr erleben wird. Kein Charakter ist sicher, was mich umso mehr um die Rebellen bangen ließ, die mir mit jeder Seite vertrauter wurden. Doch auch die Kontrahenten des Widerstandes konnte ich durch die zahlreichen Perspektivenwechsel besser verstehen. So unsympathisch sie auch waren, wurde mir ihre Motivation doch verständlich gemacht.

Im Laufe des Buches müssen die Rebellen immer häufiger auf neue Bedrohungen reagieren und diese bewältigen statt proaktiv eigene Pläne zu schmieden. Im letzten Viertel des Buches gibt es dann aber wegweisende Entwicklungen und die Handlung machte ein paar große Schritte voran. Das Finale des Buches kann sich sehen lassen, hier wird das Potenzial der Geschichte voll ausgeschöpft. Die neuen Entwicklungen haben mich so fesseln können, dass ich jetzt darauf brenne, das Trilogiefinale zu lesen, um zu erfahren, wie es in der bibliomantischen Welt weitergeht!

In „Die Seiten der Welt: Nachtland“ spitzt sich die Lage in der bibliomantischen Welt zu. Während der Kampf der Rebellen gegen die Akademie gnadenloser wird, scheint noch etwas ganz anderes vorzugehen. Auf mich übt die Welt der Bibliomantik eine ungebrochene Faszination aus. Die Geschichte bietet eine gelungene Themenmischung von Mut und Entschlossenheit über Ehrgeiz und Loyalität bis hin zu Freundschaft und Liebe. „Die Seiten der Welt“ ist ein Muss für Buchliebhaber, und auch die Fortsetzung solltet ihr euch auf keinen Fall entgehen lassen!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Kaala kämpft um ihren Platz im Rudel

Der Schwur der Wölfe
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Vor 14.000 Jahren bekamen im Wolfsrudel des Schnellen Flusses gleich zwei Wölfinnen Nachwuchs. Doch während Rissas Nachwuchs von Leitwolf Ruuqo stammte, hatte ihre Schwester das Blut der Wölfe im großen ...

Vor 14.000 Jahren bekamen im Wolfsrudel des Schnellen Flusses gleich zwei Wölfinnen Nachwuchs. Doch während Rissas Nachwuchs von Leitwolf Ruuqo stammte, hatte ihre Schwester das Blut der Wölfe im großen Tal mit Fremdem vermischt. Ihre Welpen werden deshalb von Ruuqo getötet. Nur die kleine Kaala wehrt sich entschlossen und darf dank des Eingreifens der Höchsten Wölfe leben. Doch der Weg, der vor ihr liegt, ist kein einfacher. Auf sich allein gestellt muss sie im Rudel um ihren Platz kämpfen. Wird sich die Prophezeiung verwirklichen, nach der sie dem Rudel entweder großes Glück bringt oder es ins Verderben stürzt? Und warum fühlt ausgerechnet sie sich so stark zu den Menschen hingezogen, die zu meiden die Wölfe einst versprachen?

Zu Beginn des Buches springt die Geschichte 40.000 Jahre in die Vergangenheit und berichtet von der Wölfin Lydda. Diese hat sich trotz aller Warnungen, sich von den Menschen fernzuhalten, mit einem Menschenjungen angefreundet und geht mit ihm auf die Jagd. Vor 14.000 Jahren, der Gegenwart des Buches, ist Lydda längst zum Gegenstand von Legenden geworden. Ich fragte mich, wie ihre Geschichte wohl das Schicksal der kleinen Kaala beeinflussen wird.

Die kleine Wölfin war mir von Beginn an sympathisch. Man lernt sie als Welpe kennen, die unsicher zum ersten Mal in die große Welt hinaustapst – einfach unglaublich niedlich. Doch schon nach wenigen Seiten wird das Buch sehr traurig und Kaala muss auf sich allein gestellt ihren Platz im Rudel finden. Nicht nur der Leitwolf, sondern auch einige von Rissas Welpen machen der Kleinen schnell klar, dass sie Zähigkeit und Mut beweisen muss, wenn sie beim Rudel bleiben will.

Nach dem dramatischen Einstieg wird das Buch ruhiger und nimmt sich viel Zeit, das Aufwachsen der Welpen und die Dynamik innerhalb des Rudels zu beschreiben. Ohne selbst zu viel über Wölfe zu wissen wirkten die Beschreibungen des Verhaltens der Wölfe auf mich authentisch. Man merkt, dass die Autorin eine ausführliche Recherche betrieben hat und ihr Wissen in die Geschichte einfließen lässt. Wer sich stark für Wölfe interessiert, wird diese Beschreibungen sicherlich verschlingen. Mir hat hier allerdings über weite Strecken die große Spannung gefehlt, auch wenn es immer wieder zu brenzligen Situationen kommt.

Während die Autorin eine möglichst authentische Verhaltensbeschreibung abgeben möchte, hat sie gleichzeitig mythische Elemente in die Handlung eingebaut. Da gibt es Legenden, die Höchsten Wölfe und sogar Geister. Außerdem führen die Wölfe bisweilen erstaunlich komplexe Gespräche. Mit dem Ziel, das Buch möglichst interessant zu gestalten, wagt die Autorin hier einen Spagat zwischen Realitätstreue und Fantasie, der ihr gut gelungen ist.

Ab der Buchhälfte kommen allmählich auch die Menschen und die Beziehung der Wölfe zu ihnen ins Spiel. Das hat mein Interesse neu entfachen können, auch wenn das ruhige Tempo des Buches weiterhin bestehen bleibt. Kaala muss immer wieder Schikanen ertragen, findet allerdings auch wahre Freunde. Gemeinsam mit ihr ging ich durch Höhen und Tiefen. Zum Ende des Buches hin wird endlich ein Geheimnis gelüftet und man erkennt, wie viel eigentlich auf dem Spiel steht. Die Spannung der letzten Seiten konnte mich dann mitreißen ließ mich mitfiebern.

Auch wenn das Buch in sich abgeschlossen ist, fragt man sich doch, wie es mit den liebgewonnenen Charakteren weitergeht. Das Buch erschien bereits 2008 und wurde jetzt neu aufgelegt mit der guten Nachricht, dass es im Oktober mit „Das Geheimnis der Wölfe“ weitergeht und auch der finale Band 3 nicht mehr lange auf sich warten lassen wird. An dieser Stelle sei auch gesagt, dass mit der Neuauflage eine Überarbeitung stattgefunden hat und mir die in alten Rezensionen kritisierten Fehler nicht aufgefallen sind.

„Der Schwur der Wölfe“ erzählt die Geschichte der kleinen Wolfswelpe Kaala, die fremdes Blut in sich trägt und daher härter als die anderen Welpen um ihren Platz im Rudel des Schnellen Flusses kämpfen muss. Die Verhaltensbeschreibungen sind detailreich und ich hätte mich an so mancher Stelle noch mehr Spannung gewünscht. Wer aber von Wölfen fasziniert ist und auch ein wenig Mystik interessant findet, wird mit diesem Buch ganz bestimmt fesselnde Lesestunden verbringen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Auf den Spuren der Familiengeschichte

Die verbotene Zeit
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London, 1975: Carla hat durch einen Autounfall ihre Erinnerungen an die letzten sieben Monate verloren. Als sie versuchen möchte, die Zeit vor dem Unfall zu rekonstruieren, versucht ihr Mann Tom, sie davon ...

London, 1975: Carla hat durch einen Autounfall ihre Erinnerungen an die letzten sieben Monate verloren. Als sie versuchen möchte, die Zeit vor dem Unfall zu rekonstruieren, versucht ihr Mann Tom, sie davon abzuhalten. Welches Ziel verfolgt er damit? Bald findet sie heraus, dass sie mit einem berüchtigten Journalisten in Kontakt stand, um eine Frau zu finden, die angeblich mit ihrer Mutter befreundet war. Kann sie ihm trauen? Carla beschließt, den Spuren ihrer Familie in die Vergangenheit zu folgen. Diese führen sie ins Berlin der 1930er Jahre…

Das Buch beginnt mit einem kurzen, mysteriösen Prolog über eine kurze Begebenheit im Jahr 1959 in Cornwall. Eine junge Frau trifft an der Küste einen Unbekannten, der ihr etwas Entsetzliches erzählt. Wer ist sie, und was ist danach passiert? Eine Antwort auf diese Frage gibt das Buch erst einmal nicht, stattdessen springt es ins Jahr 1975, in dem ich Carla kennen lernte. Diese ist nach ihrem Unfall wieder zu Hause, kann sich aber nicht mehr an die vergangenen Monate erinnern.

Das Buch nimmt sich wenig Zeit, die Protagonistin und ihre Situation genauer vorzustellen. Bereits auf den ersten Seiten ist sie davon überzeugt, dass ihr etwas verheimlicht wird, und beginnt gleich damit, Fragen zu stellen. Ihr Mann wirkte auf mich von Beginn an absolut unsympathisch, während Carla eine mangelnde Durchsetzungskraft und Beharrlichkeit an den Tag legt. Zu Beginn der Geschichte fühlte ich mich ihr daher nicht wirklich nahe, sondern nahm eher die Rolle einer distanzierten Beobachterin ein. Zum Glück entwickelt sich Carla im Laufe der Handlung stark weiter und wurde mir in diesem Zug immer sympathischer.

Immer wieder springt das Buch in die Vergangenheit und erzählt die Geschichte von Dora und Edith im Berlin der 1920er Jahre. Diese Rückblicke machen etwa die Hälfte des Buches aus und umfassen eine Zeitspanne von mehr als zwanzig Jahren. Die Erzählungen über die Freundschaft der zwei ungleichen Mädchen fand ich sehr schön. Mit Beginn der 1930er Jahre brechen schließlich düstere Zeiten an. Der Autorin ist es gelungen, darzustellen, wie sich die Atmosphäre in Berlin zuerst ganz schleichend und schließlich immer schneller verändert. In meist ruhigen Tönen erzählt sie von immer schlimmer werdenden Diskriminierungen, von wachsender Skepsis und Verzweiflung, aber auch von Freundschaft, Loyalität und Liebe.

In der Gegenwart plätschert das Buch leider lange Zeit vor sich hin. Während ich durch die Rückblicke allmählich eine Ahnung von dem bekam, was vorgefallen ist, kommt Carla mit ihren Nachforschungen zur sehr langsam voran. Es kommt zu interessanten Begegnungen, doch auf den großen Durchbruch wartet man vergebens. Bedeutende Enthüllungen ließen auf sich warten und führten dazu, dass es während Carlas Nachforschungen weniger große Emotionen gab, als ich erwartet hätte.

In der Vergangenheit wird die Situation wie nicht anders zu erwarten immer dramatischer. Hier rechne ich es Claire Winter hoch an, dass sie die dunkelsten Momente nur andeutet und auf brutalste Beschreibungen verzichtet. Auch so habe ich genug Bilder im Kopf, die mich erahnen lassen, was zu dieser Zeit passiert ist. Nach vielen Überraschungen und Wendungen in der Vergangenheit erwarten den Leser kurz vor Schluss schließlich auch große Enthüllungen in der Gegenwart. Diese konnten mich berühren und waren ein gelungener Abschluss des Buches. Insgesamt hat mir der Weg bis dorthin aber zu lange gedauert.

„Die verbotene Zeit“ erzählt von Clara, deren Suche nach ihren verlorenen Erinnerungen dazu führt, dass sie ihre Familiengeschichte erforscht. In Rückblenden erzählt das Buch gleichzeitig von zwei Freundinnen im Berlin der 1920er bis 1940er Jahre. Während mich die Rückblenden voll überzeugen konnten, haben mir bei Claras Nachforschungen in der Gegenwart zu lange große Emotionen und Überraschungen gefehlt. Dafür entschädigt schließlich ein starker Buchabschluss. Wenn ihr Familiengeschichten mit historischem Bezug mögt und es für euch auch gerne einmal ruhiger und dafür eindringlicher zugehen darf, dann solltet ihr zu diesem Buch greifen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Interessante Geschichte mit schwieriger Protagonistin

Nur einen Horizont entfernt
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Hannah Farr arbeitet als Moderatorin ihrer eigenen Frühstückssendung im Lokalfernsehen von New Orleans. Obwohl sie beliebt ist, sind ihre Quoten in letzter Zeit schlechter geworden. Auch privat ist sie ...

Hannah Farr arbeitet als Moderatorin ihrer eigenen Frühstückssendung im Lokalfernsehen von New Orleans. Obwohl sie beliebt ist, sind ihre Quoten in letzter Zeit schlechter geworden. Auch privat ist sie frustriert: Ihr Freund Michael, der Bürgermeister der Stadt, hat ihr noch immer keinen Antrag gemacht und immer weniger Zeit für sie. Hannah will sich deshalb auf einen Moderationsjob in Chicago bewerben, um mit einem Angebot ihren Sender und Michael unter Druck zu setzen. Doch welche Geschichte ist beachtenswert genug, um sie im Exposé zu verwenden? Sie entscheidet sich für das Thema der Versöhnungssteine, einem Trend, der von der Autorin Fiona Knowles ausgelöst wurde. Was bislang niemand weiß: Hannah gehörte zu den ersten Personen, die zwei Jahre zuvor einen Stein direkt von Fiona bekommen haben. Aber kann Fiona wirklich vergeben? Und wem soll sie selbst um Verzeihung bitten?

Ein Buch, das sich rein ums Verzeihen und Versöhnen dreht – kann das funktionieren? Der reißerische Klappentext hielt mich eine Weile davon ab, das Buch zu lesen. Schließlich hat es aber doch seinen Weg zu mir gefunden und ich war so neugierig auf die Geschichte, dass ich sie gleich gelesen habe. Schnell fand ich mich in die Ausgangssituation des Buches hinein und musste feststellen, dass der Klappentext einige Dinge verdreht, um noch dramatischer zu klingen. Die Idee der Versöhnungssteine – man erhält zwei Stück, einen schickt man dem Sender als Zeichen der Verzeihung zurück und mit dem zweiten bittet man selbst jemanden um Verzeihung – fand ich sehr interessant und auch, dass Hannah sich seit zwei Jahren weigert, bei diesem Trend mitzumachen, auch wenn sie zu einen der ersten gehörte, die einen Stein erhalten haben.

Ich habe leider sehr schnell festgestellt, dass Hannah ein Charakter ist, den ich nicht sonderlich mag. Anstatt im beruflichen und privaten Klartext zu sprechen, will sie das Jobangebot aus Chicago, um Druck ausüben zu können. Nur um ein gutes Exposé zu liefern entscheidet sie sich dazu, sich nach zwei Jahren doch mit den Versöhnungssteinen zu beschäftigen, die sie erhalten hat. Gleichzeitig verhält sie sich unglaublich naiv und merkt gar nicht, wie sie selbst manipuliert wird. Schließlich ist sie sogar bereit, anderen Menschen zu schaden, um davon einen Vorteil zu erlangen. Einige Nebencharaktere, zum Beispiel ihre Freundinnen Jade und Dorothy, haben mir da schon deutlich besser gefallen. Dorothy ist es auch, die Hannah auffordert, den Versöhnungsstein an ihre Mutter zu schicken. Viele der Charaktere beim Fernsehsender waren hingegen richtige Unsympathen, sodass ich hoffte, dass Hannah sich gegen sie behaupten kann.

Die Geschichte beschäftigt sich allmählich immer stärker Hannahs Vergangenheit und der Beziehung zu ihren Eltern. Hier versteckt sich ein extrem schwieriges Thema. Hannah muss wichtige und weitreichende Entscheidungen treffen, die auch großen Einfluss auf andere haben und mit denen sicherlich nicht jeder Leser einverstanden sein wird. Auch ich konnte ihr Handeln nur bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen. Es kommt zu vielen emotionalen Situationen, die mich aber nicht gänzlich packen konnten, da ich mich Hannah so wenig verbunden fühlte, dass ich das Geschehen eher aus der Situation der distanzierten Leserin verfolgte.

Neben der Familiengeschichte beschäftigt sich das Buch auch mit dem Thema Liebe und Zukunftsplanung. Dieser Handlungsstrang hat mir gut gefallen, ebenso wie die generelle Diskussion zum Thema Vergeben. Fühlt man sich wirklich besser, wenn man jahrzehntealte Geheimnisse ausspricht? Bleiben manche Geheimnisse besser unausgesprochen? Muss man einer Person vergeben, wenn sie um Verzeihung bittet? Hier werden viele wichtige Fragen aufgeworfen, die mich zum Nachdenken gebracht haben.

„Nur einen Horizont entfernt“ spricht das brisante Thema des Vergebens und Versöhnens an. Leider mochte ich die Protagonistin nicht sonderlich und konnte mich entsprechend wenig in sie einfühlen. Neben einer kontroversen Familiengeschichte bietet das Buch eine schöne Liebesgeschichte und legt ein gutes Tempo vor, sodass keine Langeweile aufkam. Trotz so mancher Kritikpunkte vergebe ich daher drei Sterne. Wer sich mit der Thematik des Versöhnens auseinandersetzen möchte, findet in diesem Buch sicherlich interessante Gedanken und Geschichten.