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Nadines_Buecher

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.04.2019

Von Entwurzelung, Integration und vom Weiterleben

Eine eigene Zukunft
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Ein Leben in der verheißungsvollen neuen Welt, in den USA - was dem zuvor ruhelosen spanischen Seefahrer als Neuanfang mit seiner Frau und seinen drei Töchtern, die bislang nicht viel von Ehemann und Vater ...

Ein Leben in der verheißungsvollen neuen Welt, in den USA - was dem zuvor ruhelosen spanischen Seefahrer als Neuanfang mit seiner Frau und seinen drei Töchtern, die bislang nicht viel von Ehemann und Vater hatten, vorschwebt, bedeutet für die vier Frauen Entwurzelung und der Tausch von Armut gegen Armut. Das Restaurant von El Capitan läuft nicht, von Integration kann keine Rede sein, da jede der Frauen ihrem alten Leben nachtrauert und so schnell als möglich nach Spanien zurück möchte. Mit dem Tod des Vaters werden die Vier einmal mehr erschüttert. Doch schließlich hat die mittlere Tochter, Mona, eine hoffnungsvolle Idee: Aus dem Restaurant soll ein Nachtclub werden. Finanziert durch das Sterbegeld, das eine rührige Nonne mit Anwaltszulassung hinter dem Unfall des Vaters vermutet. Luz, die talentierte Jüngste, soll als Sängerin auftreten. Victoria, die Älteste, mit der zaudernden Mutter die Küche leiten. Doch auch hier kommen Leben und Schicksal dazwischen: Die falschen Männer, die sich die spanischen Schönheiten anlachen, die Richtigen, die sie verschmähen. Doch trotz aller Widrigkeiten und eines erneut zusammenfallenden Kartenhauses gelingt den Töchtern, was die Mutter nicht recht schaffen will: Sich in New York eine eigene Zukunft zu aufzubauen.
Ein Auswanderer-Drama hoch fünf, das zeigt, dass sich die Schatzkiste der neuen Welt nicht jedem und schon gar nicht sofort offenbarte.
Es passiert zwar jede Menge im Roman, man wartet jedoch ständig auf einen Durchbruch, auf DEN Höhepunkt - doch der bleibt aus. Vielleicht aber sind die leisen Töne und Nuancen das, was die Erzählung ausmacht.

Veröffentlicht am 23.04.2019

Hedgefonds, Trump und Lebenskrisen

Willkommen in Lake Success
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Ein eindringlicher Roman, der seine Protagonisten sehr plastisch und dreidimensional mit ihren doch oftmals eingefahrenen, nur schwer ablegbaren Gewohnheiten, vermeintlichen Wünschen und echten Sehnsüchten, ...

Ein eindringlicher Roman, der seine Protagonisten sehr plastisch und dreidimensional mit ihren doch oftmals eingefahrenen, nur schwer ablegbaren Gewohnheiten, vermeintlichen Wünschen und echten Sehnsüchten, tiefliegenden und aufgesetzten Charaktereigenschaften zeigt. Angesetzt ist die Story im Goldfischteich-Milieu der New Yorker Hedgefonds-Millardäre, in dem sich eliteuniversitätsbeschulte Intellektuelle und Schwätzer tummeln, zu Zeiten der Präsidentschaftswahlen nach Obama. Barry, schwankend erfolgreicher Hedgefonds-Manager jüdischer Herkunft Mitte 40, ist mit Seema, indischer Migrationshintergrund und Jurastudium, noch keine 30, verheiratet. Womit weitere Klischees bedient werden. Doch ein mehr als verpatztes Geschäft und die Krankheit des gemeinsamen Sohnes Shiva belastet das Paar. Barry setzt sich in den Kopf, "sein" Amerika im Greyhound-Bus kennenlernen und zu seiner Uni-Liebe zurückkehren zu müssen. Auf seiner Reise, während der sich die zurückgelassene Seema ebenfalls neu ausrichtet, anders als Barrys gesammelte Luxusuhren, die er mit sich herumschleppt und um die er sich rührender kümmert als um sein Kind, die offensichtlich den Geist aufgeben werden, trifft Barry auf "authentische" Menschen, auf die er sich unbedingt einlassen will, und die sich tatsächlich auch, zumindest eine Weile, auf ihn einlassen. Doch lernt der Geschichtenerzähler, wie er selbst seinen Beruf beschreibt, wirklich aus seinen Erlebnissen, entwickelt er sich zum besseren Menschen, Ehemann und Familienvater? An der ein oder anderen Stelle scheint man auch herauslesen zu dürfen, wie es zur Wahl Trumps hat kommen können.
Grandios in Worte gekleidet, zum lachen, weinen und wütend werden.
Das Cover kann gar nicht anders als einen Greyhound-Bus zu zeigen. Die Sprechblase als Durchsage eines Busfahrers mit Autor und Titel dargestellt vor einem melancholischen Himmel mit Motel-Werbeschild fällt ins Auge und lässt zum Buch greifen, so dass nur noch der Klappentext überzeugen muss, was er definitiv tut.

Veröffentlicht am 09.03.2019

Von Schauspielern und Rollentäuschern

Mord braucht keine Bühne
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Die inzwischen professionelle Detektivin Kate Shackelton ermittelt in ihrem zweiten Fall in Sachen Mord im Umfeld einer Laienspielgruppe. Das Setting im Großbritannien der Nachkriegszeit ermöglicht nicht ...

Die inzwischen professionelle Detektivin Kate Shackelton ermittelt in ihrem zweiten Fall in Sachen Mord im Umfeld einer Laienspielgruppe. Das Setting im Großbritannien der Nachkriegszeit ermöglicht nicht nur rückblickende Handlungsstränge aus der Zeit der britischen Kolonien, sondern auch Einblicke in eine beginnende Emanzipation nicht nur gut gestellter Witwen wie es Kate eine ist, sondern auch ruheloser und ich-bezogener Künstlerinnen wie Regisseurin Meriel und Nachwuchs-Schauspielerin Lucie.
Geschickt wird die Story um einen ausgeraubten Juwelier, der Kate beauftragt, mit dem Mord an einem eher unangenehmen Zeitgenossen und Automobilhändler verwoben. Die Darsteller des Laientheaters, von denen jeder ganz eigene Ziele verfolgt und daher Motive hinter jeder Rolle - ob aus dem Drehbuch oder der im wahren Leben eingenommenen bzw. angenommenen - lauern. Es macht Freude, mitzuraten wer wen aus welchem vorherigen Leben kannte, wer bewusst und aus welchen Gründen täuscht und tarnt, und wie die Schicksale der einzelnen Protagonisten auf tragische Weise miteinander verwoben sind.
Humorige Randbemerkungen zu Auto fahrenden Frauen im Zusammenhang mit dem Fahranfänger Sykes, dem gewitzten und oftmals noch sehr formalen Detektiv-Assistenten, düften gerne häufiger im Roman auftreten. Die Rückblenden in die Lebensläufe der Protagonisten sind geschickt eingestreut, verraten gerade so viel, dass der Spannungsbogen des Krimis gehalten wird.
Das Cover zeigt uns Detektivin Kate in zeitgemäßer Kleidung, wieder von hinten, wieder in der Rolle der Beobachterin. So entsteht ein Wiedererkennungswert zum ersten Band der Serie.
Gerne mehr von Autorin und Detektiv-Duo!

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Veröffentlicht am 23.02.2019

Cool (bis auf das letzte Viertel)

Lola
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Lola - wer sie als Anhängsel des Drogengang-Bosses Garcia wähnt, hat weit gefehlt. Denn sie ist das Gehirn der Gang, die Strategin, diejenige, die sich noch dazu nicht scheut sich die Hände schmutzig zu ...

Lola - wer sie als Anhängsel des Drogengang-Bosses Garcia wähnt, hat weit gefehlt. Denn sie ist das Gehirn der Gang, die Strategin, diejenige, die sich noch dazu nicht scheut sich die Hände schmutzig zu machen, aufzuräumen. Seien es Mord oder mehr als drastische Zurechtweisungen der Mitglieder der eigenen Familie. Was die junge Latina hart gemacht hat wird schnell klar: Armut, Drogensucht, Missbrauch. Warum sie agiert wie sie es tut ebenfalls: Der Wille zu überleben, ein etwas besseres Leben zu haben, Kinder als Kinder aufwachsen zu sehen. Sie nutzt, was ihr gegeben wurde, womit sie sich auskennt - und gehört damit nicht zu den Guten. Eine weitere Protagonistin, die ambivalenter nicht sein könnte. Wir erleben sie über einen kurzen Zeitraum, lernen ihr lautes, zickiges, drogenbestimmtes, frittiertes, armes und resigniertes Umfeld kennen. Erzählerisch wird eine dichte, stimmige Athmosphäre präsentiert, so traurig und in Ansätzen hoffnungsfroh zugleich. Der Showdown jedoch ist zu verworren und maßlos übertrieben. Das ist dann doch ein wenig zu viel des Guten - oder Bösen. Schade, denn ansonsten ist die Story wirklich herzzerreißend schön, wie es auf dem Buchrücken zu lesen ist.

Veröffentlicht am 03.02.2019

Das Gehirn als Regisseur der Wahrheit

Das Echo der Wahrheit
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Wie auch in "Das Buch der Spiegel" sind hier subjektive und objektive Wahrheit die Protagonisten des Romans, das, was das menschliche Gehirn als Regisseur im Schnittraum der Erinnerung aus Eindrücken und ...

Wie auch in "Das Buch der Spiegel" sind hier subjektive und objektive Wahrheit die Protagonisten des Romans, das, was das menschliche Gehirn als Regisseur im Schnittraum der Erinnerung aus Eindrücken und Gefühlen als die einzige Wahrheit über eine Begebenheit zusammenfügt.
Schon der Klappentext verspricht einen Pageturner: Sterbender amerikanischer Millionär wendet sich an bekannten Psychiater, um mittels Hypnose herauszufinden, ob er in seiner Jugend eine schwere Straftat begangen hat, die sein Gehirn im damaligen Alkohol- und Drogenrausch ausgeblendet hatte. Nach dem Tod des wohltätigen und zurückgezogen lebenden Millionärs ist Dr. Cobb so gefesselt vom für ihn nicht gelösten Rätsel um Joshua Fleischer, Abraham Hale und Simone Duchamp, dass er den offensichtlichen Mord an der jungen Französin Simone weiter verfolgt. Er setzt einen Privatdetektiven auf den Fall an, der ihm vier weitere Perspektiven auf die Geschehnisse in Paris im Jahr 1976 ermöglicht. Durch die Tagebücher des aus der eigenen Sicht zu Unrecht in der Psychiatrie eingelieferte Jack Bertrand, einer damaligen Geliebten von Abe Hale, der besten Freundin von Simones Schwester Laura und offenbar von Laura selbst. Währenddessen entwirrt sich auch das Knäuel des Selbstmordes einer von Cobbs Patientinnen, ebenfalls durch das Spiel mit Perspektiven durch schriftliche Belege und Gespräche mit Personen aus dem Freundeskreis der jungen Julie, was Leben und Karriere des Psychiaters einschneidend aber dennoch bewusst verändert wird.
Hochinteressant, sehr gut gemacht. Deshalb konnte ich das Buch auch nicht weglegen, habe es am Stück durchgelesen. Im Gegensatz zum "Buch der Spiegel", das offenbar zeitlich nach dem ersten Entwurf dieses Romans entstand, wird man aus dieser Geschichte nicht mit frustrierenden losen Enden entlassen. Es gibt eine Auflösung, die eine weitere Perspektive, andere Motive zutage fördert. Allein die Übersetzung ist an einigen Stellen ein wenig sperrig (z.B. verabsäumen - ein heute eher wenig geläufiges Verb).
Das Cover kommt unauffällig daher, mit einer Schwarz-Weiß-Fotografie einer wahrscheinlich Pariser Gasse. Der Titel, in rot gesetzt, erregt jedoch Aufmerksamkeit. Der Name des Autors erst recht, wenn man "Das Buch der Spiegel" gelesen hat. Ich hätte mir gewünscht, nachdem ich das Buch zu Ende gelesen hatte, dass das Foto das Josh Dr. Cobb vermacht auf der Titelseite zu finden ist.