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Veröffentlicht am 18.10.2020

Notorious RBG

Ruth Bader Ginsburg
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Ruth Bader Ginsburg, geboren 1933, war die zweite Frau, die als Richterin an den US Supreme Court berufen wurde. Lange Zeit sollten sie und Kollegin Sandra Day O‘Connor die einzigen Frauen in diesem wichtigen ...

Ruth Bader Ginsburg, geboren 1933, war die zweite Frau, die als Richterin an den US Supreme Court berufen wurde. Lange Zeit sollten sie und Kollegin Sandra Day O‘Connor die einzigen Frauen in diesem wichtigen Bereich der Legislative bleiben. Bader Ginsburg, auch bekannt unter dem Spitznamen „Notorious RBG“ war in den Jahrzehnten seit ihrer Ernennung im Jahr 1993 an vielen bedeutsamen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs beteiligt und gab durch ihre Stimme oft den Ausschlag. Sie setzte sich zeit ihres Lebens für die Gleichberechtigung von Mann und Frau und die so genannten Reproduktiven Rechte (Verhütung, Schwangerschaftsabbruch etc.) ein.

Im vorliegenden Buch sind insgesamt 300 ihrer Statements zu den wichtigsten gesellschaftlichen Themen gesammelt: Von der Gerichtsbarkeit selbst, über Frauenrechte bis hin zu ihrem eigenen Leben. Am Ende folgt ein Lebenslauf der berühmten Richterin bis zum Jahr 2019, der neben Ereignissen in ihrem Privatleben auch die bedeutsamsten juristischen Meilensteine zusammenfasst.

Ruth Bader Ginsburg war sicherlich nicht perfekt in dem, was sie tat. Themengebieten, in denen sie viel erreicht hat, stehen solche gegenüber, in denen sie mehr hätte tun können und vielleicht auch müssen. Ihre Einstellung zur Todestrafe war konservativ, in Bezug auf die Black Lives Matter-Bewegung blieb sie stumm oder schlug sich, wie durch ihre Kritik an Colin Kaepernick, auf die falsche Seite. Sie war eine Frau, die Fehler machte – dennoch trug sie dazu bei, dass so vieles sich in der Rechtsprechung der USA zum Besseren wendete. Vor allem im Licht ihres Todes im September 2020 und der umstrittenen Nachbesetzung durch die erzkatholische Amy Coney Barrett zeigt sich deutlich, dass hier noch ein weiter Weg zu gehen ist.

„Wenn ihr euren Weg im Leben geht, hinterlasst Spuren. So wie andere vor euch den Weg für euch, bereitet haben, so sollt ihr jenen helfen, die euch nachfolgen.Tut euren Teil dazu, die Gesellschaft zu verändern, wie sie in euren Augen sein sollte, zum Wohle der Generationen, die nach euch kommen.“ (RBG, 2002) Das hat Ruth Bader Ginsburg definitiv getan und dafür verdient sie unsere Anerkennung.

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Veröffentlicht am 27.09.2020

Was ist Freiheit?

A. S. Tory und der letzte Sommer am Meer
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Es sind Sommerferien und Sid langweilt sich. Da kommt eine erneute Einladung von Tory gerade recht und Sid und Chiara brechen nach Großbritannien auf. Doch Tory wäre nicht er selbst, wenn er den beiden ...

Es sind Sommerferien und Sid langweilt sich. Da kommt eine erneute Einladung von Tory gerade recht und Sid und Chiara brechen nach Großbritannien auf. Doch Tory wäre nicht er selbst, wenn er den beiden nicht eine wenigstens eine kleine Aufgabe geben würde: Was bedeutet Freiheit? Dem Thema kommen die beiden recht schnell nahe als sie am Strand von Camber, übrigens in Begleitung von Chan aus Band 1, auf den afghanischen Flüchtling Laith und drei junge Mädchen aus Deutschland treffen. Als eine von ihnen spurlos verschwindet, fällt der Verdacht sofort auf den jungen Flüchtling – ein Rätsel, das unser Trio natürlich unbedingt lösen will. Und so begeben sie sich auf ein Abenteuer durch England und lernen dabei eine ganze Menge fürs Leben.

Mit „A.S. Tory und der letzte Sommer“ legt Autorin S. Sagenroth bereits den dritten Band um Sid und Chiara vor und es ist auch dieses Mal eine Freude, die beiden zu begleiten. Die Handlung wird hauptsächlich von Sid erzählt, es werden aber auch Zeitungsartikel und Tagebucheinträge eingeflochten, um andere Perspektiven zu ermöglichen und das Geschehen von allen Seiten zu beleuchten. Die Grundthemen Freiheit und damit verbunden auch Flucht sind dabei aktueller denn je. Für viele Flüchtlinge aus dem so genannten „Dschungel von Calais“ erscheint Großbritannien als der große Traum, um ein neues Leben zu beginnen. Mit der Figur des Laith gibt die Autorin dieser anonymen Masse eine Stimme.

Von allen drei Bänden ist dieser mein liebster. Das mag einerseits daran liegen, dass die Verbindung zwischen ernsten Themen, actiongeladener Handlung und Zeit mit den beiden Protagonisten Sid und Chiara sehr gut gelungen ist. Aber vielleicht auch daran, dass die beiden älter und noch reflektierter geworden sind und dass sie endlich beginnen, sich einzugestehen, was sie einander eigentlich bedeuten. Der Handlungsstrang um Laith und das verschwundene Mädchen ist spannend und setzt sich nach und nach wie ein Puzzle zusammen, bis am Ende die schreckliche Wahrheit ans Licht kommt. Dass das schon das letzte Abenteuer unserer zwei Helden sein könnte, daran mag ich gar nicht denken und hoffe daher einfach auf ein baldiges Wiedersehen in Band vier.

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Veröffentlicht am 12.08.2020

Über Wunden, die sich nie ganz schließen werden

Alte Sorten
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Liss ist über vierzig und bewirtschaftet ganz allein einen Hof mit Weinbergen, Obstgarten und Waldstück. Im Dorf ist sie nicht gerade beliebt, nur die alte Anni, die sie schon aus ihrer Kindheit kennt, ...

Liss ist über vierzig und bewirtschaftet ganz allein einen Hof mit Weinbergen, Obstgarten und Waldstück. Im Dorf ist sie nicht gerade beliebt, nur die alte Anni, die sie schon aus ihrer Kindheit kennt, spricht überhaupt noch mit ihr. Doch dann taucht eines Tages die 17-jährige Sally auf. Frisch aus einer Klinik ausgerissen, in der sie wegen einer Essstörung und Selbstverletzung behandelt wurde, ist sie voller Wut auf die Welt und vor allem auf die Erwachsenen. Als die beiden Frauen sich begegnen, scheint es wie Schicksal, denn Liss ist die erste, die Sally nicht ständig kontrollieren will und auch sie scheint umgekehrt etwas in Liss auszulösen.

Ewald Arenz gelingt es, mit "Alte Sorten" den Spätsommer vor meinen Augen zum Leben zu erwecken, seine Sprache ist sehr metaphorisch und bildhaft und dennoch einfach. Liss' Leben auf dem Hof erscheint zunächst idyllisch und voller Freiheit, mit ihrer ruhigen Art bringt sie auch Ruhe in die Handlung und vor allem in Sallys Alltag. Endlich ist da jemand, der sich ihren Wutanfällen stellt und der sie einfach nur sie selbst sein lässt. Betrachtet man diese beiden Frauen ein wenig genauer, so wird schnell deutlich, dass sie sich ähnlicher sind als zunächst gedacht. Beim gemeinsamen Arbeiten nähern sie sich an und wir erfahren, dass Liss in Sally ihr jüngeres Ich erkennt. Die beiden harmonieren miteinander, doch ewig wird ihre Gemeinschaft so nicht weiter bestehen können. Schließlich sind da noch Sallys Eltern und Liss' Vergangenheit, die sie einzuholen droht.

Was wie eine nette Geschichte über das Landleben beginnt, entwickelt sich im Verlauf der Handlung zu einer tiefgründigen Mahnung daran, was geschieht, wenn junge Menschen sich nicht frei entwickeln dürfen, wenn sie wie ein Obstbaum stur in eine Richtung gebunden werden. Und während am Anfang noch Sally diejenige ist, die Liss' stumme Unterstützung zu brauchen scheint, ist sie es letztendlich, die wichtige Gedanken und Veränderungen bei Liss anstößt und erkennt, wie es hinter deren starker Fassade wirklich aussieht. Auch das - für mich - Fazit dieses tollen Romans zieht Sally selbst: Manche Wunden werden sich niemals vollständig schließen, aber auch wenn sie schief zusammenwachsen und manchmal schmerzen, lohnt es sich, ihnen die Zeit zum Heilen zu geben.

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Veröffentlicht am 09.08.2020

Humorvoll und bewegend zugleich

Und dann noch die Liebe
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Brüssel, 2015. François ist Mitte Dreißig und als deutsch-französischer Journalist gerade bei den Verhandlungen um die Schuldenlast Griechenlands. Da lernt er durch Zufall Agapi kennen, die im Stab des ...

Brüssel, 2015. François ist Mitte Dreißig und als deutsch-französischer Journalist gerade bei den Verhandlungen um die Schuldenlast Griechenlands. Da lernt er durch Zufall Agapi kennen, die im Stab des griechischen Finanzministers tätig ist. Die beiden kommen sich schnell näher, doch dann beginnen Leben und Karriere sich zwischen die beiden zu drängen. Denn 2015 ist auch das Jahr zahlreicher terroristischer Anschläge und riesiger Flüchtlingsströme, die vor allem in das Lager Moria auf der griechischen Insel Lesbos strömen. Und wie, das fragt sich der Protagonist, kann die Liebe in solchen Zeiten noch funktionieren?

Alexander Oetker war bisher hauptsächlich für seine Kriminalromane bekannt. Mit "Und dann noch die Liebe" beweist er, dass er auch anders kann. Den Journalisten merkt man ihm definitiv an, eindrucksvoll schreiben, das kann er. Mal unglaublich witzig und ironisch über die Abläufe in solchen politischen Verhandlungen, mal mitreißend, wenn er beschreibt, wie das Dorf Mytilini auf Lesbos unter der Menge an Flüchtenden zu ersticken droht, die Bevölkerung dennoch aber nicht ihre Menschlichkeit verliert. Dem gegenüber stellt der Autor gekonnt die wachsende Angst vor dem Terrorismus. Er erklärt nicht und natürlich entschuldigt er nicht, dennoch gelingt es ihm, Ängste und Widersprüchlichkeiten aufzudecken.

Und dann wird dieser grandiose Roman noch um eine weitere Perspektive ergänzt, die einzige übrigens, so sagt Oetker selbst, die nicht erfunden ist. Parallel zum Geschehen in den Jahren 2015 und 2016 schildert er die Flucht seiner Großmutter Ilse in den Wirren des zweiten Weltkriegs. Dabei erzählt er von Hunger, von Übergriffen auf Frauen und von einer Liebe, die zur falschen Zeit am falschen Ort entsteht. So wird nicht nur die Verbindung zu François gezogen, dessen Liebe zu Agapi in der Gegenwart zu scheitern droht. Nein, Alexander Oetker macht auch noch einmal klar, dass viele unserer Vorfahren auch einmal Geflüchtete waren und wie wichtig es ist, diesen Gedanken im Hinterkopf zu behalten. Und das ganz ohne moralischen Zeigefinger. Bitte mehr davon!

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Veröffentlicht am 12.07.2020

Liebe ist Liebe

Queer Heroes (dt.)
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Auch wenn die Themen sexuelle Orientierung und Gender in den letzten Jahren Einzug in gesellschaftspolitische Debatten sowie Kunst, Literatur, Film und Sport gefunden haben, sind sie immer noch weit von ...

Auch wenn die Themen sexuelle Orientierung und Gender in den letzten Jahren Einzug in gesellschaftspolitische Debatten sowie Kunst, Literatur, Film und Sport gefunden haben, sind sie immer noch weit von einer Enttabuisierung entfernt. Umso wichtiger erscheint ein Buch wie "Queer Heroes. 53 LGBTG-Heldinnen von Sappho bis Freddie Mercury und Ellen DeGeneres", das sich mit seinem bunten Layout und einer ansprechenden textlichen Gestaltung klar an Jugendliche wendet.

In Kurzporträts werden hier Menschen unterschiedlichster Herkunft vorgestellt, die aufgrund ihrer Sexualität diskrimiert wurden, beginnend in der Antike über die Renaissance bis in die Gegenwart. Darunter befinden sich Sportler
innen und Künstlerinnen, Unternehmerinnen, Politikerinnen und Aktivistinnen. Neben Prominenten wie Freddie Mercury, Marlene Dietrich oder Frida Kahlo. die wohl jedem bekannt sein dürften, befinden sich auch unbekanntere Held*innen darunter, die seit Jahrzehnten für die Rechte der LGBTQ-Community in ihrem Land kämpfen. So zum Beispiel Manvendra Singh Gohil, der erste offen schwule Prinz, der von seinen Eltern verstoßen wurde und heute in seinem pinken Palast eine Zufluchtsstätte für Schutzbedürftige eingerichtet hat. Oder die knapp 20-jährige bisexuelle Emma González, die nach einem Amoklauf an ihrer Schule 2018 verkündete "Genug ist genug" und seitdem für schärfere Waffengesetze in den USA kämpft.

Die Texte umfassen jeweils eine knappe Seite und sind somit genau richtig für jugendliche Leser, nicht zu anspruchslos, nicht zu überfrachtet. In klaren Sätzen wird der Lebenslauf der jeweiligen Person umrissen, die wunderbaren, farbenkräftigen Ilustrationen von Sarah Tanat-Jones unterstreichen dabei die Botschaft des Buches: "Liebe ist Liebe". Eingefasst wird der zentrale Inhalt des Buches noch von einem ergänzenden Vorwort sowie einem Stichwortverzeichnis am Ende, welches die wichtigsten Begriffe aufgreift und erklärt. Ein absolut wichtiges Buch für Jugendliche ab 12 Jahren, aus dem auch Erwachsene noch vieles lernen können

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