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Veröffentlicht am 07.10.2023

Eine gefährliche Frau

Ich, Lady Macbeth
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Schottland, 11. Jahrhundert. Gruoch wird als Tochter einer Druidin und eines Earls geboren. Eine Prophezeiung ihrer Großmutter weckt in ihr schon bald den Wunsch, später einmal Königin zu werden. Sie weiß ...

Schottland, 11. Jahrhundert. Gruoch wird als Tochter einer Druidin und eines Earls geboren. Eine Prophezeiung ihrer Großmutter weckt in ihr schon bald den Wunsch, später einmal Königin zu werden. Sie weiß aber auch, dass in einer Zeit wie dieser zwei Faktoren hierfür von Bedeutung sind: ein mächtiger Ehemann und so viele männliche Erben wie möglich. Bald muss sie daher ihr Zuhause verlassen, um dem zukünftigen Thronerben Duncan zu folgen. Zurück bleibt ihr Jugendfreund und ihre erste Liebe: Macbeth.

In „Ich, Lady Macbeth“ erzählt Isabelle Schuler die Vorgeschichte der Frau, die wir als von Ehrgeiz getriebene Herrscherin aus Shakespeares berühmtem Stück kennen. Dabei beginnt sie mit deren Kindheit und folgt ihr bis zum 1. Akt der Vorlage. Geschildert werden die Ereignisse stets aus der Perspektive der Protagonistin in der Ich- und Vergangenheitsform. Das vermittelt unmittelbar, wie sie sich in bestimmten Situationen und als Kind ihrer Zeit gefühlt haben muss.

Gruochs Mutter und Großmutter stehen mit ihren „heidnischen“ Bräuchen für eine freie Art zu leben, die sich im Einklang mit sich selbst und den Menschen um sie herum befindet. Daran nehmen natürlich die Männer in der Geschichte starken Anstoß, denn was gibt es Gefährlicheres als eine Frau mit einem starken Willen? Und Gruoch weiß genau, was sie will: als Königin herrschen, weil Macht eben auch bedeutet, sich nicht ständig jedem Mann – sei es ein potenzieller Ehemann oder der eigene Vater – unterordnen zu müssen. Einzig Macbeth akzeptiert diese Seite an ihr und das ist es auch, was sie letztendlich aneinander bindet.

„Ich, Lady Macbeth“ ist eine gelungene Geschichte darüber, wie Frauen wie Gruoch in der Welt- und Literaturgeschichte wahrgenommen werden, wenn sie es wagen, dieselben Ambitionen wie Männer zu haben. Von anderen wird sie immer wieder als kaltherzig und berechnend beschrieben; dabei wird im Verlauf der Handlung deutlich, dass ihr das Schicksal ihres Volkes wirklich am Herzen liegt – und das auch, weil sie neben Macht eben auch geliebt werden möchte. Gerne würde ich auch noch die Geschehnisse in „Macbeth“ aus ihrem Blickwinkel lesen.

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Veröffentlicht am 21.06.2023

Sommerlicher Mix aus Jugendbuch und Romance für Erwachsene

Fünf Sommer mit dir
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17 Jahre ist es her, dass Percys Eltern das Cottage am See gekauft haben und sie dort den Nachbarsjungen Sam und seinen Bruder Charlie kennenlernte. Schnell wurden Sam und sie beste Freunde, doch in der ...

17 Jahre ist es her, dass Percys Eltern das Cottage am See gekauft haben und sie dort den Nachbarsjungen Sam und seinen Bruder Charlie kennenlernte. Schnell wurden Sam und sie beste Freunde, doch in der Gegenwart ist der Kontakt zwischen beiden abgerissen. Als die Mutter der beiden Brüder stirbt, macht sich Percy zur Beerdigung und damit eine Reise in die Vergangenheit auf. Können sie und Sam überwinden, was sie damals getrennt hat?

„Fünf Sommer mit dir“ ist der erste Roman der kanadischen Autorin Carley Fortune, in dem sie den kleinen Ort Barry‘s Bay aus den Sommern ihrer Kindheit zum Schauplatz der Handlung macht. Erzählt wird aus der Perspektive der Protagonistin Persephone, kurz: Percy. Mit ihr springen wir zwischen den fünf Sommern aus ihrer Kindheit und dem heutigen Tag hin und her und erfahren so nach und nach, was zum Bruch zwischen ihr und Sam geführt hat. Somit ändert sich nicht nur die Erzählzeit von Gegenwarts- zu Vergangenheitsform, sondern im Prinzip auch das Genre von Jugendbuch zu Romance für Erwachsene. Da ich beides gerne lese, hat mir das gut gefallen.

Wenn man ehrlich ist, dann benötigt es nicht gerade Sherlock Holmes‘ Spürnase, um herauszufinden, was zwischen den beiden besten Freunden vor vielen Jahren vorgefallen ist. Andeutungen gibt es bereits recht früh, allerdings wird die Auflösung durch den Zeitenwechsel immer wieder im passenden Moment verzögert. Ansonsten liefert der Roman, was ich von ihm erwartet habe: Sommergefühle, Nachmittage am See, Eiscreme, Freundschaften und erste Liebe – was will man mehr bei diesem heißen Wetter?

„Fünf Sommer mit dir“ schlägt hin und wieder jedoch auch ernste Töne an. Sam und Charlies Mutter ist alleinerziehend, weil der Vater an einem Herzinfarkt verstorben ist. Das beschäftigt Sam so sehr, dass er Medizin studiert, um seine Liebsten im Notfall retten zu können. Und auch Percy hat seit ihrer Jugend mit psychischen Problemen zu kämpfen. Mehr will ich nicht verraten, aber der Roman befasst sich hier durchaus gekonnt mit dem Thema „Mental Health“.

Fazit: Ein sommerlicher Roman zwischen Jugend und Erwachsenenalter

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Veröffentlicht am 04.01.2023

Fantasievolle Fortsetzung

Amari und das Spiel der Magier
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Nachdem Amari durch die Ereignisse des letzten Sommers zu einem Star der Oberbehörde wurde, hätte sie nun Ruhe verdient. Doch dann friert ein seltsamer Zeitstillstand den gesamten Rat der Übernatürlichen ...

Nachdem Amari durch die Ereignisse des letzten Sommers zu einem Star der Oberbehörde wurde, hätte sie nun Ruhe verdient. Doch dann friert ein seltsamer Zeitstillstand den gesamten Rat der Übernatürlichen Union ein, einschließlich seines Präsidenten Merlin. Diese Chance nutzt Vizepräsident Bane, Jagd auf alle UnWesen zu machen, vor allem auf Magier wie Amari. Die droht außerdem ihre beste Freundin zu verlieren, denn Elsie hat einen Platz in Oxford ergattert. Dann wird sie auch noch in das mysteriöse Spiel der Magier verwickelt, dessen Verlierer seine Magie für immer verliert – kann Amari all das überstehen?

„Amari und das Spiel der Magier“ ist der zweite Band des Autors B.B. Alston über seine junge Heldin. Auch dieser wird wieder aus Amaris Perspektive, in der Ich- und Gegenwartsform erzählt, so dass wir einerseits alle Geschehnisse miterleben und zum anderen Einblick in die Gedanken und Gefühle unserer Protagonistin erhalten. Dabei ist sie stets impulsiv und ungefiltert ehrlich, was ich dem Autor hoch anrechne. Amari ist keine makellose Heldin, sie hat Ängste, ist verletzlich und nicht immer in der Lage, ihre Fähigkeiten im Zaum zu halten – vor allem dann, wenn sie irgendwo Ungerechtigkeit spürt.

Die Handlung ist ein interessanter Mix aus schon Bekanntem und neuen Elementen. Natürlich spielt Amaris Bruder Quinton wieder eine Rolle und auch ein alter Feind taucht wieder auf. Um diesen zu besiegen und den Zeitstillstand aufzuklären, muss Amari aber auch neue Allianzen eingehen, zum Beispiel mit ihrer Erzfeinden Lara van Helsing oder mit Jayden, dem Nachbarsjungen aus Band 1. Zentral ist aber sicherlich die Freundschaft zu Elsie, die durch das Angebot für Oxford auf eine harte Probe gestellt wird.

Amari als Protagonistin und somit die gesamte Reihe sind zentral, was das Thema „Repräsentation“ in Kinderbüchern betrifft. Alltagsrassismus und Diskriminierung werden hier geschickt angesprochen und in ein ansprechendes Fantasy-Setting verpackt. Einzig das „Spiel der Magier“ hätte noch etwas mehr Liebe zum Detail verdient und der Schluss kam sehr plötzlich – mit einem großen Cliffhanger.

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Veröffentlicht am 18.05.2022

Skurril und unterhaltsam

JAB
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Ein Mann betrachtet den alten Boxsack, der in seinem Garten hängt und blickt zurück auf sein Leben, von einer Strafaufgabe in der Schule bis zu seinem Beruf im Erwachsenenalter. Drei Kriminelle – zwei ...

Ein Mann betrachtet den alten Boxsack, der in seinem Garten hängt und blickt zurück auf sein Leben, von einer Strafaufgabe in der Schule bis zu seinem Beruf im Erwachsenenalter. Drei Kriminelle – zwei Männer und eine Frau – dringen in einem Tresorraum ein, doch ihr Plan geht schief und sie werden eingesperrt. Ein Mann erwacht in einem Kofferraum und muss feststellen, dass er entführt wurde. Nun soll er ein Verbrechen gestehen, das er nicht begangen hat und die Ereignisse nehmen ihren Lauf.

Das sind nur drei Kurzgeschichten aus „JAB“, der Sammlung des mehrfach preisgekrönten koreanischen Autor Un-Su Kim. In Deutschland wurde bereits sein Thriller „Die Plotter“ veröffentlicht, der mir gut gefallen hat. Nun präsentiert er uns insgesamt 8 Erzählungen, von denen die meisten in der Ich-Perspektive verfasst sind. Die Sprache ist schmucklos und nüchtern: mit großer Klarheit werden sowohl die Figuren, als auch die Welt um sie herum beschrieben. Dabei driftet die Handlung oft ins Skurrile oder Bedrückende ab, was den Lesegenuss jedoch nicht schmälert, sondern eher noch vergrößert.

Thematisch gesehen sind über die einzelnen Geschichten hinweg einige Gemeinsamkeiten zu finden. Oft geht es um gesellschaftliche Erwartungen, sei es in beruflicher Hinsicht oder der Frage, was eigentlich Männlichkeit bedeutet. Darüber hinaus werden (eigentlich ausschließlich) dysfunktionale Beziehungen gezeigt: lieblose oder gescheiterte Ehen, Affären und familiäre Schwierigkeiten. Der Grundton der Erzählungen ist recht negativ, sie zeigen die Sinnlosigkeit des Daseins und den Zustand der Gesellschaft.

Wie das bei den meisten Kurzgeschichtensammlungen der Fall ist, sind für mich auch hier stärkere und schwächere Geschichten vertreten. Besonders ansprechend fand ich die Titel gebende „JAB“. „Das Sofa“ und „Die wirklich effektive Schreibwerkstatt“ - vor allem letztere ist herrlich absurd! Wer in Texten immerzu einen Sinn oder eine Botschaft sucht, wird es mit diesem Band manchmal schwer haben. Wer sich jedoch auf die Erzählungen einlassen kann, den erwartet ein skurriles und unterhaltsames Leseerlebnis.

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Veröffentlicht am 09.05.2022

Frauenwörter

Die Sammlerin der verlorenen Wörter
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Oxford, Ende des 19. Jahrhunderts. Harry Nicoll arbeitet als Lexikograph an der Erstellung des „Oxford English Dictionary“ mit. Da er nach dem Tod seiner Frau Tochter Esme allein großziehen muss, fühlt ...

Oxford, Ende des 19. Jahrhunderts. Harry Nicoll arbeitet als Lexikograph an der Erstellung des „Oxford English Dictionary“ mit. Da er nach dem Tod seiner Frau Tochter Esme allein großziehen muss, fühlt auch sie sich bald im Skriptorium, dem Arbeitsplatz ihres Vaters, zuhause. Nach und nach beginnt sie sich für das Sammeln von Wörtern zu interessieren, doch nicht jeder empfindet das für eine junge Frau als angebracht. So forscht Esme im Alleingang weiter und muss feststellen, dass eine Nicht-Aufnahme eines Begriffs in das Wörterbuch durchaus mehr bedeutet, als sie bisher geglaubt hat.

In ihrem Debütroman „Die Sammlerin der verlorenen Wörter“ erzählt Pip Williams – basierend auf historischen Fakten und Dokumenten - die Entstehungsgeschichte des berühmten Lexikons. Der Fokus liegt dabei jedoch auf einem ganz bestimmten Blickwinkel: dem der Frauen, die an dieser Meisterleistung beteiligt waren. Stellvertretend verfolgen wir dabei das Leben von Protagonistin Esme zwischen 1887 und 1915, die auch als Ich-Erzählerin fungiert; nur auf den letzten 20 Seiten wechselt die Perspektive. Was anderswo geschieht, wird geschickt durch Briefe vermittelt.

Neben dem offensichtlichen Thema der Sprache, geht es hier vor allem um die Stellung der Frau in der Gesellschaft. Sie leisteten einen großen Anteil der Arbeit am Wörterbuch, wurden aber kaum oder gar nicht entlohnt. Nach Beginn des ersten Weltkrieges nahm dieser Anteil nur noch zu, obwohl selbst dann noch Männer dem Engagement entgegenstanden. Parallel zur Entstehung des Wörterbuchs verläuft die Erstarkung der Frauenbewegung, die schließlich 1928 zur Einführung des Wahlrechts für Frauen führte.

Es steht außer Frage, dass Pip Williams mit ihrem Roman ein außergewöhnliches und wichtiges Debüt gelungen ist. Besonders spannend war es für mich, die Arbeit am „Oxford English Dictionary“ und den Kampf der Suffragetten durch Esmes Perspektive zu erleben. Leider kamen dann noch viele weitere Handlungssegmente und damit Themen hinzu: der Erste Weltkrieg, Liebe, Mutterschaft, Klassenunterschiede usw. Hier hätte ich mir einen deutlicheren Fokus gewünscht und auch mit den Entscheidungen, die die Autorin für ihre Figur trifft, war ich nicht immer einverstanden, vor allem was den Schluss betrifft. Dennoch hat mich der Roman sehr berührt und der Mai beginnt so definitiv mit einem Highlight.

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