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Veröffentlicht am 01.09.2021

Adunnis Kampf für Bildung

Das Mädchen mit der lauternen Stimme
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Die vierzehnjährige Adunni wünscht sich nur eines: Bildung und damit aus dem üblichen Schicksal auszubrechen, das Mädchen in Nigeria erwartet. Und tatsächlich beschließt der Vater nach dem Tod der Mutter, ...

Die vierzehnjährige Adunni wünscht sich nur eines: Bildung und damit aus dem üblichen Schicksal auszubrechen, das Mädchen in Nigeria erwartet. Und tatsächlich beschließt der Vater nach dem Tod der Mutter, Adunni an den Taxifahrer Morufu zu verkaufen, der bereits zwei Frauen besitzt. Als ihr nach Monaten der Gewalt und Ausbeutung die Flucht gelingt, hofft sie auf ein neues Leben in der Hauptstadt Lagos, aber auch dort scheint es jede Menge Probleme und Geheimnisse zu geben.

„Das Mädchen mit der lauternen Stimme“ ist das Debüt der nigerianischen Autorin Abi Daré und wird komplett aus der Perspektive der Protagonistin Adunni erzählt. Hier fällt sofort der besondere Sprachstil auf, denn Daré lässt ihre Figur die Handlung tatsächlich so schildern, wie es ein Teenager aus einem Dorf in Nigeria tun würde. Dabei verwendet sie Umgangssprache, verkürzt Wörter und erfindet sogar neue, wo ihr ein Begriff für etwas fehlt. Das Nachwort der Übersetzerin ergänzt den Text noch, in dem sie dort begründet, warum sie sich für eben jenen Übersetzungsstil entschieden hat.

Inhaltlich ist die Handlung grob in zwei Abschnitte geteilt: Adunnis Zeit in ihrem Dorf und als Mafurus Ehefrau sowie die neue Anstellung bei einem reichen Ehepaar in Lagos. Schnell stellt sich heraus: Beide Orte sind für Adunni die Hölle. Stellenweise ist er nur schwer zu ertragen, was dieses junge Mädchen ertragen muss; sexuelle Gewalt, Ausbeutung ihrer Arbeitskraft und Demütigung in jeglicher Form – erst gegen Ende des Buches findet sie Verbündete und es besteht zumindest eine Aussicht auf Verbesserung ihrer verzweifelten Lage.

Adunni ist eine besondere Protagonistin, welche die Handlung trägt und vorantreibt. Mit den Verhältnissen in Nigeria ist sie nicht einverstanden und kämpft für die Gleichberechtigung von Frauen – auch wenn ihr manchmal die Worte fehlen, um ihre Haltung konkret zu beschreiben. Im Verlauf des Romans wird sich aber auch das ändern und je stärker Adunni für die Erfüllung ihres Traumes kämpft, umso fließender und klarer werden auch ihre Worte. Ein absolut empfehlenswertes Buch über ein bewundernswertes Mädchen!

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Veröffentlicht am 25.08.2021

Flucht nach Japan

Schattenbruder
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Es ist erst einige Monate her, dass Hebe ihren Bruder Alec bei einem Tauchunfall verloren hat. Seitdem ist nichts mehr, wie es einmal war; das alltägliche Leben und auch die Beziehung zu ihrer besten Freundin ...

Es ist erst einige Monate her, dass Hebe ihren Bruder Alec bei einem Tauchunfall verloren hat. Seitdem ist nichts mehr, wie es einmal war; das alltägliche Leben und auch die Beziehung zu ihrer besten Freundin fallen ihr zunehmend schwerer. Also bricht Hebe nach Japan auf, das Land der Träume für die beiden Geschwister. Hier will Hebe neue Dinge sehen und neue Menschen treffen – vor allem Menschen, die sie nicht so sehr an Alec erinnern. Und hier möchte sie auch wieder zu sich selbst finden. Doch in Japan liegt auch der Ort, an dem ihr Bruder verunglückt ist und für Hebe sind noch so viele Fragen offen.

„Schattenbruder“ wird aus Hebes Perspektive erzählt, beginnend nach dem Tod ihres Bruders. Der war leidenschaftlicher Freediver und jedes Mal, wenn er zu einem Wettkampf aufbrach, gab er seiner Schwester vorher eine Postkarte mit ein paar Worten darauf. Diese Worte geben jedem Kapitel die Überschrift – bis sich eines Tages in Japan für Hebe etwas grundlegend ändert. Das Buch ist in sanfter, poetischer Sprache verfasst und es gelingt der Autorin gut, die Trauer und Verlassenheit der Protagonistin einzufangen. Hebe muss erst einmal herausfinden, wer sie ohne ihren Bruder eigentlich ist und sich von Dingen und Menschen befreien, die sie belasten.

Der Roman ist definitiv auch etwas für Japanfans und das war für mich – neben dem Verlag – auch der vorrangige Grund, ihn zu lesen. Hebe spürt eine tiefe Verbundenheit zu Japan und ihre Reise dorthin verändert sie. In ihrer Heimat, den Niederlanden, hat sie das Gefühl, von der Reaktion der anderen erdrückt zu werden. In Japan sind die Menschen sehr diskret und Hebe kann selbst entscheiden, ob sie sich gerade mit dem Tod ihres Bruders beschäftigen möchte oder eben nicht. Ein besonderes Rätsel gibt ihr dabei Alecs letzte Karte an sie auf – eines, das sie unbedingt lösen muss, wenn sie ihren Frieden machen will.

„Schattenbruder“ ist düster und emotional, aber auch voller Hoffnung auf einen Neuanfang – ein faszinierender Roman der zeigt, dass wir alle auf unsere ganz eigene Art trauern und das auch völlig in Ordnung ist.

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Veröffentlicht am 20.08.2021

Eine Reihe zum Wohlfühlen

Pages & Co. (Band 3)
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Matilda und Oskar spüren, dass sich etwas in der Welt des Buchwandelns verändert; manche Geschichten scheinen geradezu aus dem Gedächtnis der Menschen zu verschwinden. Aus diesem Grund beschließt Tilly, ...

Matilda und Oskar spüren, dass sich etwas in der Welt des Buchwandelns verändert; manche Geschichten scheinen geradezu aus dem Gedächtnis der Menschen zu verschwinden. Aus diesem Grund beschließt Tilly, nun endlich ihre Suche nach den Archivaren fortzusetzen – doch leider wollen ihre Großeltern bei diesem Plan nicht mitspielen. So werden sie und Oskar von Matildas Mutter Bea in einer Nacht- und Nebelaktion in einen Flieger nach Washington gesetzt, um dort in der Library of Congress ein bestimmtes Buch zu finden. Doch das ist nur der Anfang eines großen Abenteuers im Kampf gegen die Herrschaft der Geschwister Underwood…

„Matilda und das Rätsel der magischen Karte“ ist der dritte Band um die Protagonistin Matilda, aus deren Perspektive die Handlung erzählt wird. Begleitet wird sie dieses Mal (neben Oskar natürlich) von Orlando, einem Freund ihrer Mutter und dessen Partner Jorge. Im Verlauf der Geschichte kommen dann noch Milo, sein Onkel Horatio und der Geschichtenexpress hinzu, die für mich übrigens das Highlight des Buches bilden. Umso mehr freut es mich, dass der nächste Band der Reihe sich als Spin-Off mit eben diesem magischen Zug beschäftigen wird. Unterstützt wird die fantastische Handlung erneut durch die wunderschönen Illustrationen von Paola Escobar.

Auf der Suche nach den Archivaren läuft für Tilly und Oskar vieles erstaunlich glatt. Immer dann, wenn ein Problem auftritt, löst es sich entweder von ganz allein auf oder Matilda hat einen ihrer genialen Einfälle. Das mag der Tatsache geschuldet sein, dass es sich um eine Kinderbuchreihe handelt, aber ich muss auch gestehen, dass ich es durchaus erfrischend finde. Nicht immer müssen die Dinge kompliziert sein und die Protagonisten von einem unlösbaren Problem zum anderen stolpern. Davon hält das reale Leben schon genug bereit.

Den wahren Zauber der Reihe macht für mich jedoch die Phantasie der Buchwelt aus. Auch in diesem Band treffen wir jede Menge literarische Charaktere oder auch bekannte Schriftsteller. Und was für ein grandioses Gefühl muss es sein, in das eigene Lieblingsbuch zu wandeln oder Figuren daraus in die Realität zu holen? Eine echt Wohlfühlreihe!

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Veröffentlicht am 18.08.2021

Spannendes Steampunk-Abenteuer

Florance Bell und die Melodie der Maschinen
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England, 1820: Die Waise Florance Bell arbeitet als rechte Hand des Meistermechanikers Monsieur Pignon auf Birch Manor, seit dieser sie im Alter von 10 Jahren bei sich aufgenommen hat. Sie hat ein außergewöhnliches ...

England, 1820: Die Waise Florance Bell arbeitet als rechte Hand des Meistermechanikers Monsieur Pignon auf Birch Manor, seit dieser sie im Alter von 10 Jahren bei sich aufgenommen hat. Sie hat ein außergewöhnliches Talent für Maschinen, darf jedoch aufgrund der von Napoleon erlassenen Gesetze als englisches Mädchen keine höhere Schule besuchen, schon gar keine technische Akademie. Als Birch Manor jedoch von Rebellen angegriffen wird und Florance sich in deren Luftschiff versteckt, bietet sich für sie auf einmal die Gelegenheit zu beweisen, dass sie dem Kaiser treu ergeben ist und somit einen Platz an der Akademie verdient hat. Doch dann kommt alles anders…

„Florance Bell und die Melodie der Maschinen“ wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Auf der einen Seite folgen wir der Mechanikerin Florance, die aus ärmlichen Verhältnissen stammt, auf der anderen Seite den beiden Kindern des Earls von Birch Manor, Victoria und Edward. Der Kontrast zwischen den Figuren wird sofort deutlich: Florance ist gewissenhaft und arbeitet hart, Edward hingegen vertreibt sich seine Zeit am liebsten mit den Dampfdroschken seine Vaters, während Victoria mit den Annehmlichkeiten des adeligen Lebens beschäftigt ist und Florance schikaniert.

Die Handlung spielt in einem historischen Setting, das jedoch auch Steampunk-Elemente aufweist. Diese Thematik wird durch die Gestaltung des Buches noch unterstützt. So sind Kapitelanfang und -ende mit illustrierten Zahnrädern verziert und auch das – übrigens sehr gelungene – Cover greift das Steampunk-Thema wieder auf. Inhaltlich werden hingegen die unterschiedlichsten Aspekte beleuchtet: die politische Situation in England, der Unterschied zwischen arm und reich sowie die Frage, was jeder von uns für seine Träume oder seine Freiheit zu opfern bereit ist.

Gut gefallen hat mir, dass Florance zwar eine entscheidende Rolle in der Geschichte spielt, dass sie aber auch Fehler machen darf und die Hilfe anderer benötigt. Der Schluss führt alle Perspektiven wieder zusammen und rundet sie ab – dennoch lässt der Autor sich am Ende ein Schlupfloch, das weitere Bände möglich macht. Ich würde sie auf jeden Fall lesen!

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Veröffentlicht am 17.08.2021

Ein zarter Roman über Schuld und Vergebung

Der Mauersegler
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Mauersegler befinden sich ihr ganzes Leben in der Luft. Einmal am Boden, fällt es ihnen schwer, wieder zu starten; in den Lüften hingegen sind sie grandiose Flieger, die sich im freien Fall hinabstürzen, ...

Mauersegler befinden sich ihr ganzes Leben in der Luft. Einmal am Boden, fällt es ihnen schwer, wieder zu starten; in den Lüften hingegen sind sie grandiose Flieger, die sich im freien Fall hinabstürzen, um dann im letzten Moment wieder aufzusteigen. Im freien Fall befindet sich auch Prometheus, Arzt auf der Onkologie. Was ihm geschehen ist, wissen wir zu Beginn nicht – nur, dass es etwas mit dem Tod seines besten Freundes Jakob zu tun hat und er daher auf der Flucht nach Dänemark ist. Wird es auch ihm, wie dem Mauersegler, gelingen, seinen Fall zu bremsen, um sich wieder in den Himmel zu erheben?

„Der Mauersegler“ ist nach „Marianengraben“ der zweite Roman aus der Feder von Jasmin Schreiber. Die Handlung wird aus Prometheus‘ Perspektive in der Er-Form erzählt; dabei nimmt er uns auch immer wieder mit in die Vergangenheit und schildert Erlebnisse mit Jakob. Der Autorin gelingt es dabei sehr gut, einzufangen, was diese Freundschaft seit Kindertagen ausmacht und wie sehr Trauer und Schuld den Protagonisten zu Boden drücken. Im Text finden sich auch Bezugspunkte zu Schreibers vorherigen Büchern: Paula, die Protagonistin aus „Marianengraben“ hat kurz vor Prometheus am selben Ort Zuflucht gefunden, einige Szenen und Dialoge greifen wiederum Themen aus „Abschied von Hermine“, dem Sachbuch der Autorin auf.

Die Flucht des Protagonisten endet zunächst am Strand von Dänemark, wo er von Helle und Aslaug
gefunden und auf deren Hof gebracht wird. Die beiden helfen ihm nicht nur dabei, seine Angst vor Pferden zu kurieren, sondern geben ihm auch die nötige Zeit, die er braucht, um sich dem Schmerz über Jakobs Verlust zu stellen. Vor allem Aslaug hatte es selbst nicht immer leicht im Leben und hilft Prometheus, einen neuen Blickwinkel auf die Geschehnisse zu finden. Die namensgebenden Mauersegler begleiten ihn dabei immer wieder durch die unterschiedlichen Phasen seines Lebens und bieten dabei die perfekte Metapher für seinen Erfolg und sein Scheitern – und im Grunde für den Menschen an sich.

Fazit: Jasmin Schreiber ist erneut ein zarter, emotionaler Roman gelungen, der gerne noch viel mehr Seiten umfassen könnte.

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