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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.05.2020

Ein wichtiges Buch

Unsichtbare Frauen
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"Für die beharrlichen Frauen - bleibt verdammt noch mal schwierig!" Mit dieser Widmung beginnt Caroline Criado-Perez ihr Sachbuch. "Schwierig", das ist vermutlich noch eines der netteren Worte, das sich ...

"Für die beharrlichen Frauen - bleibt verdammt noch mal schwierig!" Mit dieser Widmung beginnt Caroline Criado-Perez ihr Sachbuch. "Schwierig", das ist vermutlich noch eines der netteren Worte, das sich sicherlich jede Frau schon einmal anhören durfte, die es wagte, in den heutigen Zeiten darauf hinzuweisen, dass die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau bei Weitem nicht so fortgeschritten ist, wie wir uns gerne einbilden. Mit "Unsichtbare Frauen" gibt sie nun die entsprechende faktische Munition für solche Diskussionen an die Hand. Das Buch befasst sich mit der so genannten Gender Data Gap; diese drückt aus, dass eigentlich alle Bereiche unseres Lebens daran orientiert sind, was für den Durchschnittsmann am besten funktioniert. Die Frauen, aber auch Männer, die von der gesellschaftlichen Norm abweichen (1,85m, 75kg) kommen dabei oft zu kurz.

Bereits die Einleitung des Buches macht abwechselnd erstaunt, erschrocken und wütend und verspricht keine einfache Lektüre. Anhand zahlreicher, durch Fakten belegte Beispiele und wissenschaftlicher Studien zeigt die Autorin auf, wie systematisch bei der Planung und Durchführung in verschiedensten Gebieten stets der Mann als Standard angenommen wird. Dabei unterstellt sie keinen bösen Willen, sondern erklärt anschaulich, was es bedeutet, Frauen in diese Gleichung nicht mit einzubeziehen. Dabei behandelt sie die unterschiedlichsten Themen: Autobau und Medizin, Politik und alltägliches Berufsleben, unbezahlte Care-Arbeit (Kinderbetreuung und häusliche Pflege) und Produktdesign. Um ehrlich zu sein: Das Ausmaß ist erschreckend.

Es beginnt bei "Kleinigkeiten" wie dem Pianobau, der mit der Konzeption für die durchschnittliche männliche Handspanne dazu führt, dass genau diese deutlich häufiger zu Starpianisten werden als Frauen oder Männer mit einer kleineren Handspannen. Extrem bedenklich wird es auf dem Fachgebiet der Medizin, in dem Frauen oft nicht einmal Teil wissenschaftlicher Studien sind. Zu marginal seien die Unterschiede zwischen den Geschlechtern, das falle nicht ins Gewicht - so werden sogar Medizinerinnen zitiert. Das führt am Ende dazu, dass es deutlich mehr Studien zu Viagra und erektiler Dysfunktion gibt, als zu Menstruation oder Geburt. Vor allem in letzterem Fall führt dies oft zur Gefährdung, und in Entwicklungs- und Schwellenländern sogar zum Tod der Frauen im Kindbett. In diesem Kontext ist dann auch nicht weiter verwunderlich, was über die Konstruktion von Flüchtlingslagern berichtet wird. Diese fördern durch ihren Aufbau und ihre Gestaltung weltweit die sexualisierte Gewalt an Frauen.

Caroline Criado-Perez liefert hier ein wichtiges Sachbuch, das sich nicht nur Frauen zu Gemüte führen sollten. Durch die vielen Fakten, Zahlen und Studien ist es jedoch nicht immer gefällig zu lesen - möglicherweise hätte hier eine andere Aufteilung oder das Einfügen von Diagrammen die Lektüre etwas erleichtert. Auch mit der Lösung des Problems bleibt die Autorin vage, wenn auch durchaus logisch: Die Sichtbarkeit der Frauen muss in allen Bereichen des Lebens erhöht werden. Nur da, wo Frauen in Entscheidungen eingebunden sind, haben sie letztendlich auch die Macht, die Gender Data Gap zu verkleinern.

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Veröffentlicht am 19.05.2020

Lange Einleitung zu Band zwei

Das Buch der gelöschten Wörter - Der erste Federstrich
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​Was geschieht wohl mit all den Wörtern, die wir im Laufe unseres Lebens löschen? Dieser Frage geht Mary E. Garner in ihrer Reihe "Das Buch der gelöschten Wörter" nach. Protagonistin ist dabei die Londonerin ...

​Was geschieht wohl mit all den Wörtern, die wir im Laufe unseres Lebens löschen? Dieser Frage geht Mary E. Garner in ihrer Reihe "Das Buch der gelöschten Wörter" nach. Protagonistin ist dabei die Londonerin Hope Turner. In ihrem Job für eine Partnervermittlung verhilft sie einsamen Herzen zu einem Happy End - sie selbst ist nun jedoch schon seit einigen Jahren Single. Eines Tages rettet sie sich vor dem Regen in eine Buchhandlung, in der sie einen seltsam vertrauten Duft wahrnimmt und in der ein mysteriöser Mann quasi vor ihren Augen verschwindet. Dann lernt sie auch noch Rufus Walker kennen, der ihr Unglaubliches offenbart: Die Buchhandlung ist ein Portal in die Welt der Bücher, in der sowohl Menschen als auch Romanfiguren miteinander leben. Und Hope selbst hat eine wichtige Fähigkeit, die das Überleben dieser Welt sichern kann.

Die Idee des Romans klingt zunächst großartig, wenn auch nicht ganz neu. Eine Welt, in der all unsere liebsten Charaktere zum Leben erwachen, welche Leseratte wünscht sich das nicht? Und so ist Hope auch ganz aufgeregt, als sie zum ersten Mal in die Welt von Jane Austen reist. Nach und nach lernt sie immer mehr Figuren kennen und entwickelt sogar eine Freundschaft zu Guinevere aus der Artussage, die sich hier ganz modern Gwen nennt und von ihrem Lancelot die Nase voll hat. Aber auch Lassie und die Grinsekatze, Pinocchio und Gepetto, Robin Hood und König Löwenherz und viele andere sind mit von der Partie. Leider gelingt es der Autorin nicht, dieses eigentlich tolle Konzept richtig umzusetzen. Die Charaktere sind oft nur Schatten ihrer selbst, Persiflagen auf Kosten eines schnellen Lachers oder ohne jegliche Kontur. Nur Gwen, die sich nach einem Ausbrucht aus ihrer Rolle sehnt oder Anna Karenina, die ihre eigenen Ziele verfolgt, bilden hier eine Ausnahme.

Zunächst war ich auch angenehm überrascht, dass mit Hope einmal eine Frau jenseits der dreißig im Fokus steht. Leider verliert diese sich bald in kindischen Schwärmereien für den mysteriösen Unbekannten, einem sentimentalen Aufeinandertreffen mit ihrem Ex-Freund sowie in Streitereien mit Mentor Rufus. Der entspricht in seiner Darstellung als immer grummeliger, bärtiger, höchst geheimnisvoller Mann jedem Klischee. Hinter all diesen Nebenschauplätzen tritt der eigentliche Kern der Geschichte immer mehr zurück. Zudem liest sich der gesamte Band wie das, was er eigentlich auch ist: eine lange Einleitung zu Band zwei. Denn gerade, als es richtig spannend wird und die Handlung endlich Fahrt aufgenommen hat, ist das Buch auch schon zu Ende. Übrig bleibt ein fieser Cliffhanger, der natürlich zum Weiterlesen verführen soll. Seltsamerweise schafft die Autorin trotz aller Kritikpunkte genau das: Ich will weiterlesen, meine eigenen wilden Theorien überprüfen und mehr über diese verlockende Welt erfahren. Und das ist doch auch etwas wert, oder?

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Veröffentlicht am 15.05.2020

Gestalterisch und inhaltlich sehr ansprechend

Kochen wie in Japan
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Im Jahr 2013 wurde Japans traditionelle Küche zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt - zu recht, denn sie ist sowohl schmackhaft als auch gesund. Mit "Kochen wie in Japan" legt Kaoru Iriyama nun ein ansprechendes ...

Im Jahr 2013 wurde Japans traditionelle Küche zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt - zu recht, denn sie ist sowohl schmackhaft als auch gesund. Mit "Kochen wie in Japan" legt Kaoru Iriyama nun ein ansprechendes und informatives Kochbuch zu diesem Thema vor. Beim ersten Durchblättern fallen zunächst die vielen qualititativ hochwertigen und ästethisch aufgenommenen Fotos auf, die die Gerichte, aber auch Japan als Gesamtthema illustrieren.

Das Buch beginnt zunächst mit einer kleinen Einleitung zum Thema und stellt eine Bucketlist auf, welche Dinge ein Japanreisender unbedingt unternehmen sollte. Danach folgen Fakten zur japanischen Küche sowie die Top 5-Grundbausteine: Reis, Meeresalgen, Sojasauce, Miso und Ingwer. Kleine Exkurse zur japanischen Esskultur oder bestimmten Traditionen runden das Ganze mit Fachwissen ab.

Im anschließenden Rezepteil sind dann die folgenden Kapitel zu finden: Suppen und Nudeln, Reisgerichte, Hauptspeisen, Beilagen und Salate, Bento, Hotpot und Streetfood sowie Süßes. Dabei darf natürlich keiner der Klassiker fehlen - Ramen, Misosuppe, Sushi, Okonomiyaki, Yakitori und Mochi, das alles ist enthalten. Es werden aber auch neue kreative Rezeptideen präsentiert. Der Schwierigkeitsgrad ist dabei sehr angenehm - wer möchte, darf sich aber auch an der Herstellung von Nudeln versuchen.

Fazit: Ein gestalterisch und inhaltlich sehr ansprechendes Buch - einzig ein kleiner Exkurs zu passenden traditionellen Getränken wäre noch interessant gewesen.

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Veröffentlicht am 12.05.2020

Niemand gewinnt einen Krieg wirklich

Offene See
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Frühjahr 1946. Dem sechzehnjährigen Robert ist seine Welt in einer kleinen Bergarbeiterstadt im Norden Englands zu eng geworden. Die Erwartung, wie all seine männlichen Vorfahren unter Tage zu arbeiten, ...

Frühjahr 1946. Dem sechzehnjährigen Robert ist seine Welt in einer kleinen Bergarbeiterstadt im Norden Englands zu eng geworden. Die Erwartung, wie all seine männlichen Vorfahren unter Tage zu arbeiten, kann er noch nicht erfüllen. Um endlich einmal Freiheit zu spüren, begibt er sich auf Wanderschaft durch seine vom Krieg noch stark mitgenommene Heimat. Sein Weg führt ihn schließlich zum kleinen Cottage von Dulcie Piper - eine ältere Dame, die sein Leben für immer verändern soll.

Mit "Offene See" ist Benjamin Myers ein großartiger Coming of Age-Roman gelungen, der so viel mehr als dieses eine Label zu bieten an. Die Sprache ist von unglaublicher Poesie und fängt die Küstenlandschaft und ihre Bewohner perfekt ein. Robert ist ein stiller Junge, der seinen Weg im Leben erst noch finden muss. Der Krieg hat auch ihn geprägt und seine Wut auf die Deutschen geschürt. Das Aufeinandertreffen mit Dulcie verändert jedoch etwas in ihm. Im Gegensatz zum klassischen Frauenbild der Zeit nimmt sie kein Blatt vor den Mund, lebt, wie sie es für richtig hält und hat auch zum Kriegsgeschehen eine klare Meinung: Niemand gewinnt einen Krieg wirklich, im Grund gibt es nur Verlierer und auf beiden Seiten stehen menschliche Wesen. Eine wichtige Botschaft, auch und gerade in der heutigen Zeit.

Nach und nach begreift Robert, dass Dulcies Leben ein Geheimnis birgt, eine Wunde, die immerzu schmerzt und nicht heilen will. Bei gemeinsamen Essen und langen Gesprächen kommen die beiden sich näher und öffnen sich einander. Dabei ist es schön zu spüren, dass Dulcie als die Ältere sich nie überlegen gibt, sondern auch die Chance nutzt, etwas von Robert zu lernen. Der hingegen erhält durch Dulcie einen völlig neuen Blickwinkel auf sein Leben und was er damit anzufangen gedenkt. Ein fabelhafter Roman, der auf jeden Fall zu meinen Highlights in 2020 gehört!

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Veröffentlicht am 06.05.2020

Realität und Fiktion

Die Herren der Zeit
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Vitoria, 2019. Wieder erschüttert eine grausame Mordserie die baskische Stadt. Die Opfer und Todesarten ähneln dabei denjenigen des Romans "Die Herren der Zeit", einer auf waren Begebenheiten beruhenden ...

Vitoria, 2019. Wieder erschüttert eine grausame Mordserie die baskische Stadt. Die Opfer und Todesarten ähneln dabei denjenigen des Romans "Die Herren der Zeit", einer auf waren Begebenheiten beruhenden Geschichte aus dem 12. Jahrhundert. Inspector Ayala macht sich zugleich auf die Suche nach dem anonymen Autor und dem Mörder - oder sind beide etwa ein- und dieselbe Person? Dabei ahnt er noch nicht, dass dieser Fall ihn erneut persönlich betreffen soll und sein Leben für immer verändern wird.

Mit "Die Herren der Zeit" legt die Autorin den dritten und somit letzten Band der Trilogie um den "Kraken" vor. Das Schema bleibt dabei gleich: Es wird in der Gegenwart des Jahres 2019 erzählt, aber immer wieder auch Rückblenden, vor allem in die 1192 beginnende Romanhandlung, eingeflochten. Auf drastische Weise werden so die Parallelen zwischen Fiktion und den sehr realen Morden im Jetzt deutlich. Protagonist Unai zeigt sich dabei von den Ereignissen der letzten beiden Bände deutlich mitgenommen und beginnt, seine Berufswahl und seine Fähigkeiten immer mehr in Frage zu stellen.

In den Mittelpunkt der Ermittlungen gerät zusehends Ramiro Alvar, ein schüchterner, aber gleichzeitig furchteinflößender junger Mann, der sich in seinem Museumsturm vor der Außenwelt verschanzt. In ihm vermutet Unai den Schriftsteller von "Die Herren der Zeit" und als sich zwischen diesem und seiner Kollegin Estíbaliz eine Beziehung anbahnt, nehmen die Ereignissen einen fatalen Lauf. Dabei gelingt es der Autorin, den Leser erneut an der Nase herumzuführen. Über lange Zeit war ich von der Handlung enttäuscht, schien mir alles doch zu offensichtlich. Das Ende des Romans und auch dieser gesamten Trilogie lies mich jedoch absolut überrascht zurück. Chapeau!

Fazit: Ein gelungener, höchst spannender Abschluss der Trilogie um Unai López de Ayala

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