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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.09.2024

Nicht so abgeholt wie gewohnt

Der längste Schlaf
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Mara Lux ist Schlafforscherin, was paradox scheint, denn sie selbst meidet Schlaf, vor allem das Träumen, weil sich schon mancher ihrer Träume bewahrheitet hat. Als sie die Nachricht bekommt, dass sie ...

Mara Lux ist Schlafforscherin, was paradox scheint, denn sie selbst meidet Schlaf, vor allem das Träumen, weil sich schon mancher ihrer Träume bewahrheitet hat. Als sie die Nachricht bekommt, dass sie in Deutschland ein Herrenhaus geschenkt bekommen soll, stutzt sie. Ihrer alten Heimat hatte sie schon lange den Rücken gekehrt und lebt in London. Doch dieses Geschenk von einem Unbekannten macht sie neugierig und dann ist da noch ihr letzter Traum, der zu Teilen schon in die Realität geschwappt ist und sie beschließt dem Ganzen auf den Grund zu gehen.
Vorweg: Ich bin Melanie Raabe Fan. Ich liebe ihre Thriller und ebenso den vorherigen Roman habe ich verschlungen. Ich bin also voreingenommen gewesen und mit einer gewissen Erwartungshaltung an „Der längste Schlaf“ gegangen. Leider hat er mich nicht so abgeholt wie ihre anderen Bücher.
Mara ist ein spannender Charakter und auch Setting, Plot und die Kurve zum magischen Realismus fand ich toll. Es ist spannend - da merkt man, wo Melanie Raabe ihre Anfänge hat, und das kann sie, ohne auf billige Tricks und falsche Fährten zugreifen zu müssen. Doch zu Beginn hab ich schwer hineingefunden, bin über Formulierungen gestolpert, was ich so gar nicht von ihr kenne, weil sie auch sprachlich immer gekonnt abliefert. Es wirkte etwas unkonzentriert und nicht bis zur absoluten Perfektion geschliffen, wie bei den vorherigen Büchern. Später wurde es besser, was vielleicht auch an der Spannung lag, die sich immer weiter aufgebaut hat. Das letzte Kapitel hätte ich allerdings nicht gebraucht. Darin werden alle offenen Fragen nochmal sehr ausführlich aufgelöst.
Ich möchte „Der längste Schlaf“ nicht schlecht machen. Es ist ein solider Roman von einer brillanten Schriftstellerin und nur, weil sie mich mit diesem Roman nicht so abgeholt hat, wie mit den Vorgängern, heißt es nicht, dass ich mich nicht schon auf das nächste Buch freue. Melanie Raabe bleibt trotzdem eine Großmeisterin des Schreibens und auch dieses Buch wird viele begeisterte Leser*innen finden.

Veröffentlicht am 03.09.2024

Eine verschlingende Dreiecksbeziehung

Das Schweigen meiner Freundin
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Giulia lernt Cristi als Kind kennen, sie wird ihr quasi aufgedrängt - als Zehnjährige hat man wahrlich Besseres zu tun, als sich um ein drei Jahre jüngeres, verlottertes und schweigsames Mädchen zu kümmern. ...

Giulia lernt Cristi als Kind kennen, sie wird ihr quasi aufgedrängt - als Zehnjährige hat man wahrlich Besseres zu tun, als sich um ein drei Jahre jüngeres, verlottertes und schweigsames Mädchen zu kümmern. Doch schnell wandelt sich die Abneigung in Liebe, in eine obsessive, verzehrende Liebe. Kein Wunder also, dass Giulia, den plötzlich auftauchenden Mattia als Konkurrenz sieht und das soll ihr ganzes Leben lang so bleiben. Immer wieder wird sie von Cristi vereinnahmt, nur um von ihr verlassen zu werden.
„Das Schweigen meiner Freundin“ von Giulia Baldelli hat mich verschlungen. Ich wurde ganz tief in diese fatale Dreiecksbeziehung hineingesaugt, aus der niemand unbeschadet herauskommt. Die Leben der Figuren sind durch Cristi so verknäult, dass es keinen Ausweg zu geben scheint. Nicht für Giulia, die sich immer wieder vornimmt, nicht auf Cristi hereinzufallen und genauso wenig für Mattia, der mit allen Mitteln versucht, sich von ihr fernzuhalten.
Das Paradoxe ist, dass man sehenden Auges immer wieder mit Giulia in diese toxische Beziehung stürzt, es nicht verhindern kann, obwohl man es doch besser wissen müsste. Die Geschichte ist so fein gewoben, dass man sich selbst schnell darin verliert, und ich konnte den Roman nur schwer aus der Hand legen. In der Mitte wurde es etwas anstrengend, weil Cristi eben so ist wie sie ist, aber zum Ende hin wurde es wieder besser.
Sehr beeindruckend finde ich, dass es Giulia Baldellis Debüt ist. Nicht nur ist die Geschichte gut durchdacht, die Figuren klar und rund, sondern auch sprachlich hat es mich begeistert, was wahrscheinlich nicht zuletzt an der guten Übersetzung von Elisa Harnischmacher liegt.
Ein wunderbarer Roman, der allerdings alles andere als kurzweilig ist und eine ganz besondere Liebe beschreibt.

Veröffentlicht am 18.08.2024

Ein Jahreshighlight

Taumeln
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Hannah ist verschwunden. Ihre Schwester Luisa sucht sie jeden Samstag im Wald neben ihrem Elternhaus. Das tut sie nicht allein. Da sind auch Iris, Frank, Amaka, Emma, Enrico, Hartmut und Christiane. Sie ...

Hannah ist verschwunden. Ihre Schwester Luisa sucht sie jeden Samstag im Wald neben ihrem Elternhaus. Das tut sie nicht allein. Da sind auch Iris, Frank, Amaka, Emma, Enrico, Hartmut und Christiane. Sie sind Fremde, vereint durch die Suche, aber eigentlich auf der Flucht vor ihrem eigenen Leben, das aus unterschiedlichen Gründen ein Ausbrechen verlangt. Dabei werden die samstäglichen Treffen mehr und mehr zu einer Ausrede und eine besondere Gemeinschaft entsteht.
„Taumeln“ von Sina Scherzant ist genau das, was der Titel verspricht, ein Herumtaumeln durch das Leben, wobei jede der Figuren einen anderen Grund zum Schlingern hat, der mal mehr, mal weniger angestrahlt wird. Sina Scherzant beleuchtet gerade so viel wie nötig und verdichtet auf diese Weise die einzelnen Geschichten auf beeindruckende Art.
Es ist schmerzhaft, weil die Schicksale der Einzelnen einem wirklich nahe gehen und ich vermute, dass sich jeder Lesende mit mindestens einer Figur etwas mehr identifizieren kann; gleichzeitig ist da eine Hoffnung, eine kleine Flamme, welche der dunklen Traurigkeit Einhalt gebietet.
Am bemerkenswertesten fand ich allerdings Sina Scherzants Umgang mit Sprache. Immer wieder musste ich Passagen staunend ein weiteres Mal lesen, weil ich nicht fassen konnte, dass sie solch eine Kombination aus Worten gefunden hat, die neu ist und passend. Sie spielt damit, jongliert und es fällt kein einziger Ball herunter.
Meine Erwartungshaltung, was das Ende betrifft, wurde übertroffen. Ich war mir zwar sicher, dass der Roman nicht so enden würde, wie es die meisten wahrscheinlich erwarten und ich nicht passend gefunden hätte, aber war trotzdem erleichtert darüber. Wer wissen will, was ich damit meine, muss es wohl selbst lesen. Aber das sollte man eh, es lohnt sich aus so vielen Gründen.
Und ich bin froh, dass ich Sina Scherzants Debüt „Am Tag des Weltuntergangs verschlang der Wolf die Sonne“ noch nicht gelesen habe, denn so kann ich diese Erfahrung bald machen und freue mich schon sehr darauf.

Veröffentlicht am 07.08.2024

Mutterglück?

Glück
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Für Marie-Claire wird es langsam eng mit dem Kinderkriegen, die biologische Uhr tickt, oder ist das nur der gesellschaftliche Druck, den sie sich angeeignet hat? Auch in Anahitas Leben würde mindestens ...

Für Marie-Claire wird es langsam eng mit dem Kinderkriegen, die biologische Uhr tickt, oder ist das nur der gesellschaftliche Druck, den sie sich angeeignet hat? Auch in Anahitas Leben würde mindestens ein Kind passen, das gehört doch dazu zu einer Politikerin, die sich Familie ganz oben auf die Agenda geschrieben hat; nur fehlt ihr dafür nicht nur der Mann, sondern vor allem die Zeit.
„Glück“ von Jackie Thomae beleuchtet die Leben beider Frauen, die ähnlich damit umgehen. Sie nehmen ein neues Präparat, das ihnen ein wenig mehr Zeit schenkt für das übergroße Thema Mutterschaft. Der Roman taucht in die jeweiligen Familien ein. Da ist MCs Schwester Rebekka, die immer in ihrem Schatten stand; da ist Anahitas Schwägerin, die erst beim dritten Kind richtig in die Mutterrolle fand, und noch weitere Frauen mit unterschiedlichen Lebensentwürfen, doch Mutterglück spielt zumindest immer eine Rolle.
Es ist viel Input, manchmal überladen und kreist doch um dasselbe Thema: den Wunsch und den Druck Mutter zu werden. Mir persönlich war das etwas zu viel. Zu viel Sehnsucht nach Muttersein, gerade von den Protagonistinnen, denen ich zugetraut hätte, dass sie über diesem gesellschaftlichen Druck stehen. Viel wird erzählt, manches hat mich nicht interessiert oder war redundant und ich habe mich gefragt, wozu dieser Rundumschlag? Wozu zwei Frauen, die im Grunde dasselbe verfolgen, mit ähnlichem Weg, der vielleicht von außen betrachtet unterschiedlich endet, im Inneren der Figuren allerdings nicht.
Zwar wird auch angeschnitten, dass ein Leben ohne Kinder möglich ist, aber die Frage, ob das wirklich sinnvoll ist, scheint zu bleiben. Anahita und MC, beide glückliche Singles mit erfülltem Leben, wollen ein Kind, wollen sich zumindest die Möglichkeit offen halten.
Tatsächlich scheint die Botschaft des Romans an mir vorbeigehüpft zu sein, denn ich nehme eher daraus mit, das Kinder in irgendeine Weise dazu gehören, obwohl ich glaube, dass es genau andersherum gemeint ist. Richtig abgeholt hat es mich also nicht.

Veröffentlicht am 24.07.2024

Wieso gerade Sally?

Romantic Comedy
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Sally ist Autorin einer beliebten Late Night Show und wundert sich über das Phänomen, dass sehr durchschnittliche Männer mit Frauen zusammenkommen, die ganz eindeutig über deren Liga spielen. Dann trifft ...

Sally ist Autorin einer beliebten Late Night Show und wundert sich über das Phänomen, dass sehr durchschnittliche Männer mit Frauen zusammenkommen, die ganz eindeutig über deren Liga spielen. Dann trifft sie auf den berühmten und ebenso attraktiven Popstar Noah, der einen Gastauftritt hat und obwohl sie es sich nicht eingestehen will, ist da was zwischen ihnen.
„Romantic Comedy“ von Curtis Sittenfeld musste ich lesen, weil Anika Landsteiner es empfohlen hat und ich wurde nicht enttäuscht. Zugegen der Anfang ist etwas langatmig und auch zum Ende hin gab es Längen, aber die Mitte entschädigt dafür umso mehr. Die Dialoge sprühen vor Witz, jeder Begegnung der beiden fieberte ich entgegen und konnte den Roman nur schwer aus der Hand legen. Wenn ich musste, waren meine Gedanken trotzdem bei Sally und Noah. Einerseits weil ich sie endlich zusammen sehen wollte, andererseits weil Sally sich wirklich oft selbst im Weg steht und das als Erzählerin toll beschreibt. Noah ist einfach perfekt, was anstrengend hätte werden können, und doch hat er mein Herz im Sturm erobert. Nebenbei thematisiert Curtis Sittenfeld wie stark Frauen mit sich und ihrer Außenwirkung hadern. Auch Covid spielt eine gewisse Rolle, wobei sie es gekonnte einzusetzen versteht.
Sprachlich hat es nicht überrascht, dafür aber mein Herz berührt, meine Lachmuskeln trainiert und einen Einblick in die Comedy Branche der USA geschenkt. Und ich hätte tatsächlich Lust, es gleich nochmal zu lesen. Allerdings erst ab Teil zwei.
Wer also ein überraschend witzigen Roman über die Liebe sucht, kann mit „Romantic Comedy“ nichts falsch machen.