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Nilchen

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Veröffentlicht am 30.11.2023

Kreuzberg um die Jahrtausendwende

Südstern
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Ein wirklich lokaler Roman, denn es spielt nicht nur in Kreuzberg. Auch wenn der „Südstern“ als Ort im Roman sonst keine Erwähnung findet sondern nur im Titel. Nein, Kreuzberg ist essentieller Teil der ...

Ein wirklich lokaler Roman, denn es spielt nicht nur in Kreuzberg. Auch wenn der „Südstern“ als Ort im Roman sonst keine Erwähnung findet sondern nur im Titel. Nein, Kreuzberg ist essentieller Teil der Erzählung. Ohne Kreuzberg würde dieser Roman nicht funktionieren.
Der Autor Tim Staffel widmet sich in diesem Roman einer Liebensgeschichte, die frei von jeglichem Kitsch ist. Hier prallen zwei Personen aufeinander, die sich diametral gegenüberstehen und doch so nah kommen.
Vanessa, die sich selbst als Engel bezeichnet und auch in vielerlei Hinsicht eine Erscheinung bleibt, weiß sie stets was andere Denken und Fühlen. Vanessa ist eine, die viel tut um Geld in der Kasse zu haben. Barfrau und Apothekenkurierin, aber vor allem auch Drogenkurierin. Da liegt das Geld. Grotesk, dass ihr Partner der Drogenbeauftragte seiner Partei ist.
Und dann ist da Deniz, der solide Streifenpolizist – Mutter Türkin, Vater Deutscher. Er durchkämt mit seiner kroatisch stämmigen Kollegin den Kreuzberg und trifft auf Vanessa. Diese beiden finden zueinander und trotzdem bleibt Kreuzberg der Star des Romans.
Natürlich gibt es noch weitere Randfiguren, bei denen Leid und Freud in verschiedener Schattierung zu Tage tritt. So wie wir es kennen aus Kreuzberg. Tragik und Euphorie liegen oft nebeneinander und beäugen sich.
Die Sprache ist besonders. Kurze Sätze, aneinandergereiht, rhythmisch und klar. Ich denke auch, dass die Sprache der Ausschlag war den Roman für den Deutschen Buchpreis in 2023 zu nominieren. Dadurch konnte das Buch sicherlich einige Leser mehr für sich gewinnen können als es ohnehin schon hat. Mich hat es zu Beginn ein wenig Zeit gekostet in die Sprache einzutauchen, war es doch nicht so leicht, aber es hat sich gelohnt.
Wichtig zu wissen, der Roman basiert auf einem Hörspiel das Tim Staffel für den RBB geschrieben hat: DOPE.
Was ist das für eine Zeit in der dieser Roman spielt? Da weder Gentrifizierung noch Touristen eine Erwähnung finden und es auch schmutzig und wenig aufgeräumt zugeht in den Bars und Nächten, tippe ich auf die 2000er Jahre.
Fazit: Ein Buch für alle die Bock haben wieder mal in Kreuzberg auf die Pirsch zu gehen und den alten Duft der Straßen vermissen.

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Veröffentlicht am 05.11.2023

La Joconde - weg!

Die Erfindung des Lächelns
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Tom Hillenbrand schaffte es auf eine ganz tolle Art historische Stoffe spannend und mit viel recherchiertem Wissen in einen Roman zu verpacken. Schon beim Kaffeedieb war ich hin und weg und nun Paris bei ...

Tom Hillenbrand schaffte es auf eine ganz tolle Art historische Stoffe spannend und mit viel recherchiertem Wissen in einen Roman zu verpacken. Schon beim Kaffeedieb war ich hin und weg und nun Paris bei der Eröffnung des Louvres!
Es ist das Jahr 1911, der Louvre ist brandneu und eine Sensation. Abner was fehlt: La Joconde – die Mona Lisa des Leonado da Vinci! Was ein Drama. Am 22. August gestohlen aus dem Louvre. Nun wird Kommissar Juhel Lenoir auf den Fall angesetzt und soll das verschwundene Gemälde aufspüren und die Täter dazu. Eine Jagd beginnt!
Neben diesem spannenden Kriminalfall, der sich so ähnlich in der Tat zugetragen hat, denn die meisten Umstände beruhen wohl auf echten Ereignissen bzw. Beschuldigungen, tauchen wir in das wuselige Paris 1911s ab. Eine Stadt im Umbruch, eine sehr atmosphärische Erzählung und fast ist es so als würde man mit Kommissar Juhel Lenoir durch die Künstlerszene in Paris fahnden und auf Debussy treffen. In Grand Hotels zu Untersuchungen gelangen und andernorts die Grenzen sperren.
Ein wirklich fulminant spannender Roman, vor allem für Liebhaber der französischen Hauptstadt! Eine andere historische tolle Perspektive auf die Stadt und ihre quirligen Bewohner. Und nicht abschrecken lassen von knapp 500 Seiten, die rauschen an einem vorbei und es ist schade, wenn der Fall dann zu den Akten gelegt wird!

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Veröffentlicht am 05.11.2023

Ein großes Tier, kein Ungeheuer.

Weil da war etwas im Wasser
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Die Liebe zum Riesenkalmar des Autors Luca Kieser schlägt sich in seinem Roman wieder mit dem er auf der Longliste zum Deutschen Buchpreis 2023 landete. Eine allumfassende Konstruktion, die sich mit der ...

Die Liebe zum Riesenkalmar des Autors Luca Kieser schlägt sich in seinem Roman wieder mit dem er auf der Longliste zum Deutschen Buchpreis 2023 landete. Eine allumfassende Konstruktion, die sich mit der Frage beschäftig wie man über ein Wesen erzählt, dass uns als Mensch ferner nicht sein könnte. Er nimmt die tierische Perspektive ein ohne die eigenen Ängste zu projizieren. Gar dekonstruier er solche, wie sie durch den weißen Hai bekannt sind.
Er schreibt über die Andersartigkeit des Tintenfischs. Die Geschichte wird erzählt von einer Riesenkalmarin, aber nicht aus der Gesamtheitssicht, sondern aus der Sicht jedes einzelnen Armes.
Im Grunde sind wiederum drei Erzählstränge im Roman eingebettet, zum einen gibt es da den Trawler in der Antarkis, dem dieser Riesentintenfisch ins Netz geht. Dann gibt es eine künstlerische Beschäftigung mit dem Kalmar und ein dritter Kontext ist eine Familie im Jahr 1829.
Der junge Autor Luca Kieser, ein studierter Philosoph und Sprachkünstler, nutzt viele literarische Formen wie Tagebuch oder Chronik. Dadurch bekommt der Text auch einen ganz eigenen Sound. Auch das Element der Fußnoten wird Teil des Textes, wenn die Arme sich widersprechen. Ein wirklich neugedachter Text.
Ein abgefahrener toller Roman! Lesenswert in jedem Fall, auch wenn Hintergrundwissen an der einen und anderen Stelle von Vorteil ist.

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Veröffentlicht am 05.11.2023

Die Lindhorsts um die Ecke bei den Buddenbrooks

Unsereins
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Eine Autorin, die schon so einiges an guten Büchern vorgelegt hat, kommt nun mit dieser imposanten Familiengeschichte um die Ecke. Inger-Maria Mahlke schreibt unverwechselbar gut.
Wir tauchen ab nach Lübeck ...

Eine Autorin, die schon so einiges an guten Büchern vorgelegt hat, kommt nun mit dieser imposanten Familiengeschichte um die Ecke. Inger-Maria Mahlke schreibt unverwechselbar gut.
Wir tauchen ab nach Lübeck um die Jahrhundertwende. Und ja, da klingelt doch was! Da gibt es schon ein Epos, dem wir alle schon begegnet sind. Thomas Manns Buddenbrooks. Wie ein Roman aus einem anderen Blickwinkel erzählt Inger-Maria Mahlke über die gleiche Zeit in der gleichen Stadt, Lübeck, nimmt aber eine andere fiktive Familie ins Rampenlicht: die bürgerliche Familie Lindhorsts. Stets kaisertreu und bis ins Mark konservativ.
Es ist ein Familienroman über Generationen hinweg mit all ihren Vorteilen im Patrizierhaus und auch all ihren Nachteilen für die weiblichen Mitglieder des Clans. Und genau hier liegt der Fokus des Romans: auf der weiblichen Seite. Seine es Dienstmädchen oder Marthe, die Tochter des Hauses, oder andere weibliche Figuren. Es geht auch um den Vater, Friedrich Lindhorst, der wie ein Tyrann die Familie führt, arbeitet als Anwalt; war außerdem Vorsitzender des Bürgerausschusses im Lübecker Stadtrat und kandidierte für einen Sitz im Berliner Reichstag. Die Mutter, Marie Lindhorst, ist psychisch krank. Heute würde man von einer bipolaren Störung und Depressionen sprechen. Sie ist das Rückgrat des Haushaltes und macht ihren Job bis zum Erbrechen. Was muss das muss. Für die Zukunft werden die sechs Söhne herangezogen, was sie selbst können oder wollen, ist den Eltern egal. Die Mädchen werden ohnehin nicht beachtet.
Mir hat die Szenerie wie sie Inger-Maria Mahlke beschreibt, gefallen. Wie die damaligen Umstände waren und wie in bürgerlichen Schichten gelebt und auch gedacht wurde. Auch die Gemengelage zwischen Lübeck und Hamburg wird trefflich aufgegriffen. Mir scheint der Roman basiert auf fundierten Recherchen, wirken die einzelnen ausgeleuchteten Momente, die wir hier erleben sehr real und nachvollziehbar, auch wenn sie unserem heutigen gesellschaftlichen Verständnis von einem Miteinander widersprechen.
Ein guter Roman, wobei es keine klassische erzählte Geschichte ist, eher eine Ausleuchtung von gesellschaftlichen Dynamiken und einer standesgemäßen Lübecker Familie um 1900 im Mittelpunkt.

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Veröffentlicht am 05.11.2023

Solarpunk im Jugendbuch

Solartopia – Am Anfang der Welt
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Solartopia ist der der erste Band eines neuen Jugendbuch-Zweiteilers von Victoria Hume. Mit diesem ersten Band hat sich die Debütantin sofort in die Herzen der jugendlichen Leser geschrieben und wurde ...

Solartopia ist der der erste Band eines neuen Jugendbuch-Zweiteilers von Victoria Hume. Mit diesem ersten Band hat sich die Debütantin sofort in die Herzen der jugendlichen Leser geschrieben und wurde 2022 von ‚The Society of Children's Book Writers and Illustrators‘ ausgezeichnet als eine unentdeckte Stimme. Also als Underdog gleich hochhinaus!
Besonders an diesem zukunftsorientierten Jugendroman ist der positive Spin. Keine Dystopie wie wir sie kennen sondern mit nachhaltiger Zukunftsvision (solar) kombiniert mit radikalem ökologischen und gesellschaftlichem Umbruch (Punk). Was momentan als Solarpunk bezeichnet wird.
Die 16jährige Nova ist die Protagonistin des Romans und lebt in einem Hochhaus in Turris. Hier hoch oben geht es ihnen gut, da die Luft noch gut ist und er giftige Smog unten bleibt. Bis eines Tages auch der Dachgarten beginnt abzusterben und die unabhängige Lebensform im Hochhaus nicht mehr möglich ist.
Nova und Finn, ihr bester Freund, machen auch auf den Weg und verlassen Turris um nach Solartopia zu gelangen. Mit dieser Reise und er anderen Welt, die sie in Solartopia entdeckt, öffnen sich ihr die Augen und viele bisher geglaubten Wahrheiten sind nichtig. Im Lauf der Geschichte stößt noch ein Pilot (Jett) zu ihnen dazu und das Dreiergespann hat eine gute Dynamik.
Natürlich endet der Roman mit einem Cliffhanger und ich hätte mir gewünscht, dass sofort Band 2 zur Hand wäre, aber da müssen wir uns alle noch ein wenig gedulden.
Insgesamt ein tolles Buch, super geschrieben, flüssig zu lesen. Wirklich gelungen und für Jugendliche wie Erwachsene eine unterhaltsame Lektüre.

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