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Nilchen

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.02.2023

Ein norwegischer Bestseller

Als Großmutter im Regen tanzte
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Wenn ein Buch wochenlang auf der norwegischen Bestsellerliste steht, dann muss ich da auch mal die Nase reinstecken und es hat sich gelohnt! Eine wirklich gelungene Geschichte hat uns Trude Teige mit ‚Als ...

Wenn ein Buch wochenlang auf der norwegischen Bestsellerliste steht, dann muss ich da auch mal die Nase reinstecken und es hat sich gelohnt! Eine wirklich gelungene Geschichte hat uns Trude Teige mit ‚Als Großmutter im Regen tanzte!‘ beschert.
Ich finde es wahnsinnig spannend nicht immer nur aus deutscher Perspektive die Vergangenheitsbewältigung des zweiten Weltkrieges in fiktiver Verarbeitung zu lesen sondern auch einmal aus einem anderen Blickwinkel. Und den bekommen wir hier mit Juni und ihrer verstorbenen Großmutter.
Juni flieht vor der Gewalt ihres Ehemannes in das geerbte Haus ihrer Großmutter Tekla nachdem ihre Mutter Lilla auch verstarb. Dort beginnt sie in den alten Unterlagen und Fotos zu kramen und entdeckt ein für sie unbekanntes Kapitel ihrer Familiengeschichte. Denn Oma Tekla war im zweiten Weltkrieg in einen Besatzungssoldaten Otto verliebt. Dem folgte sie sogar nach Deutschland und fand sich im Nachkriegsdeutschland wieder. Juni begibt sich auf Spurensuche und wir als Leser:innen kommen mit. Bis nach Demmin und dem Massensuizid folgen wir.
Der Roman ist aus meiner Sicht extrem gut recherchiert und wunderbar geschrieben. Dieses Thema der Norwegerinnen, die mit deutschen Besatzungssoldaten in Liebensbeziehungen steckten war mir nie so bekannt, aber klar. Wo Menschen aufeinandertreffen, spielt der Pass keine Rolle mehr. Es wird aufgearbeitet wie Traumata und Wunden über Generationen auch die Enkel noch belasten und wie ein Schmerz so lange im Familienverbund anhält.
Was als lockerer Titel daher kommt, ist eine tiefergreifende gute Geschichte. Ich mochte das Buch!

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Veröffentlicht am 26.02.2023

Liebe und Verlust

Lichte Tage
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‚Lichte Tage‘ ist ein Roman, der uns die Themen Liebe und Verlust fest verzahnt in den Fokus bringen lässt. Nicht nur den Verlust einzelner Personen um die getrauert wird, auch um Lebensentscheidungen, ...

‚Lichte Tage‘ ist ein Roman, der uns die Themen Liebe und Verlust fest verzahnt in den Fokus bringen lässt. Nicht nur den Verlust einzelner Personen um die getrauert wird, auch um Lebensentscheidungen, die einen anderen Weg hätte entstehen lassen. Der Verlust von verpassten Chancen. Sehr empathisch beschreibt die Autorin Sarah Winman in ihrem dritten Roman, der im Original den Titel ‚Tin Man‘ trägt, die drei Protagonisten. Zum einen ist das Ellis, ein Schlosser, der durch den frühen Tod der Mutter nicht den Traum des Künstlers leben konnte und in Oxford blieb. Dann seine Frau Annie und sein bester Freund Michael. Alle stehen in einem besonderen Verhältnis zueinander, dass Sarah Winman gekonnt beleuchtet.
Ich bin sehr angetan von ihrer Schreibkunst und wie sie das Thema Erinnerungen und Aufarbeitung der Vergangenheit hier als zentrales Thema bearbeitet.

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Veröffentlicht am 26.02.2023

Eine gelungene Auszeit oder ein tödliches Unterfangen?

In blaukalter Tiefe
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Kristina Hauff hat sich dem Meer und den Naturgewalten in diesem Roman genauso gewidmet wie den Gewalten, die in uns Menschen toben und brodeln. Es geht um einen Segeltörn, den der Rechtsanwalt Andreas ...

Kristina Hauff hat sich dem Meer und den Naturgewalten in diesem Roman genauso gewidmet wie den Gewalten, die in uns Menschen toben und brodeln. Es geht um einen Segeltörn, den der Rechtsanwalt Andreas und seine Frau Carolin initiieren. Eingeladen ist Daniel, der ein junger Sozi, den Andreas zu seinem Nachfolger aufbauen, mit seiner Freundin Tanja. Der fünfte im Bunde ist der undurchsichtige Eric, der Skipper des Bootes. Eine traumhafte Landschaft in den Schärengärten vor Schwedens Küste bildet die Szenerie. So idyllisch wie es sein kann, so aufbrausend kann die Natur hier zurückschlagen. Und genau so kommt es, innerlich wie äußerlich kommt es auf dem Boot zum äußersten. Andreas testet Daniel auf seine Stressresilienz, Carolin macht sich an Eric heran, da es in der Ehe kriselt. Und dann wird es auch noch lebensbedrohlich, weil ein Sturm aufzieht. Verheerend.
Grandios hat Kristina Hauff hier in ‚In blaukalter Tiefe‘ einen bühnenreifen Roman geschrieben. Die Enge auf dem Boot ist Fluch und Segen zugleich, die Natur tut ihr übriges. Der Text zieht einen hinein wie das Wasser zu Boden, das sogartige des Romans ist gelungen. Die Autorin beschreibt ihre Crew auch so spannend mit ihren Dynamiken innerhalb der Gruppe, da kommen Beziehungen und deren Abgründe zu Tage.
Spannend auch zu erfahren, dass die Autorin nicht gerne alleine ist beim Schreiben und so gerne in die Staatsbibliothek fährt um dort ihre Texte unter lernenden Studenten zu schreiben.
Eine absolute Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 20.02.2023

Die zähnefletschende Gegenwart

Serious Shit
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Dieses 100seitige Essay von Marlene Knobloch beschreibt den Wandel einer geistigen Haltung der heutigen 30jährigen, denn „Schleichend klopft das Weltgeschehen an unser Bewusstsein“ (S 39).
Eine Generation, ...

Dieses 100seitige Essay von Marlene Knobloch beschreibt den Wandel einer geistigen Haltung der heutigen 30jährigen, denn „Schleichend klopft das Weltgeschehen an unser Bewusstsein“ (S 39).
Eine Generation, die in einer heilen Welt aufwuchst, keine großen geschichtlichen Ereignisse erlebte, ist nun mit der Realität vor ihrer Haustür konfrontiert. Aber nein, das Weltgeschehen war auch nicht so leicht und unbeschwert wie viele es in Mitteleuropa wahrgenommen haben, es hat sie nur leider nicht erreicht vor lautem Hyperindividualismus.

“Beziehungen haben an Bedeutung verloren. Und ich glaube, damit auch unsere Beziehung zum Weltgeschehen. Beides gehört zusammen: die Herz- und die Welteinsamkeit.” (S 42)

Marlene Knobloch schreibt eindringlich und überzeugend gut. Mir gefällt mir Schreibstil ungemein. Eine hohe journalistische Qualität die zugleich aber Raum für literarische Sätze lässt.

Sie komprimiert in diesem doch recht kurzen Text was die jungen Menschen umtreibt, was sie antreibt und was sie von den Generationen vor ihnen unterscheidet.

„Die meisten glauben, dass es der eigenen Generation schlechter gehen wird als der der Eltern. Die Zukunft ist für uns kein Versprechen, sondern eine Zumutung.“ (S. 14)

Fazit: Mich hat dieses Essay ungemein bereichert, bin ich doch um einiges älter und konnte nun dieses Gefühl einer jungen Generation reflektiert in mein Bewusstsein laden.

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Veröffentlicht am 19.02.2023

Ein Augenblick und was er langfristig zerstört

Macht
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Heidi Furre nimmt in ihrem Roman „Macht“ eine Vergewaltigung in den Mittelpunkt. Aber nicht der Akt selbst wird thematisiert, sondern die Spätfolgen, wie ergeht es einer Frau, die lange lange nach der ...

Heidi Furre nimmt in ihrem Roman „Macht“ eine Vergewaltigung in den Mittelpunkt. Aber nicht der Akt selbst wird thematisiert, sondern die Spätfolgen, wie ergeht es einer Frau, die lange lange nach der Tat scheinbar ein normales und glückliches Leben führt? Welche Momente sind schlimm und wo ist das aufgebaute Trauma noch spürbar.
Mir hat das Buch sehr zugesetzt, auch wenn ich nicht annähernd solche Erfahrungen gemacht habe. Eine Lektüre, die einen zwar um eine fiktive Erfahrung reicher macht, aber mit einem unguten Gefühl im Bauch zurücklässt, denn es gibt viele solche Frauen wie die Protagonistin.
Daher sehr gut, dass die Autorin Heidi Furre sich dem Thema fiktiv stellt und es in aller unserer Mitten holt. Das Totschweigen und Verdrängen müssen ein Ende haben und auch das Freisprechen der Täter. Daher ein hartes, aber wichtiges Buch!

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