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Nilchen

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.12.2020

Montreal – Schaurige Weihnachtzeit.

Aus dem Schatten des Vergessens
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Mit diesem Thriller können die Feiertage getrost kommen und man muss sich keine Sorgen machen das durch fehlende Verabredungen Langeweile aufkommt! Der franko-kanadische Bestseller von Martin Michaud mit ...

Mit diesem Thriller können die Feiertage getrost kommen und man muss sich keine Sorgen machen das durch fehlende Verabredungen Langeweile aufkommt! Der franko-kanadische Bestseller von Martin Michaud mit dem Titel "Aus dem Schatten des Vergessens“ spielt hauptsächlich in Montreal. Wer die Stadt kennt wird seine Freude haben an den vielen Plätzen, Orten und Straßennamen die vorkommen. Da ich Montreal noch nicht besucht habe, habe ich mir in der Stadt ab und an den Stadtplan angeschaut und auch die Satellitenfunktion genutzt. Hier wäre ein grober Ortsplan mit Schauplätzen in der Klappbroschüre nett gewesen.
Aber zum Inhalt: Mit diesem Reihenauftakt begegnen wir zum ersten Mal Victor Lessard der die Ermittlungen in diesem Fall, ach, in diesen Fällen aufnimmt. Der Sergent-Détective ist ein Mann mittleren Alters mit Ecken und Kanten, auch ein paar Macken, vor allem eitel und mit einer jüngeren traumhaften Freundin gesegnet. Im krassen Gegensatz dazu steht ihm eine immer futternde Partnerin Jacinthe Taillon zur Seite. Ein in der Tat amüsantes Duo, die sich inhaltlich ergänzen und aufeinander zählen können. Die beiden haben nun mehrere Fälle im Auge, die dann natürlich eine Verbindung haben. Da gibt es einen Anwalt der Hals über Kopf verschwindet, eine tote Psychologin und ein Penner der sich vom Hochhaus stürzt und fremde Brieftaschen bei sich trägt….
Nett zu wissen, dass der Thriller kurz vor Weihnachten startet, also genau richtig momentan!
Sprachlich rund ausgearbeitet und der frankophile Einfluss ist deutlich zu merken, da der Thriller aus dem (kanadisch) Französischen übersetzt wurde. An der ein und anderen Stelle zieht es sich für den Moment, ist aber recht schnell auch wieder überwunden.
"Aus dem Schatten des Vergessens“ enthält alle Elemente die ich mir in einem guten Thriller wünsche: Mehrere Tote, Ungereimtheiten, hohes Tempo, Spannung, Brutalität und Einblick in das Privatleben des Hauptermittlers. Fast schon ein wenig zu klassisch, aber darüber kann man Hinweg sehen.

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Veröffentlicht am 19.11.2020

Die Seele Chinas

China, wer bist du?
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Dieses Buch versucht die Seele Chinas zu ergründen auf seine ganz eigene spezielle Art und Weise. Simone Harre reist seit 2015 regelmäßig in das bevölkerungsreichste Land der Erde und wollte wissen was ...

Dieses Buch versucht die Seele Chinas zu ergründen auf seine ganz eigene spezielle Art und Weise. Simone Harre reist seit 2015 regelmäßig in das bevölkerungsreichste Land der Erde und wollte wissen was genau die Chinesen ausmacht und wer sie sind. Das Buch startet mit einer sehr persönlichen Einleitung der Autorin und ebnet den Weg in die einzelnen Geschichten. Simone Harre interviewte (mit zwei verschiedenen Übersetzern) viele interessante Chinesen und verarbeitet diese aber in Fließtexte mit Raum für Interpretation, auch der non-verbalen Kommunikation und zieht das Umfeld mit ein wie auch ihre eigenen Befindlichkeiten. Dadurch entstehen zum einen sehr intensive, persönliche Texte, die sehr respektvolle Portraits Einzelner zeichnet. Was alle Geschichten auszeichnet, dass sie den "Geist der Unterhaltung" transportieren. Man merkt ob das Gespräch holprig war, ob Sympathien vorhanden sind, wie die Stimmung war und das Verständnis lief. Das ist großartig gelungen.
Allerdings treibt Simone Harre schon das zentrales Thema Glück um. Welchen Preis sind die Chinesen gewillt zu zahlen um Wohlstand zu erlangen oder gar Millionäre, ach was Milliardäre zu werden auf Kosten ihrer eigenen Zufriedenheit mit dem Leben? Hier spricht sie immer wieder mit den Einzelnen und bekommt oft die gleichen Antworten nur leicht changierend. Sie ist so oft erstaunt, dass die Chinese ihr Glück für viel Geld gerne links liegen lassen (heute zumindest!).
Erstaunlich fand wie apolitisch das Buch geworden ist. Bei so vielen Begegnungen in einem Land, dass so stark von der politischen Führung abhängt, hätte ich mir solch eine neutrale Berichterstattung kaum vorstellen können. Aber sie schafft es nur die Personen selbst in den Fokus zu rücken.
Es sind zwar einzelne Geschichte, aber aus meiner Sicht in das Buch schon von vorne nach hinten durch kartographiert und es lohnt sich der Anordnung zu folgen. Zumindest streckenweise leitet das eine zum anderen über. Was man aber gut machen kann, ist dieses Buch immer mal wieder zur Hand zu nehmen zwischen anderen Lektüren.
Fazit: Ein Mosaik zusammengesetzt aus einzelnen Portraits, dass uns zeigt wie divers die chinesische Bevölkerung ist. Dieses Buch ist auch ein Schnappschuss der Gegenwart (2015-2019) und eine gute Einstimmung bevor man das Land selbst erkundend (wenn man es wieder darf).

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Veröffentlicht am 16.11.2020

Hokus pokus - wir zaubern mit der Klasse Chaos her?

Wunschbüro Edda - Wunschalarm im Klassenzimmer
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Auch wenn es hier schon um Band 4 geht des „Wunschbüro Edda“, muss der euch ans Herz gelegt werden! Die große Frage zu Beginn – kann man hier mittendrin in der Reihe einsteigen? Ein klares JEIN. Wir kannten ...

Auch wenn es hier schon um Band 4 geht des „Wunschbüro Edda“, muss der euch ans Herz gelegt werden! Die große Frage zu Beginn – kann man hier mittendrin in der Reihe einsteigen? Ein klares JEIN. Wir kannten Edda und ihre Freunde bereits aus den ersten Bänden und können daher schlecht sagen wie man hier ohne Vorwissen startet, aber ich persönlich finde es recht eindeutig und man kann gut der Handlung folgen. Spricht, wenn es euch in die Hände fällt: LESEN! Wenn die Entscheidung aussteht, dann startet doch zumindest mit Band 1 in dem das Wunschbüro erklärt wird.
In „Wunschalarm im Klassenzimmer“ geht es wieder munter und kunterbunt weiter wie in den anderen 3 Bänden. Besonders toll an diesem Band der Reihe ist auch die aus meiner Mutter-Brille genderfreie Geschichte. Es kommen alle wild durcheinander vor: laute Mädchen, traurige Jungs, Fußballer, tobende Lehrer und nette Omas. Alles dabei! Charmant ist das Figurenkabinett, weil hier ein ganzer Kiez als Kinderuniversum dient und es heimelich und schön ist! Hätte ich auch gern gehabt! Und dabei ist es so realitätsnahe am Kinderalltag wie nur möglich. Kinder haben im Grundschulalter hier hohes Identifikationspotential, sehr gelungen!
Band 4 handelt von einer Projektwoche in der Schule und letztendlich wird statt langweiliges Töpfern (ja, keine Sorge, auch meine Kinder töpfern und es macht vielen Spaß) eine Zauber-Lern-Woche daraus. Allerdings mit Hindernissen und etwas Kuddelmuddel. Alles drin!
Es ist mit großem Zeilenabstand und großer Schrift gedruckt, wunderbar für alle Kinder, die so ebenen die Erstleserbücher hinter sich gelassen haben! Sprich 2. Klasseniveau zum Selbstlesen. Leichte Sprache und einfache Satzstruktur hilft auch hier. Bebilderung ist gut, hält sich in Grenzen, aber aus meiner Sicht genau richtig.
Kleiner Tipp, wenn das Buch fast zu Ende gelesen ist, sollte man Mandarinen im Haus haben! Jetzt seid ihr gespannt wie ein Flitzebogen, oder?

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Veröffentlicht am 16.11.2020

Horizonterweiternd

Der Koffer der tausend Zauber
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Es gibt leider noch sehr viele Länder, die kein soziales Auffangnetz für Kinder haben, geschweige den Kindern eigene Rechte einräumen wie es die UN Kinderrechtskonvention vorsieht. Viele Kinder, die durch ...

Es gibt leider noch sehr viele Länder, die kein soziales Auffangnetz für Kinder haben, geschweige den Kindern eigene Rechte einräumen wie es die UN Kinderrechtskonvention vorsieht. Viele Kinder, die durch Schwierigkeiten ihrer Eltern in prekäre Situationen rutschen, werden nicht durch den Staat aufgefangen, sondern landen leider oft auf der Straße - alleine. Diesen sehr bittere Zustand, der in vielen Entwicklungsländern die Norm ist, wird in diesem Kinderroman „Der Koffer der tausend Zauber“ aufgegriffen. Aber keine Sorge! Antonia Michaelis hat es sehr kindgerecht in eine spannende Geschichte eingearbeitet und vermengt Spannung mit Horizonterweiterung.
Der Roman spielt auf Madagaskar und spiegelt die eigenen Erfahrungen der Autorin wider, da sie dort länger mit ihrer Familie lebte und sich für Straßenkinder unermüdlich einsetzt. Nicht nur Ortskenntnis, Flora und Fauna werden detailreich beschrieben, es wurde auch Malagasy eingeflochten (Sprache der Malagassen) und machen den Roman aus meiner Sicht besonders authentisch. Es ist im Text immer schnell klar was es bedeutet, sonst gibt es am Ende ein Glossar.
Ohnehin ist das Buch in kurzen verständlichen Sätzen geschrieben und ist textuell leicht zu erfassen. Was am Ende der Grundschulzeit bei der eigenen Lektüre hilfreich ist. Im Gegensatz dazu stehen die vielen handelnden Personen und die diversen Ebenen auf denen hier mitgedacht werden muss. Manches Mal ergibt sich erst nach ein paar Seiten, dass hier ein Traum beschrieben wurde oder es müssen längere inhaltliche Bögen wahrgenommen werden um der Geschichte folgen zu können. Daher erscheint mir die Altersangabe für Selbstleser ab 10 Jahren gut gewählt. Wir haben es unseren Zwillingen, 7 Jahre alt, abends vorgelesen und es somit gemeinsam erlesen und konnten uns auch mit den Kindern über das gelesene austauschen. Auch gibt es Stellen die beim Lesen erst hart erscheinen sich aber dann wieder relativieren (ohne zu viel zu verraten!). Daher zum Selbstlesen ab 9/10 Jahren, zum Vorlesen ab 7/8 Jahren.
Daher eigentlich das unschlagbare Argument warum wir es neben den pädagogisch wertvollen Hinweisen sehr sehr gerne empfehlen: Es ist MEGA spannend!!!! Eines der Bücher wo man böse Blicke der Kinder bekommt, wenn man nach 30 Seiten nicht mehr weiter liest….
Und besonders schön ist auch die Freundschaft der beiden Protagonisten. Der eine reich, der andere arm – das Oberflächliche ist irrelevant und sie sind füreinander da, klar gibt es Streit, aber im Kern verbindet die beiden schnell eine tiefe Zuneigung. Wunderbar erzählt.
Fazit: Dieses Buch war für uns alle in der Familie eine Bereicherung und eine Entdeckung in diesem Jahr.
Wer sich vor, während oder nach der Lektüre noch weiter mit den bedürftigen Kindern auseinandersetzen will, dem leg ich sehr gerne das Hilfsprojekt der Autorin ans Herz: https://www.les-pigeons.net/

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Veröffentlicht am 30.10.2020

Geschichte um Geschichte wird ein Epos erzählt

Der Halbbart
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Es war einmal ein junger Mann namens Eusebius in einer fernen Zeit. Er lebte unweit des Benediktinerklosters Einsiedeln in der Schweiz und erzählte Geschichten.
So könnte man den Roman ‚Der Halbbart‘ ...

Es war einmal ein junger Mann namens Eusebius in einer fernen Zeit. Er lebte unweit des Benediktinerklosters Einsiedeln in der Schweiz und erzählte Geschichten.
So könnte man den Roman ‚Der Halbbart‘ von Charles Lewinsky sehr grob zusammenfassen, der es bis auf die Longliste des deutschen Buchpreises 2020 geschafft hat.
Das Werk von stolzen 677 Seiten, dass gedruckt wie Bibelpapier anmutet, umfasst 83 Kapitel. Man könnte sagen der Roman besteht aus 83 einzelnen Geschichten, die für sich fast alleine existieren könnten, aber als Summe aller Teile zu einem großen Gesamtmeisterwerk verschmelzen.
Sebi, so nennen Eusebius alle aus dem Dorf, ist der Ich-Erzähler des Romans und nimmt uns mit auf eine Reise durch seine Lebenswelt. Er erzählt Geschichte um Geschichte, wo natürlich der titelgebende Halbbart eine tragende Rolle spielt. Aber nicht nur von ihm erfahren wir viel, auch viele andere Personen tauchen auf, da sind die beiden Brüder, die unterschiedlicher nicht sein könnten, es folgen Priester, ein Schmied mit Tochter, das Teufels-Anneli und viele andere. Das Ganze spielt um 1300 und wird auch dialektisch mit Helvetismen durchmengt um ein zeitgetreues Kolorit zu gewinnen. In der Tat schafft Charles Lewinsky mit diesem Roman ein brillantes Werk, in dem er den Zeitgeist durch die erzählten Taten lebendig werden lässt sowie deren damalige Bewertung. Wenn eine Vergewaltigung die Schuld des Opfers ist und der Raub von Kirchenmobiliar als schlimmste aller Greultaten empfunden wird, ist die Moral und die Ehrfurcht eine andere als die heutige.
Charles Lewinsky ist ein großer Erzähler, der es nonchalant schafft uns auf eine fiktive Reise in die Vergangenheit mitzunehmen, die ich fast als echt empfunden habe. Da klappte ich das Buch zu und dachte: Ja, so muss es sich zugetragen haben. Wie der Roman auch endet: „Das war eine sehr schöne Geschichte, Eusebius. Man wird sie bestimmt noch lange erzählen, und irgendwann wird sie die Wahrheit sein.“ (S. 677)
Spannend ist auch die Art der Erzählung, zwar ist Sebi der Haupterzähler, aber im Grunde genommen sind in diesem Roman die Figuren das Beiwerk und die Geschichten der rote Faden.
Lasst euch darauf ein – euer Geist wird es euch danken!

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