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Nilchen

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Veröffentlicht am 26.04.2022

Unbedingt lesen – wegen der Ukraine, wegen den Bienen, wegen des Lebens

Graue Bienen
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„Die Furcht war ein unsichtbares, schwer zu fassendes Ding. Wie ein Virus oder eine Bakterie. Man konnte sie mit der Luft einatmen, zufällig mit Wasser oder Wodka verschlucken oder durch die Ohren einfangen, ...

„Die Furcht war ein unsichtbares, schwer zu fassendes Ding. Wie ein Virus oder eine Bakterie. Man konnte sie mit der Luft einatmen, zufällig mit Wasser oder Wodka verschlucken oder durch die Ohren einfangen, auf jeden Fall konnte man sie mit den Augen sehen, und dann so eindrücklich, dass ihr Spiegelbild sogar dann noch blieb, wenn die Furcht selbst schon verschwunden war.“ (S. 69)
Was liest man in Zeiten des Ukraine Krieges? Diese Frage haben schon einige umgetrieben und beantwortet. Ich habe mir aus den Empfehlungen zunächst Andrej Kurkows ‚Graue Bienen‘ herausgegriffen und bin überwältigt von diesem guten Buch.
Andrej Kurkow ist ein Kind der Sowjetunion, in St. Petersburg geboren, aber seit seiner Kindheit lebt er in Kiew. Er schrieb diesen Roman 2018 auf Russisch, welcher mit viel Liebe von Johanna Marx und Sabine Grebing übersetzt wurde um das Werk für uns zugänglich zu machen.
„Wenn man lange an einem Ort lebt, dann hat man mehr Verwandtschaft auf dem Friedhof als solche, die sich nebenan wohlbefindet.“ (S. 21)
Es geht im Grunde um eine Lebensrealität wie sie ferner nicht sein könnte. Sergej lebt zwischen den Fronten im Donbass. Einer von zwei alten Männern, die das Dorf nicht verließen und ausharren. Einfachste Verhältnisse und ein frisches Ei scheint so unerreichbar wie Waffenstillstand. Sergej hat zwar eine Ex-Frau und Tochter, die schon vor den Kämpfen die Einöde verlassen haben, aber er ist glücklich so lange er bei seinen Bienen ist. Wir begleiten Sergej, denn es dann doch wegzieht, fort um die Bienen zu schützen und selbst wieder aufzuatmen nach 3 Jahren unter Beschuss.
„Das schreckliche Spiel seiner eigenen Vorstellungskraft lies ihn erschaudern.“ (S . 63)
Den Roman macht so viele aus. Zum einen natürlich die Aktualität und die Feinheiten im Blick auf das angespannte Verhältnis von Ukraine zu Russland. Zum anderen ist dieser Roman auch ein grandioses Stück Literatur. Ein sehr gut geschriebener Roman! Und selbst, wenn es diesen Krieg momentan nicht geben würde, auch dann ist es eine Bereicherung Sergej beim Denken zu begleiten und sich an seiner Freude an den einfachsten Dingen zu bereichern. Die Natur in all seiner Pracht wird hier zelebriert und unser doch so einfache menschliche Ursprung enttarnt.
„Er dachte darüber nach, dass auch Bienen und Ameisen ihre Aufpasser hatten, die auf die Ordnung achten und die Familie vor fremden Eindringlingen schützten. Er dachte darüber nach, dass die Menschen gerade von den Bienen lernen könnten, wie man Ordnung aufrechterhielt. Bloß hatten die Bienen dank ihrer Ordnung und Arbeit in ihrem Bienenstöcken den Kommunismus aufgebaut. Die Ameisen hatten einen echten, natürlichen Sozialismus erreicht, weil sie nicht produzieren, sondern nur gelernt hatten, Ordnung und Gleichheit zu wahren. Und die Menschen? Bei ihnen gab es weder Ordnung noch Gleichheit.“ (S. 347)

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Veröffentlicht am 12.04.2022

Beziehungsorientiert den Mittelweg finden

Nicht zu streng, nicht zu eng
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Dies ist mal ein Elternratgeber um die Unsicherheit bei der Erziehung etwas zurück zu drängen. Denn oft reflektieren Eltern sehr wohl wie sie mit Kindern umgehen, aber ziehen so manches Mal ein unsicheres ...

Dies ist mal ein Elternratgeber um die Unsicherheit bei der Erziehung etwas zurück zu drängen. Denn oft reflektieren Eltern sehr wohl wie sie mit Kindern umgehen, aber ziehen so manches Mal ein unsicheres Resümee. Daher kommt Inke Hummels neuster Ratgeber ‚Nicht zu streng, nicht zu eng‘ für diese Eltern genau richtig. Die Zweifler unter den Eltern auf den rechten Weg zu bekommen bzw. einfach verschiedenste Perspektiven aufmachen um zu verstehen.
Was ich so grandios an diesem Buch finde, dass es fast ausschließlich von Beispielen erzählt und dann die verschiedenen Perspektiven und Handlungsalternativen aufzeigt. Inke Hummel schöpft hier aus ihren mannigfaltigen Erfahrungen in ihrer Elternsprechstunde und nimmt wiederkehrende Themen in ihr Buch auf. Es wird ein Thema/Problem skizziert, dann kommen reflektierende Fragen und eine mögliche Lösung und Perspektiven. Im hinteren Teil wo es um „den Schlüssel zur Beziehung“ geht, ist noch mal schön aufgezeigt, natürlich wieder anhand von Praxisbeispielen, was ist denn zu eng und was zu streng ist. Was hilft meinem Kind ein Bedürfnis zu stillen und wann ist es zu wenig. Auch die andere Perspektive fehlt nicht, wann verschwinden meine Kapazitäten als Elternteil und wann ist es völlig in Ordnung viel zu geben.
Ich fand dieses Buch eine Bereicherung, denn Inke Humme gibt Eltern die Chance sich selbst und ihr situatives Verhalten zu reflektieren und somit auch Veränderung anzustoßen. Außerdem entspannt es ungemein doch zu merken, dass das eigene Bauchgefühl beim eigenen Kind doch oft stimmt. Denn was für das eigene Kind eine Wohltat ist, kann für ein anderes nicht passen. Da sind wir alle zum Glück sehr unterschiedlich und die Welt dadurch bunter. ‚One size fits all‘ gibt es einfach nicht.

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Veröffentlicht am 11.04.2022

Funktioniert das Zusammenleben von Wolf und Mensch?

Wo die Wölfe sind
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Wer kann sich an das absolute Highlight in 2020 erinnern? ‚Zugvögel‘ war in diesem Lesejahr unter meinen TOP 5! Nun kam der lang ersehnte neue Roman von Charlotte McConaghy heraus: ‚Wo die Wölfe sind‘. ...

Wer kann sich an das absolute Highlight in 2020 erinnern? ‚Zugvögel‘ war in diesem Lesejahr unter meinen TOP 5! Nun kam der lang ersehnte neue Roman von Charlotte McConaghy heraus: ‚Wo die Wölfe sind‘. Wieder steht die Interaktion von Mensch und Natur im Mittelpunkt.
Es geht um Inti Flynn, eine Wolfsbiologin, die sich anderen Menschen entzieht und ihr Leben den Wölfen widmet. Sie möchte die Tiere in den schottischen Highlands wieder ansiedeln. Sie sieht hier eine Chance, dass Wild wieder in normale Mengen zurückzudrängen. Das dieses Vorhaben nicht bei allen locals auf Gegenliebe trifft ist, war abzusehen. Die Menschen vor sind sehr verunsichert um dieser Idee. Aber als dann noch das Unfassbare passiert, denn ein Farmer wird tot aufgefunden und bekommen natürlich die Wölfe Schuld. Eine Reibung die hier sehr gut inszeniert ist.
Das hier Vorurteile gegeneinander ankämpfen und die Natur viel sanfter ist als wir Menschen so manches mal glauben mögen, stellt Charlotte McConaghy großartig dar. Die Autorin hat sich augenscheinlich viel mit dem Thema Mensch und Wolf und Lebensräume auseinandergesetzt, denn man liest förmlich das Wissen mit. Gut gemacht.
Besonders sticht außerdem eine Eigenschaft der Protagonistin heraus, denn sie hat die Gabe Schmerzen anderer Tiere oder Menschen nachzuspüren: Mirror-Touch-Synästhesie. Ein existierendes Phänomen, dass hier eingearbeitet wurde. Ich kannte es zuvor nicht und bringt die Protagonistin auch an ihre Grenzen.
Fazit: Wieder ein SEHR lesenswertes Buch! Eine Meisterin ihres Fachs.

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Veröffentlicht am 11.04.2022

Man kommt aus dem Staunen nicht mehr raus!

Sea Change - Eindrücke einer bedrohten Schönheit
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In dieses Buch muss man im wahrsten Sinne des Wortes abtauchen! ‚Sea Change – Eindrücke bedrohter Schönheit‘ ist im Grunde die buchliche Ausgabe und Erweiterung der Netflix-Docu „Mein Lehrer, der Krake“. ...

In dieses Buch muss man im wahrsten Sinne des Wortes abtauchen! ‚Sea Change – Eindrücke bedrohter Schönheit‘ ist im Grunde die buchliche Ausgabe und Erweiterung der Netflix-Docu „Mein Lehrer, der Krake“. Es erzählt die Geschichte weiter und darüber hinaus weit mehr!
Ein dicker Wälzer ist dieses Buch, sieht eher aus wie eines dieser Coffeetable books, dass man selten aufschlägt, aber weit gefehlt. Ist es ein Bildband? Nein, nicht nur! Die Bilder die hier abgedruckt sind, beeindrucken ungemein und bilden natürlich die Attraktion dieses Werks. Immer wieder kann man sich diese Unterwasserwelt anschauen. Super sind auch die detaillierten Beschreibungen wie die Bilder entstanden sind. Denn alle Bilder sind auf Tauchgängen von Craig Foster und Ross Frylinck entstanden. Uns hat das gefallen.
Dieses Buch ist im übrigen nicht nur für Erwachsene geeignet, ganz im Gegenteil. Ab dem Grundschulalter können Kinder auch diesem vielfältigen Buch viel abgewinnen! Ist es doch genau das Alter wo man gerne Tiere ergründet und einen Forscherdrang entwickelt.
Was wiederum eher Erwachsene und Ältere anspricht ist der Test zwischen den prächtigen und beeindruckenden Bildern den uns Craig Foster erzählt. Es ist seine Geschichte, die seiner ausgebrannten Zeit, der Depression, seiner Projekte und wie er damit mal erfolgreicher und mal weniger erfolgreich ist. Sehr lesenswert, auch wenn das dicke hochwertig produzierte Buch schwer in der Hand liegt.
Fazit: Ein Buch, dass es zu verschenken lohnt. Hier werden Lesemuffel glücklich, denn die Bilder stehen eindeutig im Vordergrund!

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Veröffentlicht am 10.04.2022

So viel mehr als „nur ein Pferdebuch“

Manchmal muss man Pferde stehlen
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Wir lesen alles was die Autorin Antonia Michaelis vorlegt, denn sie hat ein unvergleichlich gutes Gefühl dramatische Geschehnisse in kindgerechte Worte zu packen. Wie auch hier wieder bewiesen mit ‚Manchmal ...

Wir lesen alles was die Autorin Antonia Michaelis vorlegt, denn sie hat ein unvergleichlich gutes Gefühl dramatische Geschehnisse in kindgerechte Worte zu packen. Wie auch hier wieder bewiesen mit ‚Manchmal muss man Pferde stehlen‘.
Es geht um zwei Kinder, die unterschiedlicher nicht sein könnten und sich doch so nahe sind: Anna und Tariq. Sie beiden gehen zusammen zur Schule und sind durch verschiedene Ereignisse traumatisiert. Anna verlor ihre Mutter und verstummte. Tariq flog aus Afghanistan mit seinem älteren Bruder von dem er nun getrennt in einem Heim lebt. Er wird auch leider durch seine Ohnmacht gewalttätig. Tariq will nun zu seinem Bruder und Anna und die Pferde Wackelpo und Apfelmütze helfen hier!
Wer anhand des Covers glaubt es ist ein klassisches Pferdebuch, tut dem Buch unrecht. Denn es steckt so viel mehr drin als Liebe zum Tier. Hier wird gelitten und Traumata erklärt und eine zarte Freundschaft entspinnt sich. Aus meiner Sicht ein schönes Kinderbuch, das nicht trivial ist, schön geschrieben und uns die Welt ein wenig menschlicher macht.
Der Verlag gibt das Lesealter mit 10 Jahren an. Das passt zum Selbstlesen sehr gut, denn es ist mit 284 Seiten recht umfangreich, auch wenn es teilweise schön illustriert ist von Simona M. Ceccarelli, schon ein umfangreicheres Buch mit Inhalt der auch verdaut werden will.

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