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Nilchen

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.09.2021

Ist Empathie erlernbar?

Barbara stirbt nicht
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Ich MUSS einfach alles lesen was die gute Frau Bronsky zu Papier bringt, denn sie schreibt einfach super gut. Auch ist sie eine überzeugende tolle Frau auf der Lesebühne, dürfte ich sie mit ihrem letzten ...

Ich MUSS einfach alles lesen was die gute Frau Bronsky zu Papier bringt, denn sie schreibt einfach super gut. Auch ist sie eine überzeugende tolle Frau auf der Lesebühne, dürfte ich sie mit ihrem letzten Roman „Der Zopf meiner Großmutter“ im Literaturhaus Frankfurt erleben.
Nun wieder ein neuer schmaler Band aus ihrer Hand: ‚Barbara stirbt nicht‘! Walter Schmidt ist ein alter Mann alter Schule. Er kann im Haushalt rein gar nichts! Weiß weder wie man kocht, noch Wäsche wäscht noch sonst irgendwas was ihn am Leben erhalten könnte. Brauch er ja auch nicht, denn er hat ja sein Rundum-Sorglos-Paket: seine Ehefrau Barbara! Aber die stürzt im Bad und Walter muss sich kümmern – oh schreck! Herrlich wie er sich durchwurtschtelt, dazulernt und eine neue Seite an sich und seiner Familie entdeckt.
Alina Bronsky entwirft ein Portrait einer ausgestorbenen Gattung: die sich unfähiger und wenig mitfühlender Ehemann schimpfte. Aber ich glaube auch, dass es noch vereinzelte Exemplare in den höchsten Altersrängen gibt! Obacht, erkennt hier jemand seinen Vater oder Großvater? Keine Sorge es ist respektvoll, aber mit einer ordentlichen Portion Sarkasmus und Seitenhiebe.
Was die Geschichte so lesenswert macht ist Alina Bronskys bissiger Schreibstil, der so klasse pointiert ist. Das ist aus meiner Sicht ein klares Alleinstellungsmerkmal ihrer Romane! Sie greift Themen auf, präsentiert sie uns mit dem Schalk im Nacken, aber trotz aller Lacher ist meinst doch eine bittere Wahrheit erkannt. Man merkt, sie liebt das Schreiben und die Menschen und kombiniert es gekonnt.
Was soll ich sage – lieber das tolle Buch lesen als zu viele Rezensionen! ;0)

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Veröffentlicht am 05.09.2021

Der Kornkreis als Rettung zweier Männer

Der perfekte Kreis
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Unterschiedlicher könnten sie nicht sein diese beiden Männer, die hier in ‚Der perfekte Kreis‘ im Mittelpunkt stehen. Der eine Redbone, lebt polyamorös und ist gerne mal zugedröhnt und der andere, Calvert, ...


Unterschiedlicher könnten sie nicht sein diese beiden Männer, die hier in ‚Der perfekte Kreis‘ im Mittelpunkt stehen. Der eine Redbone, lebt polyamorös und ist gerne mal zugedröhnt und der andere, Calvert, ein Kriegsveteran, ist ruhig und in sich gekehrt, weil er den Krieg noch nicht verarbeitet hat.
Redbone und Calvert, diese beiden sehr unterschiedlichen Charaktere kommen sich über ihr Projekt des perfekten Kornkreises näher und verbindet eine tiefe Freundschaft mit Auseinandersetzungen und Zugeständnissen und vor allem durch gegenseitige Akzeptanz so wie sie sind. Aus meiner Sicht der Kern des Romans: Die Schilderung einer puren Freundschaft.
Südengland, 1989. Diese beiden kreieren zusammen diese phänomenalen Kornkreise, also Redbone erdenkt die künstlerischen Formen und Calvert sucht die richtige Location dazu. Und wir sind dabei wie sie Nacht um Nacht sich der Gestaltung widmen.
Neben der Freundschaft wird der Wert der uns ernährenden Erde ins Rampenlicht gestellt und das ein sorgfältiger Umgang mit ihr das richtige wäre.
Stark macht das Buch der tolle narrative Erzählstil von Benjamin Myers. Wenig Handlung, viel philosophische Tiefe und Betrachtungen machen das dünne Buch sehr reichhaltig. In mir wirkt es nach. Eines der wenigen Bücher, die ich eventuell erneut lesen werde – und in diese Liga schaffen es nur sehr ausgewählte Titel!
Sollte ‚Der perfekte Kreis‘ in eurer Buchhandlung zunächst vergriffen sein, dann nehmt seinen Roman ‚Offene See‘ mit, auch herausragend und mit dem Preis des Lieblingsbuch des Jahres der unabhängigen Buchhändler ausgezeichnet!

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Veröffentlicht am 05.09.2021

Eine tiefe Freundschaft

Der Mauersegler
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Nachdem Jasmin Schreiber mit ihrem Debüt ‚Mariannengraben‘ brillierte und alle Welt begeistert war – ich kenne es noch nicht – wollte ich unbedingt ihr neustes Werk lesen: Der Mauersegler.
Von Hause ist ...

Nachdem Jasmin Schreiber mit ihrem Debüt ‚Mariannengraben‘ brillierte und alle Welt begeistert war – ich kenne es noch nicht – wollte ich unbedingt ihr neustes Werk lesen: Der Mauersegler.
Von Hause ist die Autorin Biologin und somit schon vertraut mit dem Sezieren von Vorgängen, schleichende und dramatische und setzt diese wieder grandios ins Verhältnis zur Welt.
Prometheus ist Arzt und war felsenfest davon überzeugt seinen Freund Jakob retten zu können. Höhenflüge nahezu hatte er und dann kam der Tod und Prometheus war am Boden zerstört. Wir Leser:innen begleiten ihn als er rock bottom -unten aufschlägt und sich in Dänemark wiederfindet. Dort trifft er auf Menschen, die ihn einfach aufnehmen, selbst Geheimnisse hüten und ihm eine Zuflucht bieten. Es geht hier zwar um den Protagonisten Prometheus und seine Trauerbewältigung, aber im Vordergrund steht für mich ganz klar als großer thematischer Bogen die Freundschaft.
Jasmin Schreiber hat einen sehr ergreifenden Schreibstil ohne Kitsch und ohne zu schwer zu werden. Sie geht das Thema Tod an und das in Kombination mit Freundschaft. Explosiv und sie spinnt eine Geschichte, die uns emotional berührt, erdet und wieder Wesentliches in den Mittelpunkt rückt.
Selten schenke ich einem Buch selbst, also dem Gedruckten ein Kommentar, aber hier ist es mir dieses wert. Vom Mehrwert des haptischen Buches mal abgesehen ist hier erst der Schutzumschlag raffiniert über den Buchschnitt gefaltet und darunter (ja, ich mache den Schutzumschlag immer ab beim Lesen) kommt ein noch schöneres Buch zum Vorschein, dass sogar eine Vogelprägung hat. Sehr gelungen.
Lesenswert ohne aber. Einfach zugreifen und trotz Tod und Leid eintauchen und gestärkt wieder auftauchen in die Lüfte mit dem Mauersegler und den eigenen Freunden.

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Veröffentlicht am 04.09.2021

Familiäre Dynamik in Szene gesetzt

Der Brand
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„..und Rahel denkt, dass besonders in einer Ehe die Summe des Nichtgesagten die Summe des Gesagten bei weitem übertrifft.“ (S. 71)
‚Der Brand‘ von Daniela Krien ist ein schmales Buch mit viel Tiefgang. ...

„..und Rahel denkt, dass besonders in einer Ehe die Summe des Nichtgesagten die Summe des Gesagten bei weitem übertrifft.“ (S. 71)
‚Der Brand‘ von Daniela Krien ist ein schmales Buch mit viel Tiefgang. Ich glaube, dass dieses Buch viele viele Liebhaber finden wird und bei anderen auf absolutes Unverständnis treffen wird. Ein Roman auf dem ich gefühlt auf jeder Seite einen tollen zitierbaren Satz fand.
„Was sprachlich nicht geformt werden kann, wird ganz sicher nicht gelöst.“ (S. 57)
Es geht um ein Ehepaar um die 50 aus Dresden, Rahel und Peter, die eigentlich ein Ferienhaus in den bayrischen Bergen bebucht hatten in einem Coronasommer. Doch dann brennt es ab und die Pläne ändern sich. Es geht auf einen Hof sehr guter älterer Freunde, denn Viktor hatte einen Schlaganfall und seine Frau begleitet ihn zur Reha an die Ostseeküste. Der Hof mit ein paar Tieren, Gnadenbrot-Pferd, Storch mit gebrochenem Flügen und mehr muss versorgt werden. Rahel und Peter springen ein.
„Doch zwischen Wissen und Tun steht eine Hürde, und nicht immer hat sie die Kraft, sie zu überwinden.“ (S. 142)
Und nun die idyllische Landschaft mit dem herrlichen Hof verbindet sich mit der bröckelnden Ehe im ewigen Schweigen – eine Zerrissenheit die im krassen Gegensatz zur Außenwelt steht. Das Nichtgesagte dominiert und die Stimmung droht zu kippen.
„Je mehr die Toleranz beschworen wurde, umso stärker nahm sie ab.“ (S. 183)

Aber keine Sorge, dieser Roman ist mehr als eine Ehekrise! Es geht auch um die gesamtfamiliäre Dynamik mit den Kindern. Ehrlich und treffen auf den Punkt ohne Schwafel.

„Als wäre das Leben eine schwere Bürde. Denn wer alles bekommt und nichts daraus macht, darf nicht mit Verständnis rechnen.“ (S. 152)
Daniel Krien schreibt großartig und ich fand schon ihre vorherigen Bücher absolut genial. Wer sie noch nicht für sich entdeckt hat, sollte sich dieses Buch auf den Nachttisch legen: Es lohnt sich!

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Veröffentlicht am 04.09.2021

DDR Nachwehen – eine Aufarbeitung

Die Verlassenen -
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Dieser schmale Band bring mich ins Schwärmen, denn Matthias Jügler hat einen richtig guten Roman geschrieben. „Die Verlassenen“ ist zwar kein sonderlich einladender Titel und das Sujet der DDR-Aufarbeitung ...

Dieser schmale Band bring mich ins Schwärmen, denn Matthias Jügler hat einen richtig guten Roman geschrieben. „Die Verlassenen“ ist zwar kein sonderlich einladender Titel und das Sujet der DDR-Aufarbeitung auch nicht innovativ, aber es ist sehr gut umgesetzt und das auf knapp 170 Seiten.
Ein Mosaik, dass sich so nach und nach zusammensetzt zu einem großen Bild. Der Protagonist des Romans ist Johannes, der zu DDR Zeiten groß wird in Halle an der Saale, ungefähr 1994 mit 13 Jahren wird er bei seiner Oma vom Vater zurückgelassen, wo er doch wohl schon mit 5 Jahren seine Mutter verlor. Als Erwachsener fängt er erst an sich Gedanken zu machen und stößt auf Unerhörtes! Natürlich hatte die Stasi ihre Finger im Spiel.
Dies ist eine literarisierte wahre Geschichte, aber nicht die des Autors, sondern einer anderen Familie, die zu DDR-Zeiten von der Stasi überwacht wurden. Matthias Jügler dürfte sie für seinen Roman verwenden und hat es toll umgesetzt. Dieser wahre Hintergrund macht diesen Roman noch erschütternder. Wobei auch noch mal gesagt werden muss, dass die Stasi-Dokumente im Buch auch reine Fiktion sind.
Großartig ist wie der Ich-Erzähler Johannes modellierte. Zunächst ein zurückhaltendes Kind, was wenig hinterfragt und still ist. Dann die Entwicklungskurve mit der Neugier über die eigene Vergangenheit. Sprachlich wird auch viel vom Autor zwischen den Zeilen transportiert. Vieles bleibt ungesagt und dieses großes Schweigen der Beteiligten wird deutlich. Matthias Jügler hat diese erdrückende Stimmung, die wie eine Glocke über dem Text hängt aus meiner Sicht sehr gut beschrieben.
Eine absolute Leseempfehlung!

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