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Nilchen

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Veröffentlicht am 20.10.2021

Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft

Wenn ich wiederkomme
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Es gibt diese gegensätzlichen Ausrichtungen, die sich scheinbar gut ergänzen, aber Lücken aufreißen um welche zu schließen. Die einen haben Zeit und Kraft zum Anpacken bei den Alten und Kleinen, aber kein ...

Es gibt diese gegensätzlichen Ausrichtungen, die sich scheinbar gut ergänzen, aber Lücken aufreißen um welche zu schließen. Die einen haben Zeit und Kraft zum Anpacken bei den Alten und Kleinen, aber kein Geld. Und die anderen haben das Geld, aber keine Zeit zum Betreuen und Kümmern.
Auch hier in „Wenn ich wiederkomme“ geht es um Daniela, die aus Rumänien kommt mit vielen Hoffnungen im Gepäck nach Italien aufbricht um Geld zu verdienen. Sie hinterlässt mit gutem Zureden ihr eigenes Leben, der Mann und die beiden Kinder, für eine Weile und wird schmerzlich vermisst, vor allem von ihrem Sohn Manu. Aus dessen Perspektive wir die Geschichte zuerst geschildert bekommen. Er klagt an und durch die Unwissenheit glaubt er seine Mutter führt ein tolles Leben ohne sie in der Ferne Italiens. Aber das ist mit Nichten so, sie rackert und arbeitet 24h am Tag als Altenpflegerin. Wird förmlich ausgebeutet. Und für was? Das die Großeltern die Kinder erziehen und die Kernfamilie sich immer fremder wird. Die Heimat irgendwann keine mehr ist?
Marco Balzano beschreibt dieses Einzelschicksal grandios und richtet das Augenmerk so auf die Herr scharren von Osteuropäerinnen ohne die Mitteleuropa schon lange im Pflegechaos versunken wäre. Er kombiniert diese strukturelle Misere literarisch gekonnt mit einer spannenden und gut erzählten Geschichte. Wirklich lesenswert und macht nachdenklich, was wir für unsere Gesellschaft der humanere, der richtige Weg wäre mit dem Thema Pflege umzugehen.

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Veröffentlicht am 16.09.2021

Das Inselleben West-Berlins

Treue Seelen
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Wir schreiben das Jahr 1986. Die Republik ist weiterhin geteilt. In diesem Frühjahr machen sich Achim und seine Frau Barbara auf nach Berlin. Sie nehmen alle Vorteile mit, die man damals bekam, wenn man ...

Wir schreiben das Jahr 1986. Die Republik ist weiterhin geteilt. In diesem Frühjahr machen sich Achim und seine Frau Barbara auf nach Berlin. Sie nehmen alle Vorteile mit, die man damals bekam, wenn man nach West-Berlin zog: Beamtenstatus beim Bundesamt für Materialprüfung, Zulagen von 8% (!) und sie erhoffen sich ein wenig mehr Glamour als in Bonn/Bad Godesberg. Tja, aber dann sollte man vielleicht nicht nach Zehlendorf ziehen und bequem bleiben, sondern eher nach Kreuzberg….nur eines der differenziellen Aspekte des Romans!
Aber keine Sorge, es wird anderweitig spannend, denn da gibt es die aus Ostberlin stammende Marion in der Nachbarschaft, die Achim, dem Protagonisten, den Kopf verdreht und damit auch vieles unerwartete ins Rollen bringt, Achim landet sogar in Hohenschönhausen und über allem hängt die dicke Tschernobylwolke – je nach Osten und Westen anders interpretiert.
Till Raether hat mit ‚Treue Seelen‘ aus meiner Sicht einen sehr gelungenen Roman über das Leben auf der Insel West-Berlin geschrieben und auch den Osten aus der Westbrille beleuchtet (soweit ich das beurteilen kann, bin auch eine West-Berliner Kind). Wie ein Krimiplot im Berlin der 80er Jahre geht er hier mit seinem Protagonisten durch die Straßen.
Eingängig, gut und unterhaltsam geschrieben. Es ist für mich auch ein Roman der Perspektiven, sei es die Innenansicht aus Ostberlin oder Westberlin. Auch Marions Perspektive, die als Teenager aus dem Osten kam und dann wurde just die Mauer gebaut, ist eine andere Perspektive als die des Wessis Achim aus Bonn.
Wiedermal ein deutsch/deutscher Roman, aber er ergänzt vorhandene Lektüren gut und natürlich erfreut es einen das selbst erlebte noch einmal Revue passieren zu sehen, auch wenn es damals aus Kinderaugen war. Ich bin gespannt wie meine Eltern den Roman lesen/erleben werden!
Taugt für die „breite Masse“ und ist zugleich aber doch sehr speziell. Gelungen!

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Veröffentlicht am 10.09.2021

Unbequeme Ansichten auf ein Mutterdasein

Der Verdacht
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Wenn euch die beiden Bücher: ‚We need to talk about Kevin‘ (Wir müssen über Kevin sprechen) von Lionel Shriver und Leila Slimanis ‚Dann schlaf auch du‘ begeistern konnte, dann lasst euch auch auf ‚Der ...

Wenn euch die beiden Bücher: ‚We need to talk about Kevin‘ (Wir müssen über Kevin sprechen) von Lionel Shriver und Leila Slimanis ‚Dann schlaf auch du‘ begeistern konnte, dann lasst euch auch auf ‚Der Verdacht‘ von Ashley Audrain ein! Für mich fallen alle 3 Bücher in eine Kategorie von Büchern, die das Glück Kinder zu haben in ein anderes Licht rückt, wenn es manches Mal weh tun kann und bitter ehrliche Gedanken zutage fördert!
Zunächst eine kleine Familie – Mutter, Vater & Wunschkind. Das ist die Ausgangsbasis. Aber Mutter Blythe ist nach der Geburt ihrer Tochter Violet nicht überflutet mit positiven Glücksgefühlen, nein, sie spürt regelrecht eine Abneigung gegen das Kind. Der Vater Fox wacht mit Argusaugen über den Beiden und ihr Leben nimmt seinen Lauf. Es passiert Jahre später etwas und die Tragödie ist da und es gibt noch viel mehr zu erzählen und das tut Blythe. Sie erzählt Fox retroperspektivisch was passiert ist und arbeitet dabei das ‚Warum‘ auch für sich auf.
Das Buch behandelt diese Tochter-Mutter-Beziehung auf eine brutal ehrliche Weise und leuchtet schamlos aus was Blythe empfindet und wie es im Kontext ihrer Mutter-Tochter-Beziehung steht und den davor liegenden. Wie man unbewusst Dinge von Generation zu Generation voranschleppt und den Nachkommen in die Gefühlswelt kippt.
Großartig geschrieben von Ashley Audrain, die es gut versteht sich in diese Situation hineinzudenken. Ich stelle mir das sehr schwer vor und musste beim Lesen auch ab und an Schlucken. Der Stil ist fast unterkühlt, hart, im Stakkato gehen wir durch die Geschichte, aber es passt.
Erstaunt hat mich als ich nach der Lektüre erfahren habe, dass dies ihr Erstlingswerk ist und freue mich, dass wieder einmal eine neue tolle Autorin das internationale literarische Parkett betreten hat!
Dieses Buch wühlt auf und lässt einen auch Tage später noch sinnieren über so viele Beziehungen, die von außen perfekt wirken, vor allem wenn es um die Eltern und deren selbstverständliche Liebe zu ihren Kindern geht. Aber sollten wir als Gesellschaft nicht auch Ehrlichkeit schätzen und zulassen, dass es auch andere Empfindungen gibt?
Absolut lesenswert – wirkt horizonterweiternd und unterstützt mehr Verständnis zu Gewinnen für das „Warum“ der Anderen.

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Veröffentlicht am 14.08.2021

3 Frauen – 3 Generationen: jede Menge Konflikte

Wildtriebe
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3 Frauen – 3 Generationen: jede Menge Konflikte

Ute Mank ist eine Frau mit Tatendrang und immer noch „die aus der Stadt“, obwohl sie seit über 30 Jahren im Dorf lebt, aber halt eingeheiratet. Genau dieser ...

3 Frauen – 3 Generationen: jede Menge Konflikte

Ute Mank ist eine Frau mit Tatendrang und immer noch „die aus der Stadt“, obwohl sie seit über 30 Jahren im Dorf lebt, aber halt eingeheiratet. Genau dieser Umstand und wie die älteren Dorfbewohner über die Jahre ihre Normen und Ansprüche wie jemand zu sein hat selbstverständlich vor sich her tragen, hat Ute Mank sicher zu ihrem guten Debüt inspiriert. Aber nur eine Spekulation meinerseits.
‚Wildtriebe‘ ist zwar mit einem harmonisch altmodischen Cover versehen, aber darin brodelt es gewaltig und daher passt das Äußere dann doch zum Inhalt. Denn auf dem bäuerlichen Bethches-Hof, auf dem jeder mit anpackt und das selbstverständlich ist um die Last zu teilen, zieht eine Schwiegertochter, Marlies, ein, die das anders sieht. Konrad, der Erbe des Hofes hat sich aus der Sicht seiner Mutter, Lisbeth, mit dieser Frau keinen Gefallen getan. Marlies will sich der Hofordnung nicht unterordnen, nicht nach Lisbeth Regime leben und einen eigenen Beruf außerhalb des bäuerlichen Betriebs ergreifen. Eigene Entscheidungen treffen und selbstbestimmt Leben. Um den Generationenkonflikt komplett zu machen, wird Marlies ungewollt schwanger und das Kind Joanna, die dritte Frau und Generation steht zwischen den Stühlen und ist zugleich das verbindende Element von Mutter und Großmutter. Und hat nochmals andere Ideen sich zu verwirklichen.
Ute Mank schafft es sehr gekonnt mit leiden Tönen die drei Generation mit ihren Konflikten zu zeichnen, die entstehen, wenn Lebensentwürfe aufeinandertreffen, wenn Modernität nicht mit Tradition vereinbar ist und wenn Individualität wichtiger wird als Familie. Gebettet ist das in die geschichtliche Veränderung, denn die drei Generationen wachsen jeweils in anderen Verhältnissen auf, andere Voraussetzung und natürlich auch sehr unterschiedliche Möglichkeiten der Selbstverwirklichung als Frauen. Die kriegserlebende Großmutter, die Mutter im Wirtschaftswunder und das Enkelkind in der Postmodernen.
Mich hat der Roman berührt, erinnert an die eigene bäuerliche Großmutter, tief ergriffen und mich ein wenig sensitiver zurückgelassen, dass die Prägung nicht einfach wegwischbar ist und immer ein Teil der Persönlichkeit bleibt – ob mit oder ohne Einsicht.
Lesenswert – lasst euch nicht vom Cover irritieren! ;0)

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Veröffentlicht am 22.07.2021

Entwicklung zweier Frauen über die Jahrzehnte

Die Geschichte von Kat und Easy
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Mit 15 Jahren liegt einem die Welt zu Füßen und genau das fühlen die beiden Freundinnen Kat und Easy – es war im Jahr 1973. Es werden Zukunftspläne und Absichten geschmiedet - und dann kam Fripp. Etwas ...

Mit 15 Jahren liegt einem die Welt zu Füßen und genau das fühlen die beiden Freundinnen Kat und Easy – es war im Jahr 1973. Es werden Zukunftspläne und Absichten geschmiedet - und dann kam Fripp. Etwas älter als die beiden und anziehend, leider für beide!
Lange lange scheint es her und die beiden begegnen sich nach 50 Jahren auf Kreta wieder. Nun mit über 60 Jahren, beide geschieden und mit viel Erfahrungen und Erlebnissen auf dem Buckel.
Wir nähern uns den beiden auf drei verschiedenen Ebenen. Zum einen wird uns die Vergangenheit ihrer Jugend nähergebracht, dann lauschen wir Kat, die uns als Erzählerin auf Kreta mit einbindet und das dritte Element sind Blogeinträge aus Kats Lebenshilfeblog auf dem Easy unter dem Pseudonym ‚Ich-wills-wissen‘ Fragen an Kat hat.
Die beiden tasten sich auf Kreta aneinander heran. Es gibt viel zu berichte was in den letzten Jahren, Jahrzehnten war oder hätten nicht sein sollen. Und klar, für uns Leser:in steht immer die Frage im Raum was die beiden auseinander getrieben hat. War es Fripp? War es der Zahn der Zeit? Auf die Lösung steuert die/der Leser:in zu Ende des Buches hin, aber es scheint im Verlauf irrelevanter zu werden.
Es geht um die Auseinandersetzung der Beiden, das reflektieren und das Gemeinsame. Da war Easy, die immer Schöne und Kat die Mutige. Wie ist es heute?
„Die Geschichte von Kat und Easy“ hat Susann Pásztor sprachsensibel zu Papier gebracht und großartig macht die Autorin deutlich wie Kommunikation entzweien kann und auch wieder zusammenführt.
Fazit: Ein empathischer Roman, der gut ist, aber aus meiner persönlichen Sicht nicht der beste von Susann Pásztor.

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