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Nilchen

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Veröffentlicht am 02.01.2024

Kiew vor 100 Jahren mit tiefschwarzem Humor

Samson und das gestohlene Herz
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Was für ein Analytiker: Andrej Kurkow! Ich hatte die Gelegenheit während der Buchmesse bei einer Lesung im Rahmen von Open Books zu lauschen. Mich hat bereits der Roman ‚Graue Bienen‘ schon überzeugt und ...

Was für ein Analytiker: Andrej Kurkow! Ich hatte die Gelegenheit während der Buchmesse bei einer Lesung im Rahmen von Open Books zu lauschen. Mich hat bereits der Roman ‚Graue Bienen‘ schon überzeugt und nun wurde ich mächtig gut unterhalten von seiner Reihe um Samson. Bisher sind zwei Bände erschienen.
Für das Wissen um die Figuren ist es ratsam den ersten Band zu lesen: „Samson und Nadjeschda“. Wenn man diesen gelesen hat, wurden man nicht nur bestens unterhalten, sondern kennt auch den Rahmen und wie Samson in seiner Stellung landete verstanden.
Die Reihe spielt (bisher) während des Bürgerkrieges (1918-1921) in dem insgesamt 6 (!) verschiedene Gruppen gegeneinander vorgehen und die rote Armee der Sowjetunion hat, während die Reihe, spielt die Oberhand.
Nun gibt es wieder einen neuen Fall für Samson und seinen Kollegen Cholodnij bei der sowjetischen Polizei. Denn es wurde illegal Fleisch verkauft. Nach dem damaligen allerneusten Gesetzt, dürften die Ukrainer zwar Tiere halten, aber weder das Fleisch noch das Leder verkaufen. Außerdem erhält Samson einen neuen Kollegen, der Tschekist (KGB-Vorgänger) Abjasow, der nun auch seine Lauscher weit aufsperrt.
Kurkow schafft es die Absurditäten der Zeit und die verhängnisvolle Lage der Bevölkerung gut in Szene zu setzen um uns Außenstehenden zu vermitteln was damals los war. Jeder kämpfte ums Überleben. Natürlich lies er es sich nicht nehme auch ein Kuriosum einzubauen. Denn Samson hat sein rechtes abgeschlagenes Ohr in einer Schachtel. Das Ohr kann noch immer was Ohren und Samson nutzt das. Ein wenig Fantastik, aber das passt gut zu den anderen Absurditäten.
Ich habe viel über die Vergangenheit der Ukraine und der Sowjetunion gelernt und es ist fast traurig wie gegenwärtig dieser Machtkampf wirkt. Spannende Fakten sind eingesponnen, die es sich lohnt weiterzuverfolgen wie die Chinesen in der Roten Armee oder das Möbelgesetzt, weswegen jede Familie pro Person nur einen Stuhl hatte und einen weiteren für Gäste.
Ich freue mich schon auf Band 3 der Reihe um dem frisch vermählten Samson wieder zu folgen.

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Veröffentlicht am 02.01.2024

Ein humanistischer Aufruf aus der literarischen Perspektive

Lese gefährlich
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„Leserinnen und Leser der Welt, vereinigt euch!“ (S. 284)
Azar Nafisi ist iranische Literaturprofessorin, die 1981 ein Unterrichtsverbot an der Universität Teheran bekam, weil sie sich weigerten einen ...

„Leserinnen und Leser der Welt, vereinigt euch!“ (S. 284)
Azar Nafisi ist iranische Literaturprofessorin, die 1981 ein Unterrichtsverbot an der Universität Teheran bekam, weil sie sich weigerten einen Schleier zu tragen. Seit 1997 lebt sie in den USA und ist weiterhin eine wichtige und laute Stimme des Widerstandes.
Sie wurde mit ihrem Buch „Lolita lesen in Teheran“ bekannt, in dem sie über ihren Lesekreis in Teheran schrieb in dem verbotenen westlichen Klassiker gelesen wurden. Dieses Buch kenne ich noch nicht. Aber diese Frau machte mich neugierig. Daher griff ich zu „Lese gefährlich“ in dem sie ihrem Baba, ihrem verstorbenen Vater Briefe schreibt über Romane, die er nicht mehr lesen konnte und stellt diese in den Kontext der aktuellen politischen Situation Ein kluger Kniff, macht sie damit schon auf das aufmerksam was Literatur besonders gut kann: Gedanklich eine grüne Wiese zu haben ohne in vorgegebenen Schubladen zu stecken und der Fantasie freien lauf lassen. In der Literatur ist selbst der Tod eine veränderbare Variable. Und das ist die subversive Kraft auf die im Untertitel angespielt wird. Das lösen von einfachen Denkmustern, das aufbrechen von gesetzten Glaubensätzen, die eine Welt in Gute und Böse teilt.
Nichts mehr fürchten totalitäre System als Menschen die Fantasie haben und Fragen stellen um den Status Quo zu überwinden. Wer weiterdenkt hat eben die Möglichkeit nicht nur eine Wahrheit anzuerkennen und das ist für Macht bedrohlich in eng gestrickten Systemen.
Das Buch ist leicht lesbar und bringt tolle Perspektiven auf verschiedenste Autor:innen die Azar Nafisi hier unter die Lupe nimmt. Es kommen viele Große der Weltliteratur vor: Salman Rushdie, David Grossman, Toni Morrison und viele andere.
Fazit: Seine Sie offen und lesen sie. Erweitern Sie ihren Horizont und nutzen Sie das gemeinsame Wissen um eine bessere Welt aktiv in der Gestaltung!

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Veröffentlicht am 27.12.2023

Großartige Bilder!

Kanada
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Kaum ein Land ist so von seiner Geografie und seiner Natur bestimmt wie Kanada. Ein Land das Reich ist an Weiten und unbewohnten Landstrichen und doch auch coole Städte zu bieten hat. Berge, wie Meer. ...

Kaum ein Land ist so von seiner Geografie und seiner Natur bestimmt wie Kanada. Ein Land das Reich ist an Weiten und unbewohnten Landstrichen und doch auch coole Städte zu bieten hat. Berge, wie Meer. Wälder wie Steppen. Ein Land, das reich an Vielfalt und Geschichte ist, dass sich in den herzensgute und sehr offenen Kanadier/innen widerspiegelt. Ihr merkt schnell, ein Land, eine Herzensangelegenheit für mich.
Und nun dieses schnicke Buch! Kanada – eine Augenreise. Mir hat es wahnsinnig viel Spaß gemacht abzutauchen. Gegenden wiederzuerkennen, die ich selbst schon bereisen dürfte und auch noch neues unbekanntes zu sehen. Das natürlich neugierig macht um es selbst zu erkunden.
Maud Simon hat ein Buch konzipiert, dass für alle etwas bereithält. Für all diejenigen, die Kanada schon in ihr Herz geschlossen haben wie ich. Aber genauso für Personen, die neugierig sind und sich dem Land bildlich nähern wollen. Sei es aus purem Interesse oder weil eine Reise geplant ist oder ansteht.
Es beginnt mit einem ‚Setting the scene‘ und gibt einen Hauch von Geschichte über Kanada preis bevor die einzelnen Regionen vorgestellt werden und alle auf eine anderen Art, je nach lokaler Nuance. Das kosmopolitische Toronto wird anders in Szene gesetzt als Magdalenen-Inseln mit seinen blanchons und wieder anders die kraftvollen Rockies oder das historische Quebec.
Und was zu huldigen ist bei diesem Band, die Texte sind enorm gut geschrieben obwohl hier die Bilder im Vordergrund stehen. Außerordentlich passend und smart getextet.
Wunderbar an dem schönen Bildband – die in der Tat eine Augenreise ist – sind die immer wieder anders angeordneten phänomenal guten Bilder durchsetzt mit kurzen guten Texten.
Was ein tolles Buch!!! Genau das richtige für die kalten Tage auf der Couch in denen man gerne mal eine kleine Reise im Kopf unternimmt. Ich wünsche diesen Kanadabuch viele Blätterer, viele neue Kanada-Fans und euch eine spannende Gedankenreise durch eines der schönsten Länder der Erde.

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Veröffentlicht am 27.12.2023

Die Perspektive steuert den Inhalt.

Der Jahrestag
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J.B. Blackwood, erfolgreiche Autorin, Ende 30, steht kurz davor einen Preis für ihr Werk zu bekommen. Verheiratet mit dem 20 Jahre älteren Patrick. Kennengelernt an der Uni, der Klassiker: Er der schon ...

J.B. Blackwood, erfolgreiche Autorin, Ende 30, steht kurz davor einen Preis für ihr Werk zu bekommen. Verheiratet mit dem 20 Jahre älteren Patrick. Kennengelernt an der Uni, der Klassiker: Er der schon charismatische Professor, sie die junge Frau mit Ambitionen. Nun dreht sich der Wind. Sie, wie erwähnt, steht in der Blüte ihrer Karriere und seine beginnt zu schwinden. Die Ehe kriselt, also wird ihr Jahrestag zum Versuch zur Rettung. Und diese kommt dann auf der gemeinsamen Kreuzfahrt für ihn leider nicht, denn er geht über Board. (Keine Sorge, steht sogar auf dem Klappentext, daher nicht zu weit gespoilert…). Was nun?
Dieser Roman aus der Feder der australischen Autorin Stephanie Bishop, ist großartig erzählt und das ausschließlich aus der Perspektive der Protagonistin und ist dadurch ambivalent, sehr subjektiv und gibt dadurch auch nicht den vollen Einblick in die Gegebenheiten. Sehr geschickt macht die Autorin Stephanie Bishop dieses Spiel mit uns Leser:innen. Die Zweifel, wie sehr sie Opfer ist, wie stark sie unter seinem Verlust leidet, ihre wahren Umstände, machen sich beim Lesen immer wieder bemerkbar. Auch wie sie Dinge meinen könnte, da hochgradig interpretierbar.
Spannend und eine gute Unterhaltung. Ich hatte das Gefühl am Ende einen sehr stringenten Spannungsbogen und Aufbau zu erkennen. Sicherlich auch dem Fakt geschuldet, dass die Autorin auch Literaturwissenschaftlerin ist.
Ich mochte den Roman sehr gerne lesen und kann ihn einer Leserschaft empfehlen, die sich nicht scheut auch gerne mal hinter die Kulissen einer äußerlich gelungenen Ehe zu schauen.

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Veröffentlicht am 23.12.2023

Spazieren in der heiligen Nacht

Weihnachten in Prag
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„Sie wissen, dass Prag selbst ein Wunder ist. Ein Wunder im Nebel der Geschichte. Nicht nur zu Weihnachten.“ (S. 87)
Eigentlich wollte er den 24. Dezember mit Freunden in Prag verbringen, doch die gehen ...

„Sie wissen, dass Prag selbst ein Wunder ist. Ein Wunder im Nebel der Geschichte. Nicht nur zu Weihnachten.“ (S. 87)
Eigentlich wollte er den 24. Dezember mit Freunden in Prag verbringen, doch die gehen nach seiner Ankunft nicht ans Telefon. Es beginnt das Warten und zum Glück gibt es genügend Bier auf der Zoorunde zur Überbrückung.
„Im Leben geht‘s nur um Geheimnisse.“ (S. 41)
Schwermütig ist dieser Spaziergang am Heiligen Abend, den der Ich-Erzähler durch Prag erlebt. Nach und nach trifft er auf andere, die durch die Nacht wandern. Kavka, der König von Prag und eine Italienerin.
„Liebe ist nichts als Betrug“ (S. 76)
‚Weihnachten in Prag‘ von Jaroslav Rudiš ist mit seinen knapp 90 Seiten und großartigen Illustrationen von Jaromír 99 eine unaufgeregte Geschichte, die trotz seines Humors und Melancholie eine wunderbare weihnachtliche Lektüre über Randfiguren, Orte der Begegnung und ein unkompliziertes Miteinander.
Fazit: Für alle die 4 Bier als böhmischen Adventskranz identifizieren und sich gerne dem Weihnachtstrubel entziehen, aber doch die Magie der heiligen Nacht wahrnehme.

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