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Nina87

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.06.2019

Warm, berührend, schön....

Agathe
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In "Agathe" von Anne Cathrine Bomann begleitet der Leser einen nicht namentlich genannten älteren Psychiater bei seinen letzten Monaten vor dem Ruhestand. Zunächst widerwillig, nimmt er dann doch noch ...

In "Agathe" von Anne Cathrine Bomann begleitet der Leser einen nicht namentlich genannten älteren Psychiater bei seinen letzten Monaten vor dem Ruhestand. Zunächst widerwillig, nimmt er dann doch noch eine letzte neue Patientin an - Agathe. Und diese Frau löst etwas Außergewöhnliches in dem Protagonisten aus.... Eine tiefe Reise in die Seele des Psychiaters, aber auch tiefe Gedanken über das Leben beginnen.

MIr hat besonders die warme, gefühlvolle Atmosphäre sehr gut gefallen und trotz, dass der Protagonist nie namentlich erwähnt wird, war ich ihm sehr nahe. Die Mischung aus Patientengesprächen und den eigenen Gedanken und Gefühlen des Psychiaters haben mich fasziniert. Besonders die Fragen, die Agathe in ihm aufwirft, treffen unweigerlich auch den Leser mitten ins Herz. Es tauchen Fragen nach dem Sinn, dem Tod und eigentlich nach dem gesamten Leben auf. Die Antworten kann sich wohl nur jeder Leser selber geben... Von mir eine große Leseempfehlung. Ich hätte gerne noch mehr von ihm und Agathe gelesen.

Veröffentlicht am 15.06.2019

Solide, aber mit Schwächen

Du wirst an dem Tag erwachsen, an dem du deinen Eltern verzeihst
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Das Buch hat 200 Seiten und ist in Deutschland im April 2019 als Hardcover im Dumont Verlag erschienen. Diese Ausgabe kostet 20,00 €. In Frankreich erschien das Buch bereits 2018. Ich habe "Du wirst an ...

Das Buch hat 200 Seiten und ist in Deutschland im April 2019 als Hardcover im Dumont Verlag erschienen. Diese Ausgabe kostet 20,00 €. In Frankreich erschien das Buch bereits 2018. Ich habe "Du wirst an dem Tag erwachsen, an dem du deinen Eltern verzeihst" vom Dumont Verlag als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen und sage herzlichen Dank dafür!

Inhaltlich begleiten wir in diesem Roman Boris. Er ist Anfang 40, Banker, lebt in Genf und ist von einer Sache fest überzeugt: Seine Familie ist schuld! Schuld an dem Scheitern seiner Ehe, schuld, dass er seine Söhne nicht sehen darf, schuld, dass er krank ist und natürlich auch schuld daran, dass er vor sieben Jahren den Kontakt zu seiner Familie komplett abgebrochen hat.
Nun gibt ihm sein Therapeut einen merkwürdigen Rat: Er soll seinen Eltern einen Brief schreiben - mit der Hand. Und das hat weitreichende Folgen...

Mich hat an diesem Buch besonders der Schreibstil in Briefform beeindruckt. Der Leser bekommt die Handlung nur anhand der geschriebenen Briefe erzählt, was ich sehr gelungen fand. Die Charaktere der Personen werden in den Briefen sehr lebendig und der Leser kann tief in die Gefühle und Gedanken der Protagonisten hineinblicken. Boris, unser Hauptprotagonist, hingegen, ging mir in weiten Teilen sehr auf die Nerven. Er sieht sich rein als Opfer und ist zu Anfang nicht in der Lage, auch nur im Ansatz seinen Anteil an den Ereignissen zu sehen. Dies ändert sich zwar im Verlauf des Buches, der Wandel ging mir dann jedoch zu schnell und einfach und war für mich sehr unglaubwürdig. Zumal Boris an seinen eigenen Söhnen und seiner Exfrau genau das Verhalten kritisiert, dass er aber selbst die ganze Zeit an den Tag legt. Generell gingen mir die "Wandlungen" und Einsichten der Protagonisten in diesem Buch zu schnell. Ein paar Briefe hin und her und schon hat die Person ihre Fehler eingesehen, reflektiert und auch noch verändert. Das hat für mich nicht viel mit der Realität zu tun.
Die Botschaft des Buches, dass es einen Unterschied macht, ob ich mit der Hand einen Brief schreibe oder aber eine WhatsApp oder E-Mail, hat mir gefallen und ich teile diese Ansicht durchaus. Allerdings wurde es für mich hier übertrieben. Auf einmal kommunizieren alle nur noch per Brief, selbst pubertierende Teenager dieses Buches schreiben sich freudig Briefe. Auch das wirkte auf mich eher unrealistisch und unglaubwürdig.
Die Komplexität der Verstrickungen und dysfunktionalen Beziehungen unter den Protagonisten wurden hingegen durch die Briefe und die sehr persönlichen Einlassungen der Einzelnen sehr gut deutlich. Die Geschichte ist sicher realistisch und kommt vermutlich in sehr vielen Familien in leicht abgewandelter Form vor.
Was mich aber leider weiterhin sehr gestört hat, war die "Heiligsprechung" der Familie. Der Autor tut hier so, als gäbe es nichts Wichtigers im Leben als die Familie und den Kontakt zu ihr. Das mag für einige Familien und Menschen stimmen, aber sicher nicht für alle. Es gibt für mich durchaus Gründe, warum ein Mensch den Kontakt zu seiner Familie abbricht und auch nicht wieder aufnimmt. Diese "Heiligsprechung" war mir zu eindimensional und hat für mich nicht genügend die Hintergründe eines Kontaktabbruches mit einbezogen.

Insgesamt für mich ein solider Roman mit einer schönen Idee und Botschaft, der mir aber schlussendlich doch zu viel idealisiert und Briefe schreiben als "Allheilmittel" darstellt.

Veröffentlicht am 14.06.2019

Ein hartes, aber wichtiges Buch!

Das Mädchen auf dem Eisfeld
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In diesem autobiografischen Roman verfolgen wir Adélaide selbst, ab ihrem 9. Lebensjahr bis ins Erwachsenenalter. Mit 9 Jahren wird sie im Treppenhaus von einem fremden Mann sexuell missbraucht und kämpft ...

In diesem autobiografischen Roman verfolgen wir Adélaide selbst, ab ihrem 9. Lebensjahr bis ins Erwachsenenalter. Mit 9 Jahren wird sie im Treppenhaus von einem fremden Mann sexuell missbraucht und kämpft ab diesem Zeitpunkt jeden Tag mit den Folgen. Wir begleiten sie bei ihren Kämpfen gegen sich selbst und die Traumafolgestörun-gen bis hin zum Prozess gegen den Täter.
Vorneweg muss ich eine Triggerwarunung aussprechen. Das Buch nimmt keinen Blatt vor den Mund und schildert sehr drastisch sexuellen Missbrauch / sexuelle Gewalt und deren Folgen.
Mich konnte das Buch komplett mitreißen. Ich habe sehr mit Adélaide mitfühlen können, sowohl ihre Schmerzen, als auch ihre Verwirrung über Symptome bis hin zu ihrer bodenlosen Verzweifelung. Dieses Mitgefühl löst die Autorin insbesondere mit dem besonderen Schreibstil des Buches aus. Wir verfolgen Adélaide in drei Perspektiven (sie-Perspektive: alles was mit der Tat und ihren Folgen zu tun hat; ich-Perspektive: die Verbindung zur Gegenwart und allwissende Ergänzungen; du-Perspektive: direkte Ansprache an den Täter), die gleichzeitig auch ihr Gefühlsleben sehr gut widerspiegeln. In der sie-Perspektive ist eine gewisse Distanzierung zum Geschehen sehr spürbar und erhöht damit aber noch die Grausamkeit des Geschehens. Die ich-Perspektive ist an einigen Stellen fast schon eine Erleichterung, ein Aufatmen, dass Adélaide dieses Grauen offensichtlich überstanden hat. Mit der direkten Täteransprache trifft die Autorin den Leser wieder sehr tief in seiner Gefühlswelt - es steigert die Empathie für Adélaide noch mehr.
Auch die Darstellung des Prozesses mit allen Unsicherheiten und dem großen Wunsch nach sozialer Unterstützung waren für mich sehr gut dargestellt. Einziger Kritikpunkt für mich sind die 15seitigen Tatdarstellungen der anderen Opfer während des Prozesses. Sexueller Missbrauch / sexuelle Gewalt sind absolut grausam! Die Grausamkeit wurde für mich durch die vielseitigen ausführlichen Schilderungen nicht verstärkt, es war mir eher nach einigen Seiten zu viel.
Insgesamt aber ein sehr lesenswertes und aufwühlendes Buch, was gleichzeitig ermutigt vor sexuellem Missbrauch nicht die Augen zu verschließen und zu handeln!

Veröffentlicht am 05.03.2019

Eine sehr besondere Autobiographie!

Erinnerung eines Mädchens
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In diesem Buch schildert Annie Ernaux die Spuren, die die Erfahrungen des Sommers 1958 tief in ihrer Seele und in ihrem Körper hinterlassen haben. Besonders die Scham über ihr damaliges Verhalten lassen ...

In diesem Buch schildert Annie Ernaux die Spuren, die die Erfahrungen des Sommers 1958 tief in ihrer Seele und in ihrem Körper hinterlassen haben. Besonders die Scham über ihr damaliges Verhalten lassen sie bis heute nicht los. Das Buch ist nach ihren eigenen Angaben auch Teil der Verarbeitung.

Mir haben insbesondere der sehr reflektierte Schreibstil und das tiefe Eintauchen in die Auswirkungen der Scham gefallen. Leider bleibt die Auseinandersetzung mit der Essstörung als körperliche Folge sehr sachlich und oberflächlich. An dieser Stelle hätte ich mir mehr Emotionen und damit Tiefgang gewünscht. Die Autorin schafft es aber, einen mit ihren sehr reflektierten und psychologisch schlüssigen Analysen ihres eigenen Verhaltens und der anderen Figuren in den Bann zu ziehen.
Die Beschreibungen der sexuellen Kontakte sind sehr detailliert und teilweise schwer erträglich, aber für das Verständnis der Folgen, meiner Ansicht nach, notwendig. Darüber hinaus bleibt die Autorin nicht an diesen Szenen "kleben", sondern schafft zügig wieder eine Distanzierung.

Für mich eine sehr besondere und lesenswerte Autobiographie!

Veröffentlicht am 22.01.2019

Schockierend und fesselnd, aber leider mit schwachem Ende

Runa
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Wir befinden uns 1884 in Paris und lernen den jungen Medizinstudenten Jori Hell kennen. Er arbeitet in der Salpetrière als Assistenzarzt. Dort führt Dr. Charcot "Vorführungen und Versuche" mit hysterischen ...

Wir befinden uns 1884 in Paris und lernen den jungen Medizinstudenten Jori Hell kennen. Er arbeitet in der Salpetrière als Assistenzarzt. Dort führt Dr. Charcot "Vorführungen und Versuche" mit hysterischen Patientinnen durch. Er lässt die Frauen unter Hypnose wie ein Magier vor Publikum "tanzen". Jori hofft, dass er das erworbene Wissen für seine Angebetete Pauline nutzen kann, um ihre psychische Erkrankung zu heilen.
Eines Tages wird Runa in die Salpetrière eingeliefert. Ein verstörtes und unheimlich wirkendes kleines Mädchen, das allen Behandlungen zu trotzen scheint. Jori entwickelt tiefes Mitgefühl für das Mädchen und möchte ihr helfen. Doch was steckt hinter ihrem seltsamen Verhalten?

Der Roman hat einen sehr gut lesbaren Schreibstil und viele historisch recherchierte und durchaus auch kriminalistische Anteile. "Runa" ist eine schonungslose und teilweise sehr schockierende Darstellung der Psychiatrie und des Umgangs mit den psychisch Erkrankten Ende des 19. Jahrhunderts. Die Geschichte des Mädchens Runa wird aus verschiedenen Erzählperspektiven und an unterschiedlichen Schauplätzen nach und nach auf grausige Weise klar. Die Salpetrière bleibt aber der Haupthandlungsort, an dem die Fäden zusammen laufen.
Sehr gut gefallen haben mir die Charaktere, insbesondere die der Ärzte, deren teils kriminelle Spiele um die nächste ruhmbringende Operation oder Veröffentlichung sehr tief blicken lassen. Einige der Charaktere sind historische Persönlichkeiten, wie die Ärzte Charcot und Babinski. Auch gelingt es der Autorin Vera Buck sehr gut mit Fiktion und Realität zu spielen, sowohl in der Mischung aus Roman und historischen Fakten, als auch in der Geschichte an sich.
Leider hat mich das Ende sehr enttäuscht. Nach dem langen Aufbau der Geschichte über ca. 550 Seiten, waren mir die 60 Seiten für das Ende doch sehr knapp. Darüber hinaus sind auch noch sehr viele Fragen offen geblieben, was mich persönlich etwas unbefriedigt zurück gelassen hat.
Insgesamt aber ein sehr gelungenes Porträt der Psychiatrie der damaligen Zeit und ein lesenswertes Debüt der Autorin!