Profilbild von Nisnis

Nisnis

Lesejury Profi
offline

Nisnis ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Nisnis über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.11.2017

Seelenfänger – Politisch aktuell und brisant. Spannend und verdammt authentisch.

Gefährliche Saat
0

Berlin: Der 20jährige Djamal Khadim ist Deutscher mit irakischen Wurzeln aus gutem Hause. Als seine Mutter von zwei Jugendlichen angegriffen wird, kommt es zu einer Schlägerei. Zu allem Überdruss wird ...

Berlin: Der 20jährige Djamal Khadim ist Deutscher mit irakischen Wurzeln aus gutem Hause. Als seine Mutter von zwei Jugendlichen angegriffen wird, kommt es zu einer Schlägerei. Zu allem Überdruss wird Djamal von den Angreifern angezeigt. Er wird verhaftet und plötzlich drehen sich die Rädchen der Behörden schneller.

Auf der Suche nach seiner Identität und um seine im Irak lebende Verwandtschaft kennenzulernen, besuchte Djamal erstmalig den Irak und war erst vor drei Wochen zurückgekehrt. Djamal wird zum Gefährder denunziert, da die Datensammlungen der Behörden seinen Aufenthalt im Irak als brisant einstufen. Außerdem soll er Kontakt zu weiteren Gefährdern besitzen.

Auf der Straße ist er ein Fremder aus dem Nahen Osten und für die Behörden ein todbringender Terrorist.

Der Autor:

Jens Kubo war als Luftwaffenpilot im Einsatz für die NATO, für die er nach seiner fliegerischen Karriere Sicherheitskonzepte von militärischen Einrichtungen prüfte und überarbeitete. Heute ist er ziviler Berater im In- und Ausland und schreibt unter Pseudonym brisante politische Romane. Der Autor ist mit einer Journalistin verheiratet und lebt in Berlin.

Reflektionen:

In Zeiten, in denen wir fast alltäglich von Anschlägen, IS-Terror, Salafisten und Krieg erfahren, hat Jens Kubo einen Politthriller geschrieben, der aktueller kaum sein könnte.

Dzamal ist Student und Sohn irakischer Einwanderer in der dritten Generation. Er fühlt sich als deutscher Staatsbürger ohne groß darüber nachzudenken. Doch seit den Flüchtlingsströmen muss er vermehrt erfahren, dass er auf Grund seines Aussehens in die Schublade des Feindes aus Nahost gepackt wird. Er wird ausgegrenzt und erfährt Diskriminierung. Die Unbeschwertheit seines bisherigen Lebens verpufft gänzlich, als er von den Behörden plötzlich als Gefährder gesehen wird.

An dieser Stelle empfindet man als Leser ein starkes Ungerechtigkeitsgefühl.

Zeitgleich suchen sie europäischen Behörden nach einem Attentäter, der einen Anschlag auf ein Energieversorgungsunternehmen in Frankreich verübt hat. Djamal und sein Umfeld geraten damit in den Fokus von internationalen Ermittlungen. Ungläubig, was um ihn herum geschieht, wird er labil und orientierungslos.

Djamal beginnt zu zweifeln, blickt vermehrt in sein Innerstes und seine Gedanken gleichen einem Karussell, dass sich mit schwindelnder Geschwindigkeit dreht. Langsam entfernt er sich von seiner deutschen Freundin Nina, von seiner Familie und seinem Umfeld. Und doch ist es nicht so, als würde er sich bewusst abwenden. Viele Dinge spielen eine Rolle. Kleinigkeiten, Zufälle und die schicksalsträchtige Begegnung mit dem dominanten Manipulationskünstler Yusuf, der Djamal letztendlich in höchste Lebensgefahr bringt.
Gefährliche Saat ist ein brisanter und erschreckend authentischer Polit-Thriller, der maßvoll actiongeladen die Spannung nährt. Der Fokus liegt dabei auf Djamal, auf seiner persönlichen Entwicklung und Veränderung, die durch die Reaktionen von außen, durch Menschen und Schubladendenken, verursacht werden. Zusätzlich wird Djamal von dem dominanten Yusuf manipuliert und stark beeinflusst.

An dieser Stelle hätte ich mir mehr Gespräche zwischen Djamal und Yusuf gewünscht, die verdeutlichen, in wie fern Yusuf Djamal manipuliert und führt. Inhaltlich fehlt mir etwas gravierendes, dass die Geschichte für mich unglaubwürdig macht.

Ein weiterer Fokus richtet sich auf die Behörden und die Politik. Wie sie zusammenarbeiten, wie sie abwägen, wie sie Entscheidungen treffen und wie sie dabei einzelne Menschenleben bewusst zerstören. Sie Opfern ein Menschenleben und handeln im Sinne der inneren Sicherheit und nur wenige empfinden dabei Emotionen.

Jens Kubo schreibt angenehm flüssig. Schnörkellos und fokussiert. Der Einstieg in die Geschichte gelingt mühelos. Der Wechsel der Perspektiven ist gut pointiert und damit abwechslungsreich. Die authentischen Charakterzeichnungen der Figuren sind intensiv und ausführlich und ohne jede Aufdringlichkeit. Vor allem gewährt Jens Kubo dem Leser den Blick in die Gedankenwelten der Figuren und man empfindet sie, wie Menschen von nebenan.

Zusammenfassend empfinde ich Gefährliche Saat im Genre Thriller nicht richtig platziert. Es fehlen hierfür klar definierte Elemente.

Fazit und Bewertung:

In Zeiten, in denen wir fast alltäglich von Anschlägen, IS-Terror, Salafisten und Krieg erfahren, hat Jens Kubo einen Politthriller geschrieben, der aktueller kaum sein könnte.

Brisant und authentisch zeichnet die Story das Schicksal des 20jährigen Djamal, der als deutscher Staatsbürger mit irakischen Wurzeln plötzlich zum Gefährder denunziert wird. Aber, wer ist Djamal wirklich?

Gefährliche Saat ist eine spannende Mischung aus Fiktion und erschreckender Realität. Leseempfehlung.

4 Sterne

©nisnis-buecherliebe

Veröffentlicht am 15.11.2017

Mod Helmy – Ein arabischer Arzt rettet Juden vor der Gestapo

Mod Helmy
0

Die meisten Menschen in Nazi-Deutschland reagierten gleichgültig auf die Judenverfolgung, viele nahmen aktiv daran teil. Nur 600 von ihnen wurden von Yad Vashem als Judenretter geehrt und ein einziger ...

Die meisten Menschen in Nazi-Deutschland reagierten gleichgültig auf die Judenverfolgung, viele nahmen aktiv daran teil. Nur 600 von ihnen wurden von Yad Vashem als Judenretter geehrt und ein einziger war ein Araber. Der Arzt Mod (Mohamed) Helmy wurde von den Nationalsozialisten als »Nichtarier« diskriminiert und als Ägypter inhaftiert. Trotzdem half er jahrelang einer jüdischen Familie, sich vor der Gestapo zu verstecken. Mitten in Berlin gelang es ihm sogar mithilfe von Hitlers Intimfreund, dem Mufti von Jerusalem, eine Jüdin als Muslima in Sicherheit zu bringen. Igal Avidan fand Helmys ehemalige Patienten, besuchte seine Verstecke und zeichnet seine einzigartige Geschichte nach. (Quelle: dtv Verlag)

Der Autor:

Igal Avidan, 1962 in Tel Aviv geboren, hat in Israel Englische Literatur und Informatik und dann in Berlin Politikwissenschaft studiert. Seit 1990 arbeitet er als freier Berichterstatter aus Berlin für israelische und deutsche Zeitungen und Hörfunksender. Ko-Autor seines Buches über Mod Helmy ist der Schriftsteller und Journalist Helmut Kuhn. (Quelle: dtv Verlag)

Reflektionen:

Im September 2013 las Igal Avidan eine israelische Zeitung und blieb an der Meldung hängen, dass der ägyptische Arzt Mod Helmy von der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem als „Gerechten unter den Völkern“ anerkannt wurde. Autor Igal Avidan assoziierte daraus eine politische Bedeutung, dass Mod Helmy ein Held für Juden und Muslime gleichermaßen sein könnte, besonders in unserem politischen Heute, in dem Kriege, Verschwörungstheorien, Terror und Konflikte im Nahen Osten das alltägliche Bild beherrschen.

Igal Avidan hat zeitintensiv und genau recherchiert und er traf Zeitzeugen, um das Leben des ägyptischen Arztes Mod Helmy aufzeichnen zu können. In groben Zügen gelingt es auch, doch ebenso vieles bleibt Vermutung und Spekulation.

Dieses Buch erzählt von der geschichtsträchtigen Zeit des zweiten Weltkrieges in Berlin. Mod (Mohamed) Helmy, 1901 in Ägypten geboren, studierte in Deutschland Medizin und wurde Arzt. Er war äußerst engagiert und versorgte Juden im Geheimen medizinisch. Zu Zeiten der Arisierungen und Deportationen, versteckte er drei Jahre lang die gebürtige Rumänin und Jüdin Anna Boros und er rettet sie und ihre Familie vor dem sicheren Tod.

Es scheint, als hätte Mod Helmy seine persönlichen Belange stets hintangestellt und doch gibt es auch Zeugnisse, wie geschickt er taktieren konnte, um für sich Vorteile bzw. Ruhe vor Verfolgung und Denunziation zu erwirken. Helmy wird zweimal inhaftiert und erkrankt schwer. Er wird von der Gestapo beschattet und verfolgt, verlor seine Zulassung und trotzdem beherbergt er Anna weiter und kümmert sich um seine jüdischen Patienten. Er organisiert Annas Konvertierung zum Islam, verheiratet sie schließlich, um sie zu schützen und er stellt sie als seine Nichte und Assistentin aus Dresden vor. Viele Monate leben sie gemeinsam in Berlin-Buch, wo eine kleine Laube ihr Zuhause ist. Anna lebt so insgesamt drei Jahre im Untergrund, unter zeitweise lebensbedrohlichen Umständen und überlebt.

Mod Helmy verstarb 1982. Bis zu Letzt kämpfte er für eine Entschädigung und Anerkennung als Opfer des Faschismus. Erst nach seinem Tod wird er als „Gerechter unter den Völkern“ von der Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem anerkannt. Seine Familie in Ägypten nahm die Beurkundung und Medaille bis heute nicht entgegen, da sie vermutlich politische Denunziationen vermeiden wollen.

Ich persönlich habe dieses Buch interessiert gelesen und es haben mich zahlrieche Schicksale immer wieder unfassbar berührt. Doch insgesamt habe ich mir mehr von diesem Buch versprochen. Natürlich kann ein Autor nur darüber berichten, was er recherchiert hat und wo es keine Zeugen mehr gibt, kann man nur spekulativ zusammenfassen und Vermutungen anstellen. Meine Erwartung, eine ausführliche, umfassende und fundierte Erzählung über Mod Helmys Leben zu lesen hat sich mit den Informationen aus diesem jedoch nicht vollständig erfüllt. Zu häufig beleuchtete Igal Avidan die Schicksale von Wegbegleitern Helmys, von anderweitigen Zeitzeugen, von Nachbarn oder von Menschen, die einst Grundstücke in Berlin besaßen und enteignet wurden. Immer wieder säumen Zeitsprünge die Erzählung und plötzlich ist die Rede von Cousinen, Nichten, Onkeln usw., die nur geringfügig mit Helmys Leben in Verbindung standen. Es fiel mir dabei nicht leicht der Chronologie zu folgen und der literarische Ausdruck, machte mir den Einstieg in dieses Werk ebenfalls nicht leicht.

Ich wertschätze die Arbeit Igal Avidans, der unschätzbar zeitintensiv und genau für dieses Buch recherchiert haben muss. Zudem bin ich dankbar für die geschichtsträchtigen Inhalte, die mir das Grauen aus jenen Tagen und Jahren erneut ins Bewusstsein bringen und dort weiter festigen. Ich bleibe berührt von den unsagbar furchtbaren Schicksalen der hier erwähnten Menschen zurück und schäme mich, für all dies Grauen.

Fazit und Bewertung:

Mod Helmy von Igal Avidan erzählt die Geschichte eines arabischen Arztes, der während des 2. Weltkriegs Menschen vor dem sicheren Tod rettete. Literarisch betrachtet, lässt sich dieses Werk nicht immer harmonisch lesen. Inhaltlich wendet sich der Fokus immer wieder von Mod Helmy ab und zu viele Vermutungen füllen die Seiten.

Eine Leseempfehlung kann ich nur bedingt für dieses Buch aussprechen, denn um mich mit dieser historischen Zeit und Thematik auseinanderzusetzten, würde ich doch detailliertere Werke bevorzugen.

©nisnis-buecherliebe

Veröffentlicht am 10.11.2017

Das Land der besonderen Farben – Dicht, rasant, authentisch brisant und hochspannend

Kaltes Land
0

Nach den Strapazen der Flucht stranden unbegleitete, jugendliche Flüchtlinge in Dortmund am Hauptbahnhof. Ihre Verzweiflung und Erschöpfung ist ihnen ins Gesicht geschrieben. Plötzlich kommt jemand auf ...

Nach den Strapazen der Flucht stranden unbegleitete, jugendliche Flüchtlinge in Dortmund am Hauptbahnhof. Ihre Verzweiflung und Erschöpfung ist ihnen ins Gesicht geschrieben. Plötzlich kommt jemand auf sie zu, gewährt ihnen Hilfe an, gibt ihnen zu Essen und zu Trinken und bietet ihnen eine Unterkunft an. In ihrer Hilflosigkeit und Orientierungslosigkeit nehmen sie die Hilfe an, schließlich ist er einer von ihnen und gibt die Hilfe zurück, die er einmal selbst erfahren hat. Voller Dankbarkeit folgen sie ihm, doch dieser Weg führt unwissend sie ins sichere verderben.

Zeitgleich wird in einem heruntergekommenen Haus im Dortmunder Norden eine jugendliche, männliche Leiche aufgefunden. Schnell ist ersichtlich, dass es sich bei dem südländischen Toten um einen Bodypacker handelt. Das blutige Szenario zeigt einen geöffneten Torso, in dem man einzelne Drogenpäckchen findet. Kommissar Steiger und sein Team nehmen die Ermittlungen auf.

Der Autor:

Norbert Horst ist im Hauptberuf Kriminalhauptkommissar und hat in zahlreichen Mordkommissionen ermittelt. Der Autor ist verheiratet und hat zwei Kinder. Für seinen ersten Roman, "Leichensache", erhielt er den Friedrich Glauser Preis 2004 für das beste Krimidebüt; "Todesmuster" wurde mit dem Deutschen Krimipreis 2006 ausgezeichnet. "Splitter im Auge", den ersten Roman aus der Serie um Kommissar Steiger, zählte die KrimiZEIT-Bestenliste zu den zehn besten Spannungsromanen des Jahres 2012. (Quelle: Goldmann Verlag)

Reflektionen:

Kaltes Land ist ein dicht erzählter Kriminalroman, bei dem die Ermittlerarbeit der Polizei weit in den Vordergrund rückt, ohne die eigentliche Story samt ihrer politisch brisanten Tiefe zu verlieren. So nah am polizeilichen Geschehen kann nur der schreiben, der wie Norbert Horst selbst Kriminalkommissar ist und zahlreiche Erlebnisse und Erfahrungen eigener Ermittlungen aus zahlreichen Mordkommissionen mit in die Geschichte einfließen lassen kann. Diesen Kriminalroman empfehle ich ausdrücklich gern.

Kaltes Land ist der dritte Teil der Steiger-Krimi-Reihe, der jedoch sorglos, ohne die Vorgänger gelesen zu haben, als stand alone gelesen werden kann. Bereits erschienen sind Splitter im Auge und Mädchenware.

Nüchtern und ohne jeden Schnörkel erzählt, steigt man mühelos in die Geschichte ein. Dicht an dicht erlebt man die Polizeiarbeit hautnah, während Kommissar Steiger und sein Team atemlos Jagd nach den Tätern machen. Der Kriminalroman spielt in Dortmund und als Dortmunderin genieße ich das Lokalkolorit und doch ist dieser Krimi weit entfernt von jedem Regionalkrimi.

Norbert Horst greift in seinem Krimi die Problematiken der unbegleiteten jugendlichen Flüchtlinge auf, hält sich an Fakten, die uns aus den Nachrichten alltäglich bekannt sind, ohne in Form eines Fingerzeigs die gesellschaftliche Kritik zu bemaß regeln. Und doch präsentiert er dem Leser grausame und menschenunwürdige Details und tiefe, abstruse Einblicke, die uns in der medialen Berichterstattung in dieser Intensität nur selten begegnen.

Kaltes Land ist nicht nur ein Kriminalroman und eine Geschichte. Kaltes Land erzählt, wie es wirklich ab geht da draußen. Kaltes Land gewährt einen furchtbaren und erschreckenden Einblick, wie Täter aus den Leben der verzweifelten, erschöpften und unbegleiteten Flüchtlinge kaltblütig Kapital schlagen und wie machtlos die bürokratischen Behörden (Polizei, Verfassungsschutz, Staatsschutz, Jugendamt) häufig zuschauen müssen. Spielend leicht vermittelt Norbert Horst in seinem Spannungsroman, wie bürokratische Hindernisse, personelle Engpässe und die mangelnde Zusammenarbeit der Behörden Ermittlungen behindern und geplante Verbrechen nicht rechtzeitig verhindert werden können.

Die Flüchtlinge, von denen hier die Rede ist, sind nicht registriert. Sie geraten noch vor der behördlichen Registrierung in die Fänge der Täter, die kaltblütig und auf brutalste Weise mit allem handeln was Geld einbringt. Drogen, Waffen und Menschenhandel. Die Dunkelziffer dieser Verbrechen ist nachvollziehbar unüberschaubar.

Steiger ist ein sympathischer Kerl. Er leistet knallharte Polizeiarbeit, ist ein Meister knackiger Dialoge und er besitzt dennoch eine sehr menschliche, warme Seite und er liebt mit Haut und Haar. Er ist jederzeit bereit, sich mit Vorgesetzten anzulegen, denn er kämpft um Gerechtigkeit und gibt niemals auf. Sein persönliches Schicksal trägt er nicht zu Schau, dementsprechend ist alles Persönliche nur maßvoll in der Geschichte verflochten und doch entschleunigt es die rasante Story angenehm pointiert, um den Leser einmal durchatmen zu lassen.

Besonders emotional wird es, als Batto, Steigers langjähriger Kollege und Freund, im Dienst einen Täter erschießt. Der sonst so taffe Batto verliert damit seine positive Lebenseinstellung und seine Unbeschwertheit. Eindrucksvoll und authentisch schildert Norbert Horst die innere Zerrissenheit des Freundes und wie die Freundschaft der beiden langsam zu versiegen droht.

Im Haupterzählstrang suchen Steiger und sein Team die mächtigen, intelligenten Hintermänner in Form akribischer Polizeiarbeit. Eine weitere Perspektive erlaubt es, das Schicksal von den unbegleiteten Flüchtlingen Arjun aus Afghanistan und Samira mitzuerleben. Sie erzählt auf hochemotionale Weise von der Flucht, von ihren Ängsten, Nöten und von Missbrauch, bis sie letztendlich in Dortmund ankommen und diese Perspektive auf dramatische Weise mit dem Haupterzählstrang verschmilzt.

Fazit und Bewertung:

Kaltes Land ist ein authentischer, dicht erzählter Polizeikriminalroman mit Tiefe, wie ich ihn schon lange nicht mehr gelesen habe. Intelligent verschnürt paart sich die rasante, kriminalistische Geschichte mit der brandaktuellen Thematik der unbegleiteten jugendlichen Flüchtlinge, die völlig erschöpft in Deutschland ankommen und in die Fänge kaltblütiger Verbrecher geraten. Norbert Horst überzeugt mühelos, in einem angenehm nüchternen Stil. Hochspannende Lesestunden sind garantiert und sie klingen auf Grund der erschreckenden, authentischen Geschichte noch lange nach.

©nisnis-buecherliebe

Veröffentlicht am 18.10.2017

Nur er und ich und das Meer - Ein neuer, spannender Fall für Marlene Borchert

Atemlose Stille
0

Der Prolog beginnt dramatisch. Ein Mann steckt hilflos in einer mannshohen Röhre voller Wasser. Ein Deckel ermöglicht ihm kein entkommen. Schnell noch erfasst sein Blick eine Frau und plötzlich trifft ...

Der Prolog beginnt dramatisch. Ein Mann steckt hilflos in einer mannshohen Röhre voller Wasser. Ein Deckel ermöglicht ihm kein entkommen. Schnell noch erfasst sein Blick eine Frau und plötzlich trifft ihn eine bittere Erkenntnis. Ob sein Atem reichen wird?

Die Mindener Kriminalhauptkommissarin Marlene Borchert und der Bielefelder Leiter der Mordkommission Kommissar Benno Erdmann ermitteln in einem neuen Mordfall, nachdem eine männliche Leiche, verkantet in einem Mühlenradgestell, Kopf unter in der Weser, von einem Spaziergänger aufgefunden wird.

Schnell stellt sich heraus, dass der Tote nicht in der Weser ertrunken ist, denn in seinen Lungen befinden sich Spuren von Salzwasser und zusätzlich weist der Leichnam eine merkwürdige Brandwunde auf. Bei dem Toten handelt es sich um den Bad Oeynhausener Banker Ralf Diekmann, der vor drei Wochen spurlos verschwunden ist. Der Gerichtsmediziner versichert jedoch glaubhaft, dass der Todeszeitpunkt maximal eine Woche zurückliegt.

Marlene und Benno stehen vor einem unlösbaren Rätsel, bis ihre Ermittlungen in einem Meer aus Gefahren münden, das ihr Leben ernsthaft bedroht.

Die Autorin:

Meike Messal wurde 1975 in Minden geboren. Nach dem Abitur lebte sie für einige Zeit in Israel und Südafrika und studierte in Hamburg Germanistik, Anglistik und Amerikanistik. Mittlerweile wohnt sie mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in ihrer Heimat und unterrichtet an einem Mindener Gymnasium. Nachtfahrt ins Grauen ist ihr erster Kriminalroman. (Quelle: Prolibris Verlag)

Reflektionen:

Atemlose Stille ist der zweite Kriminalroman von Meike Messal. Mich hatte bereits ihr erster Kriminalroman Nachtfahrt ins Grauen begeistert und so waren meine Erwartungen recht hoch.

Meike Messal legt direkt einen hochspannenden Prolog vor und ich fühlte mich direkt wie nach Hause gekommen, hach.

Angenehm flüssig und in kurzen prägnanten Sätzen gleitet man durch die Seiten des außerordentlich verständlich geschriebenen, neuen OWL-Krimis (Ostwestfalen-Lippe). Das Sahnehäubchen bilden schmucke Metaphern und maßvolle Beschreibungen der Mindener Natur- und Örtlichkeiten.

Zu Anfang wird die Handlung in mehreren, teilweise rückblickenden Perspektiven erzählt, die der Spannung zuträglich dienen. Der Wechsel der Perspektiven nimmt jedoch mit der Weiterentwicklung der Handlung ab, bis die Erzählstränge nachvollziehbare Schlüsse erlauben. Für mich persönlich wurde die intelligent verstrickte Geschichte schon recht früh vorhersehbar, jedoch ohne dass ich das als störend empfand, denn Meike Messal kreierte dennoch weitere Wendungen, die mich angenehm überraschen konnten und mich in einem hohen Tempo durch die Seiten lesen ließen.

Die Charakterzeichnungen der Hauptfiguren haben mir erneut besonders gut gefallen. Der Umgang, den Marlene und Benno miteinander pflegen und die Konflikte die Marlene aus ihrer Vergangenheit in sich trägt bieten interessantes Futter für eine in sich harmonische und glaubhafte Handlung. Besonders zuträglich wirkt da auch die kompetent und authentisch inszenierte Ermittlerarbeit, die die beiden jedoch in diesem Fall nicht vor lebensbedrohenden Situationen retten kann.

Die sich dezent entwickelnde Liebesbeziehung zwischen Marlene und Benno war mir für einen Kriminalroman jedoch etwas too much. Zwar genoss ich wirklich jeden Gedankengang des sensiblen und besonders behutsam vorgehenden Romantikers Benno, den ich längst in mein Herz geschlossen habe, aber in einem Kriminalroman möchte ich von Spannung angetrieben werden und nicht von zu viel Liebelei gebremst werden. Dementsprechend empfand ich sogar „fast“ einzelnen Längen, aber ich tat gern so, als lese ich gerade einen Roman, zwinker, und prompt fand ich mich in einem Pagturner wieder.

Insgesamt hat mich der Kriminalfall sehr gut und spannend unterhalten, so dass ich diesen Krimi absolut gern weiterempfehle, wenn man bereit ist, auch von einer Love-Story im Kriminalroman zu lesen.

Fazit und Bewertung:

Erneut ein spannender Kriminalfall für die ostwestfälischen Kommissare Marlene Borchert und Benno Erdmann. Glaubhaft inszenierte Ermittlerarbeit und ein interessanter, authentischer Fall inklusive Lovestory, garantieren unterhaltsame Lesestunden.


©nisnis-buecherliebe

Veröffentlicht am 18.10.2017

Expedition Papillon – Mystisch, geheimnisvoll und literarisch gelungen

Palast der Finsternis
0

Jungakademikerin Anouk und vier weitere Jugendliche erhalten die Einladung, den seit der Französischen Revolution verschütteten Palast der adligen Familie Bessancourt in Paris zu erforschen.

Als sich ...

Jungakademikerin Anouk und vier weitere Jugendliche erhalten die Einladung, den seit der Französischen Revolution verschütteten Palast der adligen Familie Bessancourt in Paris zu erforschen.

Als sich die Jugendlichen zum ersten Mal am Flughafen treffen wird deutlich, dass die personelle Zusammensetzung der Gruppe nicht verschiedener hätten sein können. Erste Befindlichkeiten stören die Atmosphäre der Gruppe, bevor sie ohne Sicherheitscheck und Passkontrolle First-Class nach Frankreich fliegen.

Bereits kurz nach dem sie das Palais betreten, das einst als Versteck der Familie Bessancourt erbaut wurde, spüren sie, dass das Experiment unter merkwürdigen Voraussetzungen steht und sie vor dem größten Abenteuer ihres Lebens stehen. Noch können sie die Gefahr nicht erkennen, aber je mehr Türen sie in dem alten Schloss öffnen, umso mehr müssen sie erkennen, dass sie sich tief am Abgrund befinden.

Der Autor:

Stefan Bachmann, geboren 1993 in Boulder/Colorado, lebt in Zürich, wo er seit seinem 11. Lebensjahr das Konservatorium besucht (und dort inzwischen den Bachelor in den Fächern Orgel und Film-Komposition absolviert). Sein von der Liebe zu Steampunk, Charles Dickens und C.S. Lewis’ ›Chroniken von Narnia‹ inspiriertes Debüt, ›Die Seltsamen‹, war ein Riesenerfolg in den USA und auch in Deutschland. (Quelle: Diogenes Verlag)

Reflektionen:

Stefan Bachmann hat mich sprachlich sehr beeindruckt. Schon nach wenigen Seiten genoss ich jeden Satz seiner ungezwungen und besonders leichtfüßigen Art zu schreiben. Außergewöhnliche Formulierungen, ein Hauch von Poesie ineinander verschmelzend mit einem modernen, umgangssprachlichen Ausdruck und zarten Metaphern, waren ein besonderes Leseerlebnis.

Stefan Bachmann hat die jugendlichen Charaktere der Projekt-Kandidaten ausdrucksstark und intensiv gezeichnet, auch wenn manche Figuren blasser erschienen als andere.

Das Experiment ist eine wahre Herausforderung an die Gruppe der Jugendlichen. Interessant gezeichnet sind die Konflikte, die die Kandidaten untereinander austragen. Die Geschichte kitzelt sie bis aufs Blut, so dass sie ihr jeweiliges Schneckenhaus verlassen müssen und emotionale Reaktionen damit auslösen. Zu diesem Zeitpunkt hat der Autor jeden gewöhnlichen Plot bereits hinter sich gelassen. Lösung des Rätsels und die Befreiung von der Gefahr kann nur erfolgen, wenn sie gemeinsam das Ziel erkennen und gemeinsam agieren.

Die Jugendlichen öffnen nach und nach Türen im alten Palais, denn sie suchen den Ausgang, um der schwelenden Gefahr zu entkommen, die sie zunächst absolut nicht einschätzen und einordnen können. Stefan Bachmann versteht es, den Leser in die Welt der Geschichte zu ziehen und er kreiert eine düstere und geheimnisvolle Stimmung, die dafür sorgt, dass die Spannungskurve kontinuierlich anwächst. Hinter jeder Tür lauert eine Gefahr, die das Leben der fünf absolut bedroht. Die fünf Kandidaten haben jedoch keine Chance, dahinterzukommen warum sie überhaupt ausgewählt wurden.

Abwechslungsreich und spannungsfördernd pointiert Bachmann die Perspektiven, die zwischen dem Hier und Jetzt der Gruppe und den Schlossbewohnern zur Zeit der Französischen Revolution wechseln, so dass die Zeitsprünge die Handlung bereichern und interessanter gestalten.

Trotz, dass mich Stefan Bachmann literarisch schwungvoll überrascht hat und mich seine skurrile Geschichte in den Bann ziehen konnte, war ich es irgendwann leid, dass sich die Story nicht kontinuierlich weiterentwickelt hat. Ich war das Türenöffnen im Schloss fast ein bisschen leid, obwohl sich hinter ihnen explosive Gefahr und Abenteuer verbarg, da einzelne Szene zu ausschöpfend erzählt wurden. Ich empfand Längen und vermisste Futter für eine fundierte Handlung.

Den Roman kann man nicht eindeutig einem Genre zuordnen. Gekonnt vermischt Stefan Bachmann Mystery-, Fantasy-, Thriller- und Horror-Elemente. Es wird blutig, aber alles in Maßen, so dass auch der Romanleser, plötzlich helle Freude über den Thrill des Romans empfinden kann.

Fazit und Bewertung:

Palast der Finsternis von Stefan Bachmann

Stefan Bachmann erzählt eine außergewöhnliche Geschichte, in einem leichtfüßigen und ungezwungenen Stil. Außergewöhnliche Formulierungen, ein Hauch von Poesie ineinander verschmelzend mit einem modernen, umgangssprachlichen Ausdruck und zarten Metaphern, waren ein besonderes Leseerlebnis.

Die Geschichte erzählt von fünf Jugendlichen, die sich auf das Projekt einlassen, ein verschüttetes Palais zu erforschen. Doch sie erwartet das größte und gefährlichste Abenteuer ihres Lebens.

Trotz ein paar empfundener Längen empfehle ich diesen Roman sehr gern.

©nisnis-buecherliebe.de