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Veröffentlicht am 26.07.2017

Bangii-Agawaateyaa – Kleiner Schatten – Einfach großartig

Die Moortochter
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Hellen Pelletier lebt mit ihrem Ehemann Stephen, ihren beiden kleinen Töchtern Iris und Mari, und ihrem dreibeinigen Hund Rambo in der einsamen Wildnis von Upper Peninsula in Michigan. Stephen ist Naturfotograf ...

Hellen Pelletier lebt mit ihrem Ehemann Stephen, ihren beiden kleinen Töchtern Iris und Mari, und ihrem dreibeinigen Hund Rambo in der einsamen Wildnis von Upper Peninsula in Michigan. Stephen ist Naturfotograf und Helen bessert ihr gemeinsames Einkommen, in der beschaulichen und bescheidenen Einöde, mit dem Verkauf von selbstgemachten Marmeladengelees auf.

Helens indianischer Vater lehrte sie in Kindertagen Fährten zu lesen und zu jagen, was ihr in dieser wilden Gegend zugutekommt. Immer wieder zieht es sie für ein paar Tage in die Wildnis, während Stephen und die Kinder zurückbleiben.

Als Helen eines Tages von einem Gefangenenausbruch aus dem Hochsicherheitsgefängnis erfährt, weiß sie sofort, dass es sich dabei um ihren sadistischen, gefährlichen und psychopathischen Vater handelt, den sie einst verraten hat. Stephen weiß nicht, dass sie als Kind zwölf Jahre lang als Gefangene in einer einsamen Blockhütte gelebt hat und er weiß auch nicht, dass ihr nazistischer Vater ein Vergewaltiger und Entführer ist.

Helen hat ihn damals ins Gefängnis gebracht und nur sie wird ihn erneut hinter Gitter bringen können. Nur sie wird ihre Familie retten können und nur sie kann ihm ebenbürtig sein.

Die Autorin:

Karen Dionne hat in jungen Jahren mit ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter ein alternatives Leben in einer Hütte auf der Upper Peninsula geführt. Ihre damaligen Erfahrungen in der Wildnis hat sie nun in ihren außergewöhnlichen Psychothriller "Die Moortochter" eingebracht. Heute lebt Karen Dionne mit ihrem Mann in einem Vorort von Detroit, wo sie an ihrem nächsten Psychothriller schreibt. (Quelle: Goldmann Verlag)

Reflektionen:

Die Moortochter hat mich von Anfang an sehr gefesselt und mich nicht mehr losgelassen. Ich bin tief in die Wildnis von Upper Peninsuler eingetaucht, konnte die Einsamkeit dort spüren, das Knistern und Brechen von Zweigen hören, wenn Tiere durch die Wildnis streiften, ich konnte das Moor riechen und ich konnte die Gänze der wunderschönen Natur genießen.

Dieser Thriller ist großartig geschrieben. Abwechselnd sanft und stark im Ausdruck, geschmeidig flüssig und berührend. Karen Dionne hat die Handlung des hoch spannenden Thrillers in die Wiege der wilden Natur gelegt. Es ist ihr intelligent gelungen, die dramatische Gegenwart, der zunächst unsichtbaren Bedrohung durch den nazistischen Vater mit der Vergangenheit und Kindheit der lange gefangengehaltenen Hauptprotagonistin Hellen Pelletier vielschichtig ohne Längen zu erzählen, ohne die Handlung in irgendeiner Weise zu überladen. Die Geschichte ist so außergewöhnlich und weit von dem entfernt, was man sonst inhaltlich in thematisch ähnlichen Büchern liest. Helens Kindheit stellt dabei den Haupterzählstrang dar.

Ich nicke erneut. Eine Geste, von der ich hoffe, dass Stephen sie als Entschuldigung und Geständnis zugleich auffassen wird. Ja, Jacob Holbrook ist mein Vater. Ja, ich habe dich belogen von dem Tag an, als wir uns kennenlernten. Ja, das Blut dieses bösen Mannes fließt in den Adern unserer gemeinsamen Töchter. Es tut mir leid. Es tut mir leid, dass du es auf diese Weise erfahren musstest. Es tut mir leid, dass ich es dir nicht eher gesagt habe.
Es tut mir leid, leid, leid. (Zitat)


Zwölf Jahre lang sieht Helen außer ihren Eltern keinen anderen Menschen. Körperkontakt und Liebe wie wir sie kennen sind ihr fremd. Sie wächst in der Annahme auf, dass das Leben genau so sein muss, wie sie es kennt. Ohne Uhr, ohne Elektrizität, ohne fließend Wasser und einzig im Einklang mit der Natur, völlig isoliert. Für uns schwer zu begreifen so zu leben, aber es gelingt der Autorin, die Normalität dieser Familie authentisch und glaubhaft in alltags Details zu erzählen.

Zum fünften Geburtstag bekommt Helen vom Vater ein Messer geschenkt, tötet ihr erstes Kaninchen. Mit sechs Jahren erlegt sie ihre erste Hirschkuh, die mit Zwillingskitzen trächtig war und fiebert so ihrem Ziel immer mehr entgegen, ein „Mann“ der Wildnis zu werden. Sie lernt Spuren und Fährten zu lesen und wetteifert mit dem Vater, ihrem Held, den sie abgöttisch zu lieben glaubt, auch wenn er sie zur Bestrafung von Respektlosigkeit in einen Brunnenschacht stürzt, den er vorher mit scharfkantigem und spitzem Müll am Grund befüllt hat.

Das einzige was sie mit der Welt draußen verbindet, sind fünfzig Jahre alte Geographic-Magazine, in denen sie immer wieder blättert und deren Inhalt sie erst spät vorsichtig hinterfragt.

Die Rolle der von Helens Vater einst entführten, wehrlosen Mutter ist unscheinbar und passt zu ihrer leblosen, blassen Existenz. Karen Dionne versteht es, die allseits präsente Angst der Mutter vor alltäglicher Gewalt emotional berührend in die Handlungen der Mutter einzuflechten und widerzuspiegeln. Als nach zwölf Jahren Gefangenschaft ein Ereignis eintritt ist es Helen, die ihre Mutter und sich selbst vor dem Vater retten kann, indem sie das vom Vater Erlernte gegen ihn verwendet.

All diese Dinge werden rückblickend und eindringlich erzählt. Die Perspektiven zwischen Gegenwart und Vergangenheit sind gut pointiert platziert. Helen weiß, dass ihr aus dem Gefängnis ausgebrochener Vater sie jagen wird und nur sie kann ihre Familie retten, aber Helen dreht den Spieß um und beginnt mit einer gefährlichen Jagd auf ihren Vater, der sie stets manipuliert hat.

Bevor ich sagen konnte, dass es mir wirklich, wirklich leistet und dass ich bestimmt daran denken würde, in Zukunft vorsichtiger zu sein, und dass ich mir nie, nie wieder auf meinen Daumen schlagen würde, ballte er seine Hand zur Faust und ließ sie auf meinen Daumen niederkrachen. Ein Sternenregen explodierte vor meinen Augen, und ein weißblühender Schmerz schoss mir in den Arm.

Ich wachte auf dem Boden auf. Mein Vater kniete neben mir. Er hob mich hoch, setzte mich auf einen Stuhl und gab mir meinen Löffel. Meine Hand zitterte, als ich ihn nahm. Mein Daumen tat schlimmer weh als unmittelbar nach dem Schlag mit dem Hammer. Ich blinzelte die Tränen weg. Mein Vater mochte es nicht, wenn ich weinte. "Iss". (Zitat)

Diese Geschichte ist eine leise, aber dennoch voller Tempo. Sie ist gewaltgeschwängert, aber nicht bluttriefend, obwohl es blutige Szenen und Morde gibt. Die Spannung knistert von Anfang an und sie wartet immer wieder mit überraschenden Spannungshöhepunkten auf, die zusätzlich dafür Sorge tragen, dass eine kalte, kribbelige Gänsehaut langsam den Rücken des Lesers hinaufkrabbelt.

Fazit und Bewertung:

Die Moortochter ist ein faszinierendes und fesselndes Thriller-Highlight. Ich bin so dankbar für dieses großartige Buch und möchte es am liebsten jedem ans Herz legen.

Karen Dionne erzählt in einer ausdrucksstarken Sprache eine außergewöhnliche, hoch spannende und dramatische Geschichte, die in der wilden Natur von Michigan spielt. Der Wechsel geschickt pointierter Perspektiven, die zwischen der Gegenwart und der Kindheit der Hauptfigur wechseln, produzieren eine knisternde Spannung, die bis zur letzten Seite bestehen bleibt. Großartig.

©nisnis-buecherliebe

Veröffentlicht am 22.07.2017

Babyhandel, Adoption und gekauftes Glück – Spannend und aufwühlend

Besondere Umstände
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Babyhandel, Adoption und gekauftes Glück – Spannend und aufwühlend

Zita Schnyder hat den Master in Psychologie mit Bestnote bestanden und ihren Sohn entbunden, das Leben könnte nicht besser sein. Da wird ...

Babyhandel, Adoption und gekauftes Glück – Spannend und aufwühlend

Zita Schnyder hat den Master in Psychologie mit Bestnote bestanden und ihren Sohn entbunden, das Leben könnte nicht besser sein. Da wird aus dem Waldstädter Krankenhauses ein Baby entführt und Zitas Nachforschungen führen sie in den Geburtsvorbereitungskurs "MamYoga". Ihr Partner, der Commissario Werner Meier, ist derweil komplett überfordert, von seinen Vatergefühlen und vom Mord an einer Sozialarbeiterin. Als das Drama um verschwundene Babys immer grössere Dimensionen annimmt, müssen sich Schnyder&Meier zusammenraufen und in einem Wettlauf gegen die Zeit diesen Fall lösen, der ihnen so nahe geht wie nichts zuvor – ist auch ihr Baby in Gefahr?

Die Autorin:

Gabriela Kasperski absolvierte ein Studium der Anglistik, war als Radio- und TV-Moderatorin und Schauspielerin tätig. Heute schreibt sie Krimis, Romane und Drehbücher, Adaptionen für Film und Fernsehen, bloggt in ihrer Kolumne 45+ zu Alltagsfragen und arbeitet als Sprecherin, Regisseurin und Expertin. Sie pendelt mit ihrem Mann und ihren Kindern zwischen Stadt und Land. (Quelle: Tredition Verlag)

Reflektionen:

Spielend leicht gelingt der Einstig in die Geschichte. Mit einer gehörigen Portion Tempo, prescht man gefesselt durch die Seiten des zweiten Kriminalfalls von Schneyder und Meier.

Die beiden Hauptfiguren, Zita und Kommissar Meier, sind ein so ungleiches Paar, dass Konfrontationen zwischen ihnen stets vorprogrammiert sind. Zita, jung, dynamisch und emanzipiert, pfeffert gern ihre Klamotten in die Ecke, während der harmoniebedürftige Meier die Ordnung liebt. Er liebt Klassik, sie Hip-Hop.

Zita steht kurz vor der Geburt ihres gemeinsamen Sohnes, doch sie plant schon die Rückkehr in den Beruf. Eine Heirat mit Meier lehnt sie rigoros ab, obwohl sie sich heiß und innig lieben. Meier, der es als Führungskraft stets gewohnt ist eigenständige und verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen, prallt bei Zita auf einen Charakter, der kompromisslos und egoistisch Meiers Vorlieben unberücksichtigt lässt.

Zu anfangs empfand ich die beiden ein witziges Paar, aber im Laufe der Handlung
stößt mir Zitas überhebliches und kaltschnäuziges Verhalten gegenüber Meier immer mehr auf. Er darf sie weder Schatz noch Kleine nennen, sie nennt ihn dagegen aber nie beim Vornamen. Während Zita in den schmerzhaften Wehen liegt, wird Zita zur Furie und verletzt den hilflosen Meier sehr. Dieses Verhalten war mir einfach zu überspitzt dargestellt.

Gabriela Kasperski schreibt in einem ansprechenden, geschwinden und flüssigen Stil. Ihr Ausdruck ist sehr klar, sodass man der komplex erscheinenden Handlung gut folgen kann. Komplex erscheint die Handlung zunächst, da zahlreiche Figuren und Nebenschauplätze detailreich beschrieben werden und die Lebensläufe der Protagonisten den Plot extrem verdichten.

Ich mag es sehr gern, wenn eine vielschichtige Geschichte wie hier dicht und kompakt geschrieben ist, doch auf 524 kleingedruckten Seiten ist es mir irgendwann zu viel des Guten. Unter anderen Umständen ist ein wirklich spannender und sehr lesenswerter Kriminalroman, mit interessant gezeichneten Charakteren, aber der dezent vorhersehbaren Story hätte hier und dort durchaus eine Kürzung gutgestanden.

Bis auf einen Mord, ist der zweite Kriminalfall von Schneyder und Meier unblutig. Er dreht sich um Babyhandel, illegale Adoptionen und gekauftes Glück. Emotional und berührend schreibt Gabriela Kasperski über betroffene, kinderlose Paare, die sich nichts sehnlicher als ein eigenes Kind wünschen. Manche Paare gehen in diesem Krimi einen Schritt zu weit und sie scheuen sich nicht, Wege einzuschlagen, die nichts mehr mit der Legalität zu tun haben.

Die spannende Geschichte dreht sich hauptsächlich um die charakterstarken Mütter einer Mama-Yoga Gruppe, die alle sieben in einer Gewitternacht ihre Babys gebären. Eines der Babys wird auf geheimnisvolle Weise entführt. Da auch Zita zu den sieben Frauen gehört, sind sie und Meier sehr nah am Geschehen des Entführungsfalls und sie ermitteln.

Entsprechend des ausufernden thematischen Gesprächsstoffs in der Mama-Yoga-Gruppe, kann ich mir vorstellen, dass ein männlicher Leser weniger Lesespaß mit diesem Krimi empfinden wird, als eine weibliche Leserin. Aber man darf, egal welchen Geschlechts, zahlreiche geschickte Wendungen und Verstrickungen genießen, bis das Finale alles auflösend beendet.

Fazit und Bewertung:

Besondere Umstände ist ein kompakter, emotional aufwühlender und dicht geplotteter Kriminalroman über Babyhandel, Adoption und gekauftes Glück. Fast gänzlich unblutig und ohne grausame Szenen auskommend, stehen Zita und Schneyder und die Mütter einer Mama-Yoga-Gruppe vor dem Rätsel, wer von ihnen eines der Babys entführt haben könnte und vor allem warum.

Besondere Umstände ist ein lesenswerter und spannender Kriminalroman, der sehr gut als "stand alone" gelesen werden kann.

©nisnis-buecherliebe

Veröffentlicht am 14.07.2017

Dirty Cop – Von Respekt bis Verachtung – Spannende Cop-Story über Korruption

Corruption
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New York, North Manhattan: Denny Malone ist einer von 38.000 New Yorker Polizisten. Er ist Elite-Cop, ein Alphatier und gehört zur Special-Task Force, der nur die Besten, die Schnellsten und die Brutalsten ...

New York, North Manhattan: Denny Malone ist einer von 38.000 New Yorker Polizisten. Er ist Elite-Cop, ein Alphatier und gehört zur Special-Task Force, der nur die Besten, die Schnellsten und die Brutalsten angehören. Sie fegen als unverwüstliche Einheit, wie ein Sturmwind durch die Straßen. Zwischen Glitzertürmen mit ihren Condos und alten verkommenen Wohnsilos mit ihren sozialen Problemen, treffen dort zwei Welten und Kulturen aufeinander. Die Task Force, allen voran Denny Malone, bekämpfen in erster Linie Waffen- und Drogengeschäfte nach dem Grundsatz:

Waffen töten und Drogen heizen das Töten an.

Sie handeln nach eigenen Spielregeln und haben ihren Bezirk und das organisierte Verbrechen im Griff, während sich die staatlichen Stellen für das „Wie“ nicht interessieren. Justitia hat sich längst die Augen verbunden, weil sie das Unrecht nicht mitansehen kann. Ja, sie sind Dirty Cops, aber ohne sie würde die Stadt längst brennen. Die Ranghohen entwickeln ihre Karrieren mit Hilde der Erfolge der Task Force, während sie tolerieren, dass die Mächtigen ihre Häuser auf einem Haufen weißen Pulvers errichten.

Dann, Heilig Abend, geht Marlone einen unüberlegten Schritt zu weit und setzt damit sein Leben und das seiner engsten Vertrauten und Freunde aufs Spiel. In einem langen Prozess wird er der Korruption überführt. Das FBI will einen Deal, auf den sich Malone letztendlich aus wichtigen Gründen einlassen muss und dann brennt New York.

Der Autor:

Don Winslow wurde 1953 in der Nacht zu Halloween in New York geboren. Seine Mutter, eine Bibliothekarin, und sein Vater, ehemaliger Offizier bei der Navy, bestärkten ihn schon früh in dem Wunsch, eines Tages Schriftsteller zu werden, vor allem die Geschichten, die sein Vater von der Marine zu erzählen hatte, beflügelten die Fantasie des Autors.

Das Sujet des Drogenhandels und der Mafia, das in vielen von Don Winslows Romanen eine Rolle spielt, lässt sich ebenso mit seinen Kindheitserfahrungen erklären: Seine Großmutter arbeitete Ende der 60er für den berüchtigten Mafiaboss Carlos Marcello, der den späteren Autor mehrere Male in sein Haus einlud.

Jeden Morgen um fünf setzt er sich an den Schreibtisch. Mittags läuft er sieben Meilen, in Gedanken immer noch bei seinen Figuren, um dann am Nachmittag weiterzuarbeiten. Winslow sagt von sich, dass er bislang nur fünf Tage durchgehalten habe, ohne zu schreiben. Es ist eine Sucht, die bis heute ein Werk hervorgebracht hat, dessen Qualität, Vielseitigkeit und Spannung Don Winslow zu einem der ganz Großen der zeitgenössischen Spannungsliteratur machen.

Don Winslow wurde vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Deutschen Krimi Preis (International) 2011 für "Tage der Toten". Für die New York Times zählt Don Winslow zu den ganz großen amerikanischen Krimi-Autoren.

Don Winslow lebt mit seiner Frau und deren Sohn in Kalifornien. (Quelle: Droemer)

Reflektionen:

Der Einstieg in das Kriminal-Epos (weitläufige, ausschweifende Erzählung) gelingt nicht spielend, denn Don Winslow holt weit aus, verliert sich sogar und lässt die Schrauben des Plots stagnieren. Seite um Seite ist das Lesen anstrengend bis ermüdend.

Im Nachhinein betrachtet, werte ich die ersten 200 Seiten als eine gestalterische Inszenierung der Atmosphäre und Spannung, doch das hätte Winslow besser gekonnt. Mit Zunahme der Seitenzahl, etwa ab Mitte des Thrillers, intensiviert sich die Atmosphäre und die Spannung, bis sie auf den letzten Seiten auf einem hohen Level explodieren. Das Durchhalten hat sich gelohnt, obwohl es mich auch ärgert, überhaupt Anstrengung beim Lesen empfinden zu müssen.

"Don Winslows "Corruption" ist faszinierend, ein echter Wurf. Stellen Sie sich "Der Pate" vor, aber mit Cops. So gut ist es." (Zitat: Stephen King)

Steven Kings Zitat passt, aber eben erst ab Mitte der Story.

Police Detective Denny Malone ist ein Alphatier, ein Hero Cop und er ist korrupt. Er beherrscht die Straße, die Kollegen der Task Force, seine Vorgesetzten, aber sein Privatleben nicht. Malone ist kein Sympathieträger, dafür ist er zu gewalttätig, zu bestimmend und zu dreist. Er schmiert Richter und Anwälte, er provoziert und er manipuliert, wenn auch mit dem Ziel Gerechtigkeit einzufordern, wo staatliche Stellen versagen.

Winslow schreibt aus Malones Sicht und entwickelt die Handlung, in dem er Malones Entwicklung zur Korruption szenenabhängig darstellt. So knallhart, brutal und unnachgiebig er und seine Task Force-Kollegen auch vorgehen, sie fordern keine Gefälligkeitszahlungen ein, doch sie nehmen sich alles, was sich ihnen bietet. Sie halten einen Fond, versorgen damit anteilig versehrte Cops und ihre Familien, unterstützen auch sozial Schwache und horten Gelder für die Colleges ihrer Kinder und die Zeit nach ihrer Pensionierung.

„Ich übe recht auf der Straße, wenn ich einen Typ der ein Kind belästigt, eins auf die Glocke gebe, ich übe Recht im Zeugenstand, wenn ich gegen einen Heroindealer falsch aussage, weil er sonst nie verurteilt würde, und ja, ich übe auch Recht, wenn ich diesen Arschlöchern ein bisschen Geld abknöpfe, an das ihr niemals rankommen würdet. Er sagt nur: „Es gibt viele Arten von Recht“.

Die Task Force ist eine Familie mit mafiösen Strukturen. Jeder steht hinter jedem, sie sind die Paten ihrer Kinder und sie sind hundertprozentig verlässlich. Dementsprechend dramatisch wird es, als Malone der Korruption überführt wird und gegen seine Kollegen aussagen soll. Malone stürzt in ein moralisch, komplexes Desaster, das Winslow eindringlich und tragisch schildert. Innere Zerrissenheit wütet in Malone und ihm bleiben nicht viele Möglichkeiten, den Schaden abzuwenden, bevor er droht zur Ratte zu werden.

Don Winslow erzählt eine authentische Geschichte über Korruption, die tragisch brisant und aktuell ist. Die Szenen des Romans, in denen das organisierten Verbrechen wütet, sind erschütternd realistisch dargestellt. Drogenkriminalität, Bandenkrieg, Waffenhandel, Menschenraub und der ewige Rassismus zwischen Schwarzen und Weißen beherrschen das Viertel, in dem die Task-Force agiert.

Bis auf den schleppenden Einstig in die Story schreibt Winslow in hohem Tempo. Knallharte, packende und besonders schlagfertige, aber auch asoziale Dialoge reißen mit und entwickeln den Thriller letztendlich doch noch zu einem Pageturner. Zahlreiche Actionszenen, die mit einer enormen Brutalität einhergehen, sind nichts für zart besaitete Leser, aber sie liefern eine knisternde Spannung, die zum Ende hin immer wieder Spannungshöhepunkte durch Wendungen hervorruft. Als Leser fiebert man mit Malone mit, der den hohen Tieren der staatlichen Behörden entgegentritt und sie mit ihren eigenen Waffen zu schlagen versucht.

Fazit und Bewertung:

Corruption ist zunächst eine Geduldsprobe für den Leser. Wer durchhält, wird mit einer hoch spannenden, moralisch komplexen und intensiven Cop-Story belohnt, die in rasantem Tempo eine authentisch inszenierte Geschichte über Korruption erzählt.

©nisnis-buecherliebe

Veröffentlicht am 09.07.2017

Handlettering mit Liebe geschrieben und gezeichnet

Handlettering: Schöne Schriften - Schritt für Schritt: Anleitungsbuch zu gestalterischen Möglichkeiten im Handlettering und Kalligrafie
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Kleine Kunstwerke aus Buchstaben und Wörtern von Hand mit Liebe geschrieben und gezeichnet. Hand-Lettering ist eine kleine Auszeit mit Stift und Papier. Über die verschiedenen Schriftarten, Materialien, ...

Kleine Kunstwerke aus Buchstaben und Wörtern von Hand mit Liebe geschrieben und gezeichnet. Hand-Lettering ist eine kleine Auszeit mit Stift und Papier. Über die verschiedenen Schriftarten, Materialien, alle Basics und mit praktischen Tipps und Tricks zur Gestaltung führt Katja Haas in die Kunst der schönen Schriften ein. Vorlagen für besondere Anlässe, Übungen, Deko- und Sprücheideen machen dieses Anleitungsbuch zu einer kreativen Fundgrube. Also, ran an die Stifte und losgelettert!

Die Autorin:

Katja Haas ist diplomierte Kommunikations- und Touristikkauffrau. Nach ersten Stationen in der Hotellerie hat sie ihre Liebe zu Grafik und Design entdeckt. Als Quereinsteigerin wechselte sie in eine Werbeagentur und machte dort erste berufliche Schritte als Grafikdesignerin.

Seit 2009 führt Katja Haas ihre eigene Designagentur und gestaltet mit ihrem Label Papier-Liebe edle Papeterie für alle Anlässe – unter anderem mit eigener Letterpress-Technik.

Immer auf der Suche nach neuen Trends für ihre Papeterie-Linien, hat die gebürtige Steirerin das Hand-Lettering für sich entdeckt. (Quelle: Lingen Verlag)

Reflektionen:

Bevor Katja Haas Handlettering-Buch nach ein paar Seiten zu einem reinen Anleitungsbuch wird, habe ich ansatzweise das gefunden was ich gesucht habe, um erste Schritte in der Kunst des Handletterings gehen zu können. Natürlich kann man kurzfristig en masse Vorlagen aus dem Internet beziehen, diese drucken, kopieren und pausen, doch meiner Meinung nach nützt das langfristig alles herzlich wenig, wenn man nicht über ein Mindestmaß an Grundwissen verfügt.

Katja Haas hat in einem federleichten, gut verständlichen Stil einen guten Weg gefunden, eben diese Basics gut und verständlich zu erläutern. Für mich hätte es gern noch ausführlicher und intensiver sein dürfen, aber ich konnte damit einen guten Wissensgrundstein legen.

Die Basics sind zunächst die Anatomie der Buchstaben, was ist Kalligrafie, Typografie, moderne Kalligrafie, Handlettering, Brush-Lettering und Faux Calligraphy.

Eine kleine Vorstellung von Material und Werkzeugen werden direkt mit Produktnamen und Herstellern benannt, aber Malwerkzeuge für ein erstes Lettering findet man durchaus in jedem Haushalt. Es folgen Linienraster und Vorlagen für Aufwärmübungen, die man nicht unterschätzen sollte, denn nur durch ein stetiges wiederholen von Schreibübungen verinnerlicht man den unabdingbaren Schreibfluss.

Katja Haas stellt in ihrem Buch gleich mehrere Alphabete dar, anhand derer man sich einen guten Überblick verschaffen kann. Auch sind im Buch immer wieder leere Seiten mit Linienrastern vorhanden, sodass man direkt im Buch Übungen durchführen könnte. Was mich in diesem Buch stört, sind die zahlreichen, seitenfüllenden Linienraster zum üben, denn so werden von 80 Buchseiten mehr als 10 verschluckt.


Ein ganzes Kapitel widmet Katja Haas dem Schreiben mit der Spitzfeder. Sie erläutert auch hier Material, Werkzeuge, Tinte und Basics und ebenfalls stehen ein Alphabet, Linienraster, Aufwärmübungen und Platz zum Üben zur Verfügung. Interessant sind auch die unterschiedlichen Stilrichtungen, die man mit einer Spitzfeder schreiben und erzielen kann.

Brushpen/Pinselstifte werden ausführlich erläutert und erneut ist Platz zum üben und aufwärmen vorhanden.

Auf den folgenden Seiten werden ein paar wenige Schnörkel (Flourishing) abgebildet und auch die dekorativen Elemente wie Herzen, Blumen, Kränze, Pfeile und wieder Schnörkel, stellen nur eine sehr geringe Auswahl dar. Wer Schmuckelemente und Verzierungen sucht, findet im Internet eine schier unerschöpfliche Auswahl vor. Gut gefallen hat mir die Schritt für Schritt Anleitung Banner zu zeichnen, denn an ihnen scheiterte ich immer wieder aufs Neue.

Katja Haas zeigt auch alternative Linienraster, um zum Beispiel in einem Kreis zu schreiben, schräg oder auch in einem Herz. Bounce-Lettering (tanzende Buchstaben), Blending mit Watercolor-Brushpen und zusätzliche Effekte werden ebenfalls kurz angerissen.

Schön dargestellt ist das sogenannte Blocking. Dabei skizziert sie mit Bleistift, wie das spätere Handlettering in Blöcken, Kästchen und Bannern vollendet werden soll.

Abschließend folgen Beispiele für das Zeichnen von Monogrammen und dann wird gebastelt. Die Autorin liefert Praxisbeispiele und gibt Anleitungen für Geschenkanhänger, Glückwunschkarten, Namenskärtchen, Tischnamen, Wimpelketten und Cake Topper.

Katja Haas nennt ihre Kapitel Praxisbeispiele, die man absolut als Anleitungen verstehen darf und Schritt für Schritt laden diese Ausführungen zum Nachmachen ein.

Dieses Buch bietet einen guten Überblick von den gestalterischen Möglichkeiten des Handletterings und der Kalligraphie. Natürlich kann auch Katja Haas auf den wenigen Seiten nicht speziell und ausführlich in jedes Thema tief einsteigen, aber dieses Buch zeigt auf vielfältige Weise, was man mit Buchstaben alles zaubern kann, sodass ein Handlettering-Newbie dieses Buch als Inspirationsquelle für sich nutzen kann.

Fazit und Bewertung:

Wer sich einen Überblick von den gestalterischen Möglichkeiten des Handletterings verschaffen möchte, dem dient dieses Buch als gute Inspirationsquelle. Neben den Basics, den zahlreichen Linienrastern, Alphabeten, Übungen und Anleitungen hält man ein liebevoll gestaltetes Buch in Händen, mit dem man für ein erstes Lettering bestens gerüstet durchstarten kann.

©nisnis-buecherliebe

Veröffentlicht am 07.07.2017

Handlettering – Buchstabenkunst

Handlettering: 20 Postkarten mit Motiv-Vorlagen zum Selbstgestalten
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Handlettering von a bis z ist ein kunstvoll gestaltetes Buch mit persönlicher Note der Designerin Hannah Rabenstein. Wer das Handlettering erlernen möchte und wer vor allem ein Gefühl für den Ausdruck ...

Handlettering von a bis z ist ein kunstvoll gestaltetes Buch mit persönlicher Note der Designerin Hannah Rabenstein. Wer das Handlettering erlernen möchte und wer vor allem ein Gefühl für den Ausdruck und die Schönheit der Buchstaben erlangen möchte, ist mit diesem Buch gut aufgehoben.

Stupide Anleitungen, Schritt für Schritt Anleitungen zum Nachmachen oder Worksheets und findet man in diesem Buch nicht, wohl aber ein paar wertvolle Insider-Tipps, gute Erläuterungen der Basics, ein ausführliches Kapitel über die Papeterie und besonders schön ins Licht gerückte Fotografien.

Dieses Buch ist eher eine kunstvolle Darstellung Hannah Rabensteins Arbeiten und ihres Werdegangs, als dass es ein Buch zum Durchstarten mit dem neuen Hobby Handlettering ist. Aber es vermittelt eine Emotionalität zu der Kunst der schönen Buchstaben.

Die Autorin:

Hannah Rabenstein ist eine selbstständige Designerin aus Nürnberg. Sie studierte Design in Nürnberg und erhielt von ihren Kommilitonen den Spitznamen „Typo-Hannah“, da ihre Faszination zu allem was auch nur im Entferntesten mit Schrift und Buchstaben zu tun hat, so offensichtlich war. Hannah blieb in Nürnberg und reist von dort aus für Jobs, Aufträge und Workshops um die Welt.

Reflektionen:

Handlettering von a bis z ist ein Werk mit einer sehr persönlichen Note. Auch wenn dieses Buch alle Ansprüche erfüllt, Handlettering für den Anfänger greifbar zu machen und ihn beim Erlernen dieser besonderen Kunst mit kompakten Basics zu unterstützen, so ist es auch die persönliche Geschichte und Entwicklung der Designerin Hannah Rabenstein, die dem Leser anschaulich erzählt wird.

Hannah Rabenstein schreibt von sich, von ihren Skizzen und Arbeiten. Wie sie sich entwickelt hat, wie sie ihren anmutigen Blick auf das geschriebene Wort oder auf einzelne Buchstaben lenkt und wie sie inspiriert wird. Während ihres lockeren, süffigen und interessanten Erzählstils, lässt sie Tipps und fachliches Know-How einfließen, wovon jeder Handlettering-Interessierte profitiert. Es gibt keine stumpfen Anleitungen und Worksheets, wie sie derzeit den Markt überfluten. Hannah Rabenstein gewährt durch einzelne Arbeiten und fotografisch festgehaltene Schritte einen Blick auf die Entstehung von einzelnen Letterings, an denen der Leser als Zuschauer teilhaben und auch lernen kann.

Dieses Buch hebt sich besonders schön von anderen modisch in Szene gesetzten Handlettering-Büchern ab. Hannahs fließende Texte und ihre kunstvoll fotografierten Werke machen dieses Buch zu einem gesamthaften Kunstwerk. Überfliegt man dieses Buch nur, könnte man auch annehmen, der Fotograf sei der Künstler, dessen Werke hier abgelichtet bestens ins Licht gerückt sind.

Hannah Rabenstein erläutert die Anatomie der Buchstaben und sie gewährt einen Blick auf vielfältige Schreibwerkzeuge, von Brushpen und Feder, und Materialien, von Papier bis Glas. Sie erläutert, welche sie favorisiert und aus welchem, nachvollziehbaren Grund.

Vor der Designerin Hannah Rabenstein ist keine Oberfläche sicher. Nichts ist unmöglich, schreibt und zeigt sie. Wer gern einen Blick auf ihre außergewöhnlichen Kunstwerke werfen möchte sollte sie auf ihrer Homepage, auf Facebook oder Instagram bestaunen.

Aller Anfang, heran spaziert nennt sie ihr Beginnen. Die Ablichtungen ihrer Skizzen allein sind ein Augenschmaus und sie setzt für ihren Beruf und das Hobby Handlettering, die Liebe dazu voraus. Nichts klappt aus dem Eff Eff, nur eine tägliche Dosis Übung und Wiederholung können die eigene Kompetenz schulen. Der Flow, schreibt sie weiter, berühmt berüchtigt, setzt nur ein, wenn dem Gelingen ein Misslingen vorausgegangen ist. Im Kapitel Trick 17 plaudert sie aus dem Nähkästchen, unter anderem davon wieviel Kaffee ihre zeichnende Hand zitterfrei bleiben lässt.

Ein großzügig angelegtes Kapitel widmet Hannah Rabenstein der Papeterie. Mit ihm ist es ein leichtes wirklich anspruchsvoll wirkende Glückwunsch-, Tisch- oder Grußkarten zu gestalten, die weder kostspielig noch aufwendig in der Umsetzung sind. Bei den Tischkärtchen verrät Hannah Rabenstein nicht nur ihre favorisierten Farbkombinationen, sondern auch, dass sie sich bei jedem Namens-Layout Gedanken um den jeweiligen Charakter der Person macht und das Design entsprechend kreiert. Allein darin, wie sie dies beschreibt, spürt man die Emotionalität mit der sie ihrer Liebe zu den Buchstaben Ausdruck verleiht.

Besonders interessant und bewundernswert sind ihre ausgewählten Materialen, auf denen sie bereits ihre Kunstwerke hinterlassen hat. Ob Stoff und Jeans, altes Kartenmaterial, Schaufenster, Tafeln, Hochzeitsschuhe, Naturprodukte und alter Sessel, auf diesen Bildern kann das Auge des Lesers lange genussvoll verweilen.

Fazit und Bewertung:

Handlettering von a bis z ist ein kunstvoll gestaltetes Buch mit persönlicher Note der Designerin Hannah Rabenstein. Wer das Handlettering erlernen möchte und wer vor allem ein Gefühl für den Ausdruck und die Schönheit der Buchstaben erlangen möchte, ist mit diesem Buch gut aufgehoben.

Stupide Anleitungen, Schritt für Schritt Anleitungen zum Nachmachen oder Worksheets und findet man in diesem Buch nicht, wohl aber ein paar wertvolle Insider-Tipps, gute Erläuterungen der Basics, ein ausführliches Kapitel über die Papeterie und besonders schön ins Licht gerückte Fotografien.

Dieses Buch ist eher eine kunstvolle Darstellung Hannah Rabensteins Arbeiten und ihres Werdegangs, als dass es ein Buch zum Durchstarten mit dem neuen Hobby Handlettering ist. Aber es vermittelt eine Emotionalität zur Kunst der schönen Buchstaben.

Leseempfehlung.

©nisnis-buecherliebe