Aufbruch und Schicksalsjahre im goldenen Zeitalter der Niederlande
Gold und EhreMit einem spektakulären Experiment der beiden Cousins Theo und Benjamin während eines Gewitters in Amsterdam beginnt dieser historische Roman. Doch sollte bald ein viel „größeres Gewitter“ nicht nur unsere ...
Mit einem spektakulären Experiment der beiden Cousins Theo und Benjamin während eines Gewitters in Amsterdam beginnt dieser historische Roman. Doch sollte bald ein viel „größeres Gewitter“ nicht nur unsere experimentierfreudigen Freunde, sondern auch die Stadt Amsterdam erschüttern: Die Oranier erklären den Amsterdamern den Krieg und das Experiment verunglückt, so dass Theo gezwungen ist sein Glück als Schiffsarzt zu suchen und Benjamin als Architekt nach Hamburg geschickt wird.
Wir folgen unseren Protagonisten ins spannende 17. Jahrhundert. Diese Zeit ist geprägt vom Konflikt um die Freiheit Amsterdams vor der Oberherrschaft durch die Oranier, aber auch von den Kriegen zwischen Holland, den Engländern und später den Franzosen. Die Auseinandersetzungen dieser Zeit werden sehr anschaulich geschildert. Mit Benjamins Hilfe erzählt Sabine Weiß aber auch davon, welche großartigen Bauten in Hamburg und in Amsterdam neu geschaffen wurden. Sie erläutert die Strukturen der einzelnen Handwerksgewerke und macht verständlich, wie schwer es für Theo und Benjamin war, sich zu behaupten und sich auf einem Schiff unterzuordnen oder in einer neuen Stadt Fuß zu fassen. Intrigen und Verrat scheinen an der Tagesordnung gewesen zu sein.
Sabine Weiß hat die Charaktere der einzelnen Handlungsstränge mit Bedacht ausgewählt. Theo steht - als Schiffsarzt - für die Seefahrernation der Niederländer. Wir begleiten ihn auf seinen Reisen bis in die Neue Welt und schlagen so manche Seeschlacht mit ihm gemeinsam. Benjamin - als Architekt – steht für die grandiose Baukunst der Niederländer im damaligen goldenen Zeitalter. Ich gebe es ungern zu, aber Hamburg war im Verhältnis zu Amsterdam damals noch Provinz. Und so muss sich der junge Benjamin nicht nur in Hamburg beweisen, sondern ist auch am Bau des Hamburger Michels beteiligt. Hier lernt er die taffe Lucia kennen. Im Gegensatz zu Benjamin, der aus guten Verhältnissen stammt, steht Lucia für die Bevölkerungsschicht, die jeden Tag ums Überleben kämpfen muss, hinzukommt, dass sie zur damaligen Zeit, als intelligente Frau, eigentlich keine Möglichkeiten hat sich zu beweisen. Als vierten tragenden Charakter hat Sabine Weiß mit Samuel, den Onkel von Theo und Benjamin erschaffen. Er steht für einen reichen Kaufmann mit Ambitionen zum Adel. Mit Hilfe seiner Figur werden die zahlreichen diplomatischen Verwicklungen der Königshäuser in Europa, aber auch die Intrigen am Hof der Oranier deutlich beschrieben. Jeder für sich alleine und teilweise auch gemeinsam haben sie einiges zu erleben und durchzustehen. Der ständige Wechsel der Handlungsstränge erhöht entsprechend die Spannung.
„Gold und Ehre“ ist der zweite Teil einer Reihe, die sich mit dem goldenen Zeitalter der Niederlande beschäftigt. Ich habe den ersten Teil „Die Krone der Welt“ nicht gelesen. Jeder Band für sich bildet eine in sich abgeschlossene eigene Geschichte. Es ist nicht nötig, aber durchaus empfehlenswert, vorab den ersten Band zu lesen, da viele Konflikte aus dem ersten Teil auch in die nächsten Generationen weitergetragen werden. Vielleicht hätten ein kurzer geschichtlicher Exkurs und ein Hinweis auf die Familiengeschichte zu Beginn des Romans etwas geholfen. Gut ist ein Personenregister zu Beginn, welches für den nötigen Überblick über die Protagonisten sorgt.
In ihren historischen Romanen verbindet Sabine Weiß geschickt diverse Lebensläufe mit den breit gefächerten Handlungssträngen und dank ihres gekonnten, flüssigen und ausdrucksstarken Schreibstils zieht sie den Leser immer mehr in den Bann. Durch ihr Studium der Geschichte sind die historischen Details sehr gut eingearbeitet und bilden eine perfekte Mischung aus realer Historie und spannender Fiktion, wobei die Grenzen zwischen Wahrheit und erfundener Handlung fließend sind. Sabine Weiß ist die detailgetreue Darstellung der historischen Geschichte in diesem Zeitalter sehr wichtig, wodurch ich sehr viel über die Geschichte der damaligen Zeit gelernt habe. Gleichzeitig nimmt die Autorin mit der fiktiven Geschichte den Leser emotional gefangen, wobei ich mir zum Schluss gerne noch ein paar mehr Seiten für die fiktive Geschichte gewünscht hätte. Aber das Buch gibt Raum für einen Fortsetzungsroman, in dem sicherlich an der fiktiven Geschichte weitergesponnen wird.
Fazit:
„Gold und Ehre“ ist ein abwechslungsreicher, gut ausgefeilter historischer Roman und bietet einige Überraschungen. Sabine Weiß gelingt es überzeugend, den Leser zu fesseln und auf eine emotionale Reise mitzunehmen. Die historistischen Details, gekonnt verpackt in einer fiktiven Geschichte, haben mich sehr gut unterhalten und mir einen schönen Einblick in das Leben dieser Epoche gewährt.
„Gold und Ehre“ macht deutlich Lust auf mehr und ich kann es kaum erwarten, einen Fortsetzungsroman in meinen Händen zu halten.