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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.08.2023

Auf der Suche nach der verschwundenen Schwester

Luca
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Nachdem Luca im Arm ihrer Mutter den Abend auf der Veranda verbracht hat, bei dem ihre Schwester die ganze Zeit nur traurig in den Sternenhimmel hinauf geblickt hat, ist diese am nächsten Morgen verschwunden. ...

Nachdem Luca im Arm ihrer Mutter den Abend auf der Veranda verbracht hat, bei dem ihre Schwester die ganze Zeit nur traurig in den Sternenhimmel hinauf geblickt hat, ist diese am nächsten Morgen verschwunden. Das geliebte grüne Amulett der Schwester hat sie ihr hinterlassen. Auf der Suche nach der geliebten Schwester wandert Luca durch eine leere Stadt, die der Regen beweint. Das Amulett ihrer Schwester führt sie zu einem Brunnen, in den Luca hinabstürzt und in einer wundersamen Welt der Düsternis landet. Luca ahnt, dass wenn es einen Ort auf der Welt gibt, an dem ihre Schwester ist, es vermutlich der dunkle Grund des Brunnens ist.

Ich habe dieses Buch in einer Verlagsvorschau von Jacoby & Stuart gesehen und beim Anblick des Covers sofort vorbestellt. Als es dann endlich geliefert wurde, war ich direkt fasziniert von den kraftvollen Illustrationen. Es ist eine kurze aber intensive Geschichte, die an „Alice im Wunderland“ erinnert. Bereichert wird die Story um die Entstehungsgeschichte des Buches, die auch Anhänge für Hilfesuchende von Depressionen beinhaltet, denn aus einer solchen ist laut der Autorin die Idee für dieses Buch entstanden.

Veröffentlicht am 06.08.2023

Ein mürrischer alter Protagonist mit viel verstecktem Charme

Ein Mann namens Ove
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Ein Mann namens Ove, das ist nicht so einer, der erzählt, was andere tun oder im Wohngebiet Auto fährt. Ein Mann namens Ove, das ist einer, der Saab fährt und für den Recht auch Recht bleiben muss.
Jeden ...

Ein Mann namens Ove, das ist nicht so einer, der erzählt, was andere tun oder im Wohngebiet Auto fährt. Ein Mann namens Ove, das ist einer, der Saab fährt und für den Recht auch Recht bleiben muss.
Jeden Morgen steht Ove auf und dreht eine Runde durch die Wohnsiedlung. Überprüft, ob auch keine fremden Autos auf dem Parkplatz parken, ob die Garage verschlossen ist und keiner irgendeinen Unsinn veranstaltet. Da Ove aber seiner Meinung nach der Einzige ist, der keinen Mumpitz macht, dauert es auch nicht lange, bis der Unfug Einzug hält in der Wohnsiedlung – in Form der schwangeren Pavaneh, zwei Kindern und dem Trottel, der das Schild nicht lesen kann, welches das Autofahren im Wohngebiet verdammt nochmal verbietet. Und die bringen das Leben des ständig unzufrieden wirkenden Ove ganz arg durcheinander!

Über dieses ganz Buch darf man eigentlich nicht zu viel verraten. Man muss es unweigerlich selbst entdecken und den versteckten Charme in der Zugeknöpftheit der mürrischen Hauptfigur zutage fördern.

Immer wieder erfährt man in Rückblenden über Oves früheres Leben, bis die Romanhandlung wieder ins Jetzt schwingt und dabei Menschen in Oves Leben schwemmt, die alles ganz arg falsch machen und unweigerlich Hilfe brauchen, die der alte Zausel ihnen aber gar nicht geben will. Es ist urkomisch, traurig und stellenweise tragisch.


Mir wurde das Buch von einer Kollegin empfohlen, nachdem ich davon erzählt habe, dass ich Alina Bronskys „Barbara stirbt nicht“ gelesen habe und es zwischendurch mal ganz amüsant finde über verschrobene alte Männer zu lesen. Meine Kollegin tat gut daran mir einen Mann namens Ove vorzustellen, und ich muss sagen, es war eine ganz wundervolle Begegnung!

Veröffentlicht am 06.08.2023

Ein kurzweiliges und schönes Lesevergnügen

Baba Dunjas letzte Liebe
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Baba Dunja lebt in Tschernowo, wenige Kilometer vom berühmten Reaktorunglück Tschernobyl entfernt. Die Dorfgemeinschaft besteht aus eigenwilligen Menschen, die sich selbst versorgen und nur wenig auf die ...

Baba Dunja lebt in Tschernowo, wenige Kilometer vom berühmten Reaktorunglück Tschernobyl entfernt. Die Dorfgemeinschaft besteht aus eigenwilligen Menschen, die sich selbst versorgen und nur wenig auf die Außenwelt angewiesen sind. Darum läuft die Zeit in Tschernowo auch ein wenig anders. Ungeduld kennt man hier nicht. Überhaupt ist in Tschernowo so manches anders, wie der Biologie und die Fernsehteams erklären, die von draußen kommen. Fremde kommen ansonsten selten in das abgeschiedene Dorf. Die einzigen Gelegenheiten, zu denen Baba Dunja in den weit entfernten Nachbarort fährt, ist wenn ihre Vorräte wie Zucker oder Öl ausgehen. Ungern nur verlässt sie Tschernowo, doch die seltenen Tagesreisen geben ihr die Gelegenheit Post von ihrer Tochter zu erhalten, die in Deutschland wohnt und über die Enkelin berichtet, die Baba Dunja noch nie getroffen hat.
Eines Tages kommen Fremde ins Dorf, die das ganze zurückgezogene Gefüge in Tschernowo gehörig durcheinanderbringen.

Alina Bronsky hat mit “Baba Dunjas letzte Liebe” einen kurzweiligen Roman verfasst, der ein ganz eigenes Tempo mitbringt, das einen beim Lesen richtiggehend entschleunigt. Schön, manchmal poetisch und wie die Bewohner Tschernowos auf seine Weise irgendwie anders.

Veröffentlicht am 06.08.2023

Ein sehr interessanter japanischer Klassiker der Neuzeit!

Der Schlüssel
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Zwei langjährig verheiratete Eheleute liefern sich in diesem Buch einen Schlagabtausch aus Tagebucheinträgen. Der Ehemann führt seit Jahren schon Tagebuch und vermutet, dass seine Gattin es heimlich liest. ...

Zwei langjährig verheiratete Eheleute liefern sich in diesem Buch einen Schlagabtausch aus Tagebucheinträgen. Der Ehemann führt seit Jahren schon Tagebuch und vermutet, dass seine Gattin es heimlich liest. Seit dem Neujahrstag jedoch schreibt er seine geheimsten sexuellen Sehnsüchte in seinem Tagebuch nieder, erstmals lässt er den Schlüssel zu dem Tagebuch offen liegen als latente Aufforderung, dass die Frau seine Gedanken lesen solle. Nun fängt auch erstmals die Frau an Tagebuch zu schreiben, beteuert in ihren Abschriften allerdings, dass sie das Tagebuch entgegen der Vermutung ihres Mannes noch nie gelesen haben wolle, obgleich sie um die Gelegenheit weiß.
Die Eheleute beginnen ein Spiel umeinander, das auch Außenstehende in ihre Lustbarkeiten involviert und sie mehr von den moralischen Vorstellungen entfernt wie ein Mann und seine Frau zu sein haben.

Das war eine ungewöhnliche Leseerfahrung für mich, abwechselnd diese Tagebucheinträge zu lesen und dabei nicht zu wissen, ob die jeweiligen Eintragenden, der Mann oder die Frau, in ehrlicher Weise ihren Tagebüchern die persönlichsten Gedanken anvertrauen oder ob sie ein Spiel miteinander treiben, um sich gegenseitig aufzustacheln.
Die Perversion, über die man sich zum Erscheinen 1956 in diesem Werk von Jun'ichirō Tanizaki empört hat, haben heute definitiv ihre Brisanz verloren, und doch habe ich auch in der Jetzt-Zeit die Übergriffigkeit durchaus wahrgenommen und die Manipulation der Eheleute.
Ein überaus interessantes Stück japanischer Literatur!

Veröffentlicht am 06.08.2023

Mein Lesetipp ist dringend, denn diese Lektüre ist brennend aktuell!

Die Wut, die bleibt
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„Haben wir kein Salz“ Kein Fragezeichen, nicht mal ein Blick in ihre Richtung. Es ist diese eine Forderung zu viel. Mitten im Corona-Lockdown wirft sich Helene, Mutter dreier Kinder, vom Balkon. Es ist ...

„Haben wir kein Salz“ Kein Fragezeichen, nicht mal ein Blick in ihre Richtung. Es ist diese eine Forderung zu viel. Mitten im Corona-Lockdown wirft sich Helene, Mutter dreier Kinder, vom Balkon. Es ist diese eine Forderung zu viel, die sie das alles nicht mehr ertragen lässt.

Zurück bleiben Ehemann Johannes, Tochter Lola, die zwei kleinen Söhne und Helenes beste Freundin Sarah. Zurück bleibt neben der Ratlosigkeit aber vor allem auch Wut. Wut auf ein System und eine Gesellschaft, die von Frauen über die Grenzen der Belastbarkeit eines Menschen fordert, auflastet und auslaugt bis eine nicht mehr kann.

Alle Hinterbliebenen müssen in diesem Buch ihren Weg finden, nicht nur mit dem Schmerz des Verlusts einer Mutter und Freundin umzugehen, sondern auch wie sie künftig weiterleben wollen.

Mehr will ich euch zum Inhalt nicht verraten. Das Buch ist eine furiose Wucht, die ihr selbst entdecken sollt. Lest dieses Buch! Es macht was mit euch, rüttelt und schüttelt euch. Für mich war es bereits im ersten Jahresviertel eines meiner Lesehighlights 2022!