Ein schmales aber prägnantes Buch, das jede:r lesen sollte!
Das EreignisDie Studentin Annie, 23-jährig zu dem Zeitpunkt, entdeckt dass sie schwanger ist. In Tagebucheinträgen von der Erkenntnis bis zur Abtreibung und Notizen mit 30-jährigem Abstand zum Ereignis lässt sie Leser:innen ...
Die Studentin Annie, 23-jährig zu dem Zeitpunkt, entdeckt dass sie schwanger ist. In Tagebucheinträgen von der Erkenntnis bis zur Abtreibung und Notizen mit 30-jährigem Abstand zum Ereignis lässt sie Leser:innen ihren Weg verfolgen. Sie weiß, wenn sie ein uneheliches Kind zur Welt bringt, wird sie fortan nicht nur gebranntmarkt sein, sondern auch alles bisher Erreichte verlieren, was sie als Kind aus Arbeiterklasse überwunden hat. Aber sie muss es erzählen, denn «Wenn ich diese Erfahrung nicht im Detail erzähle, trage ich dazu bei, die Lebenswirklichkeit von Frauen zu verschleiern, und mache mich zur Komplizin der männlichen Herrschaft über die Welt.»
Es ist ein autofiktionales Zeugnis, das jedoch für so viele Frauenbiografien der Länder Europas in den 1960er Jahren steht, in denen der Schwangerschaftsabbruch illegal ist (und bis in die Mitte der 70er Jahre bleibt).
Annie ist auf ihrem Weg allein, denn der Erzeuger des ungewollten Kindes zeigt ein absolutes Desinteresse an der Lage, an der er ja nun eine Teilschuld trägt. Die Studentin versucht jemanden zu finden, der die Schwangerschaft beenden kann, gleichzeitig überlegt sie sich Methoden, die sie selbst anwenden kann. Von den Ärzten jener Zeit erhält sie keine Hilfe in ihrem Sinne. Als sie eine sogenannte Engelmacherin endlich ausfindig macht, führt diese gegen eine vereinbarte Summe den Abbruch durch.
Die eindringliche Schilderung, welche auf den nächsten Seiten folgt, lässt sich mir die Nackenhaare aufstellen. Dem gegenüber steht die Aussage, «Ich hatte in der Toilette des Wohnheims gleichzeitig ein Leben und einen Tod zur Welt gebracht.» Diese plastische Erzählung im Wechsel mit der Poesie, die Annie Ernaux in „Das Ereignis“ schildert, sind eine schiere Achterbahnfahrt der Empfindungen. Es ist defininitiv kein leichtes Buch. Diese Lektüre lässt einen froh sein um die Rechte, die seitdem erstritten wurden. Gleichzeitig lässt sich in der Behandlung der Mitmenschen um die Annie jener Zeit noch immer Verhalten und Ansichten erkennen, das bis in unsere Gegenwart anhält und zeigt, das der Kampf um den weiblichen Körper noch immer anhält.