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Veröffentlicht am 30.07.2023

Was für ein Leseerlebnis: Woman of Color meets Casual Dating meets Racism meets Mental Meltdown

Queenie
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Als ihr weißer Freund Tom eine Auszeit braucht, glaubt Queenie, dass höchstens ein paar Wochen vergehen werden, bis die beiden wieder „richtig“ zusammen sind. Bis dahin wird sie die Übergangszeit in der ...

Als ihr weißer Freund Tom eine Auszeit braucht, glaubt Queenie, dass höchstens ein paar Wochen vergehen werden, bis die beiden wieder „richtig“ zusammen sind. Bis dahin wird sie die Übergangszeit in der schmuddeligen neuen WG schon überstehen – ist ja nur vorübergehend. Diese vorübergehende Zeit füllen Queenie und ihr geringes Selbstbewusstsein mit unbedeutenden One Night Stands, die sich in London und im Online-Dating so ergeben, die jedoch nicht mal richtig erfüllend sind. Nicht nur Queenie fragt sich mehr als einmal, ob sie das eigentlich selbst überhaupt will, denn sie lässt da ziemlich schräge Typen in ihre Unterwäsche; leidenschaftslose Typen, die Queenie als Woman of color wie einen Fetisch objektisieren und sie regelrecht degradieren mit ihren sexuellen Neigungen. Während Queenie leidend darauf wartet, dass Tom sich endlich wieder meldet, geht es allerdings auch im Job in der Redaktion bergab. Abgelenkt von ihrem Trennungsschmerz schafft sie kaum ihr Tagespensum und lenkt gleichzeitig Darcy von deren Arbeit ab. Nebst den unerfüllten Beischläfern sind aber ihre besten Freundinnen Darcy, Kyazike und Cassandra diejenigen, die ihr durch diese unerträgliche Zeit helfen. Als dann aber ihre derzeitige Situation und die Vergangenheit gleichzeitig auf Queenie einwirken, droht ihr Leben in einem Trümmerhaufen zu explodieren, und sie braucht mehr als ihre Freundinnen, damit ihr Leben wieder in Ordnung kommt.


Diese 500 dramatische Seiten lesen sich alles andere als leicht, denn die Destruktivität von Queenies Geschichte ist trotz dem Humor, mit dem sie und ihre Freundinnen der Welt begegnen, deprimierend. Dennoch konnte ich es nach jeder Unterbrechung nicht erwarten weiterzulesen, um zu wissen wie Queenies Geschichte ausgeht, auch wenn die Protagonistin mit ihren üblen Entscheidungen sich selbst gegenüber mir manchmal echt auf die Nerven ging. Es geht um Traumata, um (Alltags-)Rassismus, Familie und Freundschaft, und mit Queenies Sicht nach innen wird einem als Leser auch mehr und mehr klar, warum Queenie so vieles mit sich machen lässt, bestimmte Verhaltensweisen an den Tag legt und gar nicht anders kann als so zu sein wie sie ist. Kann ich das Buch jedem uneingeschränkt empfehlen? - Nö. Viele werden sich die Haare raufen, hab ich ja auch ein bisschen. Mich hats aber herrlich unterhalten, was nicht nur an Kyazikes lockerer Art und ihrem ugandischen Slang lag (sie war definitiv meine Lieblingsfreundin in Queenies Geschichte!). Macht euch am besten selbst ein Bild!

Veröffentlicht am 30.07.2023

Ambivalente Geschichte um einen bettelarmen Jungen

Super reich
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Rupert Brown hat so viele Geschwister, dass die Eltern den Überblick verloren haben. Die Mutter arbeitet den ganzen Tag als Putzfrau und verdient gerade genug, um die Miete zu bezahlen. Ruperts Vater bringt ...

Rupert Brown hat so viele Geschwister, dass die Eltern den Überblick verloren haben. Die Mutter arbeitet den ganzen Tag als Putzfrau und verdient gerade genug, um die Miete zu bezahlen. Ruperts Vater bringt abends regelmäßig Essensreste mit, die er im Müll oder sonst wo findet. Den Kindern gegenüber erhebt die Mutter auch mal die Hand, andererseits kann sie auch liebevoll sein. Mit seinen zehn Jahren hat Rupert nicht nur zu Hause gelernt sich unauffällig durch die Welt zu bewegen, möchte er doch nicht, dass in der Schule bekannt wird wie bettelarm seine Familie wirklich ist.

Auf die warme Schule freut Rupert sich immer, denn nebst Hunger ist Kälte sein ständiger Begleiter, denn er besitzt nur wenig Kleidung und friert eigentlich ständig. In der Vorfreude auf die Wärme des Klassenraums bemerkt Rupert, als er am Morgen zur Schule läuft, nicht dass Weihnachten ist und die Schule zu hat. Frierend läuft er wieder nach Hause und wird beim Vorbeilaufen am Haus der Rivers, der reichsten Familie der Stadt, durch einen unglücklichen Zufall auf das Grundstück befördert, wo Rupert von dem gleichaltrigen Turgid Rivers mit ins Haus genommen wird und zur Wiedergutmachung am Weihnachtsessen teilnehmen darf. Dort lernt er die Familie kennen, und im Laufe der nächsten Wochen kommt er immer wieder mit einzelnen Familienmitgliedern zusammen und erlebt reichlich verrückte Abenteuer, bei denen er den ihnen in einer persönlichen Sache zur Hand geht.


Zu diesem Buch habe ich gemischte Gefühle. Durch „Der Nachtgarten“ bin ich mit dem Stil von Polly Horvath vertraut und mag ihre phantasievollen Erzählungen mit dieser typischen Prise Skurrilität sehr gerne. Jedoch bereits auf den ersten Seiten war ich erschrocken von häuslicher Gewalt zu lesen. Zudem spielt Horvath bei den einzelnen Zusammenkünften mit den Angehörigen dieser super reichen Familie immer wieder mit den Hoffnungen ihres Protagonisten in Aussicht auf die eigene Wunscherfüllung, die Rupert nie erfüllt wird.

Dieses Buch wird nicht jedes Kind für sich allein lesen können, denn wenn ich resümiere wie verwirrt und enttäuscht ich nach der letzten Seite da stand, kann ich mir nur bedingt ausmalen wie das für ein Kind der empfohlenen Altersstufe wäre. Wofür sich diese Geschichte auf jeden Fall eignet, ist Mitgefühl zu entwickeln, denn man kann gar nicht anders Ruperts Zustand nachzufühlen und möchte das Buch anschreien, diesem armen Kind doch endlich seinen wohlverdienten Burger essen zu lassen.

Veröffentlicht am 30.07.2023

Korea, rückständig modern

Kim Jiyoung, geboren 1982
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Kim Jiyoung, geboren 1982, hat eine ältere Schwester und einen jüngeren Bruder. Wie gut, dass ihre Eltern am Ende doch noch einen Sohn bekommen haben, wurde ja schließlich auch „nachgeholfen“... Jiyoung ...

Kim Jiyoung, geboren 1982, hat eine ältere Schwester und einen jüngeren Bruder. Wie gut, dass ihre Eltern am Ende doch noch einen Sohn bekommen haben, wurde ja schließlich auch „nachgeholfen“... Jiyoung und ihre Schwester bekommen bereits früh mit, dass Jungs gegenüber Mädchen der Vorzug gegeben wird. Die Mädchen wachsen in einer latent misogynen Gesellschaft auf, die zwar in vielseitiger Hinsicht von Frauen profitiert, ihnen aber die Anerkennung verwehrt, die sie verdient haben. Von der Kindheit über das Studium bis zur Berufswahl wird Jiyoung mit Entscheidungen über Abstriche ihrer Qualifikationen konfrontiert, um dann von äußeren Erwartungen doch in vorgezeichnete Bahnen zur Mutterschaft gedrängt zu werden, nur um zu erkennen, dass auch diese als ungenügend bewertet wird.


Kein reiner Roman, würde ich dieses Buch eher als Sachbuch-Roman bezeichnen. Die Geschichte Jiyoung Kims, die für Abertausende Südkoreanerinnen steht, ist immer wieder angereichert mit Fakten und Quellenangaben in Form von Fußnoten. Beim Lesen baut sich ein Gefühl von Enttäuschung über die permanente Ungerechtigkeit auf. Die letzte Episode des Buches lässt einen mit Wut im Bauch zurück, dass selbst die Verständigen dieser Gesellschaft es nicht verstehen wollen. Wie schafft man es in der Aneinanderreihung persönlicher Erlebnisse dieser frauenverachtender Art nicht verrückt zu werden? - Selbst herausfinden in diesem gemischten und empfehlenswerten Leseerlebnis!

Veröffentlicht am 30.07.2023

Über Beziehungen in all ihren leuchtenden und hässlichen Farben

Dunkelgrün fast schwarz
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Wie beschreibe ich dieses Buch am besten? Wie kriege ich meine vielen Emotionen, die diese Geschichte in mir verursacht hat, in eine Zusammenfassung?

Es geht mitnichten nur um die drei jungen Menschen ...

Wie beschreibe ich dieses Buch am besten? Wie kriege ich meine vielen Emotionen, die diese Geschichte in mir verursacht hat, in eine Zusammenfassung?

Es geht mitnichten nur um die drei jungen Menschen – Moritz, Raffael und Johanna - die auf der Buchrückseite erwähnt werden. Die Geschichte beginnt mit Marie, der Mutter von Moritz, und ihren Schwierigkeiten sich auf dem einsamen Berg einzuleben, wo sie während des Studiums ihres Mannes die beiden kleinen Kinder fast alleine großzieht. Moritz freundet sich schon bald mit dem gleichaltrigen Raffael an, und als Leser verfolgt man die komplizierte und kontroverse Beziehung der beiden Jungen in nicht immer chronologischen Abfolgen durch die Kapitel, mal dem erwachsenen Moritz, mal dem Kind Moritz. Immer wieder dazwischen Marie, die einige Puzzlestücke einfügt, und Johanna, die einen wichtigen Wegpunkt im Leben der beiden jugendlichen Jungs spielt, die sich in das unnahbare Mädchen verlieben.
Als Raffael unangekündigt bei Moritz auftaucht und seinen Alltag durcheinanderbringt, fragt man sich, was er eigentlich bezweckt, wohin dieser Besuch führen soll, und warum Moritz verdammtnochmal nicht den Arsch in der Hose hat den überheblichen Besucher endlich rauszuwerfen, bis sich die Geschichte in einem offenbarenden Ende fast gänzlich entspinnt und dich als Leser mit den Gedanken an die Protagonisten nach der letzten Seite stehen lässt.

Mareike Fallwickls Talent ihre Charaktere darzustellen macht es einem allerdings leicht die einzelnen Personen und verschiedenen Zeitpunkte gut einordnen zu können. Und wie ich mittlerweile diesen österreichischen Sprech liebe! Jedes Kapitel war für mich wie ein Cliffhanger, ich wollte stets wissen wie es mit all den Personen weitergeht und das Geflecht aus Beziehungen mit all ihrer Liebe, ihrem Hass und ihrer Hassliebe ergründen, das sich bis zum Ende hin immer weiter entspinnt.
Warum habe ich mich so lange davor gescheut ihren Erstling zu lesen, nachdem mich Mareike Fallwickls zweites Buch so sehr begeistert hat? Aus Angst, dass ihr Erstes nicht so gut sein könnte? Wie froh ich im Nachhinein bin, dass diese Angst unbegründet war und wie sehr ich mich nach mehr Geschichten von ihr sehne!

Veröffentlicht am 30.07.2023

Die apokalyptischen Reiter der Neuzeit

The Four
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Von niemandem wurden wir in den letzten Jahren so sehr beeinflusst wie von den Vier apokalyptischen Reitern, wie Scott Galloway sie nennt: Google, Amazon, Facebook und Apple.

Scott Galloway ist Professor ...

Von niemandem wurden wir in den letzten Jahren so sehr beeinflusst wie von den Vier apokalyptischen Reitern, wie Scott Galloway sie nennt: Google, Amazon, Facebook und Apple.

Scott Galloway ist Professor für Marketing an der NYU und Unternehmer mehrerer Unternehmen. In seinem Buch „The Four“ analysiert er die Strategien der Unternehmen, die seit Jahren auf dem Vormarsch der Marktmonopolisierung sind und Unternehmensgewinne im Umfang des BIP kleinerer EU-Staaten verzeichnen und die Wirtschaft mittlerweile völlig umgestaltet haben.

Galloway erläutert wie jedes der vier Unternehmen es geschafft hat an die dominante Position zu kommen, auf der wir es heute kennen und was deren aktuelle Ziele sind, um sich zu halten oder in andere Unternehmenszweige zu expandieren. Allen gemein ist es, eine riesige Rechenleistung zu günstigen Preisen, wirkungsvolle Algorithmen und ein ziviles Heer an Menschen zur Verfügung zu haben, die bereitwillig jene Daten hergeben, mit denen die großen Konzerne ihr Geld verdienen. Desweiteren stellt er Vermutungen darüber an wie diese Reiter sich weiterentwickeln könnten und welche aufstrebenden Unternehmen ihnen den Rang in der Zukunft streitig machen könnten. Für jene, die selbst Karriere machen wollen, hat Galloway am Ende des Buches sogar ein paar Tipps zusammengestellt wie sie sich selbst für erfolgreiche Unternehmen attaktiv machen können.

Ich kann gar nicht all das wiedergeben, was Galloway in seinem Buch vermittelt hat, aber es war absolut interessant wiedergegeben und vor allem augenöffnend. Es zeigt sich, dass nichts umsonst ist und wir im Falle von Google und Facebook mit unseren Daten „bezahlen“. Es ist nur vorteilhaft dieses Buch zu lesen und ich kann es jedem nahelegen!