Profilbild von Paperboat

Paperboat

Lesejury Star
offline

Paperboat ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Paperboat über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.07.2023

Geschichten von Trauer, Angst, Kampf und Hoffnung

Drei Leben lang
0

„Drei Leben lang“ ist das Romandebüt von Felicitas Korn, in dem es um drei Menschen in verschiedenen Stadien ihres Lebens geht.

Michi ist mit seiner jüngeren Schwester Xandra in einem Übergangsheim untergebracht, ...

„Drei Leben lang“ ist das Romandebüt von Felicitas Korn, in dem es um drei Menschen in verschiedenen Stadien ihres Lebens geht.

Michi ist mit seiner jüngeren Schwester Xandra in einem Übergangsheim untergebracht, nachdem die beiden ihre Eltern bei einem Autounfall verloren haben. Michi versucht zu verhindern, dass sie getrennt werden. Die kleine Schwester soll in ein Kinderheim geschickt werden, während der Bruder in ein Jugendheim kommen soll. Also versucht Michi im Freundes- und Bekanntenkreis seiner Eltern jemanden zu finden, der das Geschwisterpaar aufnimmt.

King ist ein Krimineller auf der Höhe seines Schaffens. Er wickelt Drogengeschäfte im großen Stil ab, seinem Boss ist es aber ein Dorn im Auge, dass King seinen eigenen Schnee verkonsumiert. King will sich die abwertende Behandlung seines Chefs nicht mehr bieten lassen, er hat es auf das Geschäft und dessen Freundin abgesehen, die er schon lange begehrt.

Loosi ist Alkoholiker in mittleren Jahren, der gerade mal wieder einen Aufenthalt in der Entzugsklinik hat, als wir in die Geschichte treten. Er würde lieber gestern als heute sterben, doch dann begegnet ihm die 17-jährige Sanni, die ihn mit ihrer Unschuld und Unwissenheit vor all dem Schlechten im Leben direkt in ihren Bann zieht. Mit ihr könnte er sich das Kämpfen um ein Leben, das ihn ansonsten nicht mehr interessiert, noch einmal vorstellen.


Drei Leben, drei Geschichten, drei Kämpfe – keiner wirklich separat voneinander, denn alle diese Leben sind miteinander verflochten wie sich im Laufe der Geschichte zeigt.

Felicitas Korn schafft Wortspiele zwischen Slang und Sprache, die mir beim Lesen immer wieder das eine oder andere Lächeln abgerungen haben. In ihren Stil konnte ich mich total fallen lassen. Schon in der Buchhandlung zufällig gesehen hat mich das Buch ausnehmend interessiert, als es dann als Leseexemklar eintraf, musste ich sofort in die Geschichte eintauchen, und es hat sich definitiv gelohnt! Ich bin gespannt, ob Felicitas Korn weitere Werke produziert.

Veröffentlicht am 30.07.2023

Das war mal so eine ganz andere Welt...

Die Reise ins Reich
0

Ein abenteuerlicher Versuch ist das, den Undercoverjude (Eigenbezeichnung des Autors) Tobias Ginsburg da unternommen hat, die Natur des Reichsbürgers zu skizzieren.
Personen aus dem Buch werde ich nicht ...

Ein abenteuerlicher Versuch ist das, den Undercoverjude (Eigenbezeichnung des Autors) Tobias Ginsburg da unternommen hat, die Natur des Reichsbürgers zu skizzieren.
Personen aus dem Buch werde ich nicht benennen, jede Bühne wäre eine zu viel, aber wer das Buch liest, dem lege ich nahe mal einige der erwähnten Namen zu googlen. Gibt auch Videos, bei denen sich überwiegend Fremdscham einstellt, dann ist da aber die üble Gewissheit, dass solche Spinner durchaus ernstgenommen werden.
Es sind Menschen, überwiegender Anzahl ältere Männer, viele mehrfach gescheiterte Existenzen, manche hauptberuflich staatenlos, viele BRD-Leugner, einige deutsche Könige, Nazis, Rassisten, braune Esoteriker und Verschwörungstheoretiker, die Ginsburg während seiner Recherchen trifft. Aber nicht alle lassen sich so einfach einordnen. Eins hat Ginsburg gelernt und in seinem Buch zu vermitteln versucht: Oberflächlich Reichsbürger können erschreckend normal wirken. Wahnsinn ist nicht so einfach zu erkennen.
Es scheint nur zwei grob zu unterscheidende Arten von Reichsbürgern zu geben: Die, die machen (was, ist denen selbst manchmal nicht so klar); Buden mit Flyern und Mikrofonen, einen eigenen Staat auf baufälligen Geländen, von denen sie weginsolventiert werden und Politik in eigenen Parteien. Und dann gibts noch die, die folgen. So wie das Dritte Reich eben einen Führer hatte, so sehnen sich diese Reichsbürger eben danach wieder von einem Vorbild geführt zu werden.
Eins jedoch eint sie alle: Wut auf ein System, aus dem sie sich ausgeklammert fühlen. Es ist eine regelrechte Hass-Manufaktur, in der Ginsburg sich mehr als einmal gefragt hat, ob er eigentlich in einer unmittelbaren Gefahr schwebt, denn Ginsburg hat Feldforschung betrieben: Er hat sich ein Alter Ego, mitsamt Facebook-Identität und eigener Internetpräsenz mit Meinung zugelegt. Als alternativer Reporter „Tobias Patera“ mischt er sich unters Publikum, lauscht zwielichtigen Veranstaltungen, auf denen Redner und Publikum gleichermaßen über Flüchtlinge, Umvolkung, Regierungsumstürze und am Rande auch über Genderwahn schimpfen, wenn sie nicht gerade den Holocaust leugnen.
Frauen scheinen in dieser Szenerie überhaupt nur schmückendes Beiwerk zu sein wie "Souvenier"-Tische mit rechtspopulistischen Zeitschriften, Jutebeuteln, Buttons besonders anhand der T-Shirt-Größen in L und XL zeigen - Frauengrößen will der Reichsbürger nicht haben. Die sollen brav hinterherlaufen und dem Mann dabei zustimmen wie er Politik macht (oder was er dafür hält).
Das Wirre ist, dass sich die meisten dieser Reichsbürger mit fragwürdig einseitigen Ideologien nicht als Nazis oder Rassisten sehen. Ihre fremdenfeindlichen Parolen tragen sie ganz selbstverständlich nebem dem Konterfei von Rosa Luxemburg oder den Geschwistern Scholl auf ihren Transparenten und fühlen sich als Opfer eines Systems, das sie zu bekämpfen versuchen. Nazis sind immer die anderen, sie selbst jedoch der Widerstand. Ganz normaler Wahnsinn und paranoider Verdolgungswahn geben sich auf einer politischen Ebene die Klinke in die Hand.

Es ist ein skurriles Buch, das man da vor den Augen hat und gar nicht glauben kann, was man da liest, wie Menschen Teile von Realitäten so dermaßen ausblenden können, um in ihrem eigenen Weltbild Helden zu sein und weder sich noch die Ereignisse politisch einzuordnen vermögen.

Veröffentlicht am 30.07.2023

Ein wunderbarer Stil und eine Geschichte, die zwei ungleiche Charaktere verbindet

Der Himmel ist blau, die Erde ist weiß
0

Als eines Abends in einer Bar die Ende 30-jährige Tsukiko nach vielen Jahren ihrem früheren Lehrer wiederbegegnet, entwickelt sich daraus eine ungewöhnliche Bekanntschaft. Die beiden ungleichen Personen ...

Als eines Abends in einer Bar die Ende 30-jährige Tsukiko nach vielen Jahren ihrem früheren Lehrer wiederbegegnet, entwickelt sich daraus eine ungewöhnliche Bekanntschaft. Die beiden ungleichen Personen treffen sich gelegentlich in Satorus Bar, trinken je nach Jahreszeit warmen oder kalten Sake und genießen dazu die typisch japanischen Beilagen.
Auch außerhalb von Satorus Bar treffen sie sich, mal zufällig, mal verabreden sie sich. Tsukiko entwickelt eine Zuneigung gegenüber dem fast 20 Jahre älteren Lehrer, den sie aus alter Gewohnheit nur Sensei nennt. Tsukiko, aus deren Sicht die Gescichte erzählt wird, ist sich über das Seelenleben ihres alten Lehrers nie sicher. Das ändert sich auch nicht, als sie ihm nach einem Abend mit reichlich Bier und Sake im Rausch ihre Liebe gesteht. Ohne eine klare Perspektive versucht Tsukiko sich vom Sensei fernzuhalten und ihre Liebe verdorren zu lassen. Als sie aber erfährt, dass er erkrankt ist und fürchtet, dass er in seinem Alter sterben könne, beschließt sie, dass es ihr nicht wichtig ist, ob er ihre Liebe erwidert, solange er nur weiter da ist.

Offen gestanden: Dieses Buch war ein wahrer Genuss. Einerseits macht die Beschreibung der Speisen, die Tsukiko und Sensei während ihrer Zusammenkünfte zu sich nehmen, unglaublichen Appetit, andererseits sind aber auch die gewählten Worte, aus denen diese Geschichte besteht, ein literarischer Genuss. Es ist nicht allein der Inhalt, der die Geschichte trägt, sondern ebenfalls der Stil; genießerisch, begehrlich, poetisch und dabei fast tastbar. Wenn Worte im Geist schmackhaft sind, ist es wahrlich ein gutes Buch – das konnte ich von diesem hier für mich behaupten!

Veröffentlicht am 30.07.2023

Der spannende Auftakt der Fantasy-Trilogie Erellgorh

Erellgorh - Geheime Mächte
0

„Erellgorh - Geheime Mächte“ ist der Auftakt zu einer Fantasy-Reise in drei Bänden von Matthias Teut.

Atharu ist ein junger Heiler der Tangora, einem Volk, das steile Felswände bewohnt. Eines Tages wird ...

„Erellgorh - Geheime Mächte“ ist der Auftakt zu einer Fantasy-Reise in drei Bänden von Matthias Teut.

Atharu ist ein junger Heiler der Tangora, einem Volk, das steile Felswände bewohnt. Eines Tages wird Atharu zu seiner sterbenden Urmutter gerufen, der er den letzten Wunsch abnimmt ein Medaillonbruchstück nach Tyklahr ins Landesinnere zu bringen.
Zeitgleich in Akralahr: In der seit Wochen in einem unnatürlichen Regen und schrecklicher Kälte versinkenden Stadt Akralahr erreicht ein Brief Selana, die als Küchenmagd in der Burg bedienstet ist. Der Brief, dem ein kaputtes Schmuckstück beiliegt, ist von ihrer Mutter. Sie eröffnet der jungen Frau, dass sie sich dem Flüchtlingsstrom angeschlossen und die Stadt verlassen hat und Selana bittet nachzukommen.
Währenddessen entscheidet sich der Straßendieb Pitu die Stadt zu wechseln, da er in Gelder schon zu bekannt ist. Als er sich aus dem Staub machen will, gelangt er durch einen dummen Zufall auf ein Schiff im Hafen, das gerade ausläuft. Das Schiff gerät in einen furchtbaren Sturm, und Pitu verliert das Bewusstsein, schafft es aber irgendwie an den Strand. Wie vom Schicksal geleitet, findet sich Pitu in der Obhut eines Urda wieder, zu dessen Volk er ebenfalls gehört. Dieser pflegt den verwundeten Pitu gesund und bringt ihn zu dem Weisen seines Volkes. Dort erfährt Pitu, dass auch er eine Aufgabe zu erfüllen hat, die ihn nach Tyklahr führen wird.

Drei Protagonisten, die sich auf den Weg zu einem gemeinsamen Ziel machen. Am Beginn des Buches steht eine Karte zur Verfügung, mit der man sich geographisch orientieren kann in der Welt von Jukahbajahn, dem Schauplatz von Matthias Teuts Geschichte. Auf ihren jeweiligen Reisen finden die drei Protagonisten Weggefährten, Gefahren aber auch innere Kraft. Alle drei Erzählstränge sind interessant, mancher spannender als der andere, aber allzeit lesenswert. Es gibt Elben, Zwerge, aber auch neu zu entdeckende Völker, die nicht schon bei Tolkien & Co. gewohnt haben. Die Welt weiß Teut bildgewaltig zu beschreiben, so muss das in einem Fantasy-Roman sein! Auf den letzten Seiten fügen sich einzelne Puzzleteile zusammen, und man bekommt reichlich Appetit auf den zweiten Band der Trilogie.

Veröffentlicht am 30.07.2023

Ich bin offiziell süchtig nach der Vanitas-Reihe!

VANITAS - Grau wie Asche
0

Carolin Bauer ist zurück aus München. Mit im Gepäck die Furcht vor den Menschen, wegen derer sie ihre frühere Existenz und ihren alten Namen hinter sich lassen musste. Zurück in Wien geschehen auf dem ...

Carolin Bauer ist zurück aus München. Mit im Gepäck die Furcht vor den Menschen, wegen derer sie ihre frühere Existenz und ihren alten Namen hinter sich lassen musste. Zurück in Wien geschehen auf dem Zentralfriedhof, an dem die Blumenhandlung angrenzt, in der Carolin arbeitet, nachts beunruhigende Dinge. Gräber werden geöffnet, Grabsteine beschmiert, und die Polizei vermutet einen satanistisch motivierten Hintergrund. Carolin lebt aufgrund ihrer Angst zurückgezogen, sie entwickelt jedoch eine ungesunde Neugier und Interesse an dem Fall. Dies fällt auch dem ermittelnden Kriminalbeamten auf und er rückt Carolin zunehmend auf die Pelle. Als sie mehr und mehr ins Visier der Ermittlungen gerät, hofft sie, dass wenn sie Licht ins Dunkel des Falls bringen kann, die Polizei Abstand von ihr nimmt. Zur gleichen Zeit entwickelt ein fremder Mann Interesse an der jungen Kollegin von Carolin, und sie hat das Gefühl, dass sich das Verhalten des jungen Mannes nicht zusammenfügt. Es nagt der Verdacht in ihr, dass der Mann von dem Clan geschickt wurde, dem Carolin ein großer Dorn im Auge ist. Die Blumengrüße an ihren Kontakt in Deutschland bleiben unbeantwortet, und auf sich allein gestellt greift sie zu einer drastischen Maßnahme, die sie an ihrer eigenen Menschlichkeit zweifeln lässt, zumal sie sich nicht sicher ist, dass ihre Vermutung stimmt. Es kommt wie man es erahnt, und die Ereignisse überschlagen sich.


Ich hoffe, die Rezension ist nicht zu vage formuliert, aber ich möchte um keinen Preis spoilern. In „Vanitas – Grau wie Asche“ erfährt man mehr über die geheimnisvolle Person Carolin Bauer. Allerdings wird man auch hier wieder mit einem Cliffhanger zurückgelassen, und ich würde zu gerne jetzt schon wissen wie es weitergeht. Auch wenn es Längen in diesem wie auch im Vorgänger gegeben hat, wollte ich immer wissen wie es weitergeht.

Noch eine abschließende Anmerkung: Auch das Cover von „Grau wie Asche“ liefert wieder haptische Höhepunkte durch die silikonartige Oberfläche des erhabenen Insekts. Fühlt es euch an!