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Veröffentlicht am 03.04.2023

Ein Roman wie ein Flug über die Insel

Zur See
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Die Fähre braucht etwa eine Stunde, um die Nordseeinsel zu erreichen. Saison für Saison strömen die Touristen auf die Insel. Die Familie Sander leben seit fast 300 Jahren hier und blickt auf eine lange ...

Die Fähre braucht etwa eine Stunde, um die Nordseeinsel zu erreichen. Saison für Saison strömen die Touristen auf die Insel. Die Familie Sander leben seit fast 300 Jahren hier und blickt auf eine lange Tradition von Seemännern zurück. Eine Tradition, mit der sie selbst eigentlich nichts mehr zu tun hat, außer sie den Touristen in einem nostalgisch verklärten Rückblick zu verkaufen. Hanne und Jens Sander – ein Paar, das mehr Trennung als Zusammensein erlebt hat. Zunächst fuhr er zur See, hat später das Leben auf dem Meer aufgegeben, um sich dem Vogelschutz zu widmen und einsiedlerisch in einer Hütte abzuschotten. Hanne hat sich arrangiert, sowohl mit der Ehe als auch mit den Touristen. Ihre Kinder mussten die Mutter in der Saison stets mit den Gästen teilen, die in den Fremdenzimmern im Haus untergebracht waren.
Sohn Ryckmer ist wie sein Vater zur See gegangen. Sein Kapitänspatent hat er verloren und darf jetzt nicht mal mehr auf der Fähre arbeiten. Hat ständig gesoffen, um die Angst zu bezwingen vor dem größten aller Stürme, den er durch Flutstatistiken vorherzusagen versucht.
Tochter Eske verabscheut die Touristen und das Schauspiel, das sie erzwingen und man ihnen als Inselkultur auftischt. Sie versucht das Wesen der Insel auf ihre ganz eigene Weise zu bewahren und zu einem Teil von sich zu machen wie der Seemann, der sich den Anker auf die Schulter tätowiert. Der Jüngste, Henrik, war immer mit sich selbst im Reinen. Anders als sein älterer Bruder hat er sich nie in eine Schablone pressen lassen, sondern ist seiner eigenen Fasson gefolgt und wird als großer Künstler gehandelt, der einmalige Werke aus gesammeltem Treibgut erschafft.
Nostalgie ist etwas Schönes, denn man kann die Vergangenheit auf ihre guten Seiten reduzieren. Auch die Insulaner weinen einer verklärten Vergangenheit nach, die in ihrer damaligen Gegenwart kaum zu ertragen war, weil zu kalt, zu windig und zu karg.
Man will sich von den Touristen distanzieren, und verleugnet kollektiv, dass man sie eigentlich vor allem in einer wirtschaftlichen Hinsicht braucht. Das Theaterspiel der einstigen Folklore sind nicht mehr Kultur, sondern ein Gut, das sich gewinnbringender verkaufen lässt als der Ursprung, dem diese Scharade entwachsen ist.

Mein erstes Buch von Dörte Hansen hat mich sofort eingefangen mit der Art des Erzählens. Wie sie von dieser Insel erzählt und den Menschen dort, das hat sich angefühlt wie ein Drohnenflug mal hier- und mal dorthin, ins Haus von Abkömmlingen aus altem Inseladel, dann an den Strand, der in touristenarmen Zeiten die Einsamkeitsuchenden zu sich zieht, in die Inselkirche, wo der Pfarrer seinen Sermon spricht. „Zur See“ war ein großer Lesegenuss für mich!

Veröffentlicht am 31.03.2023

Eine Ode an die Bücherliebe!

Book Love
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Dieses Buch sollte jede:r Buchliebhaber:in im Regal haben! Selten habe ich mich in einem Buch so wiedergefunden wie als Leserin in Debbie Tungs „Book Love. Eine Liebeserklärung an das Lesen“. Bücher und ...

Dieses Buch sollte jede:r Buchliebhaber:in im Regal haben! Selten habe ich mich in einem Buch so wiedergefunden wie als Leserin in Debbie Tungs „Book Love. Eine Liebeserklärung an das Lesen“. Bücher und Tee gehören für mich genauso zum Hobby Lesen wie an neuen Büchern zu schnüffeln, ob wir uns auch „riechen können“, oder mich nicht auf dieses eine (in Zahlen: 1) Lieblingsbuch festlegen zu können, weil mich so viele großartige Bücher durch mein bisheriges Leben begleitet haben. All das schrullige Verhalten eines Bücherwurms bringt diese Graphic Novel perfekt zum Ausdruck!

Veröffentlicht am 30.03.2023

Loved this book!

Concrete Rose
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Maverick "Mav" Carter had no bigger problems in life than looking fresh for his girl Lisa in his Air Jordan's and hanging out with his homies King, Shawn and Dre while dealing a bit of weed here and there. ...

Maverick "Mav" Carter had no bigger problems in life than looking fresh for his girl Lisa in his Air Jordan's and hanging out with his homies King, Shawn and Dre while dealing a bit of weed here and there. That was until he was dragged to a DNA test by Iesha with whom he slept once after Lisa broke up for him for two weeks and who has a three months old son. The test reveals that Maverick is the boy's father, and Iesha leaves the child with his new-found father for an uncertain amount of time. Lisa breaks off with Maverick.
Soon, Mav struggles between childcare, school and an honest job at Mr Wyatt's local grocery store, 'cause he can't leave all the extra bills for his mom. As much as he trys to keep his life together he soon realizes that without the easy money he makes as a dealer he'll never be able to provide for his family. Getting into business again with the King Lords is the only solution to his problems. Mav's father, also a King Lord, sits in jail for years now - it seems the boy is destined to repeat the mistakes of his father.
But then one of his homies gets shot and it looks like he was executed by a rivaling gang. Surprisingly Lisa consoles Maverick in his shock and grief but she clearly states that getting back together with Mav again isn't an option while he is involved in all this gang business. Lisa issues an ultimatum to Maverick which forces him not just to play father but to become a man.
Not as strong as Angie Thomas first book "The Hate U Give" which left a big impression with me but also a book absolutely worth reading is "Concrete Rose". It's the story of the father of Starr whom we learn about in THUG. I loved that Khalil had a little cameo (even though one knows what happens to him in THUG) and I adored the reference to Justyce in Nic Stone's "Dear Martin". Concrete Rose is not only a good story but a reference to some more books worth your while!

Veröffentlicht am 29.03.2023

Blind an Auge und Herz

Die Stadt der Blinden
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Ein Mann erblindet von jetzt auf gleich, während er im Auto an der Ampel auf grünes Signal wartet. Passanten helfen dem Mann in die nächstgelegene Augenheilpraxis, wo sich der Arzt dem Fall annimmt und ...

Ein Mann erblindet von jetzt auf gleich, während er im Auto an der Ampel auf grünes Signal wartet. Passanten helfen dem Mann in die nächstgelegene Augenheilpraxis, wo sich der Arzt dem Fall annimmt und den blinden Patienten untersucht. Er kann die Ursache nicht feststellen und findet den Fall höchst ungewöhnlich. Der Blinde unterdessen muss heimgeschickt werden, da man gegenwärtig nichts für ihn tun kann. Der Augenarzt, ganz verblüfft von dem Fall, konsultiert abends Daheim seine Bücher auf der Suche nach einer Lösung für das Problem des spontan Erblindeten. Während er liest, wird er von derselben Blindheit erfasst.
Weitere Fälle der Spontanerblindung werden überall in der Stadt bekannt. Die epedemische Erblindung wird überall bald das Weiße Übel genannt. Anders als bei der uns bekannten Blindheit sehen die Betroffenen im Buch ein grelles Weiß vor Augen. Die Regierung beschließt die Erkrankten und jene, die im Verdacht stehen sich ebenfalls infiziert zu haben, auch wenn sie noch nicht erblindet sind, in einem ehemaligen Sanatorium zu internieren.
Der Augenarzt verständigt die Regierung, seine Frau bringt ihn zur Internierung. Mit den Worten, sie sei auch in diesem Moment erblindet, wird auch die Frau des Augenarztes in das Sanatorium gebracht. Sie offenbart ihrem Mann, dass sie weiterhin sehen kann aber es für sie keine Option war ihn alleine zu lassen. Als Leser betrachtet man das Geschehen fortan durch ihre Augen; es sind die einzigen, die noch sehen können.
In den kommenden Wochen füllt sich das Internierungslager, der Platz wird rar und die vom Militär für die Blinden bereitgestellten Rationen reichen bald längst nicht mehr für diejenigen in der Unterbringung. Jene knappen Rationen werden von einer Gruppe niederträchtiger Blinder beschlagnahmt, sobald sie eintreffen, und sie verlangen Bezahlung im Gegenzug für das Essen. Die erblindeten Menschen verlernen das Menschsein, wer nicht jemanden kennt, betrachtet ihn misstrauisch und feindselig, jeder ist sich selbst der Nächste. In all dem Chaos versucht die Frau des Arztes einen Überblick und vor allem einen Rest an Menschlichkeit zu bewahren. Als sie durch eine Konfrontation mit der niederträchtigen Gruppe Blinder herausfinden, dass auch außerhalb der Internierungsanstalt die Stadt vom Weißen Übel heimgesucht wurde, macht sich die Frau mit ihrem Mann und einer kleinen Gruppe Blinder, die in den ersten Tagen der Epedemie interniert wurden, auf den Weg durch die erblindete und verwüstete Stadt.

„Die Stadt der Blinden“ ist eine außergewöhnliche Geschichte, die für mich sogar dystopische Züge hatte. Es hatte etwas von einer Zombieapokalypse, nur dass die Zombies in diesem Buch noch im Besitz ihrer kognitiven Fähigkeiten waren. Während des Lesens hatte ich oft das Gefühl, dass es umso schlimmer ist Menschen zu begegnen, die einander nicht mehr helfen und ihre Menschlichkeit verlieren, als von hirnlosen Zombiehorden zu lesen. Das Buch setzt an der Menschlichkeit des Lesers an und schafft es Mitgefühl aus ihm zu ziehen, obwohl es so unpersönlich ist; denn die Figuren im Buch werden nur beschrieben, nie benannt. So gibt es eine Person, die nur „die Frau mit der dunklen Brille“ genannt wird oder ein anderer als „der erste Blinde“. Auch gibt es keine Wörtliche Rede, die Sätze fallen durcheinander und man fragt sich manchmal, wer sie geäußert hat und ob nach einem Komma ein anderer weiterspricht oder noch dieselbe Person. Eine wirklich interessante Geschichte!

Veröffentlicht am 29.03.2023

Jeder möge sich durch dieses wichtige Buch bereichern lassen!

Sprache und Sein
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Die Worte und alle entstehenden Gedanken drehen sich in meinem Kopf. Immer wieder musste ich zwischen den Absätzen innehalten, um einem aufkommenden Gedanken nachzugehen.
Kübea Gümüsays Buch "Sprache und ...

Die Worte und alle entstehenden Gedanken drehen sich in meinem Kopf. Immer wieder musste ich zwischen den Absätzen innehalten, um einem aufkommenden Gedanken nachzugehen.
Kübea Gümüsays Buch "Sprache und Sein" sensibilisiert für die Macht der Worte. Worte können eine Waffe sein und als solche politisch instrumentalisiert werden. Aber spätestens, seit Politik nicht mehr nur in Berlin gemacht wird, sondern in jeder Kommentarsektion unter einer Kolumne, beeinflusst Sprache viel öfter unser Denken. Es ist ein Plädoyer gegen Verrohung, Rassismus und Hass.

Auch, wenn ich nicht zu den"Ich bin ja kein Rassist, aber"- oder "Das wird man ja wohl noch sagen dürfen"-Menschen gehören, schäme ich mich, als wären es meine hasserfüllten und realitätsverdrehenden Worte, die auf solche Einleitungen in aller Regel folgen. Ich schäme mich für das, was in meinem Land täglich verbal Menschen angetan wird, die in zweiter, dritter Generation hier leben und de facto Deutsch sind, Menschen, die ihre Länder aufgrund von Kriegen verlassen mussten.
Dieses Buch ist in der Lage verständlich zu machen, dass wir die Welt jeden Tag nur durch unsere Perspektive wahrnehmen und Filme, Zeitungsartikel usw. lediglich eine andere Perspektive sind. Eine Geschichte kann aus vielen Augen betrachtet und mit unterschiedlichen Worten beschrieben werden. Mir hat Kübra Gümüsays Buch nah am Herzen aufgezeigt wie wichtig es ist die eigene Perspektive zu hinterfragen und manchmal einen Perspektivwechsel zu betreiben, um sich in andere Blickwinkel hineinversetzen zu können.
Eine (Ab-)Handlung, die ich jedem nahelegen kann!