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Veröffentlicht am 30.07.2023

Korea, rückständig modern

Kim Jiyoung, geboren 1982
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Kim Jiyoung, geboren 1982, hat eine ältere Schwester und einen jüngeren Bruder. Wie gut, dass ihre Eltern am Ende doch noch einen Sohn bekommen haben, wurde ja schließlich auch „nachgeholfen“... Jiyoung ...

Kim Jiyoung, geboren 1982, hat eine ältere Schwester und einen jüngeren Bruder. Wie gut, dass ihre Eltern am Ende doch noch einen Sohn bekommen haben, wurde ja schließlich auch „nachgeholfen“... Jiyoung und ihre Schwester bekommen bereits früh mit, dass Jungs gegenüber Mädchen der Vorzug gegeben wird. Die Mädchen wachsen in einer latent misogynen Gesellschaft auf, die zwar in vielseitiger Hinsicht von Frauen profitiert, ihnen aber die Anerkennung verwehrt, die sie verdient haben. Von der Kindheit über das Studium bis zur Berufswahl wird Jiyoung mit Entscheidungen über Abstriche ihrer Qualifikationen konfrontiert, um dann von äußeren Erwartungen doch in vorgezeichnete Bahnen zur Mutterschaft gedrängt zu werden, nur um zu erkennen, dass auch diese als ungenügend bewertet wird.


Kein reiner Roman, würde ich dieses Buch eher als Sachbuch-Roman bezeichnen. Die Geschichte Jiyoung Kims, die für Abertausende Südkoreanerinnen steht, ist immer wieder angereichert mit Fakten und Quellenangaben in Form von Fußnoten. Beim Lesen baut sich ein Gefühl von Enttäuschung über die permanente Ungerechtigkeit auf. Die letzte Episode des Buches lässt einen mit Wut im Bauch zurück, dass selbst die Verständigen dieser Gesellschaft es nicht verstehen wollen. Wie schafft man es in der Aneinanderreihung persönlicher Erlebnisse dieser frauenverachtender Art nicht verrückt zu werden? - Selbst herausfinden in diesem gemischten und empfehlenswerten Leseerlebnis!

Veröffentlicht am 30.07.2023

Über Beziehungen in all ihren leuchtenden und hässlichen Farben

Dunkelgrün fast schwarz
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Wie beschreibe ich dieses Buch am besten? Wie kriege ich meine vielen Emotionen, die diese Geschichte in mir verursacht hat, in eine Zusammenfassung?

Es geht mitnichten nur um die drei jungen Menschen ...

Wie beschreibe ich dieses Buch am besten? Wie kriege ich meine vielen Emotionen, die diese Geschichte in mir verursacht hat, in eine Zusammenfassung?

Es geht mitnichten nur um die drei jungen Menschen – Moritz, Raffael und Johanna - die auf der Buchrückseite erwähnt werden. Die Geschichte beginnt mit Marie, der Mutter von Moritz, und ihren Schwierigkeiten sich auf dem einsamen Berg einzuleben, wo sie während des Studiums ihres Mannes die beiden kleinen Kinder fast alleine großzieht. Moritz freundet sich schon bald mit dem gleichaltrigen Raffael an, und als Leser verfolgt man die komplizierte und kontroverse Beziehung der beiden Jungen in nicht immer chronologischen Abfolgen durch die Kapitel, mal dem erwachsenen Moritz, mal dem Kind Moritz. Immer wieder dazwischen Marie, die einige Puzzlestücke einfügt, und Johanna, die einen wichtigen Wegpunkt im Leben der beiden jugendlichen Jungs spielt, die sich in das unnahbare Mädchen verlieben.
Als Raffael unangekündigt bei Moritz auftaucht und seinen Alltag durcheinanderbringt, fragt man sich, was er eigentlich bezweckt, wohin dieser Besuch führen soll, und warum Moritz verdammtnochmal nicht den Arsch in der Hose hat den überheblichen Besucher endlich rauszuwerfen, bis sich die Geschichte in einem offenbarenden Ende fast gänzlich entspinnt und dich als Leser mit den Gedanken an die Protagonisten nach der letzten Seite stehen lässt.

Mareike Fallwickls Talent ihre Charaktere darzustellen macht es einem allerdings leicht die einzelnen Personen und verschiedenen Zeitpunkte gut einordnen zu können. Und wie ich mittlerweile diesen österreichischen Sprech liebe! Jedes Kapitel war für mich wie ein Cliffhanger, ich wollte stets wissen wie es mit all den Personen weitergeht und das Geflecht aus Beziehungen mit all ihrer Liebe, ihrem Hass und ihrer Hassliebe ergründen, das sich bis zum Ende hin immer weiter entspinnt.
Warum habe ich mich so lange davor gescheut ihren Erstling zu lesen, nachdem mich Mareike Fallwickls zweites Buch so sehr begeistert hat? Aus Angst, dass ihr Erstes nicht so gut sein könnte? Wie froh ich im Nachhinein bin, dass diese Angst unbegründet war und wie sehr ich mich nach mehr Geschichten von ihr sehne!

Veröffentlicht am 30.07.2023

Die apokalyptischen Reiter der Neuzeit

The Four
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Von niemandem wurden wir in den letzten Jahren so sehr beeinflusst wie von den Vier apokalyptischen Reitern, wie Scott Galloway sie nennt: Google, Amazon, Facebook und Apple.

Scott Galloway ist Professor ...

Von niemandem wurden wir in den letzten Jahren so sehr beeinflusst wie von den Vier apokalyptischen Reitern, wie Scott Galloway sie nennt: Google, Amazon, Facebook und Apple.

Scott Galloway ist Professor für Marketing an der NYU und Unternehmer mehrerer Unternehmen. In seinem Buch „The Four“ analysiert er die Strategien der Unternehmen, die seit Jahren auf dem Vormarsch der Marktmonopolisierung sind und Unternehmensgewinne im Umfang des BIP kleinerer EU-Staaten verzeichnen und die Wirtschaft mittlerweile völlig umgestaltet haben.

Galloway erläutert wie jedes der vier Unternehmen es geschafft hat an die dominante Position zu kommen, auf der wir es heute kennen und was deren aktuelle Ziele sind, um sich zu halten oder in andere Unternehmenszweige zu expandieren. Allen gemein ist es, eine riesige Rechenleistung zu günstigen Preisen, wirkungsvolle Algorithmen und ein ziviles Heer an Menschen zur Verfügung zu haben, die bereitwillig jene Daten hergeben, mit denen die großen Konzerne ihr Geld verdienen. Desweiteren stellt er Vermutungen darüber an wie diese Reiter sich weiterentwickeln könnten und welche aufstrebenden Unternehmen ihnen den Rang in der Zukunft streitig machen könnten. Für jene, die selbst Karriere machen wollen, hat Galloway am Ende des Buches sogar ein paar Tipps zusammengestellt wie sie sich selbst für erfolgreiche Unternehmen attaktiv machen können.

Ich kann gar nicht all das wiedergeben, was Galloway in seinem Buch vermittelt hat, aber es war absolut interessant wiedergegeben und vor allem augenöffnend. Es zeigt sich, dass nichts umsonst ist und wir im Falle von Google und Facebook mit unseren Daten „bezahlen“. Es ist nur vorteilhaft dieses Buch zu lesen und ich kann es jedem nahelegen!

Veröffentlicht am 30.07.2023

Eine Aufarbeitung der Vergangenheit

Ihre Nacht
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Yumiko lebt ein einsames und entbehrliches Leben in Tokyo, als sie von ihrem Cousin Shoichi kontaktiert wird. Ihre Mütter waren Zwillinge, die sich ursprünglich sehr nahestanden, aber jeglichen Kontakt ...

Yumiko lebt ein einsames und entbehrliches Leben in Tokyo, als sie von ihrem Cousin Shoichi kontaktiert wird. Ihre Mütter waren Zwillinge, die sich ursprünglich sehr nahestanden, aber jeglichen Kontakt zueinander abbrachen. So hatten auch Shoichi und Yumiko sehr lange keinen Kontakt. Es war der letzte Wunsch von Shoichis verstorbener Mutter, dass er sich um seine Cousine Yumi kümmern solle. So lernen die beiden einander wieder kennen, unterhalten sich über die Vergangenheit und erörtern dabei auch die schreckliche Art, auf die Yumikos Eltern ums Leben gekommen sind – ein Ereignis, das Yumi nie losgelassen hat, sie aber immer zu verdrängen versucht hat. Während Shoichi und Yumiko sich auf eine Reise in die Vergangenheit begeben und immer tiefer in das eintauchen, was damals wirklich passierte, finden sie erstaunliche Sachen heraus, die Yumiko die Augen auf eine ungeahnte Weise öffnen.


Im Nachhinein muss ich sagen: Wow! Was für ein Buch! Während die im Grundton eher düstere Geschichte bisweilen anmutete, als würde sie zu keinem Ziel plätschern, gibt es ein bizarres Ende, mit dem ich nun wirklich nicht gerechnet hätte. Das Buch lässt einen verstört und ratlos zurück. Grandios!

Veröffentlicht am 30.07.2023

Single Shaming - nein danke!

Weiblich, ledig, glücklich - sucht nicht
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Da denkt man, wir leben in einer fortschrittlichen Zeit, und dann zeigt Gunda Windmüller mit ihrem Buch „Weiblich, ledig, glücklich – sucht nicht“ auf, wie rückständig unsere Gesellschaft noch in Bezug ...

Da denkt man, wir leben in einer fortschrittlichen Zeit, und dann zeigt Gunda Windmüller mit ihrem Buch „Weiblich, ledig, glücklich – sucht nicht“ auf, wie rückständig unsere Gesellschaft noch in Bezug auf alleinstehende Frauen ist. Während Männer als begehrenswerte Bachelor gesehen werden, degradiert man weibliche selbstgewählte Singles zu alten Jungfern, die zusehen sollten, dass sie unter die Haube kommen, solange sie noch einen Funken Restschönheit haben, den ein Kerl will. Schlimmer wird es noch, wenn die sich selbst genügende Frau der Beteiligung am Fortbestand der Art entziehen und keine Kinder bekommen will. Althergebrachte Denkmuster und eigens danach ausgerichteter Kapitalismus wollen vermitteln, dass Frau nur in einer Beziehung aufgehen kann, dabei ist klar, dass keine Beziehung besser ist als eine schlechte und Statistiken zeigen, dass Singles nicht weniger glücklich sind als ihre weiblichen Mitmenschen in Beziehungen.

Gunda Windmüllers Erläuterungen erweitert sie durch Querverweise anderer AutorInnen, Erfahrungen aus Freundes- und Bekanntenkreis sowie Filmen und Serien, die immer noch ein bestimmtes Bild zu erzeugen suchen. Gunda Windmüller hat eine lockere Art ihr Thema zu vermitteln. Ein interessantes Buch, das man gut weglesen kann, um über bestimmte Dinge einmal zu reflektieren, auch wenn man bereits zu den weiblichen und glücklichen Singles dieser Welt gehört.