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Veröffentlicht am 21.03.2023

Die Doppelbeleuchtung einer Therapiebeziehung

Jeden Tag ein bißchen näher
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Ginny Elkin stellt fest, dass ihre psychischen Probleme ihr zunehmend den Weg zum Leben versperren. Die junge Schriftstellerin leidet unter mehr als nur einer Schreibblockade. Ohne Geld sucht sie den Psychoanalytiker ...

Ginny Elkin stellt fest, dass ihre psychischen Probleme ihr zunehmend den Weg zum Leben versperren. Die junge Schriftstellerin leidet unter mehr als nur einer Schreibblockade. Ohne Geld sucht sie den Psychoanalytiker Irvin D. Yalom auf, der eine Chance sieht und sich bereiterklärt sie zu behandeln, wenn sie eine Art Tagebuch bestehend aus ihren beiden niedergeschriebenen Gedanken zur Therapie veröffentlichen.
Herausgekommen ist bei diesem ungewöhnlichen therapeutischem Experiment ein Zeugnis der Fortschritte, Reflexionen und Stagnationen der Behandlung.

Es ist eines meiner Lieblingsbücher, das ich vor etwa zehn Jahren erstmals gelesen habe. Irvin D. Yalom ist ein berühmter Psychotherapeut in den USA, und obwohl viele seiner Werke psychologische Attribute enthalten, sieht man niemals mehr so tief in seine Arbeit (und ihre Auswirkungen) als durch die Doppelbeleuchtung dieser Therapie von Ginny. Es ist schön vor Augen geführt zu bekommen wie unterschiedlich zwei Menschen denselben Moment beurteilen können, und dies hat mir in schwierigen Zeiten, in denen ich einen Tunnelblick auf mein eigenes Leben hatte, vor Augen geführt, dass man die eigene Situation reflektieren sollte, um ein differenziertes und gesünderes Bild auf sich zu haben.
Als ich das Buch zum ersten Mal gelesen habe, fiel es mir schwer Ginny loszulassen, da ich so eingenommen von ihrer Therapiegeschichte war. Ich kehre aber gerne zwischen all meinen neuen Büchern auch immer wieder zu Ginny und Dr. Yalom zurück.

Veröffentlicht am 21.03.2023

Freundschaft & Heimat

Hollie & Fux
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Hollie & Fux ist eine Geschichte über zwei Fremde, die Freunde werden, weil sie beide nicht so richtig wissen, was Heimat ist.

Hollies Eltern sind als Schauspieler ständig in der Welt unterwegs, so dass ...

Hollie & Fux ist eine Geschichte über zwei Fremde, die Freunde werden, weil sie beide nicht so richtig wissen, was Heimat ist.

Hollies Eltern sind als Schauspieler ständig in der Welt unterwegs, so dass sie bei ihrer Großmutter lebt. Fux (der immer "Grrr" sagt, so süß!) hat immer schon in der Stadt gelebt und sich von Müll ernährt, bis er bei Hollie eingezogen ist.
Eines Tages machen sie einen Ausflug, und Hollie fragt, ob Fux den Wald nicht manchmal vermissen würde. Fux entgegnet, dass er nie was anderes als die Stadt kannte. Gemeinsam machen sie eine Wanderung zu Großmutter altem Haus im Wald. Für beide ist es eine ganz neue Erfahrung. Dann tauchen Großmutter und Hollies Eltern auf, die sich sorgend auf die Suche nach den beiden gemacht haben. Sie verkünden, dass sie bleiben werden, und fortan wohnen alle gemeinsam in dem Haus im Wald - in einer richtigen Heimat.

Eine richtig schöne Geschichte über Freundschaft und Heimat!

Veröffentlicht am 21.03.2023

Ich bin damit leider nicht so warm geworden.

Haus ohne Hüter
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In Heinrich Bölls „Haus ohne Hüter“ geht es um die beiden Jungs Martin und Heinrich und ihr jeweiliges Umfeld. Während Martin behütet und wohlhabend aufwächst, muss bei Heinrich jeder Pfennig zweimal umgedreht ...

In Heinrich Bölls „Haus ohne Hüter“ geht es um die beiden Jungs Martin und Heinrich und ihr jeweiliges Umfeld. Während Martin behütet und wohlhabend aufwächst, muss bei Heinrich jeder Pfennig zweimal umgedreht werden. Gemein ist den beiden, dass sie im Krieg ihre Väter verloren haben, und dieser Verlust hat Auswirkungen auf das Seelenleben der jeweiligen Jungen. Aber auch für ihr Umfeld, speziell die jeweiligen Müller, hat die Abwesenheit der Kindsväter Auswirkungen. Teilweise werden sie bedrängt wieder zu heiraten, weil es sich einfach so gehört zu jener Zeit, teilweise werden sie dahingehend oder sogar intim auch bedrängt. Während Martins Mutter ohne Mann bleibt, in einem Zustand verharrt als hätte ihr Leben nach dem Tod des Mannes aufgehört und damit die Familie in einer Art Starre hält, geht Heinrichs Mutter eine Mischung aus Liebes- und Zweckbeziehungen ein, aus der ein weiteres Kind resultiert. Häufig sinnierend über ihre jeweilige Lage, fragen sich die Jungen für sich immer auch Dinge wie „Was wäre wenn“, wenn eben der Vater nicht gestorben wäre und wie das Leben heute aussehen könnte.

Dies war meine zweite Böll-Lektüre (die erste war „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“), und wie schon bei der ersten habe ich gemerkt, dass mir das frühe zahllose Einwerfen so vieler Namen Schwierigkeiten bereitet der Geschichte zu folgen. Ich habe erst etwa ab der Hälfte des Buches angefangen mich nicht mehr durch die Seiten zu quälen, weil mir alles so zäh vorkam.
Letzten Endes bin ich mit diesem Buch von Böll nicht warm geworden.

Veröffentlicht am 21.03.2023

Warum in die Ferne sehnen, wenn das gute ist so nah?

Mikroabenteuer
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Ich habe in der Zeitschrift Flow von 08/2019 von dem Begriff der Mikroabenteuer gelesen und mich im Buchhandel direkt nach den dort genannten Buchnennungen umgeschaut. Neben „Mikroabenteuer“ hat der Autor ...

Ich habe in der Zeitschrift Flow von 08/2019 von dem Begriff der Mikroabenteuer gelesen und mich im Buchhandel direkt nach den dort genannten Buchnennungen umgeschaut. Neben „Mikroabenteuer“ hat der Autor auch noch „Raus und machen“ veröffentlicht, das ich mir wohl auch ansehen werde.

Christo Foerster war lange Motivationstrainer, bevor er für sich herausgefunden hat, dass noch lange nicht Schluss ist und es immr noch etwas aus sich herauszuholen gibt. Und das mit einem Nahweh, das der ständigen Sehnsucht in die Welt zu entschwinden Konkurrenz macht! In Mikroabenteuer geht es in der Hauptsache darum, Abenteuer vor der Haustür zu erleben, Foerster regt aber auch dazu an seine eigene Komfortzone zu verlassen und einfach zu „machen“ statt immer nur zu planen und die Vorhaben dann doch nicht umzusetzen. Denn eines ist sicher: Wer die Abenteuervorschläge umsetzt und beispielsweise einmal nachts im Wald übernachtet, der wird Lösungen finden, wenn sich Probleme ergeben. Mikroabenteuer wie Foerster sie vorstellt haben also den Effekt einer lösungsorientierten Persönlichkeitsentwicklung.

Besonders haben mir die Passagen gefallen, in denen der Autor von seinen eigenen Grenzerfahrungen spricht, z.B. dass er schon auf kalten Bergen geschlafen hat, spontan in einer Nacht von Hamburg nach Berlin geradelt ist, um einen lange nicht mehr getroffenen Freund zum Frühstück zu besuchen. Auch mochte ich die Vorschläge für Ausrüstungen, gerade weil ich merke, dass mich die Ausrede „Sowas besitze ich nicht“ tatsächlich davon abhält einmal woanders als in meinem eigenen (oder jemand anderes) Bett zu übernachten. Mich mit einer Hängematte im Wald aufzuhalten ist tatsächlich ein lange gehegter geheimer Traum von mir (gut, so geheim ist er spätestens jetzt nicht mehr...).
Schön ist auch, dass der Autor immer wieder anregt die Natur und die Menschen, die einem begegnen, respektvoll zu behandeln. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein, ich finde es jedoch positiv genug es auch hier nochmal hervorzuheben.

Die Stadtvorschläge für Mikroabenteuer sind eine interessante Anregung, auch wenn die eigene Stadt nicht dabei ist. Der Vorteil ist aber: Die Vorschläge der großen Städte lassen sich viel einfacher auf kleinere Städte, bei denen die Natur direkt vor der Tür liegt, umsetzen als es andersherum wäre.
Besonders toll ist, dass es eigentlich gar nicht viel braucht, um zu so einem Abenteuer aufzubrechen, was Christo Foerster auch immer wieder betont. Manche Vorhaben wie seine Flußausflüge (speziell die mit selbstgebautem Floß) brauchen etwas vorausschauendes Denken, aber grundlegend reichen im Normalfall ein Schlafsack, eine Isomatte und eine Taschenlampe. Darum motiviert der Autor dazu sich zu überwinden und es einfach mal zu probieren. Durch die kurze Materialliste ist es eigentlich so einfach, und noch ist es ja sommerlich genug, um mit einem kleinen Abenteuer zu beginnen.

Veröffentlicht am 21.03.2023

Aus Liebe zum Wort

Das verborgene Wort
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Ulla Hahn – Poetin und Romanautorin. Mit ihrem verborgenen Wort hat sie eine Geschichte geschaffen, die Traurigkeit und Hoffnung ist.
Hildegard Palm ist das Kind einfacher Arbeiter im katholisch geprägten ...

Ulla Hahn – Poetin und Romanautorin. Mit ihrem verborgenen Wort hat sie eine Geschichte geschaffen, die Traurigkeit und Hoffnung ist.
Hildegard Palm ist das Kind einfacher Arbeiter im katholisch geprägten rheinischen Nachkriegsdeutschland. Einfache Menschen, einfache Sprache. Heldejaad lernt von Kleinauf den kölner Dialekt zu sprechen, ist jedoch verzaubert von ihren ersten Stunden im Fach Deutsch als sie eingeschult wird. Wörter üben eine Faszination auf das Mädchen aus, die ihre in ihrer Einfachheit teils engstirnig gestrickten Eltern nicht nachvollziehen können. Dem proletarischen Vater, vor dem Hildegard oft erzittert, holt er doch das Stöckchen hinter der Uhr hervor, um es als Erziehungsmittel jener Zeit auf ihren Ungehorsam anzuwenden, sind das Besserwissertum und die Schlauheit seiner Tochter eine Widernatürlichkeit, die er ihr auszutreiben sucht. Ihr Wissensdurst entfernt sie von ihren Eltern, und die Entscheidung, die diese für Hildegard nach dem Schulabschluss treffen, zerstört das Mädchen mit dem großen Potential fast... Der Auftakt der Trilogie, die sich nachträglich auf eine Tetralogie erweitert hat, hat mich sofort eine Verehrerin von Ulla Hahns Wortkunst werden lassen. Das verborgene Wort erwies sich als so viel mehr als ein geschlagenes Kind und ist gewiss nicht nur Lesestoff für die Generation der 50er Jahre.