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Veröffentlicht am 25.12.2023

Ferien mit Problemen

Kiosk, Chaos, Canal Grande
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Noah wird im Sommer zu seiner Oma nach Venedig geschickt. Oma Violetta hat Noah erst ein einziges Mal getroffen, als sie zu Besuch kam. Trotz der Aussicht, dass er gar nicht so richtig weiß, wer oder was ...

Noah wird im Sommer zu seiner Oma nach Venedig geschickt. Oma Violetta hat Noah erst ein einziges Mal getroffen, als sie zu Besuch kam. Trotz der Aussicht, dass er gar nicht so richtig weiß, wer oder was ihn erwartet, können die Ferien aber eigentlich nur gut werden - zu Hause ist nämlich dicke Luft. Während Noahs Vater noch immer seiner gescheiterten Geschäftsidee hinterhertrauert, bekommt seine Mutter eine vielversprechende Stelle in Berlin angeboten.
Oma Violetta hat nicht einfach einen Kiosk - sondern eine Edicola. Stolz wie eine Diva macht die ehemalige Opernsängerin sich allmorgendlich in hohen Schuhen auf in ihre Edicola mitten auf dem Platz mitten in Venedig, wo zu jeder Tageszeit die unterschiedlichsten Menschen an diesem Treffpunkt zusammenkommen. Und Noah ist mittendrin zum Helfen. An einem sonnigen Tag begegnet ihm das Mädchen aus dem Hotel nebeman mit dem seltsamen Namen Ombretta, mit der Noah gerne mehr zu tun haben würde. Und obwohl es eine Sprachbarriere gibt, weil Noah kein Italienisch spricht, wird ziemlich schnell klar, dass die beiden einander nicht so richtig leiden können, obwohl sie sich leiden können wollen. Was startet wie der Sommer der Langeweile, wird für Noah auf mehr als einer Ebene zu einer Erfahrung, die ihn über sich hinauswachsen lässt.

Ein kurzweiliges Kinderbuch, das mit den Sorgen eines Jungen beginnt und wie ein Sonnenaufgang Licht und Wärme in die Geschichte bringt. Oma Violettas Edicola ist ein Treffpunkt für die Nachbarschaft, mehr noch: ein Ort der Gemeinschaft, an dem alle zusammenkommen, wenn es drauf ankommt. Total schön zu beobachten ist, wie Noah im Lauf des Buches über seine Sorgen und sogar über sich hinauswächst.

Veröffentlicht am 25.12.2023

Ich bin sonst selten für Lovestories zu haben, aber dieses Buch war ganz zauberhaft!

Tokioregen
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Die 16-jährige Malu setzt große Hoffnungen in ihr Austauschjahr in Tokyo. Das Schillern dieser Megacity, die nie schläft, ist die lange benötigte Ablenkung von ihrer Vergangenheit in Deutschland. Sofort ...

Die 16-jährige Malu setzt große Hoffnungen in ihr Austauschjahr in Tokyo. Das Schillern dieser Megacity, die nie schläft, ist die lange benötigte Ablenkung von ihrer Vergangenheit in Deutschland. Sofort ist sie überwältigt und verirrt sich fast im Gewirr des Bahnhofs Shinjuku, doch dank ihrer Gasteltern sowie den Gastgeschwistern Aya und Haruto wird ihr ein mehr als herzlicher Empfang bereitet.
Mit Aya zusammen wird sie auch gemeinsam in die Oberschule gehen. Am Vorabend zum Schulstart geht sie mit ihrer Gastschwester in den Yoyogi-Park, wo sie einige ihrer baldigen Mitschüler:innen kennenlernt und auch auf Kentaro trifft, der es schafft ihr ab der ersten Sekunde den Atem zu rauben. Sie ist fasziniert von diesem Jungen mit seinen mysteriösen Tattoos, der - genau wie Malu selbst - seine ganz eigene Bürde im Leben mit sich trägt. Kentaro hat ein eigenes Auge für die unterschätzten Facetten von Tokyo. Durch ihn erlebt sie die Megametropole im Neonlicht, sommerlich heiß und im Regenschauer kennen und lieben. Dann erlebt die Stadt eine Katastrophe solchen Ausmaßes, wie es sie nur in Tokyo gibt, und Malu muss in dieser zerstörten Metropole ihre Liebe wiederfinden.

Ich bin ja sonst Jugendromanen nicht ganz so aufgeschlossen, wenn eine Liebe im Mittelpunkt steht, aber ich muss zugeben, dass mir Tokioregen von Yasmin Shakarami voll gut gefallen hat. Japanophile Leser:innen werden total sehr auf ihre Kosten kommen, zudem ist Malu ein Mädchen, in das ich mich gut hineinversetzen konnte (also keine Charaktereigenschaften, die mich genervt hätten - dicker Pluspunkt!). In meiner Buchhandlung werde ich dieses Jugendbuch auf jeden Fall empfehlen!

Veröffentlicht am 25.12.2023

Absolut lesenswert!

Heimkehren
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Esi und Effia sind Schwestern in der Mitte des 18. Jahrhunderts in Ghana, die einander nie treffen werden. Während Effia mit einem weißen Briten verheiratet wird, sitzt in den dunklen Eingeweiden der Festung, ...

Esi und Effia sind Schwestern in der Mitte des 18. Jahrhunderts in Ghana, die einander nie treffen werden. Während Effia mit einem weißen Briten verheiratet wird, sitzt in den dunklen Eingeweiden der Festung, der er als Commandant vorsteht, ihre unbekannte Schwester Esi, um als Handelsware über den Atlantik nach Amerika verschifft zu werden.
Über die nächsten zwei Jahrhunderte und sieben Generationen verfolgt man die Wege von Effias und Esis Nachkommen.

Mehr möchte ich über den Inhalt gar nicht verraten - auf diese Geschichte, die so tausende Male passiert und tausende Male zuviel sein wird, muss man sich selbst einlassen. In jedem Kapitel erwartet einen ein Einblick in den Lebensweg eines weiteren Familienmitglieds der beiden Schwestern. Yaa Gyasi hat ihre Geschichte der Versklavung derart literarisch erzählt, dass ich gar nicht aufhören konnte zu lesen. Aus meiner Taschenbuchausgabe schauen viele Haftnotizen, die ich mir als Erinnerung hineingeklebt habe, um später Worte wie Fante, Asante, Akan, Twi und Bluthundgesetz zu recherchieren. Ich habe Heimkehren für den feministischen Buchclub gelesen und kann kaum erwarten, dort über das Buch zu sprechen.
Heimkehren als Familiengeschichte zu bezeichnen, wird diesem Werk nicht gerecht. Klar, es ist alles andere als ein Wohlfühlbuch. Es ist in jedem Fall eine Familiengeschichte, die mehr umfasst als Unterhaltung, eine Geschichchte, die sich zu lesen lohnt. 🔥

Veröffentlicht am 25.12.2023

Hochgradig erschreckend und deshalb so wichtig!

Alle drei Tage
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«Alle drei Tage» ist kein Buch für schwache Nerven, doch so wichtig, dass es gelesen werden sollte. Für mich muss der Satz mittlerweile nicht mal mehr vervollständigt werden, um mich auf die Gräuel vorzubereiten, ...

«Alle drei Tage» ist kein Buch für schwache Nerven, doch so wichtig, dass es gelesen werden sollte. Für mich muss der Satz mittlerweile nicht mal mehr vervollständigt werden, um mich auf die Gräuel vorzubereiten, die zwischen den Buchdeckeln beschrieben werden. Femizid, eine Tat, die allzu häufig vorkommt; ein Wort, das in der Berichterstattung noch zu selten verwendet wird. Denn es sind keine Beziehungstaten, keine Eifersuchtsdramen, keine Familientragödien - es sind Morde an Frauen, weil sie Frauen sind, die sich von ihren Partnern nicht mehr kontrollieren lassen wollen. Die Deutsche Presseagentur (dpa), hat 2019 entschieden, nicht mehr in verharmlosender Weise zu berichten, sondern die Gewaltverbrechen auch als solche zu benennen. Immerhin ein Anfang.
Laura Backes und Margherita Bettoni haben das Ziel, den Inhalt des Buches auf die Überlebenden und Hinterbliebenen zu richten. Eine Aufgabe, die schwer genug ist, beginnt es doch mit dem Täter, ohne diesen es auch keine Opfer gäbe.
Nebst den vielen Literaturverweisen gibt es auch das 8-Stufen-Modell nach Monckton Smith, welches den Gefährdungsgrad einer Frau anzeigt, von ihrem (Ex-)Partner getötet zu werden und das Beispiel eines Mannes, der sich zwei Jahre lang einem Anti-Gewalttraining unterzogen hat, nach dem er gegen seine langjährige Freundin gewalttätig geworden ist.
Backes und Bettoni zeigen in ihrem Buch allerdings auch auf, dass Deutschland noch einiges aufzuholen hat, wenn sie die Vereinbarungen der Istanbul-Konvention einhalten will. Insbesondere die derzeitige Rechtssprechung, die von zu verständnisvollen Richter:innen ausgeht beim Ausschluss niedriger Beweggründe (die das Strafmaß des Verurteilten beeinflussen), bedarf dringend einer Verbesserung.
Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen bei meinem Fazit: Wichtiges Buch!

Veröffentlicht am 25.12.2023

Eine herzzerreißende Geschichte zweier ungleicher Brüder

Sieben Tage Mo
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Mo ist wie ein Wirbelwind in Karls Leben. Mo sagt und tut immer, was er will, was es oft schwer macht, ihn zu bändigen. Manchmal wäre Karl selbst auch gern ein bisschen wie sein Zwillingsbruder in dessen ...

Mo ist wie ein Wirbelwind in Karls Leben. Mo sagt und tut immer, was er will, was es oft schwer macht, ihn zu bändigen. Manchmal wäre Karl selbst auch gern ein bisschen wie sein Zwillingsbruder in dessen Unbeschwertheit. Aber ab und zu wünscht Karl auch Mo einfach weg, wenn es ihm zu anstrengend wird. Denn Mo hat eine geistige Behinderung, und Karl muss sich sehr häufig um ihn kümmern und kann deshalb seine Freunde nicht so oft treffen.
Nida, die auf dieselbe Schule wie Karl geht, ist ihm vorher nie so aufgefallen. Aber jetzt interessiert sich Karl sehr für das Mädchen, und als sie sich nachmittags zum Schwimmen verabreden, freut Karl sich schon wie bolle sie zu treffen. Doch wieder einmal kommt Mo dazwischen. Karl möchte nicht schon wieder zurückstecken, und lässt seinen Bruder für ein paar Stunden alleine. Als er wiederkommt, ist Mo verschwunden. Karl bleibt das Herz stehen. Hoffentlich ist ihm nichts passiert! Wo kann Mo nur sein?

Ich bin über die Maßen begeistert von Mos und Karls Geschichte! Trotz der lediglich 170 Seiten entfaltet das Buch ein so großes Potential. Die beiden Brüder sind durch die berufstätigen Eltern häufig auf sich gestellt, dabei bleibt die Verantwortung überwiegend bei Karl hängen. Karl muss seine eigenen Bedürfnisse zu oft zurückstellen, dass es mir beim Lesen das Herz gebrochen hat. Dieses Buch presst selbst einem Stein Empathie ab - lest es und gebt es euren Kindern zu lesen!