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Veröffentlicht am 04.03.2023

"I am woman, hear me roar"

Ihr mich auch
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Meine Rezension läute ich ein mit der ersten Zeile aus Helen Reddys Song „I Am Woman“ ein, weil es mir für diese Story sehr passend erscheint!

„Ihr mich auch“, das geht Lu – eigentlich Luisa - sehr häufig ...

Meine Rezension läute ich ein mit der ersten Zeile aus Helen Reddys Song „I Am Woman“ ein, weil es mir für diese Story sehr passend erscheint!

„Ihr mich auch“, das geht Lu – eigentlich Luisa - sehr häufig durch den Kopf. Andere Jugendliche finden sie seltsam, und deshalb wird sie hier und da auch verspottet. Lu ist nicht in eine Schublade einzuordnen; Freche Schnute, pinke Haare, Jungsklamotten, Boxtraining. Lu ist meistens alleine, dabei wünscht sie sich schon Freunde. Aus diesem Grund wird sie seit ihrer Kindheit, die sie ohne Vater erleben musste, weil der schon früh abgehauen ist, von einem imaginären Freund begleitet. Rhys, den außer ihr niemand sehen oder hören kann, vertraut sie ihre Geheimnisse an.
Nicht nur die Schule nervt Lu, auch ihre Mutter geht ihr oft gehörig auf den Keks. Lu und ihre ewige Studentenmutter haben das Geld nicht so locker sitzen, weshalb Lu die getragenen Klamotten ihres Cousins trägt. Als ihre Mutter einen Job findet, dessen Aufgabe darin bestehen soll, die verzogene Tochter eines wohlhabenden Schnösels zu babysitten, kann Lu nur mit den Augen rollen. Viola, die seit einem Unfall für ihr Leben gezeichnet ist, kennt keinen Respekt. Lu ist es ein Gräuel, dass ihre Mutter für diese tyrannische kleine Prinzessin arbeiten soll. Als Viola bei der ersten Begegnung Lu ins Gesicht spuckt, lässt sie sich das nicht gefallen und knallt Viola eine, bevor Lu das Weite sucht. Ihre Mutter, von der sie eigentlich eine Strafpredigt erwartet, erzählt beeindruckt und überrascht Lu, dass Viola darauf besteht, Lu bei einem gemeinsamen Mallorca-Urlaub dabei zu haben. Was als Grauen für Lu beginnt, mündet in eine Freundschaft wie Lu sie noch nie erlebt und sich immer gewünscht hat.

Vom Cover leuchtet den Betrachter der rosafarbene Schopf von Lu entgegen. Das Buch wirkt visuell sehr mädchenhaft, aber was man beim Lesen präsentiert bekommt, ist gelinde gesagt richtige Power. Lu ist ein wirklich cooler Charakter, allein dass sie zum Boxen geht, um ihre Wut und überschüssige Energie loszuwerden, hat mir sehr imponiert. Lus Einsamkeit mag sich in der Erfindung eines unsichtbaren Freundes manifestieren, es ist aber auch ihre Ressource einen Weg zu finden mit Rhys nicht einsam sein zu müssen. Die Geschichte ist für mich pure jugendliche, weibliche Stärke und ich kann das Buch wirklich jedem nahelegen, der starke weibliche Charaktere mag!

Veröffentlicht am 04.03.2023

Terra, Mars & Luna

Terra
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In Tom und Stefan Orgels erstem SciFi-Roman sind dies die drei bewohnten Himmelskörper in der Zukunft, da die Erde in der Zukunft etwa elf Millionen Menschen beherbergt. Der Mars ist noch nicht zur Gänze ...

In Tom und Stefan Orgels erstem SciFi-Roman sind dies die drei bewohnten Himmelskörper in der Zukunft, da die Erde in der Zukunft etwa elf Millionen Menschen beherbergt. Der Mars ist noch nicht zur Gänze erschlossen, und es werden nach wie vor viele Rohstoffe auf dem roten Planeten benötigt.
Als Leser wird man in die Geschichte eingeführt, als eine Frau im Weltall unter merkwürdigen Vorkommnissen ums Leben kommt. Man merkt schon hier, dass irgendwas nicht richtig ist.
Jak, einer der beiden Hauptcharaktere in „Terra“, fliegt beruflich Fracht wie seltene Erden, raffinierte Erze und ähnliche benötigte Materialien von der Erde zum Mars. Auf seiner aktuellen Tour stellt er fest, dass sich in einem seiner Container eine Ladung befindet, die dort nicht sein soll. Die Schiffe, mit modernster Hard- und Software ausgestattet, registrieren den Irrtum nicht. Und auch Jaks AVA Nina – ein assistierendes Computerprogramm, das jedem Piloten als persönlich modifiziertes Programm zur Verfügung steht – sieht erst durch Jaks Linse, dass die hinterlegten Daten für diesen Container falsch sind. In einem Gespräch mit den anderen Kapitänen des Convois, in welchem Jak fliegt, kommt heraus, dass in jedem Schiff eine ominöse Ladung steckt. Jak wird stutzig, vermutet Hehlerware oder gar Drogen und bittet seine Schwester Sal auf dem Mond um Hilfe bei der Lösung des Problems. Sal, die zweite Akteurin in dieser Story, ist genervt davon ihrem vorbestraften Bruder schon wieder helfen zu müssen, aber nach Durchsicht der Daten, die Jak ihr zu seiner Bitte sendet, erkennt auch sie, dass etwas ganz schön faul ist.
Sal und Jak finden heraus, was es mit der Ladung auf sich hat, und was sich offenbart, ist in höchstem Maße besorgniserregend.

Mehr werde ich nicht verraten, aber es hat mir Spaß gemacht zwischen Jak und Sal hin- und herzulesen. T.S. Orgels Roman ist wirklich gut recherchiert (ha, als ob ich das beurteilen könnte...) wie sie auch im Nachwort erklären. Dabei ist es nicht zu abgehoben und für jeden verständlich. Ich konnte mir die beschriebene Technik richtig gut vorstellen. Besonders toll fand ich die AVAs.

Veröffentlicht am 04.03.2023

Liebe auf engstem Raum

Love to share – Liebe ist die halbe Miete
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„Love to share (Liebe ist die halbe Miete)“ fiel mir zunächst wegen der witzigen Covergestaltung auf. Spätestens beim Durchlesen des Klappentexts war mein Interesse komplett geweckt.

In O'Learys Debütroman ...

„Love to share (Liebe ist die halbe Miete)“ fiel mir zunächst wegen der witzigen Covergestaltung auf. Spätestens beim Durchlesen des Klappentexts war mein Interesse komplett geweckt.

In O'Learys Debütroman haben sich zwei buchstäblich gesucht und gefunden: Tiffy muss aus der Wohnung ausziehen, die sie sich mit ihrem Ex bisher geteilt hat, Leon benötigt Geld, um den Anwalt zu bezahlen, der seinen Bruder aus dem Gefängnis boxen soll; also tun sich zwei zusammen, als Leon entschließt seine 1,5-Zimmer-Wohnung unterzuvermieten. Tiffy, die sich bisher ziemlich überteuerte Dreckslöcher in der Londoner City angesehen hat, erscheint es nach reichlich gesehenem Schimmel nicht mehr abwegig mit jemandem das Bett zu teilen, der einem die Wohnung untervermietet. Beim Arrangement einander nicht zu begegnen, denn er arbeitet nachts und sie arbeitet tagsüber, scheint das gar nicht zu schwer zu bewältigen.
Leon und Tiffy begegnen sich durch ihre unterschiedlichen Arbeitszeiten tatsächlich nie, daher schreiben sie sich Post-its, die sie auf sämtliche Flächen der Wohnung kleben. Die Kommunikation mit dem jeweils anderen unbekannten Mitbewohner wird eine ungewöhnliche aber schöne Routine für Tiffy und Leon, denn auch ohne einander zu begegnen, nehmen sie aus ihrem Schriftwechsel ungeheuer viel mit. Der introvertierte Leon taut merklich auf. Dann begegnen sie einander und es kommt wie es kommen muss: Vertraut durch monatelanges Zusammenwohnen und verzaubert durch die gegenseitige Attraktivität verlieben sich Leon und Tiffy ineinander. Es könnte so schön sein, wenn nicht Tiffys egozentrischer Ex nochmal auf der Bildfläche erscheinen würde...

„Love to share“ ist ein leicht wegzulesendes Lesevergnügen mit einer erfrischenden neuen Idee. Um die Liebesgeschichte herum gibt es noch einiges mehr an Plots, die noch ein wenig Abwechslung in die Story bringen. Von der Dicke des Buches mit seinen über 400 Seiten sollte man sich nicht abschrecken lassen! -Am Ende schmerzt es Leon und Tiffy loslassen zu müssen, so sehr hat man diese liebenswerten und schrägen Charaktere in sein Herz geschlossen.
Normalerweise nicht mein übliches Genre, diese Knutschi-Bücher für Frauen, darum bin ich um so überraschter wie gut mir die Geschichte gefallen hat!

Veröffentlicht am 04.03.2023

Hätte früher spannend werden können

Im Dunkeln bist du nie allein
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Sie wacht in völliger Dunkelheit auf, stellt fest, dass ihre Hand an das Gemäuer gekettet ist. Am Kopf eine Wunde. Was zum Teufel ist hier los? Sie kann sich an nichts erinnern. Oder doch? - Langsam kehrt ...

Sie wacht in völliger Dunkelheit auf, stellt fest, dass ihre Hand an das Gemäuer gekettet ist. Am Kopf eine Wunde. Was zum Teufel ist hier los? Sie kann sich an nichts erinnern. Oder doch? - Langsam kehrt die Erinnerung der letzten Tage zurück. Zu langsam. Sie braucht Antworten. Und sie muss sich befreien...

Janice, genannt Jan, reist zurück nach Kreta, um fünf Freunde wiederzutreffen, die sie vor fünf Jahren bei einem Urlaub kennengelernt hat. Auf eine Einladung hin wollen gemeinsam Jan, ihr Ex-Freund Marcus, Brad und seine Frau Kristen sowie Gastgeberin Melissa und ihr Mann Simon die Urlaubserinnerung wiederaufleben lassen. Jan tritt die Reise mit einem guten Gefühl an, schließlich hat sie gerade eine Beförderung erhalten und wird künftig öfter reisen. Aber dann kommt sie an und vieles ist mehr Schein als sein. Sie stellt fest, dass sich die anderen verändert haben – oder waren sie bereits vor fünf Jahren so und sie hat es nur nicht gesehen? Und dann ist da noch Gretchen, die ebenfalls der Einladung des Wiedersehens gefolgt ist, obwohl sie zur früheren Urlaubsgemeinschaft gar keinen Bezug hat. Was also tut sie hier?

Die Geschichte wird parallel in der Gegenwart erzählt und in der Vergangenheit. Jan erinnert sich in der vollkommenen Dunkelheit an die letzten Tage des Urlaubs in der abgelegenen Villa in der kretischen Abgeschiedenheit. Sie erinnert sich auch an weiter zurückliegende Dinge aus ihrer Vergangenheit. Was davon Relevanz hat, wird der Leser herausfinden, während Jan versucht sich von der eisernen Fessel im Kerker zu befreien.

Zu viel darf man bei diesem Buch gar nicht verraten, um nicht zu spoilern. Mein Leseerlebnis mit diesem Buch ist durchwachsen. Anfangs fand ich es schwierig mich in die Geschichte einzufinden, weil in den Vergangenheitspassagen lange Zeit nichts passiert, was für die Gegenwart wichtig erscheint. Man liest sich hauptsächlich durch Urlaubserlebnisse. Zum Ende hin nimmt die Geschichte dann allerdings richtig Fahrt auf und es fügen sich die Puzzleteile der Geschichte ineinander und laufen auf ein spannendes Ende hin.
Insgesamt hatte zu Beginn und in der Mitte das Buch für mich aber zu wenige Spannungsmomente, um mehr als drei Sterne zu vergeben. Ganz unterhaltsam, aber nicht sehr anspruchsvoll.

Veröffentlicht am 04.03.2023

Ein Ausschnitt aus der Welt danach

Sendbo-o-te
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Man muss sich darauf vorbereiten eine andere Welt zu betreten, wenn man dieses Buch aufschlägt.
Yoshiro ist der Urgroßvater von Mumey und kümmert sich mit jeder Lebensfaser um den Jungen. Sie leben in ...

Man muss sich darauf vorbereiten eine andere Welt zu betreten, wenn man dieses Buch aufschlägt.
Yoshiro ist der Urgroßvater von Mumey und kümmert sich mit jeder Lebensfaser um den Jungen. Sie leben in einem veränderten Japan, das seine Grenzen geschlossen hat und keinen Kontakt mehr zur Außenwelt pflegt. Eine Katastrophe hat das Land verwüstet, ja sogar das Klima verändert. Gebiete sind kontaminiert und sollten besser nicht betreten werden. Tiere gibt es sogut wie keine mehr. Technik ist nunmehr nur noch so marginal vorhanden, dass man ein Japan aus dem frühen letzten Jahrhundert vor Augen hat. Die Überlebenden der Katastrophe werden älter als hundert Jahre bei junger Konstitution und können nicht mehr sterben, während diejenigen, die nach der Katastrophe geboren werden, schwächlich sind und kaum so lange leben, dass sie das Erwachsenenalter erreichen. Trotzdem sind diese Kinder mit einem Optimismus gesegnet, von dem Yoshiro nur träumen kann, und weise. Yoshiro ist immer besorgt und traurig über Mumeys Zustand.
Aber auch die Kultur hat sich verändert. Mann und Frau leben nicht mehr aus Liebe zusammen. Ihr Zusammenleben gleicht einer Zweckgemeinschaft zum Kinderkriegen, bis sich ihre Wege wieder trennen. Sprache ist etwas, das sich rasch ändert, und Wörter, die uns als Leser ganz geläufig sind – für die Protagonisten altmodische Relikte einer fernen Zeit.
Die Protagonisten sind austauschbar. Dieses Buch ist ein mögliches Szenario, das so aber auch anders hätte sein können. Die Autorin spielt mit den Möglichkeiten dieser Dystopie, deren Ursachen und Konsequenzen zu keinem Zeitpunkt konkret und direkt benannt werden.

Ich bin mir noch nicht ganz sicher, was ich – nachdem ich das Buch gerade beendet habe – davon halten soll. Eventuell muss die Geschichte noch ein wenig nachreifen in mir. Eins jedoch kann ich sagen: Ursprünglich über Haruki Murakami mit der japanischen Literatur in Verbindung gekommen, komme ich wohl nicht umhin immer mit ihm zu vergleichen. Yoko Tadawa hat eine Geschichte ersponnen, die in ihrer Skurrilität durchaus mit Murakamis Welten mithalten kann, auch wenn sie sich etwas latenter offenbart. Die stille, lyrische, feine Satzbauten, die ich bei Yoko Ogawa schätzen gelernt habe, wird man bei Yoko Tawada vergeblich suchen. Sie hat aber einen eigenen nennenswerten Stil.