Eine Nuance schwächer als Band 1 - aber immer noch ein klares Highlight!
SommerSturmVorweg: Die Autorin betont, dass man den zweiten Band problemlos ohne Vorkenntnisse lesen kann. Das kann ich nur bestätigen. Es ist eine komplett eigenständige, in sich abgeschlossene Geschichte. Allerdings ...
Vorweg: Die Autorin betont, dass man den zweiten Band problemlos ohne Vorkenntnisse lesen kann. Das kann ich nur bestätigen. Es ist eine komplett eigenständige, in sich abgeschlossene Geschichte. Allerdings empfehle ich trotzdem jedem, „Abendgewitter“ vorher zu lesen, weil man sich ansonsten sehr viel von Alessio und Samira vorwegnimmt. Und glaubt mir, wenn ihr erstmal ein Buch der Reihe gelesen habt, seid ihr süchtig genug, um alle anderen auch lesen zu wollen.
Die Reise zurück nach Panama beginnt, ganz wie wir es von der Autorin kennen, schon enorm packend. Die Prolog schildert, wie unsere Protagonistin kurz davor steht, sich das Leben zu nehmen. Keine Zeit, sich mit ihr auseinander zu setzen oder sie kennen zu lernen, sondern gleich die knallharte Wahrheit. Neben dieser erschreckenden Tatsache, dass ein 17-jähriges Mädchen Suizid begehen will, werfen wir aber auch gleich einen Blick auf den ominösen Schutzengel, der bereits auf der ersten Seite einfach neugierig zu machen weiß. Und diese Neugier wird gestillt, aber erst nach einem Zeitsprung von 7 Jahren. Nämlich dann, wenn die eigentliche Geschichte beginnt.
Wir begegnen Lilith erneut, bekommen erst einmal ein wenig Zeit und Raum, um uns ein Bild von ihr und ihrem Leben zu machen und einen Eindruck zu gewinnen. Lilith ist von der ersten Sekunde an unglaublich greifbar. Durch ihre schwere Vergangenheit erhält sie enorm vor Tiefgang und wurde von Seite zu Seite immer bewundernswerter. Was diese junge Frau bereits alles erleben musste, ohne daran zu zerbrechen, ist schockierend wie faszinierend zugleich. Ich konnte mich, trotz unserer unterschiedlichen Lebensweisen enorm gut mit ihr identifizieren und spürte von Beginn an eine Verbindung zwischen uns. Lilith ist nicht sympathisch im herkömmlichen Sinne, aber ihr freches Mundwerk und die Tatsache, dass sie ihr Herz am rechten Fleck trägt, machen sie liebenswert. Immer wieder brachte sie mich in den ungünstigsten Momenten zu Schmunzeln und erreichte mich so viel mehr, als es jede Art von Sympathie je gekonnt hätte. Ich fieberte mit ihr mit, fühlte ihre Gefühle am eigenen Leib und konnte ihre Handlungen und Gedankengänge problemlos zu jeder Zeit nachvollziehen. Lilith ist eine riesige Bereicherung fürs Geschehen und gerade ihr Charakterzug, dass sie eben nicht zu allem Ja und Amen sagte, spielte der Handlung perfekt in die Karten.
Eine wirklich passende Hauptfigur, die eine unterschwellige Entwicklung an den Tag legte und einfach zur Freundin für mich wurde.
Das männliche Gegenstück zu Lilith konnt in Form von gleich zwei Männern daher. Es gibt sowohl Zero als auch Iron, die beide gleichermaßen eine mehr als tragende Rolle spielen. Beide äußerst geheimnisvoll, aber ebenso ansprechend. Ich konnte mich bis zuletzt überhaupt nicht entscheiden, wen von den beiden ich lieber mochte. Während Iron wohl eine Spur näher am Leser war, war es Zero, der durch seine Durchtriebenheit überzeugte. Diese Undurchsichtigkeit der beiden erzeugte so viel Stoff zum Überlegen, zum Rätseln – es war nie sicher, ob man ihnen nun vertrauen konnte oder nicht und jedes Mal, wenn man meinte, man hätte sie durchschaut, wurde ich eines besseren belehrt. So; und nur so müssen Charaktere gestaltet und dargestellt werden.
Übrigens kennen wir Iron ja bereits aus Band 1 der Panama-Reihe, und auch einige andere Wiedersehen gab es. So freute ich mich irrsinnig, Samira und Alessio wieder zu sehen; und auch Ciprian und Zahra. Nichts desto trotz spielen alle, die wir schon kennen, eine absolut untergeordnete Rolle spielen und sich das Geschehen definitiv nur um die drei Hauptfiguren dreht. Besonders Samira und Zahra, die Protagonistinnen aus „Abendgewitter“, haben hier in „Sommersturm“ nur kurze Gastauftritte, was ich ein klein wenig schade fand.
Die Art, wie D.C. Odesza uns eine Geschichte erzählt, ist phänomenal. Mit einer Leichtigkeit baut sie eine derart gewaltige Spannung auf und erzeugt ganz nebenbei auch noch glasklare Bilder der Figuren, Kulissen, der Szenerien – einfach von allem. Es fühlt sich jedes Mal an, als würde man einen Film schauen; als wäre man mittendrin in Panama und ein Teil des Geschehens. Auch in Sachen Atmosphäre macht man der Autorin nichts vor. Die Stimmung schwankt zwischen absolut emotional und actiongeladen – nimmt einen aber zu jedem Moment komplett in Beschlag.
Gegliedert in wechselnde Perspektiven erlangt der Leser einen noch tieferen Einblick in die einzelnen Figuren und deren Beweggründe sowie in die einzelnen Erzählstränge. So erlangte nicht nur alles weitere Tiefe, sondern auch die Spannung wurde immens angekurbelt und weiter nach oben getrieben. Ideal gelöst!
Immer und immer wieder hört man, dass im Dark Romance Genre alles irgendwie gleich ist. D.C. Odesza zeigt, dass das nicht stimmen muss. Zwar greift auch sie auf durchaus bekannte Elemente zurück, setzt diese aber in völlig innovativer und erfrischender Art und Weise ein. Während man denkt, Band 1 seie schon an Genialität nicht zu überbieten, wird man von Lilith Geschichte wortwörtlich umgehauen. Die Autorin gewährt uns noch einmal einen Einblick in das Gangleben in Panama, bedient sich aber eines ganz anderen Blickwinkels, sodass die beiden verfeindeten Gangs noch einmal in ganz neuem Licht erstrahlen. Wieso stehen sie so auf Kriegsfuß? Wie weit gehen sie? Mord, Totschlag, Entführung, Folter – alles Alltag bei den Terequeraz und den Muerte Negras. Und mitten drin unseren Protagonistin. Keine Frage also, dass diese Geschichte einiges an Potential bietet – und so wie wir Odesza kennen, schöpft sie es aus, in vollen Zügen. Perfekt geplottete Twists, eine mehr als saubere Ausführung des roten Fadens und das Talent, das Interesse des Lesers immer weiter anzuheizen. Das ist das, was die Autorin ausmacht. Spannung von der ersten bis zur letzten Seite; interessante Randinformationen, etliche; ja unzählige überraschende Wendungen und immer wieder auftretende Richtungswechsel innerhalb der Handlung. Mehr kann man von einem Highlight-Buch nicht erwarten und mehr, als ich es getan habe, kann man nicht mitfiebern und sich fesseln lassen. Dabei muss ich aber zugeben, dass die Erotik, die ja doch eine tragende Rolle in diesem Genre spielt, gar nicht mal so präsent war, wie erwartet. Stört aber in diesem Fall überhaupt nicht, denn man ist gezwungenermaßen viel zu sehr damit beschäftigt, nach Atem zu ringen und zu hoffen und zu bangen. Allein wenn man mal drüber nachdenkt, wie oft unsere Protagonistin in Lebensgefahr schwebt .. da bleibt nunmal keine Zeit sich darüber zu wundern, dass es verhältnismäßig wenige Sex-Szenen gibt.
Das Ende bzw. die finale Auflösung toppte schließlich dann nochmal alles. D.C. Odesza schickte den Leser auf exakt den selben Holzweg wie Lilith; denn ich hatte während der ersten beiden Drittel exakt den Gedanken, den die Hauptfigur dann ebenfalls äußert – doch wir lagen falsch, alle beide. Das muss man erst einmal schaffen, denn die Überraschung hätte dadurch nicht größer sein können. Actionreich und spannungsgeladen abgehandelt wurde das Finale dieses Bandes zu einem wahren Pageturner. Das Buch nochmal schnell zur Seite legen um auf die Toilette zu gehen, was zu essen zu suchen – Fehlanzeige. Man muss – MUSS – einfach weiterlesen. Ein 100% rundes, zufriedenstellendes Ende, das alle Fragen zu dieser Geschichte beantwortet, aber noch genügend Spielraum für Band 3 offen lässt.
FAZIT:
„Sommersturm“ steht seinem Vorgänger in nichts nach. Eine wirklich packende, undurchsichtige Geschichte rund um drei vielschichtige, interessante Figuren, die zu überzeugen weiß; vor der traumhaften Kulisse Panamas. Neue, innovative Aspekte verbinden sich mit bekannten Elementen und ergeben eine Handlung, die nur wenig mit dem ersten Band der Reihe gemein hat und deshalb umso wendungsreicher ausfällt. Obwohl die Erotik deutlich hinten ansteht, ist dieses Buch trotzdem eins der besten Dark Romance Bücher, die ich jemals lesen durfte. Für mich persönlich zwar keine große Überraschung, dass D.C. Odesza wieder ein Highlight geliefert hat; aber allemal erwähnenswert. Ich möchte mehr, so viel mehr von der Autorin, von Panama, von Dark Romance. Vielleicht – aber nur vielleicht – eine winzige Spur schwächer als „Abendgewitter“, aber immer noch weit über allem, was sonst so am Markt zu finden ist.