Typischer Kerstin Gier Charme; aber nicht ohne Schwächen
WolkenschlossKerstin Gier hat schon in vorherigen Jugendbüchern bewiesen, dass sie einen enorm flüssigen, humorvollen und atmosphärischen Schreibstil hat. Sie erzählt die Geschichte rund um das Wolkenschloss absolut ...
Kerstin Gier hat schon in vorherigen Jugendbüchern bewiesen, dass sie einen enorm flüssigen, humorvollen und atmosphärischen Schreibstil hat. Sie erzählt die Geschichte rund um das Wolkenschloss absolut bildhaft, sehr einnehmend und voller Charme. Man fühlt sich wohl, lässt sich gern mitreißen und kommt wunderbar zurecht. Spritzige Dialoge, witzige Beschreibungen und stimmungsvolles Ambiente runden das Ganze letztlich ab. Mir sagte die Art und Weise, wie Kerstin Gier schreibt sehr gut und es war ein purer Genuss, in die Schweizer Alpen abzutauchen und sich von den Geschehnissen gleichermaßen mitreißen wie treiben lassen zu können. Auch die gewählte Perspektive in Form der ersten Person passte nicht nur zur empfohlenen Altersklasse bzw. der Zielgruppe, sondern auch zu der Geschichte ganz allgemein.
Ilka Teichmüller als Sprecherin macht hierbei ebenfalls einen ganz wunderbaren Job. Ihre noch sehr jung wirkende Stimmfarbe haucht der Portagonistin Fanny zusätzlich Leben ein und verleiht ihr noch mehr Glaubwürdigkeit und Greifbarkeit. Mir gefielen vor allen Dingen aber die unterschiedlichen Tempi und Stimmlagen, die von herzlich-spritzig bis düster-spannend wirklich alles authentisch verpacken konnte. Schon beim ersten Mal ist mir Ilka Teichmüller in Erinnerung geblieben und ich freue mich, dass sich jetzt auch zwei Jahre später meine Meinung darüber nicht geändert hat. Top gewählt und eine große Bereicherung für das Buch.
Unsere Protagonistin Fanny ist mit ihren 17 Jahren manchmal noch ganz schön kindlich und erinnert eher an eine pubertierende 13, oder 14-jährige als wie eine Frau, die kurz vor der Volljährigkeit steht. Streckenweise marschiert sie ein wenig blauäugig und naiv durchs Leben und wirkt dabei unerfahren und wenig erwachsen. Sie hat aber definitiv auch ihre Glanzmomente, meistens dann wenn sie sich sprizige Wortgefechte mit anderen Angestellten liefert oder sich mit dem Sohn des Hotelbesitzers kabbelt. Immer wieder schaffte es Fanny, mich zum schmunzeln zu bringen – gleichzeitig aber auch dazu, die Augen zu verdrehen. Man schwankt ständig dazwischen, ob man sie herrlich erfrischend und verträumt oder peinlich findet. Auch im Umgang mit der männlichen Fraktion ist sie sicher nicht das beste Vorbild, weil ihre Sprunghaftigkeit teils doch mit einer gewissen Anstrengungen verbunden war. Ich kaufte ihr einfach so manches nicht ab und tat mir schwer, ihr Verhalten mit einer 17-jährigen Hamburgerin in Einklang zu bringen. Ansonsten mochte ich sie aber doch ganz gerne irgendwie. Sie war süß, liebenswert, humorvoll und vor allen Dingen mutig. Sie trägt ihr Herz eindeutig am rechten Fleck und man spürt von Seite zu Seite mehr, dass sie ein durch und durch guter Mensch ist. Fanny ist eben Fanny, auf ihre ganz eigene Art und Weise – und der Name Fanny Funke ist eigentlich schon Programm.
Kerstin Gier hat schon öfters gezeigt, dass es gerade solche Charaktere sind, die ihre Geschichten ausmachen und Fanny stellt dabei keine Ausnahme dar.
Ebenso verhält es sich auch mit den anderen Figuren, ob nun wichtigere oder eher unwichtigere Rolle. Jeder einzelne hatte seine Ecken und Kanten und stach aus der Menge heraus. Obwohl es eine Vielzahl an unterschiedlichsten Charakteren gab, fiel es mir persönlich nicht schwer, sie auseinander zu halten und zu den tragenderen Persönlichkeiten eine gewisse Bindung aufzubauen. Besonders Ben und Tristan eroberten mein Herz im Sturm und sorgten für die ein oder andere Abwechslung innerhalb des Geschehens. Doch das größte Plus geht hier eindeutig an die Undurchsichtigkeit mancher – die Autorin hat es tatsächlich geschafft, dass ich meine Meinung über den ein oder anderen etliche Male ändern musste; nur um dann festzustellen, dass ich am Ende doch wieder falsch lag. Sehr gut gelöst und eine große Überraschung.
Die Idee hinter dem Buch bringt auf alle Fälle schon mal ordentlich Potential mit. Kerstin Gier’s Geschichten waren für mich nie wirklich Pageturner, aber sie konnten mich stets unterhalten und deshalb war ich gespannt, wie das Grundgerüst hier ausgearbeitet und dargestellt wurde. Der Klappentext verrät ja bereits einiges, wie zum Beispiel dass geheime Pläne hinter den schweren Samtvorhängen geschmiedet werden und dass vieles mehr Schein als Sein ist. Ich war neugierig, was sich dahinter verbirgt und wie man es schaffen will, einen Jugendlichen aus nachvollziehbaren Gründen die Fassade des Hotels hochklettern lassen kann. Mir wollte da nämlich nichts glaubhaftes einfallen – doch inzwischen wurde ich eines Besseren belehrt. Alles in allem sagte mir die Handlung sehr zu; es wurde nie langweilig; gab immer etwas zu entdecken und zu erleben und die Spannungskurve war konstant auf einer guten Höhe. Trotzdem lebt das Buch meiner Meinung nach viel eher von der Stimmung, der heimeligen Atmosphäre und dem Wohlfühl-Faktor. Mir persönlich war der Aufbau der Auflösung irgendwie zu flatterhaft. Irgendwann verliert man als Leser/Hörer ein wenig den Faden und bleibt streckenweise ein wenig verwirrt zurück, ehe eh wieder eine andere Richtung eingeschlagen wird und doch alles ganz anders ist, als man gerade eben eh nicht verstanden hat. Da fehlte für mich die Strukur – der rote Faden, der einfacher zu verfolgen gewesen wäre.
So war eine unterhaltsame, wenn auch ein wenig chaotische Storyline, die zwar überraschen kann und zeitweise richtig fesselt; aber doch Schwächen aufweist. Erst gen Ende, als sich der Knoten an Verwirrungen ein wenig löst, nimmt es wieder nachvollziehbare Gestalt an und ist leichter zu verstehen. Und da fährt Kerstin Gier nochmal ordentlich was auf und lässt die Silvesternacht im Wolkenschloss wortwörtlich explodieren. Was für ein Finale – und war für ein Epilog! Das hätte meine Kritik beinah wieder verblassen lassen – aber eben nur beinahe. Trotzdem war die Geschichte rund um Fanny auf ganzer Linie unterhaltsam, charmant und stellenweise richtig humorvoll. Selbst die Spannung und das Tempo kommen nicht zu kurz!
FAZIT:
„Wolkenschloss“ von Kerstin Gier kam jetzt beim zweiten Mal hören doch etwas besser davon, als noch vor zwei Jahren. Die Protagonistin erreichte mich dieses Mal wesentlich mehr, die Handlung konnte mich mehr begeistern und der Schreibstil mehr mitreißen. Leider gab es aber wieder den Kritikpunkt, dass die Auflösung zu verwirrend und zu sprunghaft ausgearbeitet wurde. Stellenweise verlor ich einfach den Überblick und kam nur noch schwer mit. Dennoch ist Atmosphäre und Spannung definitiv spürbar und der Unterhaltungsfaktor eindeutig gegeben. Kerstin Gier typische Jugendgeschichte in den wunderschönen Schweizer Alpen. Für alle Fans einen Besuch wert – egal ob als Hörbuch oder als gedruckte Version.