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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.12.2019

Etwas langatmige Storyline mit fantastischem Worldbuilding

One True Queen, Band 1: Von Sternen gekrönt (Epische Romantasy von SPIEGEL-Bestsellerautorin Jennifer Benkau)
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Dieses Werk stand auf meiner Wunschliste ganz oben – umso größer war die Freude, als Susi von » magische Momente « mich fragte, ob ich Interesse hätte, es zu rezensieren, da sie es zwei mal vom Verlag ...

Dieses Werk stand auf meiner Wunschliste ganz oben – umso größer war die Freude, als Susi von » magische Momente « mich fragte, ob ich Interesse hätte, es zu rezensieren, da sie es zwei mal vom Verlag erhalten hatte. Da ließ ich mich natürlich nicht lange bitten und prompt durfte das Buch bei mir einziehen. Danke nochmal Susi ♥ Jetzt endlich habe ich es gelesen und möchte euch nun meine Meinung dazu erzählen. Ob ich mich den ganzen Lobeshymnen anschließe? Oder ob ich doch eher enttäuscht war, das erfahrt ihr, wenn ihr dran bleibt 😉 Viel Spaß.

In Geschichte erleben durch die Augen von Mailin, eine 17-jährige Schülerin, deren Leben spätestens ab dem Moment, in dem ihre Schwester Vicky in ein Wachkoma fiel, komplett aus den Fugen geriet. Nur der Kampfsport kann sie ablenken; doch als sie genau da dann plötzlich in Ohnmacht fällt, wird alles nur noch schlimmer. Denn Mailin erwacht in einer ihr fremden Welt.
Ehrlich gesagt, war sie in meinen Augen keine Besonderheit. Mir war sie lange Zeit zu stereotypisch und brachte diese 0-8-15 Charaktereigenschaften mit, mit denen wir es im Jugendbuch-Bereich zu Genüge zu tun haben. Mut, Loyalität und jede Menge Motivation, aus ihrer furchtbaren Situation auszubrechen. Grundsätzlich muss das erstmal nichts negatives sein; solange die Sympathie und die Glaubwürdigkeit da sind – und das war bei Mailin eindeutig der Fall. Es dauerte zwar eine gewisse Zeit, bis ich warm mit ihr wurde, doch das Band zwischen uns wuchs mit jeder gelesenen Seite. Ihre Gedankengänge und Handlungen waren leider bis zuletzt nicht 100% nachvollziehbar, aber für den Verlauf der Geschiche definitiv nötig. Deshalb kann man sich auch damit wunderbar arrangieren. Ich mochte Mailin und jetzt rückblickend fand ich sie und ihre Art doch sehr passend für die Geschichte. Ich freue mich jedenfalls sehr, sie in Band 2 wieder zu treffen und erhoffe mir, dass die Startschwierigkeiten uns nur noch mehr zusammengeschweißt haben.
Weitere Hauptfiguren gab es einige. Da waren die unterschiedlichsten Persönlichkeiten mit den verschiedensten Aufgaben und Posten und jeder war für sich die perfekte Besetzung. Es gab so einige, die ich wahrlich tief ins Herz schließen konnte; aber auch den ein oder anderen, der auf Antipathie stieß. Außerdem war eine gewisse Vielschichtigkeit vorhanden, sodass das Rätseln, ob wohl jeder nur das Beste für Mailin im Sinn hatte, umso größeren Spaß machte. Ich mochte die Ausarbeitung der Haupt,- und Nebencharaktere, auch wenn sie genau so wenig innovativ und besonders waren, wie Mailin. Trotzdem sind einige davon zu Freunden geworden, denen ich stets gern begegnete und auf die ich mich in Band 2 sehr freue. Alles in allem gefiel mir die Charaktergestaltung in dieser Geschichte gut; wenn auch nicht herausragend.

Herrausragend hingegen war definitiv der Schreibstil. Jennifer Benkau schreibt so wortgewaltig und bildhaft, dass man sich schon nach wenigen Zeilen inmitten der epischen Welt fühlt. Obwohl die High Fantasy Welt durchaus ihre Tücken hat, und aus dem Nichts erschaffen werden muss, gab es keinerlei Verständnisprobleme und ich kam, trotz des Genres, enorm schnell voran. Auch das stets klare Bild vor meinem inneren Auge geriet nie ins wanken und ich fühlte mich wirklich als Teil der Geschichte. Schlichte, klare Wortwahl ohne große Ausschmückungen sorgten ebenfalls für einen angenehmen Lesefluss und selbst die Gliederung in Form der perfekt bemessenen Kapiteln spielt dem Buch ordentlich in die Karten. Mir gefiel die Art des Erzählens wahnsinnig gut; besonders weil wir uns hier mal nur auf eine Sicht beschränken und uns voll und ganz auf Mailin konzentrieren können.

Das Grundkonstrukt der Geschichte ist enorm vielversprechend. Jennifer Benkau hat hier völlig neue, innovative und erfrischende Ideen eingearbeitet und so eine interessante Storyline kreiert. Doch schon während des Einstiegs wird klar, dass die Handlung Zeit braucht, um in Fahrt zu kommen. Während die ersten Seiten noch sehr temporeich und mitreißend sind, stellt sich bald schon eine gewisse Ruhe ein, die sich dann wirklich quälend lange hinzieht, ehe es dann auf den letzten 100 Seiten richtig zur Sache geht. Ich hätte mir diese Geschwindigkeit schon viel früher gewünscht, auch mehr Überraschungen und unerwartete Wendungen hätten der Geschichte gut getan. Grundlegend fehlte es einfach an Spannung. Alles passierte so träge, wurde sehr lange thematisiert und obwohl es zwei-drei kleine Lichtblicke gab, konnten die das Ruder auch nicht herumreißen. Ich fühlte mich von der Geschichte nicht besonders gefesselt, geschweige denn mitgerissen und ich musste mich immer wieder zwingen, überhaupt danach zu greifen. Dazu kam eine sehr verwirrende, komplizierte Handlung, der zu folgen enorm schwer fällt. Es sind mehrere Aspekte, die am Ende zusammenlaufen und den Überblick zu behalten kostete mich nicht nur jede Menge Konzentration, sondern auch Nerven. Diese gewollt falschen Auflösungen sorgen nur für Chaos – nicht nur innerhalb des Buches, sondern auch in meinem Kopf.
Das Ende überzeugt dann; vieles klärt sich auf und ergibt plötzlich einen Sinn; auch die Geschwindigkeit nahm gegen Ende zu und endlich; nach einer gefühlten Ewigkeit kommt genau das, was ich mir die ganze Zeit wünschte: Tempo, Action, Blut, Spannung. Nur leider reichte dieser Schluss lediglich dazu aus, um mich neugierig auf Band 2 zu machen; nicht um das Buch gänzlich zu retten. Sehr schade. Dank den durchweg positiven Rezensionen erwartet man viel, ich für meinen Teil wurde deswegen aber nur umso mehr enttäuscht.

FAZIT:
„One True Queen“ von Jennifer Benkau beinhaltet eine wunderbare, fast epische High Fantasy Welt, in der es jede Menge zu entdecken gibt. Außerdem treffen wir auf wunderbar normale, bodenständige aber nicht uninteressante Charaktere und einen genialen, bildhaften Schreibstil. Leider aber mangelt es ganz klar an Spannung, Action und Tempo, sodass die Geschichte schnell träge und langatmig wirkt. Nichts desto trotz möchte ich Band 2 gerne eine Chance geben; einfach weil ich glaube, dass die Einführung nun hinter uns liegt und die Fortsetzung dann von der ersten Seite an durchstarten kann. Ich bin jedenfalls gespannt und vergebe für den Dilogie-Auftakt insgesamt lieb gemeinte 3 Sterne.

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Veröffentlicht am 07.12.2019

Wiedersehen mit Brian und Ella!

Cinder & Ella - Happy End - und dann?
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Lange Zeit habe ich gezweifelt, ob ich den zweiten Band dieser Reihe überhaupt lesen möchte. Band 1 ist nach wie vor das Highlight der letzten Jahre für mich und die Chance, dass der Nachfolger alles ruiniert, ...

Lange Zeit habe ich gezweifelt, ob ich den zweiten Band dieser Reihe überhaupt lesen möchte. Band 1 ist nach wie vor das Highlight der letzten Jahre für mich und die Chance, dass der Nachfolger alles ruiniert, war nicht gerade gering, immerhin gibt es online mehr negative als positive Meinungen. Trotzdem wollte ich natürlich wissen, wie es mit meinem persönlichen Traumpaar weitergeht und deshalb hab ich mich letztlich für das Hörbuch entschieden. Ob ich meine Entscheidung bereue oder ob mich auch diese Fortsetzung wieder komplett catchen konnte, erzähle ich euch jetzt. Viel Spaß ♥

Der Einstieg war, ganz wie erwartet, super leicht. Es dauerte keine 2 Minuten, ehe ich wieder diese typisch emotionale Atmosphäre verspürte und komplett in das Leben von Brian und Ella abtauchen konnte. Dafür sorgt auch der mehr als angenehme und trotzdem charakteristische Schreibstil der Autorin und die sehr passenden Vertonungen der Protagonisten. Sowohl Nora Jokhosha als auch Maximilian Atrajo als Brian und Ella machen einen ganz wunderbaren Job und verleihen den Figuren allein durch ihre Stimmen schon eine gehörige Portion Lebendigkeit und Authensität. Kelly Oram erzählt sehr direkt, verzichtet auf unnötige Beschreibungen und Details und erzeugt trotzdem Emotionen und Stimmung. Besonders die gefühlvollen Momente verpackt sie in wunderschöne Sätze und erreichte mich, wie schon bei ihrem ersten Buch, wieder auf ganzer Ebene.
Besonders gut gefiel mir auch die Gliederung in Form der beiden Perspektiven. Sowohl die Sicht der weiblichen Hauptfigur wie auch die des männlichen Parts geben einen tiefen Einblick in deren Gefühlswelten, Gedankengänge. Darüber hinaus sind die Beweggründe dadurch deutlich nachvollziehbarer und verständlicher. Sehr gut gelöst und enorm passend für die Geschichte.

Ella mit ihrer Unsicherheit war mir so vertraut, als würde ich eine alte Freundin wiedertreffen, die ich, ohne es zu merken, schmerzlich vermisst hatte. Sie war, wie schon in Band 1, das Highlight der Geschichte und auch wenn es die ein oder andere Situation gab, in der ich ihr Denken und Handeln nicht 100% verstand, hatte ich keine Probleme mich mit ihr zu identifizieren und dementsprechend mit ihr mitzufiebern. Besonders auffällig war in diesem Teil aber ihre Entwicklung. Mich sprach es enorm an, wie sich die junge Frau wandelte und immer mehr über sich hinaus wuchs. Eine glasklare Botschaft für all die jüngeren Leser, die sich genau wie Ella mit Selbstzweifeln und zu wenig Selbstvertrauen quälen. Jungs, Mädels – Ella macht es vor und auch ich möchte es nochmal betonen: jeder von euch ist wundervoll, so wie er ist – mit allen Ecken, Kanten, Narben und Mackel. Jeder von euch ist einzigartig und keiner braucht sich für irgendwas schämen.
Wer mir hingegen nicht mehr ganz so wunderbar gefallen hat wie Ella ist Brian. Ich tat mir stellenweise echt schwer, den großen Hollywood-Star mit dem unzähligen Frauengeschichten mit dem in Einklang zu bringen, was er tatsächlich war: ein Weichei. So leid es mir tut, aber sein Geschnulze war teilweise derart kitschig, dass ich einfach nur die Augen verdrehen musste. Ich hätte mir von Brian deutlich mehr Rückgrat gewünscht, mehr Stärke und mehr Charisma. Stattdessen kriecht er Ella in jeder nur sich bietenden Gelegenheit in den Hintern und legt ihr die Welt zu Füßen. In manch einer Situation mochte das angebracht und wirklich süß gewesen sein, aber manchmal war es einfach over the top und ruinierte mir die Emotionen. Es driftete einfach ins unglaubwürdige ab und das empfand ich als extrem schade. Von einem Mann, vor allem in seinen Kreisen, erwarte ich immer noch eine Portion Männlichkeit. Dementsprechend war seine Entwicklung, vor allem von Band 1 zu Band 2 eher ein Rückschritt und deshalb kaum erwähnenswert. Traurig.
Dafür aber gefiel mir die Dynamik unter den Charakteren wieder umso besser. Nicht nur zwischen Brian und Ella herrschte eine sehr stimmige Atmosphäre, auch die Nebenfiguren wurden wunderbar ins Geschehen eingewoben und man stieß wieder auf allerlei verschiedener Verbindungen untereinander. Mal schlug einem der pure Hass entgegen, mal spürte man die Liebe förmlich aus den Zeilen sprühen. Doch auch die Veränderungen im Verlauf der Geschichte taten der Geschichte herrlich gut; denn aus Freunden wurden Feinde, aus Feinden Freunde und aus Fremden nicht mehr wegzudenkende Akteure in Brian’s und Ella’s Leben.

Meiner Meinung nach hat Kelly Oram das Leben in und um Hollywood sehr gut eingefangen. All die Probleme die unweigerlich auftauchen für diejenigen, die im Rampenlicht stehen, sind realistisch und glaubwürdig dargestellt, sind einnehmend ausgearbeitet und sehr schön in Szene gesetzt. Dank der doch eher unvorhersehbaren Storyline und den überraschenden Wendungen wird es nie langweilig und die Emotionen, die ich in Band 1 so sehr geliebt habe, sind auch hier wieder in Hülle und Fülle vertreten. Trotzdem fehlte mir das „gecatcht“ sein. Ich wollte mich mitgerissen fühlen, wollte wieder eine Achterbahnfahrt der Gefühle erleben; doch das war hier bei weitem nicht so präsent wie ich es mir erhofft und gewünscht hatte. Trotzdem vermittelt die Autorin die richtigen Werte und setzt auf Unterhaltung, Spaß und stellenweise sogar Humor.
Inhaltlich gesehen ist es schwer, sich eine finale Meinung zu bilden. Einerseits konnte mich dieser zweite Band wirklich gut unterhalten; es hat Spaß gemacht, den Protagonisten und Randcharakteren wieder zu begegnen und auch, dass wir miterleben dürfen, wie Ella immer mehr in diese glamouröse, aber ebenso feindselige Welt gerät, ist ein großer Pluspunkt. Leider aber kann dieser Teil nicht mit seinem Vorgänger mithalten. Für mich war er kein Flop – davon sind wir weit entfernt – aber es war nicht mehr das Highlight wie der Auftakt. Im Endeffekt hat es Band 1 nicht geschadet, aber eben auch nicht in die Karten gespielt. Diese Fortsetzung war unterhaltsam, durchaus spannend, enthält eine enorm wichtige Botschaft und macht Freude; weist aber genau so auch Schwächen auf.

FAZIT:
„Cinder und Ella: Happy End – und dann?“ von Kelly Oram ist eine wunderbar unterhaltsame Lektüre mit jeder Menge Witz und Charme und Emotionen. Hinter dem kitschigen Cover verbirgt sich eine überraschend tiefgreifende Geschichte, die mich berühren und für sich gewinnen konnte. Trotzdem ist dieser Band, im Vergleich zu seinem Vorgänger, eher schwach; nicht zuletzt weil die Autorin die Messlatte schon beim Auftakt so enorm hoch gelegt hat dass sie sie nun selbst nicht mehr erreichen kann. Trotzdem hat mir die Geschichte rund um mein geliebtes Traumpaar gut gefallen und ich bin rund herum zufrieden; nur eben nicht so überwältigt wie ich es von Band 1 kenne.

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Veröffentlicht am 07.12.2019

Geister-Horror vom Feinsten!

Der Fluch von Carrow House
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Madame Hasenfuß verfasst eine Rezension zu einem Horrorbuch. Finde den Fehler. Tatsächlich. Ich Angsthase habe „Der Fluch von Carrow House“ gelesen – mutterseelenallein, im dunkeln. Bitte fragt mich nicht, ...

Madame Hasenfuß verfasst eine Rezension zu einem Horrorbuch. Finde den Fehler. Tatsächlich. Ich Angsthase habe „Der Fluch von Carrow House“ gelesen – mutterseelenallein, im dunkeln. Bitte fragt mich nicht, wie es dazu kam.. ich war einfach superschrecklich neugierig auf die Geschichte und wollte mich mal so richtig schön gruseln. Vielleicht schlummert die Horrorfilm-Passion, die ich früher hatte, ja immer noch irgendwo tief in mir? Wer weiß. Heute jedenfalls habe ich meine Meinung zu dem Buch im Gepäck und möchte sie gern mit euch teilen. Falls ihr also wissen möchtet, wie mir mein erstes Horrorbuch gefallen hat, bleibt gerne dran. Viel Spaß ♥

Bevor wir so richtig in die Geschichte starten, gewährt uns die Autorin einen Einblick in Remy’s Arbeitsleben. Wir erfahren nicht nur eine Menge wichtiger Fakten zum berüchtigten Carrow House, sondern lernen auch unsere Protagonistin erst einmal kurz kennen. Der Einstieg ist also noch recht ruhig gehalten, zwar äußerst informativ, aber eben noch nicht großartig beeindruckend. Gemeinsam mit Remy führen wir eine Gruppe von mutigen Touristen und Einheimischen durch das Spukhaus und können uns so ein erstes Bild von den Örtlichkeiten und den Begebenheiten machen. Erst als dann ein Teilnehmer der Gruppe darum bittet, sich über einen längeren Zeitraum im Haus aufhalten zu dürfen, beginnt der eigentliche Spaß. Während Remy sich nicht lange bitten lässt, stellt Mark eine bunte Truppe zusammen und nur wenige Zeit später betreten die Langzeitgäste das Haus.
Ab diesem Punkt nimmt die Geschichte kontinuierlich an Fahrt auf und die einst noch recht sanfte Beklemmung wächst mit jeder gelesenen Seite. Carcy Coats versteht es, den Leser zu packen und ihn auf eine Reise zu schicken, die er nie wieder vergisst. Dank der düsteren, vollkommen einnehmenden Atmosphäre fiel es mir nicht schwer, mich ganz auf das Buch einzulassen und ich gestehe, Gänsehaut ist nicht das einzige, was ich zu spüren bekam. Obwohl das Grundgerüst der Geschichte so abgedroschen, fast banal klingt, verbirgt sich dahinter erstklassiger Horror. Man sollte annehmen, dass zufallende Türen, zerspringende Fenster und das Knarzen von Holz nichts ist, was einen erwachsenen Menschen aus der Bahn wirft, doch die Autorin schafft es eben diese einfachen, aber wirkungsvollen Elemente so perfekt zu platzieren, dass sie ihre volles Potential entfalten. Dazu kommen die unzähligen Plots, die sich Schlag auf Schlag aneinandereihen und Langeweile jeglicher Form im Keim ersticken. Was für eine immens einnehmende Geschichte, die nicht spannender hätte sein können. Ich ertappte mich beinahe sekündlich dabei, wie ich den Atem anhielt, in freudig-ängstlicher Erwartungen, was die Gruppe als nächstes erleben würde, nur um dann mit akuter Schnappatmung und Herzrasen panisch durch die Kapitel zu hetzen, schneller als es eigentlich hätte möglich sein können. Den letzten Schliff erhielt die Story dann durch die Tatsache, dass man als Leser sogar miträtseln konnte. Nur Geister? Oder trieb noch etwas anderes sein Unwesen in den heiligen Hallen von Carrow House? Diese Undurchsichtigkeit spielte dem Geschehen zusätzlich in die Karten und trieb den Lesegenuss weiter in die Höhe.
Selbst das Ende ist, ebenso wie der Rest der Geschichte, gespickt mit actionreichen, hochdramatischen Szenen, die einen das Blut in den Adern gefrieren lassen. Absolut unerwartet und demnach sehr überraschend ging das Buch zu Ende. Ich muss zugeben, dass ich mir das Ganze vielleicht ein wenig anders vorgestellt – vielleicht auch gewünscht – hätte, doch trotz der minimalen Kritik bin ich mit der Umsetzung hochgradig zufrieden und noch immer leicht atemlos und verängstigt. Danke Darcy Coates für diese absolut gelungenen Horror-Momente und das riesige Lesevergnügen.

Doch nicht nur die Idee und deren Umsetzung können überzeugen und begeistern – denn beides wäre nichtig ohne die passende Besetzung – auch die Charaktere tun es. Eine bunt zusammengewürfelte Truppe: jeder mit eigenen Ecken und Kanten; aber vor allem mit eigenen Ansichten bietet das Zusammenleben jede Menge Zündstoff für hitzige Diskussionen, lautstarke Streitereien und abgrundtiefes Misstrauen. Doch die Autorin legt ebenso Wert auf das zwischenmenschliche Miteinander und erschafft einige Situationen, die den Figuren nicht nur Leben einhauchen, sondern ihnen Tiefe und Sympathie und Nahbarkeit. Mir war es enorm wichtig, dass eben genau das der Fall ist und ich bin froh, dass Darcy Coates mir diesen Wunsch erfüllen konnte, indem sie nicht nur Zweifel sähte, sondern diese auch wieder ausradierte – und das in glaubhaften Abständen und mit dem nötigen Einfühlungsvermögen.
Da die Gruppe, wie schon erwähnt, aus sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten besteht, wird auch allein auf diesem Gebiet nie langweilig. Wir treffen nicht nur Remy, den Tourguide, die das Haus kennt wie ihre Westentasche – wir treffen auch auf Mark, einen jungen Mann, dessen Absichten lange Zeit verborgen bleiben. Auf Marjorie, ein Medium, die das Paranormale beherrscht und sogar mit damit kommunizieren kann. Taj, einen aufgehenden Stern an Youtube-Himmel, der durch seinen Besuch im Spukaus vor allen Dingen seine Klick,- und Followerzahlen in die Höhe treiben will. Diese vier Menschen, und noch vier weitere, die ich hier nicht auch noch namentlich nennen kann, sind aus jeweils eigenen Beweggründen nach Carrow Island gekommen und ob sie am Ende wohl alle wirklich nur Gutes im Sinn haben, erzählt euch die Geschichte.
Für mich war diese Mischung, genau so wie Idee und Handlung, einfach perfekt gewählt und eine wahre Bereicherung für den Lesespaß. Die Undurchsichtigkeit, das aufkeimende und wieder ablaufende Misstrauen – das alles bescherte mir nur noch mehr Gänsehaut und Atemlosigkeit.

Der Schreibstil der Autorin ist absolut angenehm (darf man das Wort im Zusammenhang mit einem derart gruseligen Horror-Roman überhaupt verwenden?) und sehr leicht zu lesen. Mit bloßen Worten erzeugte Darcy Coates ein wahnsinnig realistisches Bild der Geschehnisse und versetzte mich damit mitten hinein ins Spukhaus. Ich fühlte mich als Teil der Gruppe, als Opfer und als Geist zugleich; manchmal vielleicht sogar eine Spur zu sehr. Kein Wunder also, dass die aufkeimende Panik sich immer wieder meldete und ich hin und wieder sogar eine kurze Pause von dem Buch brauchte – einfach um durchatmen zu können. Ich sehe es als riesiges Talent, den Leser derart zu catchen und ihn so sehr zu schockieren, dass er tatsächlich Schweißausbrüche und Herzrasen bekommt. Ihn so mitzureißen, ihm solche körperlichen Symptome abzuringen spricht also eindeutig für Stil und Sprache der Autorin.

FAZIT:
„Der Fluch von Carrow House“ von Darcy Coates ist die perfekte Lektüre für die dunkle Jahreszeit. Doch selbst bei gleißendem Sonnenlicht beschert einem dieses Buch definitiv Gänsehaut. Geister-Horror vom Feinsten mit altbewährten Elementen, die gut platziert und absolut atmosphärisch eingearbeitet sind. Auch Charaktere, Schreibstil und Umsetzung können auf ganzer Linie überzeugen und da mir jegliche Handhabe für Kritik fehlt, ist diese Geschichte zurecht eins meiner Jahres-Highlights. Großartiges Kino für alle Fans von „Spuk in Hill House“, „13 Geister“ und „Sinister“. Definitiv ein Blick wert.

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Veröffentlicht am 07.12.2019

Starke Charaktergestaltung meets zu komplexe Auflösung

Das Geschenk
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Na wer kam an „Das Geschenk“ in den vergangenen Tagen vorbei? Ich jedenfalls nicht, aber ich gebe zu, ich habe auch ganz schön auf dieses Buch hingefiebert. Jedes Jahr zur selben Zeit startet bei mir die ...

Na wer kam an „Das Geschenk“ in den vergangenen Tagen vorbei? Ich jedenfalls nicht, aber ich gebe zu, ich habe auch ganz schön auf dieses Buch hingefiebert. Jedes Jahr zur selben Zeit startet bei mir die große Thriller-Phase; ein Glück dass Fitzek’s Bücher immer pünktlich dazu erscheinen 😉 Ein kleiner Fun Fact: ich habe die Zusage vom Verlag für das Rezensionsexemplar bekommen, doch nachdem mich das Buch auch 2 Tage nach dem ET immer noch nicht erreicht hatte, habe ich es mir kurzerhand gekauft. Die Vorfreude und Neugier war einfach zu groß. Btw: es ist immer noch nicht da. Die Post ist wohl im Moment genau so zuverlässig wie mein Internet hust 😀 Nun aber genug gequasselt, heute habe ich schon meine Meinung für euch mitgebracht und falls ihr wissen möchtet, wie mir der neue Fitzek gefallen hat, bleibt dran. Viel Spaß ♥

In „Das Geschenk“ ist unser Protagonist Milan Berg der Dreh und und Angelpunkt des Ganzen. Durch sein Analphabetismus sticht er schon von vorn herein klar und deutlich aus der Masse an Buch-Charakteren heraus und ist so eine äußerst interessante und innovative Persönlichkeit, die gleichermaßen neugierig wie nachdenklich macht. Milan’s Leben ist geprägt von seiner Störung, immer wieder wird deutlich aufgezeigt, wie schwer es Analphabeten im Alltag tatsächlich haben. Meines Erachtens nach hat Sebastian Fitzek es geschafft, die Problematik nahezu perfekt einzufangen und wiederzugeben und uns Lesern den Protagonisten und seine Gedankenwelt enorm nahe zu bringen und darüber nachzudenken, was es für ein Privileg ist, dieses Buch lesen zu können. Milan glänzte allerdings nicht unbedingt durch Sympathie; viel eher war es die Vielschichtigkeit seiner Person, die mich begeisterte. Nicht nur, dass er weder lesen noch schreiben konnte; auch sein Wesen war so undurchsichtig wie eine Betonwand. Die Frage, ob Milan vielleicht etwas verheimlichen könnte; und wenn ja, was, stellte sich unzählige Male und immer wieder spürte ich meine Zweifel, ob ich ihm trauen konnte oder nicht. Dennoch; oder vielleicht gerade deswegen gelang es mir auch so gut, mit ihm mitzufiebern und mitzurätseln. Ich hatte größten Spaß dabei, ihn begleiten und die Geschichte durch seine Augen erleben zu dürfen; denn das war eindeutig ein Erlebnis – im positiven wie negativen Sinne.
Sebastian Fitzek schafft es immer wieder, seine Charaktere so zugestalten, dass man als Leser nur anerkennend den Hut ziehen möchte. Auch wenn ich an Figuren aus vorangegangene Werke aus seiner Feder denke, überkommt mich stets eine Welle des Misstrauen; denn jeder wirkte, wie auch Milan, eher zwielichtig und so fern ab jeglicher Norm, dass man sie eigentlich gar nicht mögen sollte – aber man tut es trotzdem; ganz automatisch.
Aber nicht nur Milan war es, der für mich ein Rätsel verkörperte, auch jede weitere beteiligte Person in der Geschichte. Ich ertappte mich des öfteren dabei, wie ich irgendwann jedem von ihnen absolut alles zutraute, nur um später den Kopf über mich selbst schütteln zu müssen, weil ich derart falsch lag mit meinen Vermutungen und Verdächtigungen. Für mich die perfekte Besetzung für das Buch! Vielschichtige und außergewöhnliche Charaktere, die ihre Absichten nicht sofort offen legen, sind einer der wichtigsten Bestandteile eines Thrillers und Sebastian Fitzek hat es meisterhaft geschafft, eben jene in „das Geschenk“ zum Leben zu erwecken.

Der Einstieg in die Geschichte fällt ebenfalls nicht schwer. Alles beginnt schon hochdramatisch und als Leser fragt man sich unwillkürlich, wie es nur dazu kommen konnte. Denn auch das finde ich äußerst typisch für Fitzek: wir lernen den Protagonisten quasi am Ende der Geschichte kennen und kehren dann via Zeitsprung an den Anfang zurück. Die perfekte Methode, um uns zum Miträtseln zu animieren. Wie konnte es soweit kommen? Was ist geschehen, dass sich Milan nun in einer solchen Situation befindet? Was lief schief? Oder ist er doch nicht so unschuldig, wie es scheint?
All diese und noch viele weitere Fragen schwirrten mir während des Lesens durch den Kopf. Die Plots sind einfallsreich, absolut grandios recherchiert und innovativ. Die einzelnen Einflüsse sind interessant, schockierend und scheinen manchmal so abwegig, obwohl hier nur die Realität in all ihrer Brutalität ans Licht kommt. Egal wie unrealistisch manches auch scheint; es sind nichts als Fakten und das überracht nochmal auf einer völlig neuen Ebene. Medizinische sowie psychische Informationen sind dabei perfekt in die Storyline integriert, ohne den Lesefluss zu unterbrechen. Im Gegenteil: sie erzeugten nur zusätzliches Potential, immerhin spielt Sebastian Fitzek nicht nur mit den Abgründen der menschlichen Seele, sondern bringt auch immer wieder angebrachte Gesellschaftskritik ins Gespräch und lädt zum Nachdenken; vielleicht sogar zum Umdenken ein.
Die grundlegende Handlung läuft trotz Zeitsprüngen sehr nachvollziehbar ab, der rote Faden ist klar erkennbar. Mittels geschickt platzierten Aussagen von Figuren, oder scheinbar nebensächlich erwähnten Rand-Infos lockt die Geschichte den Leser bewusst in völlig falsche Richtungen und jedes Mal, wenn man meint, die Lösung zu kennen, überrascht einen die nächste Wendung derart, dass sich alle Überlegungen prompt als falsch erweisen. Doch trotz all diesen positiven Aspekten, schaffte es „Das Geschenk“ nicht, mich 100% zu fesseln. Ich las es gerne, ich konnte auch gut ins Geschehen eintauchen, doch dieses „mitgerissen sein“ empfand ich leider nicht. Buch aus den Händen gelegt; Sache erledigt. Wieder zum Buch gegriffen, wieder eingetaucht. Ich hätte mir viel mehr gewünscht, dass ich mich auch in der Zeit, in der ich nicht lese, nicht loslässt und mich permanent beschäftigt. Dem war leider nicht so. Ein weiterer, eher negativ behafteter Punkt ist der große Twist bzw. die Auflösung. Ich habe lange überlegt, wie ich das benennen soll, doch im Endeffekt wird „es war mir zu krass“ wohl am besten passen. Irgendwie verlor alles gelesene seine Bedeutung, als klar war, war wirklich Sache ist. Auch die sehr extremen Richtungswechsel innerhalb der Auflösung sorgten für Verwirrung. Jetzt rückblickend, wenn ich den Klappentext noch einmal lese, ist es vor allen Dingen ein Wort, das ich als sehr treffend betrache: nämlich „Irrfahrt“. Denn genau das ist, was die Geschichte im letzten Drittel ist: eine Irrfahrt. Diese ständigen Wechsel erzeugten zwar Tempo und auch die nötige Spannung, doch im großen und ganzen war es zu viel des guten. Immer wieder gab es neue Auflösungen, neue Erkenntnisse, neue Tatsachen und am Ende musste ich als Leser wirklich alle Konzentration aufwenden, um überhaupt noch mitzukommen.
So kann ich sagen, dass ich sowohl Idee wie auch Umsetzung eigentlich sehr geglückt finde, sehr realistisch und authentisch; aber beides kommt eben nicht ohne Kritik davon.

Völlig kritikfrei ist aber wiederum der Schreibstil. Ich liebe es, wie Sebastian Fitzek schreibt und erzählt! Man kann problemlos ins Geschehen abtauchen, die Szenen sind bildhaft und greifbar und der Lesefluss ist derart gut, dass man nur so durch die Seiten rauscht. Wie schon erwähnt kann der Autor Fakten ebenso gut in die Geschichte einweben, wie Gefühle und Brutalität. Selbst Zeitsprünge und Gliederung ist perfekt ausgearbeitet und trotz der vielen Wechsel bleibt das geschriebene Wort verständlich und nachvollziehbar. Wir lesen hier nämlich aus allerlei verschiedener Sichten und bekommen so einen Panoramablick über sämtliche Figuren, deren Abgründe und Absichten – und trotzdem bleibt es undurchsichtig. Etwas, was sich nur schwer erklären lässt, mir aber unheimlich gut gefällt und mich zutiefst beeindruckt. Man spürt die Erfahrung des Autors – und das Talent.

FAZIT:
„Das Geschenk“ von Sebastian Fitzek ist wieder ein Psychothriller, der durchaus begeistern kann. Absolut stimmige, außergewöhnliche und interessante Figuren treffen auf eine mehr als innovative Handlung. Der Autor bringt Themen zur Sprache, denen man in Bücher sicher noch nie begegnet ist und animiert den Leser so zum nachdenken. Gesellschaftskritik ist hier ebenso eingewoben wie die menschlichen Abgründe, fehlgeleitete Gefühle und absolute Grausamkeit. Lediglich die fehlende Spannung nagt ein wenig an der Geschichte; und auch die Ausarbeitung der Auflösung überzeugte mich nicht gänzlich. Trotzdem ein mehr als lesenswertes Buch und für alle Fans von Fitzek ohnehin ein Muss.

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Veröffentlicht am 07.12.2019

Mehr Roman als Thriller

The Chain - Durchbrichst du die Kette, stirbt dein Kind
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Ehrlich gesagt, hatte ich, bis zur Info-Mail vom Verlag noch nie von diesem Buch gehört. Doch der Klappentext sprach mich direkt an und da ich im Moment ohnehin total in Thriller-Laune bin, hab ich direkt ...

Ehrlich gesagt, hatte ich, bis zur Info-Mail vom Verlag noch nie von diesem Buch gehört. Doch der Klappentext sprach mich direkt an und da ich im Moment ohnehin total in Thriller-Laune bin, hab ich direkt mal angefragt und prompt auch den Zuschlag bekommen. Vielen herzlichen Dank auch an dieser Stelle nochmal! Ich hab mich, kaum dass es eingetrudelt kam, auch direkt in die Geschichte gestürzt, sodass ich euch heute meine ehrliche Meinung zu „The Chain“ von Adrian McKinty liefern kann. Falls ihr also wissen wollt, wie es mir gefallen hat, bleibt gerne dran. Viel Spaß.

Schon während der ersten Seiten ist mir eins ganz klar ins Auge gestochen: das Buch lässt sich zwar flüssig lesen, wurde aber nicht in der Geschwindigkeit erzählt, die ich mir gewünscht hätte. Ich kam, zu meinem großen Erstaunen, wirklich nur sehr langsam voran und ertappte mich immer wieder dabei, wie ich mit den Gedanken immer wieder abdriftete. Ich kann nicht behaupten, dass mir der Stil nicht gefallen hätte, so ist es nicht. Aber die Tatsache, dass einfach keine richtige Fahrt aufkommen wollte, lässt sich nicht schönreden. Trotzdem hatte ich während der ganzen 350 Seiten stets ein klares Bild vor Augen und konnte mich gut in die verschiedenen Szenen hineindenken. Adrian McKinty nimmt sich in diesem Werk auch mal Zeit für nebensächliches und lässt immer wieder kurze Aspekte der Philosophie einfließen. Eine Tatsache, die mich zwar nicht großartig begeisterte, mich aber auch nicht sehr störte. Meines Erachtens hätte man darauf aber verzichten können, nicht zuletzt um das Tempo zu erhöhen. Gegliedert in verschiedene Perspektiven, begleiten wir nicht nur unsere Hauptfigur Rachel, sondern auch andere, wichtige Charaktere und bekommen, dank der gewählten Erzähl-Form, sogar Einblicke in die Ansichten des Täters. Das wiederum hat mich sehr angesprochen und dem Ganzen noch die besondere Würze verliehen.

Besagte Charaktere taten sich dabei aber allesamt sehr schwer, mich für sich zu gewinnen. Sie alle waren besonders, gar keine Frage. Jeder hatte sein Päckchen zu tragen und verbarg dieses erstaunlich gut vor den anderen. Die Interaktionen untereinander waren glaubhaft und lebendig, die Gespräche echt und die Verbindungen spürbar. Was es meines Erachtens nach nicht gebraucht hätte, war die Liebesgeschichte. Diese spielt sich zwar nur am Rande ab, wirkte für mich aber ein wenig erzwungen und gestellt. Außerdem geschah das alles so aprupt, dass ich kurz richtig erschrocken bin, was ich da verpasst habe.
Rachel ist eine taffe Frau, die in ihrem Leben schon einiges durchmachen musste und nun, mit der Entführung ihrer Tochter, den Gipfel der Pechsträhne erreicht hat. Natürlich hatte ich Mitgefühl mit ihr, und es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, ich hätte nicht mit ihr mitgefiebert und ihr nicht alle erdenklichen Daumen gedrückt. Doch oftmals fühlte ich eine unüberbrückbare Distanz zwischen uns. Ich war noch nie in einer solchen Situation und möchte deshalb nicht großartig über ihre Entscheidungen und Gedanken urteilen – aber so richtig nachvollziehbar war für mich nur weniges. Vielleicht schaltet der Kopf in einer solchen Lage einfach in den Not-Modus und man bekommt einen ganz anderen Blick auf die Fakten; doch für mich war einiges vom dem, was Rachel tat, eher schwer nachzuvollziehen. Dennoch gab es auch Lichtblicke; besonders im Umgang mit ihrer Tochter oder ihres Ex-Mannes, wenn die völlig normale Frau und Mutter durchscheint, war sie mir absolut sympathisch und erschien mir wesentlich realistischer als in der Ausnahmesituation. Deshalb vermute ich auch, dass es schlicht die Lage und die Erlebnisse sind, die uns voneinander abheben.
Pete, ebenfalls ein tragender Teil der Geschichte, ist eine Faszination für sich. Irgendwie konnte ich den ehemaligen Marine nicht mit dem heutigen Mann in Einklang bringen. In meinem Kopf war Pete ein ganz anderer, als im Buch und egal wie sehr ich das Bild zu ersetzen versuchte, der heruntergekommene Drogenabhängige drang immer wieder an die Oberfläche. Auch sein Sinn für Ehrlichkeit ließ immer wieder zu wünschen übrig und ich wollte nicht so recht verstehen, was Rachel denn an ihm fand. Dafür glänzt er aber umso mehr im Bereich der Ruhe und Bedachtheit. Während Rachel immer wieder am Rande einer Panikattacke wandelte, besaß er den kühlen Kopf und das Können, sich aus so manch brisanter Situation heraus zu manövrieren.
Alle weiteren Figuren waren soweit auch in Ordnung. Es gab, bis auf Kylie, die Tochter von Rachel, niemanden, der mir so richtig ans Herz wuchs. Trotzdem empfand ich viele als sehr realistisch und sympathisch, sehr glaubhaft und größtenteils auhentisch. Einzig und allein die Undurchsichtigkeit hätte vielleicht eine Spur besser sein können.

Der Grundgedanke hinter dem Buch war äußerst vielversprechend und strotzte nur so vor Potential. Wie schon erwähnt, gefiel mir die Idee sehr gut und ich war vor allen Dingen neugierig, wie das Netzwerk hinter „Die Kette“ aufgebaut und ausgearbeitet wurde. Es ist nur schwer vorstellbar dass dieses seltsame Konstrukt tatsächlich funktioniert und ich wollte um jeden Preis erfahren, ob ich damit recht behalten würde oder mich auf dem Holzweg befand. Kaum in die Geschichte eingetaucht, befinden wir uns als Leser auch schon mittendrin und erleben die Entführung von Kylie hautnah mit. Das sorgt für einen interessanten Einstieg, der animiert, weiterzulesen. So erging es mir zumindest, doch die Spannung ließ, trotz wechselnder Perspektiven, schnell nach. Das Erzähltempo nahm ab und die Geschehnisse reihten sich fast emotionslos aneinander. Auch wenn einiges passierte, war das nichts, was irgendwie Adrenalin in mir aufwallen ließ. Adrian McKinty erzählt und erzählt, doch von überraschenden Wendungen keine Spur. Es lief mir einfach alles viel zu glatt ab; und nachdem die eigentliche Geschichte nach rund der Hälfte schon beendet ist, kommt man tatsächlich in Versuchung, es damit einfach gut sein zu lassen. Ich bin, jetzt rückblickend, froh, dass ich das nicht getan habe. Denn ab der zweiten Hälfte gibt es eine immer deutlichere Steigerung. Zwar bleibt es bis zum Ende des zweiten Drittels eher gediegen und wenig spannend, doch die letzten 70-80 Seiten hatten es definitiv in sich und zum ersten Mal zeichnete sich auch so was wie „Thriller-Charakter“ ab. Die Action nahm zu, es wurde zunehmend spannender und erst gen Schluss fühlte ich mich richtig gefesselt von der Geschichte. Leider aber war alles sehr vorhersehbar. Ich hatte die Auflösung des Ganzen schon recht früh vor Augen und behielt damit dann auch recht. So blieb die Überraschung dann bis zum Ende komplett aus. Nichts desto trotz fand ich die Auflösung sehr gut in Szene gesetzt und sehr spannend dargestellt. Genau diese actionreiche Atmosphäre hätte ich mir schon viel früher gewünscht – denn dann hätte das Buch das Potential für eine deutlich bessere Bewertung gehabt.

FAZIT:
„The Chain“ von Adrian McKinty war ein Thriller, der lange Zeit eher an einen Roman erinnert und keine thriller-typischen Eigenschaften aufweist. Das eher gediegene Erzähltempo nimmt dem Buch die Spannung und der aalglatte Ablauf sorgt ebenfalls für wenig Fesselung. Erst gen Ende nahm die Geschichte an Fahrt auf und zeigte endlich das, was ich so lange vermisst hatte: Action, Spannung, Adrenalin und viel Blut. Leider war aber auch dieses toll inszinierte Finale wenig überraschend, sodass sich meine Vermutung, die schon früh aufkeimte, als richtig erwies. Positiv stimmte mich allerdings die gut gewählte Gliederung in Form mehrere Perspektiven und gesplittet in „vorher“ und „nachher“. Für mich dennoch ein weniger guter Thriller, der zwar ganz interessant, aber nicht großartig spannend ist.

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