Erschreckend vulgär und nichtssagend
STAYDieses Buch begegnete mir auf Instagram gefühlt täglich mehrere hundert Male. Und alle waren sich einig: das Buch soll so süß, so witzig, soooo gut sein. Kein Wunder also, dass meine Neugier prompt geweckt ...
Dieses Buch begegnete mir auf Instagram gefühlt täglich mehrere hundert Male. Und alle waren sich einig: das Buch soll so süß, so witzig, soooo gut sein. Kein Wunder also, dass meine Neugier prompt geweckt war. Zusammmen mit Lisa-Marie (» weltentzueckt «) und Gina (» buchgelesen «) habe ich mich dann in die Geschichte gestürzt und ich kann euch schon vorweg verraten, dass auch wir drei Mädels uns absolut einig waren, was unsere Meinung betrifft. Ob die aber genau so gut ausfällt? Ich erzähle euch jetzt aber erstmal, was ich über „Stay“ denke. Falls ihr also neugierig seid, bleibt gerne dran. Viel Spaß.
Der Einstieg in die Geschichte fiel mir erstmal nicht weiter schwer. Wir lernen unsere Protagonistin Ruby während der Verlobungsfeier ihrer besten Freundin Amie kennen und werden so direkt mit ersten Dialogen unterhalten. Doch schon da stieß mir Ruby’s Ausdrucksweise ziemlich sauer auf. Ein Mädchen aus reichem Hause soll sich derart vulgär ausdrücken? Das konnte ich beim besten Willen nicht miteinander in Einklang bringen. Immer wieder waren es die Gedankengänge und Aussagen, die mich von Ruby entfernten. Denn eigentlich ist sie kein schlechter Mensch: im Gegenteil! Sie beweist, dass Geld nicht alles im Leben ist und sie legt wert darauf, ihre eigenen Spuren zu hinterlassen, anstatt nur in die ihres reichen Vaters zu treten. Ihr Kampf um ein selbstbestimmtes Leben, darum, auf eigenen Beinen zu stehen, hätte beeindruckend sein können, doch im Endeffekt wurde einiges der Sympathie, die ich eigentlich hätte für sie empfinden können, durch ihre vulgäre Art, zerstört. Ich hätte mir eine Hauptfigur gewünscht, die lustig, glaubhaft und authentisch ist; die sich zu benehmen weiß – doch stattdessen bekam ich eine vom Pech verfolgte Ruby, die ständig irgendwelche Aktionen brachte, die mir das Fremdschämen näher brachten und mich einfach nur den Kopf schütteln ließen. Weder Handlungen und Gedankengänge waren für mich nachvollziehbar, in irgendeiner Form verständlich und so weit weg von realistisch, dass es manchmal beinahe weh tat, sie zu begleiten. Ich finde es jammerschade, denn aus ihren Ansichten und Eigenschaften hätte man echt was machen können. So war sie einfach nur eine vulgäre junge Frau, die ihr Leben nicht auf die Reihe bekommt und sich total zum Affen macht in der Geschichte.
Bancroft, der männliche Part, gefiel mir besser. Zwar war auch er weit entfernt vom Book Boyfriend, doch seine optischen wie charakterlichen Eigenschaften konnten sich definitiv sehen lassen. Mit der Liebe zu seinen Haustieren gewann er bei mir tatsächlich ein paar Pluspunkte, die er jedoch recht schnell durch kleine Fehltritte wieder verschenkte. Trotzdem fand ich ihn glaubhaft und authentisch, sympathisch und attraktiv. Besonders sein Verantwortungsbewusstsein, seine Reife und sein Job verliehen ihm einen gewissen Glanz, neben dem Ruby regelrecht matt wirkt. Die kleinen Fehltritte, die ich eben erwähnte, kann ich jetzt rückblickend sogar fast komplett vergessen, weil sie neben anderen Fehltritten der weiblichen Figur einfach belanglos erscheinen. Selbst sein Verhalten gegenüber Familie und Freunden imponierte mir; weil er sich einfach zu benehmen wusste und seine Ausdrucksweise wesentlich gehobener war als bei anderen Figuren.
Was mir ebenfalls recht positiv auffiel, waren die Interaktionen untereinander. Seien es nun die, zwischen Ruby und Bancroft, oder zwischen einem der beiden und Nebenfiguren. Amie ist eine total herzliche, loyale Persönlichkeit, die meiner Meinung nach trotz gewissen Verhaltensweisen eine bessere Freundin hätte finden können als Ruby. Die Dialoge waren, besonders wenn Ruby nicht im Spiel war, größtenteils lebensnah und unterhaltsam. Letztlich waren aber auch die Nebenfiguren nichts, was man nicht schon mal gesehen hätte und auch nichts, was ich großartig vermissen werde. (außer die Haustiere – die waren toll!!)
Die Idee hinter dem Buch ist grundlegend erst einmal gut. Der Einfall, dass sich Ruby um die Haustiere eines reichen Kerls kümmert, gefiel mir und ich war unheimlich gespannt, wie Helena Hunting es umsetzen wird. Jetzt, da ich fertig bin, weiß ich, dass sie das gehörig gegen die Wand gefahren hat. In meinen Augen war hier nichts wirklich rund und der Fokus lag definitiv an der falschen Stelle. Wenn sich die Autorin auch nur halb so viel Zeit für die Emotionen und den Humor genommen hätte wie für den Erotik-Aspekt, wäre die Geschichte sicherlich nicht schlecht geworden; doch so? Ich bin maßlos enttäuscht. Es gab so viel Potential, gerade in Form der Video-Chats, der Berufswahl von Ruby, den Haustieren.. doch das alles wurde komplett verschenkt, um stattdessen endlos über die Genitalien der Figuren zu schwadronieren.
Statt von den großen Gefühlen überwältigt zu werden, müssen wir mehrere Kapitel lang lesen, wie sich die Figuren selbst befriedigen und dabei an den jeweils anderen denken. „Oh wie schön wäre es doch, statt meinen Fingern jetzt seinen Penis in mir zu haben?“ – so oder so ähnlich kam das ungelogen auf jeder zweiten Seite und alles, wirklich alles, wurde nur auf genau das reduziert. Es ist mir absolut schleierhaft, was man an dieser vulgären Geschichte witzig finden könnte. Ich hatte kein einziges Mal das Gefühl, schmunzeln zu müssen – im Gegenteil! Immer wieder ekelte ich mich fast vor dem Geschehen und war einfach sprachlos, wie man eine Szene so derart verderben kann.
Dadurch, dass Bancroft über den Großteil des Buches überhaupt nicht „da“ ist, zieht sich alles endlos hin, es plätschert vollkommen träge und nichtssagend dahin und man wartet als Leser zunehmend ungeduldiger auf den Moment, in dem der Protagonist wieder auf die Protagonistin trifft. Als es dann soweit war, war das, als würde ich China ein Sack Reis umfallen. Völlig langweilig und emotionslos beschrieben; keine Spannung, kein Mitfiebern, kein peinliches Gestammel, kein Wow-Effekt. Selbst der große Streit, den es unweigerlich geben muss in diesen Büchern, war total banal und binnen kürzester Zeit abgehandelt – und warum???? RICHTIG! Damit die endlich wieder miteinander vögeln können; denn was anderen können sie scheinbar nicht. In jeder Lage, überall, auf jeder Oberfläche. Gespräche? Witzige Dialoge? Neckereien? Das alles kommt neben den zahlreichen (!!!) Orgasmen (ich rede hier von derart vielen hintereinander, dass sämtliche Glaubwürdigkeit auf der Strecke bleibt) viiiiiel zu kurz. Das Ende; welch Überraschung .. naja.. ich denke, ich brauche an der Stelle nicht weitersprechen. Es war einfach enttäuschend.
Wovon ich jedoch nicht enttäucht war, war der Lesefluss. Trotz aller Kritik kam ich sehr leicht und vor allem sehr schnell voran. Helena Hunting schreibt sehr verständlich und angenehm und auch wenn auch ihre Art des Erzählens einiges zu der Vulgarität beiträgt, gebe ich in der Hinsicht nicht ihrem Stil die Schuld daran. Ich mochte, wie sie die Geschichte erzählt, auch wenn mir die Geschichte an sich nicht gefallen hat und mir gefiel, wie sie das Buch gliederte: denn durch die Perspektiv-Wechsel zwischen den Protagonisten bekamen wir immer wieder kurze Pausen von Ruby – was echt gut tat und der Geschichte in die Karten spielte. Wahrscheinlich ist es sogar letztlich dem Stil zu verdanken, dass ich das Buch zu keiner Zeit wirklich abbrechen wollte. Helena Hunting schaffte es also, mir selbst die schlechteste Geschichte irgendwie gut zu verkaufen. Ich kann nur schwer in Worte fassen, wie ich das meine, aber ich war einfach, trotz allem, nie so gelangweilt, dass ich aufgeben wollte.
FAZIT:
„Stay“ von Helena Hunting hat extakt einen Pluspunkt bei mir verdient: nämlich mit dem Schreibstil. Alles andere, inbesondere die Figuren fallen bei mir komplett durch. Eine absolut vulgäre Protagonistin, deren Handlungen und Gedankengänge zum fremdschämen animieren, treffen auf eine lahme Geschichte ohne Spannungsbogen, in der es größtenteils nur um Sex, Mastrubation und Genitalien geht. Weder atmosphörisch, noch humorvoll, noch realistisch. Alles in allem: Absolut enttäuschend!