Keine leichte Lektüre
TurmschattenInhalt: Zur Zeit des Holocaust war Ephraim Zamir ein kleines Kind, doch die grausamen Taten der Nazis und der Verlust seiner gesamten Familie haben sein weiteres Leben stark geprägt und ihn zu einem unerbittlichen ...
Inhalt: Zur Zeit des Holocaust war Ephraim Zamir ein kleines Kind, doch die grausamen Taten der Nazis und der Verlust seiner gesamten Familie haben sein weiteres Leben stark geprägt und ihn zu einem unerbittlichen Mann werden lassen, der seinen Schmerz und den Gedanken an Rache nie überwinden konnte. Nun ist er nach langer Zeit wieder nach Deutschland zurückgekehrt und lebt zusammen mit der jungen Esther Goldstein, die für ihn wie ein Familienmitglied ist, in einem alten massiven Turm, der bereits im 2. Weltkrieg als sicherer Bunker diente.
Als drei Neonazis ihn in seinem Turm überfallen wollen, gelingt es ihm, sie zu überwältigen und als Geiseln zu nehmen. Er verhört einen Mann nach dem anderen und macht so ihre bisherigen Gewalttaten, die von Antisemitismus und Rassismus zeugen, deutlich. Das Ganze überträgt er live im Internet und fordert die Zuschauer auf abzustimmen, ob die Männer leben dürfen oder von ihm hingerichtet werden sollen.
Schnell beginnt ein großes Medienspektakel und viele Schaulustige sammeln sich vor dem Turm, während für die Polizei ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt.
Meine Meinung: Peter Grandl erzählt diese spannende fiktive Geschichte mit dem brisanten und aktuellen Hintergrund aus sehr vielen verschiedenen Perspektiven. Zudem tragen viele Rückblicke zum besseren Verständnis und Kennenlernen der einzelnen Charaktere und vor allem der Protagonisten bei, wobei einige Passagen in der Gegenwart, sowie auch in der Vergangenheit, für meinen Geschmack zu ausführlich und damit etwas langatmig sind. Durch den flüssigen und packenden Schreibstil des Autors lässt sich das Buch jedoch trotz einiger Längen gut lesen. Natürlich trägt auch der ständig steigende Spannungsbogen dazu bei, dass die knapp 600 Seiten nur so verfliegen.
Ungläubig habe ich verfolgt, wie brutal sich der 72-jährige Ephraim Zamir den Männern gegenüber verhält - so dass Gut und Böse irgendwann verschwimmen - , wie relativ hilflos die Polizei agiert und wie die Live-Übertragung zu einem riesengroßen Medienspektakel wird. Da geht es nur um die Quote und es werden Vergleiche zum Geiseldrama von Gladbeck (1988) gezogen, das ich noch immer in schrecklicher Erinnerung habe. Ich fand es erschreckend zu lesen, wie Menschen sich verhalten, wie sensationsgierig und manipulierbar sie (ja eigentlich wir alle) sind! Zudem lässt die Anonymität des Internets bekanntlich alle Hemmschwellen schwinden.
Das Ende hat mich sehr überrascht und mir gut gefallen.
Fazit: „Turmschatten“ ist keine leichte Lektüre, sondern ein sehr spannender und komplexer Gesellschaftsthriller mit interessanten Protagonisten, der wegen seiner aktuellen Thematik betroffen macht und zum Nachdenken anregt.