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Veröffentlicht am 28.09.2020

Trauer und ihre Auswirkungen

Was uns verbindet
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Der achtjährige Prem ertrinkt im Swimmingpool der Familie, während seine ältere Schwester Karina auf ihn aufpassen sollte. Beide Eltern sind bei der Arbeit. Alle drei haben Schuldgefühle, Karina, weil ...

Der achtjährige Prem ertrinkt im Swimmingpool der Familie, während seine ältere Schwester Karina auf ihn aufpassen sollte. Beide Eltern sind bei der Arbeit. Alle drei haben Schuldgefühle, Karina, weil sie Prem allein gelassen hat, die Eltern, weil sie nicht da waren.
Karina fängt an sich zu ritzen, die ursprünglich aus Indien stammende Mutter Jaya errichtet im Zimmer des verstorbenen Sohns einen Schrein und begeistert sich für einen Guru, während Keith, der Familienvater, nur noch für die Arbeit lebt. Die Ehe der Olanders zerbricht und Karina ist froh, als sie aus dem Familiengefüge ausbrechen und zum Studium in eine andere Stadt ziehen kann. Als sie ihre erste Liebe James kennenlernt, scheinen sich die Dinge zum Besseren zu wenden, doch die Beziehung dauert nicht an. Dann lernt sie den charismatischen Mikah kennen und zieht hoffnungsvoll zu ihm in eine Kommune. Doch auch dort sind die Dinge nicht, wie sie scheinen...
„Was uns verbindet“ ist ein Buch, das unter die Haut geht. Vor allem mit Karina habe ich große Empathie empfunden, während mir Jaya fremd blieb. Ich kann nicht verstehen, wie sich eine Mutter nur noch für das tote Kind interessieren kann und die lebende Tochter im Stich lässt. Auch Keith versagt als Vater, lässt sich von wenigen Telefonaten mit Karina beruhigen, glaubt ihren Lügen, dass alles gut ist.
Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht der einzelnen Familienmitglieder erzählt, wobei sogar Prem zu Wort kommt, was ich etwas seltsam finde. Er beobachtet die Entwicklung seiner Familie und kommentiert sie.
Ganz am Schluss übernimmt plötzlich ein Erzähler, ein Bruch, der mir auch nicht gefallen hat. Schöner wäre es gewesen, wenn weiterhin die einzelnen Personen zu Wort gekommen wären und ihre Entwicklung selbst beschrieben hätten. Ein Buch mit kleinen Mängeln, dennoch packend geschrieben und empfehlenswert.

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Veröffentlicht am 20.09.2020

Es gibt nur einen Ozean

Unter uns das Meer
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Michael Partlow hat einen großen Traum: er will für ein Jahr durch die Karibik segeln. Seine Frau Juliet, die an Depressionen leidet und mit ihrer Dissertation über Literatur nicht vorankommt, ist zunächst ...

Michael Partlow hat einen großen Traum: er will für ein Jahr durch die Karibik segeln. Seine Frau Juliet, die an Depressionen leidet und mit ihrer Dissertation über Literatur nicht vorankommt, ist zunächst äußerst ablehnend, nicht zuletzt, weil sie zwei kleine Kinder haben. Auch der Freundeskreis reagiert skeptisch: ist so eine Reise nicht viel zu gefährlich, zumal Michael wenig und Julie keinerlei Segelerfahrung hat? Doch trotz aller anfänglicher Bedenken lässt sich Julie umstimmen und das Abenteuer beginnt.
Von Anfang an ist klar, dass etwas Schreckliches passiert und Michael von der Reise nicht mehr nach Hause kommt. Was genau geschieht, erfährt man erst im Lauf des Buchs.
Obwohl das Leben an Bord ihnen einiges abverlangt, lieben die Partlows ihr neues Leben. Sie beobachten die Natur, die Sterne, die Gezeiten und müssen lernen, was es heißt, bei Sturm mitten auf dem Ozean zu segeln. Dabei lernen sie ständig neue Dinge hinzu. Natürlich kommt es auch zu Konflikten.
In einem Logbuch hält Michael seine Gedanken fest. Die Geschichte wechselt zwischen Michael und Julie als Erzähler hin und her, was teilweise sehr verwirrend ist. Michaels Teil ist zwar fett gedruckt, aber ich kam trotzdem öfters durcheinander und mir war nicht klar, wer gerade spricht. Um es noch zu verkomplizieren, kommt auch die Tochter Sybil manchmal zu Wort. Es wäre eine gute Idee gewesen, den einzelnen Absätzen die Namen des jeweils Erzählenden voranzustellen.
Das Buch ist stellenweise ungeheuer spannend, aber es kommen auch Passagen vor, mit denen ich rein gar nichts anfangen konnte, beispielsweise das letzte Kapitel, "Bruchstücke für ein Ganzes". Alles in allem ein gutes Buch, das ich gern gelesen habe, das mich jedoch etwas ratlos und mit unbeantworteten Fragen zurücklässt.

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Veröffentlicht am 13.09.2020

Vom Ozelot, der sein Leben für einen Bikini lassen musste

Ozelot und Friesennerz
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Als ich das Buch entdeckte, dachte ich, endlich einmal ein Sylt-Buch ohne Sommer-Sonne-Strandkorb-Liebe. Auch die Leseprobe hat mich angesprochen, wenngleich ich die Aussage, dass man „als echte Sylterin ...

Als ich das Buch entdeckte, dachte ich, endlich einmal ein Sylt-Buch ohne Sommer-Sonne-Strandkorb-Liebe. Auch die Leseprobe hat mich angesprochen, wenngleich ich die Aussage, dass man „als echte Sylterin qua Geburt automatisch etwas Besonderes“ und „automatisch einem Adelsgeschlecht angehört“ doch etwas fragwürdig finde.
In ihrem Buch (das übrigens für mein Empfinden kein Roman, sondern eine Sammlung von Anekdoten und Ereignissen ist) beschreibt Sabine Matthiessen ihre Kindheit und Jugend auf Sylt, einem Sylt, das man – Gottseidank – so heute nicht mehr vorfindet. Der Mief der Sechziger und Siebzigerjahre kroch einem während der Lektüre praktisch in die Knochen.
Die Familien vermieteten die eigenen Schlafzimmer und campierten während der Saison zusammengepfercht im Wohnzimmer. Für die Kinder war keine Zeit, die mussten sich selbst beschäftigen und gut benehmen. Abends gingen die Eltern dann auch gerne noch aus und gaben den Kindern Schlaftabletten, damit sie nicht aufwachten, während die Eltern außer Haus waren. Äußerst befremdlich fand ich, dass die Autorin als Baby im Schlafzimmer mit im Ehebett der Feriengäste schlief und nach deren Syltaufenthalt sogar mit ihnen „in Urlaub“ fuhr.
Die Autorin entstammt einer bekannten Kürschnerfamilie, damals gehörte es wohl dazu, dass die reichen Urlauber mit einem Pelz nach Hause fuhren. Es war eine andere Zeit, Pelz zu tragen war noch nicht verpönt. Trotzdem finde ich es sehr bedenklich, wie unreflektiert Frau Matthiessen gewissen Anekdoten erzählt. Zum Beispiel die Geschichte, in der ein namentlich genannter Bankier für seine junge Gespielin einen Bikini aus Ozelot anfertigen lässt und die Autorin das Fell dieses vom Aussterben bedrohten Tieres als „Wildware“ bezeichnet. Sicher ist dies der Fachbegriff, aber ich empfinde ihn in der heutigen Zeit doch als ausgesprochen zynisch.
Überhaupt erzählt Susanne Matthiessen gerne Klatschgeschichten über bekannte Personen. Will ich wirklich wissen, wie Willy Brandt betrunken vom Balkon fiel oder ein bekannter Verleger ungepflegt mit fettigem Haar im Laden saß? Nein! Wenn ich solche Geschichten lesen will, kaufe ich mir die Zeitung mit den großen Buchstaben.
Es gab Passagen, die ich interessant fand, aber im Großen und Ganzen hat mich das Buch eher gelangweilt. Mir fällt nicht eine Person im gesamten Buch ein, die mir sympathisch war, und der Schreibstil kommt sehr abgehackt und holprig daher. Für mich war es eine ziemlich enttäuschende Lektüre.

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Veröffentlicht am 07.09.2020

Auf den Spuren der Küstenseeschwalben

Zugvögel
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In ihrem Debütroman führt uns Charlotte McConaghy in eine dystopische Welt der nahen Zukunft, in der es so gut wie keine wildlebenden Tiere mehr gibt. Nicht nur Elefanten und Tiger sind ausgestorben, auch ...

In ihrem Debütroman führt uns Charlotte McConaghy in eine dystopische Welt der nahen Zukunft, in der es so gut wie keine wildlebenden Tiere mehr gibt. Nicht nur Elefanten und Tiger sind ausgestorben, auch Insekten, Fische, Füchse usw. Nur Nutztiere werden noch gezüchtet.
Die junge Franny ist sehr naturverbunden und das Artensterben nimmt sie sehr mit. An der Universität, wo sie als Putzfrau arbeitet, lernt sie den Dozenten Niall kennen, der das Verhalten von Zugvögeln erforscht. Die beiden heiraten aus einer Augenblickslaune heraus, bereuen ihre Heirat jedoch nie.
Franny verspürt schon seit jeher eine Unruhe in sich, sie hält es nie lange an einem Ort aus. Ständig ist sie auf der Suche. Niall kann sich nie sicher sein, ob sie zu ihm zurückkehrt. Doch dann ist er es, der eines Tages geht...
Zu Beginn des Buchs sucht Franny ein Schiff, das sie mitnimmt, um dem Zug der letzten Küstenseeschwalben zu folgen. Frannys Theorie ist, dass die drei von ihr beringten Seeschwalben ein Fischerboot zu den wenigen verbleibenden Fischvorkommen führen werden. Ihre letzte Hoffnung ist ein Schiff namens Saghani, und tatsächlich lässt sich deren Kapitän Ennis darauf ein, Franny mit an Bord zu nehmen. Zuerst misstrauisch beäugt vom Rest der Besatzung, gewinnt Franny ihre Anerkennung, denn sie arbeitet so hart wie der Rest. In Rückblicken erfahren wir, dass Franny in Irland im Gefängnis saß, was genau passierte, bleibt lange im Dunkeln. Eigentlich dürfte sie nicht an Bord des Schiffes sein, denn damit verstößt sie gegen ihre Bewährungsauflagen. Die Reise an Bord der Saghani ist ein einziges gefährliches Abenteuer, mehr als einmal befinden sie sich alle in Lebensgefahr.
„Zugvögel“ ist ein sehr poetisches und traurig machendes Buch, das einem vor Augen führt, wohin unser Lebenswandel und die grassierende Umweltverschmutzung führen könnten. Die Geschichte um Franny ist spannend erzählt, wenngleich manches ein wenig unlogisch erscheint. Mir hat das Buch gut gefallen.

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Veröffentlicht am 03.09.2020

Familien sind wie Nougat – vorwiegend süß mit ein paar tauben Nüssen

Das Haus in der Claremont Street
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Tom ist neun Jahre alt, als sein gewalttätiger Vater Toms Mutter Mona erschlägt und sich anschließend erschießt. Tom zieht sich vollkommen in sich selbst zurück und spricht nicht mehr. Das Leben erscheint ...

Tom ist neun Jahre alt, als sein gewalttätiger Vater Toms Mutter Mona erschlägt und sich anschließend erschießt. Tom zieht sich vollkommen in sich selbst zurück und spricht nicht mehr. Das Leben erscheint ihm sinnlos und er gibt sich eine Mitschuld am Tod der Mutter.
Zunächst lebt Tom bei der ältesten Schwester seiner Mutter, Sonya, und deren Mann Alex. Die beiden versuchen seit Jahren ein Kind zu bekommen und freuen sich zunächst über die Aufgabe, doch das Leben mit einem schwer traumatisierten Neunjährigen, der nicht spricht und Nacht für Nacht ins Bett macht, überfordert ihre Fähigkeiten und Tom zieht zu Sonyas jüngerer Schwester Rose in die Claremont Street. Das Leben dort könnte nicht unterschiedlicher sein zu dem, was Tom bei Sonya erlebte. Während dort Perfektionismus herrschte, lebt Rose im absoluten Chaos. Mit im Haus leben Nick, Roses 14jähriger Sohn, sowie Sonyas und Roses Bruder Will. Obwohl Tom sich in dieser Umgebung weitaus wohler fühlt, bleibt er stumm und beginnt sich selbst zu ritzen. Nach einer Reihe von Vorkommnissen beschließt das Jugendamt, dass es das Beste für Tom ist, in einer Pflegefamilie zu leben. Wieder wird der Junge aus seiner gewohnten Umgebung gerissen, doch nun erwacht der Kampfgeist der Schwestern. Sie beschließen, ihre eigenen Probleme und Differenzen beiseite zu legen und dafür zu kämpfen, dass Tom in ihre Familie zurückkehrt.
Wiebke von Carolsfeld zeichnet in diesem Roman das Bild einer Familie, die alles andere als perfekt ist. Nicht nur Tom ist traumatisiert, auch Monas Geschwister machen sich die größten Vorwürfe. Sie alle hatten bemerkt, dass Monas Ehe nicht glücklich war, doch beschlossen wegzuschauen. So unterschiedlich die Geschwister sind, so versucht doch jeder auf seine Art, Tom zu helfen und mit dem Verlust weiterzuleben. „Das Haus in der Claremont Street“ ist ein sehr berührender und eindringlicher Roman. Er schockiert und macht traurig, doch gibt auch Hoffnung. Ein Buch, das aus der Masse hervorsticht.

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