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Veröffentlicht am 13.08.2022

Aufrüttelnd, ergreifend, wichtig

Ich bin nicht da
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Leo und Simon sind in ihren Dreißigern, haben aber immer noch viele Altlasten bei sich. Um die Realität zu überleben, halten sie sich aneinander fest und versuchen, den Stürmen der Vergangenheit gemeinsam ...

Leo und Simon sind in ihren Dreißigern, haben aber immer noch viele Altlasten bei sich. Um die Realität zu überleben, halten sie sich aneinander fest und versuchen, den Stürmen der Vergangenheit gemeinsam zu trotzen.

Plötzlich kündigt Simon von jetzt auf gleich seinen sicheren Job, weil er eine unfassbar gute Geschäftsidee hat, die er vermarkten möchte. Doch kaum lässt er den geregelten Tagesablauf eines festen Arbeitsverhältnisses hinter sich, bricht nicht nur um ihn herum, sondern auch in ihm Chaos aus. Sein Start-Up bleibt auf der Strecke, weil er keine Finanzierung bekommt, er wird antriebslos und fühlt sich beobachtet. Leo erkennt ihn nicht wieder, möchte ihm beistehen, muss aber erkennen, dass sie gar nicht weiß, wie. Sie kann niemandem vertrauen, sich niemandem anvertrauen. Bisher gab es immer nur sie und Simon, in ihrem Leben hatte niemand weiteres Platz. Leo lernt, dass sie nicht nur ihre eigene Kindheit verarbeiten muss, sondern auch die Vergangenheit und Gegenwart mit Simon.

Die Geschichte liest sich als Protokoll, denn Leo schreibt Simons „Phasen“ nieder. Jedoch nicht ausschließlich, viele Dinge erfährt der Leser über Rückblenden, die Sequenzen des gemeinsamen Lebens darstellen. Oft ist dem Leser schon klar, worauf Leo hinaus möchte, bevor sie es selber eindeutig formuliert. Man merkt, dass sie alles dran setzt, ihre Beziehung zu retten. Selbst als man das Gefühl hat, dass es nichts mehr gibt, um das es sich zu kämpfen lohnt.

Man begleitet nicht nur Simon, sondern besonders auch Leo dabei, wie sie versucht, sich selbst zu ergründen und dabei für Simon da zu sein. Während sie sich ihren Kummer als Kolumnistin von der Seele schreibt, bekommt man als Leser den Eindruck, dass es früher oder später knallen wird.

Auch wenn es um die große Liebe geht, ums Verlieren und Wiederfinden, Lize Spits Story ist keine kitschige, sondern vielmehr eine eindringliche Bitte, nicht wegzusehen. In unserer Gesellschaft sind psychische Krankheiten immer noch mit einem Makel versehen, werden oft abgetan und verharmlost. Doch nicht nur für die Betroffenen ist das schlimm, sondern auch für Angehörige, die sich nicht trauen, mit jemandem darüber zu sprechen.

Ein ziemlich aufwühlendes, aufrüttelndes und ergreifendes Buch, das ich sicher nicht vergessen werde.

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Veröffentlicht am 10.08.2022

Krasses Kopfkino!

Game On - Der Einsatz ist dein Leben
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Als waschechtes Psychoferkel brauche ich es meistens blutig, schmutzig und abgründig. Schon lange habe ich keinen richtig guten Thriller mehr gelesen, irgendetwas hat mir einfach immer gefehlt. Doch dieses ...

Als waschechtes Psychoferkel brauche ich es meistens blutig, schmutzig und abgründig. Schon lange habe ich keinen richtig guten Thriller mehr gelesen, irgendetwas hat mir einfach immer gefehlt. Doch dieses Buch hat meine Durststrecke beendet!

Barkers neues Werk startet ruhig. Das dauert so circa drölfzig Sekunden, dann explodieren bereits die ersten Taxis mitten in der Rush Hour New Yorks und man sitzt kerzengerade. Hups, watt war dat denn?! Es wird also direkt blutig und brutal. Insbesondere die Gedankengänge des Täters fand ich unheimlich spannend. Wie kann ein Mensch überhaupt in der Lage sein, so etwas Furchtbares durchzuführen? Heftiger Tobak!

Die Kapitel werden abwechselnd aus der Sicht von Detective Cole Hundley und von der Radiomoderatorin Jordan Briggs erzählt. Cole ist definitiv der Sympathieträger, obwohl er dazu neigt, häufiger Befehle zu missachten. Auch die taffe Jordan lässt sich ungern etwas vorschreiben; Beleidigungen ihrerseits sind völlig normal. Sie rüpelt herum und eckt an. So jemanden hätte man doch gerne als Freundin/Kollegin, oder?

Superschnell hat die Geschichte an Fahrt aufgenommen. Es passierte irre viel, sodass ich kaum Luft holen konnte. Auf solche intelligenten Plot-Ideen muss man erst einmal kommen.

Die Auflösung des Ganzen gab es erst zum Schluss und ließ meine Kinnlade runterklappen wie ein Garagentor. Ich habe beim Lesen selten so mitgefiebert wie hier. Ganz großes Kino!

Fazit: Braucht ihr eine Definition von "literary popcorn"? Here it is! Ein spannungsgeladener und actionreicher Thriller, der die Nerven völlig blanklegt - ach, was: zerfetzt! Man fühlt sich nach dem Zuklappen der Buchdeckel wie ein demolierter Crash Test Dummie! Sollte verfilmt werden!

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Veröffentlicht am 04.08.2022

Adrenalinkick!

Die Jagd
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Das Buch wird in zwei Handlungssträngen erzählt. In der Gegenwart lernen wir Frank kennen, der eine Raststätte führt. Sein Leben ist einfach und eintönig. Als sein Sohn ihn kontaktiert, um zu fragen, ob ...

Das Buch wird in zwei Handlungssträngen erzählt. In der Gegenwart lernen wir Frank kennen, der eine Raststätte führt. Sein Leben ist einfach und eintönig. Als sein Sohn ihn kontaktiert, um zu fragen, ob seine Tochter Allie ein paar Wochen bei ihm bleiben kann, ist Frank zunächst überrumpelt. Doch er genießt die Zeit mit seiner Enkelin. Plötzlich taucht eine schwer verletzte Frau an der Raststätte auf, die von ihren Verfolgern gejagt wird. Diese stehen schon bald auf dem Rasthof, und für Frank und Allie beginnt ein Spießrutenlauf...

Im weiteren Handlungsstrang werden wir Zeuge einer Geschichte, die die Zeit vor den eben genannten Geschehnissen behandelt. Dabei geht es um Simon, der mehr von seinem Heimatland Australien sehen will und sich auf einen Roadtrip begibt. Er lernt die Obdachlose Maggie kennen, die sich ihm anschließt. Die beiden kommen vom Weg ab und landen bei Jägern im Outback. Was zunächst nach netter Gastfreundschaft aussieht, entpuppt sich schnell zum Alptraum der beiden...

"Oder wir können es auf die spaßige Art machen. Wir nehmen dich mit in unsere Siedlung, bohren dir einen Fleischerhaken durch die Schulter, hängen dich im Schuppen auf und lassen dich bluten. Wir wissen genau wie wir das machen müssen, damit du am Leben bleibst, aber deine Sehnen am Arsch sind. Du kannst dich nicht losmachen, aber du lebst noch." (Zitat)

Die vom Autor geschaffene Atmosphäre ist nicht nur beklemmend, sondern auch absolut real dargestellt. Ich hatte tatsächlich das Gefühl, selbst gleich fliehen zu müssen, so sehr hat mich die Handlung mitgerissen und oft auch gegruselt.

Die Charaktere sind authentisch gezeichnet. Frank ist ein liebevoller Opa, der vielleicht nicht der beste Vater war. In ihm steckt ein herzensguter Mensch, den er ruhig öfter Mal rauslassen darf. Allie war mir sofort sympathisch. Ich mochte ihre lockere Art und war überrascht, wie mutig sie im Laufe der Story wurde. Eine unglaubliche Entwicklung! Aber auch Maggie war ein starker Charakter, der mir imponiert hat. Ich Angsthase hätte an ihrer Stelle wohl schon direkt am Anfang ins Gras gebissen...

Die Spannung zieht sich wie ein roter Faden durch die Handlung. Egal in welchem Handlungsstrang: Ich konnte gar nicht so schnell lesen, wie ich neugierig auf den Fortgang war. Als dann zum Ende hin beide Handlungsstränge ineinander übergingen, gab es für mich kein Halten mehr. Der Schussteil hat dem Ganzen dann noch die Krone aufgesetzt und ich habe das Buch mit ordentlich Adrenalin im Blut beendet. Wow!

Fazit: Mit "Die Jagd" habe ich einen blutigen und spannenden Thriller gelesen, der mich extrem fesseln und unterhalten konnte. Ein Adrenalinkick, den ich jedem ans Herz lege, der temporeiche Roadtrips mag.

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Veröffentlicht am 27.07.2022

Herrlich schaurige Geschichte

Der Speichermann
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Ob alte Dachböden oder vollgestellte Keller – das ist als Lost Place-Fan genau mein Ding. Sie erzählen oftmals ein Stück Lebensgeschichte der vorherigen Bewohner und verraten ein wenig über ihre Identität. ...

Ob alte Dachböden oder vollgestellte Keller – das ist als Lost Place-Fan genau mein Ding. Sie erzählen oftmals ein Stück Lebensgeschichte der vorherigen Bewohner und verraten ein wenig über ihre Identität. Genau einen solch vollgestopften Dachboden wie den aus Kai Meyers Schauergeschichte würde ich gerne mal besichtigen. Dort lagern Gemälde aus mehreren Jahrhunderten, Spielzeug diverser Generationen, aus der Mode gekommene Gartenstatuen, ... Doch was ist, wenn ich dort oben nicht die einzig Lebende wäre?

Eine überraschende Entdeckung konnte der Hauptprotagonist bereits mit sechs Jahren machen, als er vor der Realität zumindest für einen kurzen Augenblick zu entfliehen versucht. Er verliert in diesem zarten Alter seine Mutter an Krebs und wir erfahren, dass sich der kleine Mann nicht vorstellen kann, dass es ein schmerzloser Tod sei, wenn man anhand eines Krabbentieres mit großen, scharfen Scheren stirbt. Wir begeben uns daher durch die Augen des Jungen sehend auf den Speicher des Familienanwesens, auf den er vor den lügenden Erwachsenen flieht. Dort wird er auf einmal von einem alten Mann angesprochen, der sich kaum von den dort gelagerten Ölgemälden unterscheidet. Neben Neugierde, wer er ist und was er hier zu suchen hat, ist der Junge aber auch vorsichtig genug, sich nicht von Schokolade locken zu lassen, sondern entwindet sich diesem, in dem er ihm verspricht, wenn er erwachsen ist, wiederzukommen. Und tatsächlich besuchen wir alle paar Jahre wieder den Dachboden, reifen mit dem Jungen mit, den wir bis ins Greisenalter begleiten, doch dann holt uns das Versprechen, das wir dem alten Mann unbeschwert im Kindesalter gegeben haben, ein und wir müssen wider unseres Willens die Konsequenzen tragen.

Obwohl wir immer nur kurze Einblicke in Zeitabschnitte erhalten, kann man die Empfindungen des Hauptprotagonisten sehr gut nachfühlen. Gerade dadurch, dass die Zeichnerin die Sichtweisen des Knaben recht metaphorisch wiedergibt, können wir die herablassende Kaltschnäuzigkeit während der Pubertät, die Fürsorge um die eigenen Kinder und Haustiere und auch die Liebe zu den Enkelkindern nachvollziehen und nachfühlen.

Der Speichermann, der sich selbst als Weihnachtsmann vorgestellt hatte, bleibt bis kurz vor Schluss ein Mysterium, dem man stets mit Vorsicht, aber auch mit großer Neugierde begegnet und von dem man gerne deutlich mehr erfahren würde.

Durch die Spannung, hinter das Geheimnis zu kommen, fliegt man regelrecht durch die Seiten und möchte der Wahrheit auf den Grund gehen. Doch allein wegen den wahnsinnig schönen Zeichnungen, die wie Pastellgemälde aussehen, sollte man sich Zeit lassen oder das Buch ein weiteres Mal zur Hand nehmen, denn optisch ist es wirklich großartig gestaltet.

Fazit: Eine herrlich schaurige Geschichte mit sehr liebevoll gestaltetem Artwork, die man immer wieder zur Hand nehmen und dabei stets Neues in den Bildern entdecken kann. Traut ihr euch in die Nähe des Speichermanns? Aber seid gewarnt: Dazu Bedarf es einiges an Mut, denn wer weiß, ob ihr jemals wieder den Dachboden verlassen werdet ...

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Veröffentlicht am 26.07.2022

Über Wahrheit, Freundschaft und Lügen

We Were Liars. Solange wir lügen. Lügner-Reihe 1 (Auf TikTok gefeierter New-York-Times-Bestseller!)
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„Herzlich Willkommen bei den wundervollen Sinclairs“. Mit diesen Worten eröffnet Cadence die Handlung und wir tauchen ein in ihre perfekte Welt. Sie lebt auf einer Privatinsel in einem prachtvollen Haus, ...

„Herzlich Willkommen bei den wundervollen Sinclairs“. Mit diesen Worten eröffnet Cadence die Handlung und wir tauchen ein in ihre perfekte Welt. Sie lebt auf einer Privatinsel in einem prachtvollen Haus, hat eine liebevolle, große Familie und tolle Freunde. Mit Johnny, Mirren und Gat bildet Cadence eine Clique, die sie „die Lügner“ nennt. Man würde fast behaupten, Cadence lebt das perfekte Leben. Doch der Schein trügt. Denn ein Ereignis vor zwei Jahren nahm ihr ihre Erinnerungen und niemand redet mit ihr darüber. Wie soll Cadence nur herausfinden, was geschehen ist?

Die Handlung ist in 5 Teile gegliedert und wird ausschließlich aus der Sicht von Cadence erzählt. Hin und wieder gibt es Rückblicke in den Sommer 2015, vor dem besagten Ereignis. Ich habe mich recht schnell in der Handlung zurechtgefunden und diese mit Neugier verfolgt. Vor allem als es um „das Ereignis“ selbst ging, war mein Drang weiterzulesen einfach so groß, weil ich unbedingt wissen wollte, was denn letztendlich im Jahr 2015 passiert ist. Eins vorweg: Mit dieser Auflösung hätte ich nie und nimmer gerechnet.

Die Charaktere hat die Autorin sehr präzise dargestellt. Allen voran Cadence. Sie ist so ein nettes, selbstbewusstes Mädchen, das ich sofort ins Herz geschlossen habe. Ihre Liebe zu Gat ist grenzenlos, was sie auch immer wieder zum Ausdruck bringt. Sie ist mutig und wissbegierig und ich konnte es total nachempfinden, dass sie wütend und traurig war, weil keiner mit ihr über „das Ereignis“ sprechen wollte.

Viola Müller spricht die Geschichte mit einer angenehmen und ruhigen Stimme. Das Tempo ist gelassen, und sie versteht es, ihren Ton entsprechend den Stimmungen und Emotionen anzupassen, was mir als Hörer das Gefühl gab, mittendrin zu sein.

Fazit: Eine wunderschöne Geschichte über Freundschaft, Familie und Lügen. Wird die Wahrheit wirklich erträglicher für uns, wenn wir uns dieser entziehen? Diese Frage werde ich mir wohl noch lange stellen. Hör- und Lesetipp!

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