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Veröffentlicht am 11.04.2022

Cooles Setting, rotzige Sprache

Hit the Road
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Es ist das Jahr 1969 und wir befinden uns im Westen von Nevada. Genauer gesagt in Reno, der größten Kleinstadt der Welt. Vicky hat heute Geburtstag, doch statt eines Geschenkes und einer großen Party bekommt ...

Es ist das Jahr 1969 und wir befinden uns im Westen von Nevada. Genauer gesagt in Reno, der größten Kleinstadt der Welt. Vicky hat heute Geburtstag, doch statt eines Geschenkes und einer großen Party bekommt sie lediglich ihren allerersten Auftrag. Als Teil einer berüchtigten Mafia-Familie ist es ihre Pflicht, alles zu tun, was das Oberhaupt, Granny, von ihr verlangt. Dabei hat Vicky eigentlich ganz andere Sorgen, die sie belasten.

In einem anderen Erzählstrang lernen wir Clyde kennen, der aufgrund eines Verfahrensfehlers gerade aus dem Knast entlassen wurde und nach einem "kleinen Malheur" mit seinem Bruder dringend einen Doktor für diesen benötigt. Und so kommt es, dass sich die Wege von Clyde und Vicky wie zufällig kreuzen. Willkommen im großen Schlamassel; bitte schnallen Sie sich an!

Dass nur einer von ihnen weiß, wer der andere eigentlich ist, sorgte für einen kleinen Überraschungseffekt, mit dem ich nicht gerechnet hatte. Tatsächlich vermutete ich etwas völlig anderes und musste mich dann sogar an die neue Erkenntnis gewöhnen. Im positiven Sinne!

Die Illustrationen vermitteln gekonnt die jeweilige Atmosphäre der knappen Textpassagen. Alles wirkt pointiert, ohne unnötiges Geschwafel. Und auch der knackige, lockere Schreibstil fügt sich problemlos mit ein.

"Wir wissen doch beide, dass du früher oder später in den Knast zurückkommst oder dass du draußen elendig verreckst." (Zitat Seite 10)

Lediglich das Ende war dann zu plump abgehandelt und hätte durchaus noch ein, zwei Seiten mehr verdient gehabt. Es passte zwar inhaltlich zur vorangegangenen Story, war jedoch weniger spannend und verursachte bei mir ein unzufriedenes Seufzen.

Staubige Straßen, durchlöcherte Kerle, züngelnde Schlangen und mexikanischer Tequila: "Hit the Road" ist ein Road Trip voller Gefahren, Adrenalin und einem coolen Setting. Wer dreckigen Western-Flair und die dafür typische rotzige (Fäkal-)Sprache mag, wird hier gut unterhalten.

Kleines Schmankerl: Sogar Stephen King hat ein bisschen Platz bekommen.

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Veröffentlicht am 10.04.2022

Kein typischer Fitzek

Schreib oder stirb
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David Dolla ist Literaturagent und erhält einen zwielichtigen Anruf. Ein potentieller Kindesentführer bittet um Audienz in der psychiatrischen Klinik und verlangt, dass David ein Buch über ihn schreibt, ...

David Dolla ist Literaturagent und erhält einen zwielichtigen Anruf. Ein potentieller Kindesentführer bittet um Audienz in der psychiatrischen Klinik und verlangt, dass David ein Buch über ihn schreibt, dieses veröffentlicht und promotet. Für einen Vorschuss von einer Million Euro gibt er im Gegenzug den Aufenthaltsort seines letzten Entführungsopfers preis. David lässt sich auf den Deal nicht ein und bereut es schon nach kurzer Zeit. Er wird plötzlich zur Hauptfigur in einem unveröffentlichten Thriller, in dem nur David selbst die weitere Handlung bestimmen kann...

"Sehr bald schon werden Sie eine Entscheidung treffen müssen, von der das Leben der kleinen Pia abhängt. Es ist wie bei jedem Showdown: Der Held, in dem Falle Sie, muss alles auf eine Karte setzen. Und dann entscheidet sich das Genre unseres Romans: Ein Thriller mit Happy- End oder eine Tragödie ohne Hoffnung." (Zitat)

Ich habe einige Zeit gebraucht, um in die Handlung reinzukommen, und hatte am Ende doch das Gefühl, nie wirklich angekommen zu sein. Die Idee hinter der Story fand ich klasse und war auch irre neugierig darauf. Aber leider konnte mich das Autoren-Duo mit der Geschichte weder abholen noch überzeugen. Zu sehr fiel der typische Fitzek-Schreibstil leider unter den Tisch, da der beisenherz'sche Comedy-Schreibstil Oberhand behielt und dem Plot somit jegliche Spannung nahm.

Natürlich war es auch mal witzig, über einen Hauptprotagonisten zu lachen, der sich selbst auf die Schippe nimmt. Das hat die Handlung aufgelockert, aber hatte meiner Meinung nach mit einem Thriller leider wenig gemeinsam. Vergeblich wartete ich auf das Eingreifen von Fitzek und verlor so immer mehr die Lust am Weiterlesen. Schade!

An den Charakteren selbst lag es nicht, denn diese wurden authentisch und real gezeichnet. Aber ein wenig hat mir auch hier die Nähe gefehlt. Es wurden einfach zu wenige Informationen preisgegeben, sodass es mir schwerfiel, einen Bezug herzustellen. Die Kapitel, die hauptsächlich aus der Sicht von David Dolla erzählt werden, hatten eine angenehme Länge und gingen fließend ineinander über.

Das Ende kam überraschend und ich konnte einen leichten Fitzek-Wiedererkennungswert ausmachen. Ich gebe jedoch zu, dass ich es nur mühsam bis dahin geschafft hatte und zwischendrin öfter mal mit dem Gedanken haderte, das Buch einfach zur Seite zu legen. Noch nie war mir das bei einem Fitzek-Thriller in den Sinn gekommen. War also für mich eine neue Erfahrung.

Fazit: Ein Buch, das aufgrund des komödiantischen Schreibstils zwar unterhält, aber keinesfalls als Thriller deklariert werden sollte. Fitzek steht zwar drauf, ist aber eher weniger vorhanden, was ich leider ein wenig enttäuschend fand. Deshalb gibt es diesmal keine Empfehlung meinerseits.

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Veröffentlicht am 08.04.2022

Solider Reihenauftakt

TEAM HELSINKI
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Als absoluter Fan skandinavischer Krimis und Thriller war für mich sofort klar, dass „Team Helsinki“ bei mir einziehen muss. Zumal es thematisch nicht aktueller sein könnte. Machtmissbrauch, Rassismus ...

Als absoluter Fan skandinavischer Krimis und Thriller war für mich sofort klar, dass „Team Helsinki“ bei mir einziehen muss. Zumal es thematisch nicht aktueller sein könnte. Machtmissbrauch, Rassismus und eine mit Vorurteilen behaftete Gesellschaft. Wenn diese Themen nicht genügend Sprengstoff für einen guten Kriminalroman bieten, dann weiß ich auch nicht. Theoretisch, denn in der Praxis sieht das hier ganz anders aus.

Leider hat die Story einige Längen, die man gut auch überspringen kann, weil sie weder wirklich zur Klärung des Falls beitragen noch tiefe Einblicke in das Privatleben der Figuren erlauben, die zum Beispiel Verhaltensweisen erklären würden. Teilweise habe ich mich gefragt, warum manche Details überhaupt erzählt werden, wenn sie so schnell in Vergessenheit geraten, wie sie aus dem Hut gezaubert wurden, oder einfach ohne weitere Erklärung für sich stehen gelassen werden.

Die Ermittler des Teams rund um Paula Pihjala sind im Großen und Ganzen sehr cool angelegt. Ein Team, das aufgrund seiner persönlichen Unterschiede nicht besser zusammenpassen könnte. So gut angelegt aber das Team ist, so sehr hat mir bei den anderen handelnden Personen irgendwie die Tiefe gefehlt. Zwar wurden allesamt individuell gestaltet, jedoch wären einige von ihnen auch beliebig austauschbar gewesen.

Das Autorenehepaar Ollikainen hat wirklich gute Ideen, allerdings fehlt der ganzen Kiste einfach die nötige Spannung. Gerade die ersten beiden Teile haben viele gute Ansätze, die dann aber nicht weiter ausgebaut werden und schnell wieder abflauen. Der stellenweise stark berichtende Erzählstil hat es mir hin und wieder sehr schwer gemacht, Emotionen zuzulassen. Für mich persönlich ist das aber genau für dieses „Ich kann das Buch nicht mehr aus der Hand legen“-Gefühl nötig. Auf den letzten Seiten, im dritten Teil, bekam die Story zwar noch mal den nötigen Drive, leider konnte der Endspurt es dann aber auch nicht mehr rausreißen.

Fazit: Ein ganz solider Einstieg in eine neue Ermittlerreihe, die grundsätzlich Potenzial hat, für mich allerdings bei Weitem nicht mit meinen skandinavischen Krimi-Highlights mithalten kann. Wer es ruhiger mag und einfach mal nur unterhalten werden will, kommt hier vielleicht auf seine Kosten.

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Veröffentlicht am 07.04.2022

Sehr berührende Story

Das Schneemädchen
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Wenn man Kinder hat, dann möchte man sie behüten und beschützen, denn ihnen soll kein Leid zugefügt werden. Wie schrecklich muss es für die Eltern sein, wenn ihre Kleinen plötzlich verschwinden oder gar ...

Wenn man Kinder hat, dann möchte man sie behüten und beschützen, denn ihnen soll kein Leid zugefügt werden. Wie schrecklich muss es für die Eltern sein, wenn ihre Kleinen plötzlich verschwinden oder gar entführt werden?

In diesem Buch geht es um zwei Personen. Eine davon ist die Privatermittlerin Naomi. Sie besitzt die Fähigkeit, Vermisste aufzuspüren. Und Naomi weiß, worauf es bei der Suche ankommt, denn sie wurde als Kind selbst entführt. Über ihre tragische Vergangenheit erfahren wir nach und nach etwas, was sie als Person greifbarer macht. Für mich ist Naomi eine starke und selbstbewusste Frau, obwohl sie ihr Trauma noch nicht verarbeiten konnte.

Die zweite Person ist unser „Schneemädchen“. Schneemädchen ist erst fünf Jahre alt, als sie entführt wird. Doch sie realisiert es nicht wirklich, sondern flüchtet sich in ihre Traumwelt und freundet sich sogar mit dem Entführer an. Wir werden als Leser mehr und mehr in ihre Welt reingezogen, die aus vielen Emotionen besteht und blankes Entsetzen hervorruft. Häufig wird man auf eine falsche Fährte gelockt und weiß irgendwann nicht mehr, an was man sich noch klammern soll. Es gab viele sogartige Spannungsmomente und ergreifende Szenen, aber auch ruhigere Kapitel. So blieb zwischendrin Zeit zum Luftholen, um das eben noch Gelesene zu verdauen. Die Autorin hat einen derart bildgewaltigen Schreibstil, dass ich den Schnee förmlich fühlen und riechen konnte - und dabei mag ich diesen nicht einmal.

Zum Ende hin zieht die Autorin noch einmal alle Register und rundet den großartig konstruierten Plot mit einem gelungenen Finale ab. Wow!

Fazit: Die Thematik wurde richtig gut umgesetzt, auch wenn sie ziemlich harter Tobak ist. In mir wurden die verschiedensten Emotionen hervorgerufen: Ich habe mitgebangt, mitgelitten und öfter einen dicken Kloß im Hals gehabt. Was für eine herzzerreißende, unglaublich berührende und düstere Geschichte! Lesen! Unbedingt!

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Veröffentlicht am 05.04.2022

Atmosphärisch mit Lokalkolorit

Tiefergrund
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„Tiefergrund“ ist der zweite Band der Krimiserie um Ermittlerin Bette Hansen aus Hamburg-Ochsenwerder. Schon „Hinterland“, der erste Teil der Reihe, hat mir außerordentlich gut gefallen. Damit war klar, ...

„Tiefergrund“ ist der zweite Band der Krimiserie um Ermittlerin Bette Hansen aus Hamburg-Ochsenwerder. Schon „Hinterland“, der erste Teil der Reihe, hat mir außerordentlich gut gefallen. Damit war klar, das auch dieses Buch bei mir einziehen muss.

Mit Bette Hansen hat die Autorin eine andere Art von Ermittlerin geschaffen, die mir sofort ans Herz gewachsen ist. Wie sie ihr Leben mit ihrer Krankheit meistert, ist einfach bemerkenswert. Vielleicht reagiere ich darauf besonders sensibel, weil ich weiß, wie es ist, aus gesundheitlichen Gründen „ausgemustert“ zu werden.

Bette hat einfach eine witzige, spritzige Art, die es mir sehr leicht gemacht hat, sie lieb zu gewinnen. Aber auch die anderen handelnden Figuren sind sehr glaubwürdig gezeichnet und haben mir mit all ihren Ecken und Kanten gut gefallen.

Die Handlung selbst startet im Jahr 1986 mit einer Entführung, die nur einer der Charaktere überleben wird. Was genau geschehen ist, wird an dieser Stelle noch nicht verraten, im Verlauf der Handlung aber immer wieder angerissen.

Mit dem Sprung ins Jahr 2019 wird die Story fortan chronologisch weitererzählt. Wieder verschwindet eine junge Frau. Immer mehr werden Verstrickungen mit der Vergangenheit deutlich. Nora Luttmer schafft es durchweg, die Spannung auf einem hohen Niveau zu halten, und verrät an keiner Stelle zu viel. Sie erzählt die Story völlig unvorhersehbar und überrascht mit einem wirklich gelungen Finale.

Nora Luttmer hat einen spannenden, erfrischenden Schreibstil, der mich einfach mitgerissen hat. Die Kapitel sind kurz, knapp und wechseln zwischen den einzelnen Protagonisten. Das bringt Schwung und Abwechslung in die Geschichte.

Fazit: „Tiefergrund“ muss man einfach lesen! Wer etwas andere Ermittler und hanseatische Krimis mag, ist hier genau richtig. Ich würde empfehlen, die Bücher in der Reihenfolge zu lesen. Zwar sind die Kriminalfälle an sich abgeschlossen, jedoch lässt sich die Entwicklung der Protagonisten so besser verfolgen.

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