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Veröffentlicht am 28.12.2021

Geht unter die Haut

Bis einer stirbt
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„Früher war alles besser“ – wie oft hört man diesen Satz, wie oft hat man ihn vielleicht schon selbst gedacht. Was ich mir immer wieder denke: Früher war vor allem vieles schwerer. Themen zu recherchieren ...

„Früher war alles besser“ – wie oft hört man diesen Satz, wie oft hat man ihn vielleicht schon selbst gedacht. Was ich mir immer wieder denke: Früher war vor allem vieles schwerer. Themen zu recherchieren oder auch verschiedene Produkte zu bestellen war nicht mit einem Klick erledigt, so wie es heute ist. Das macht vieles einfacher, aber auch gefährlicher – denn leider zählen Drogen zu den Dingen, an die man online problemlos gelangen kann. Isabell Beer hat ein Buch über ihre bislang längste Recherche geschrieben, in dem sie die Geschichte von Josh und Leyla erzählt, die sie online in einer Drogen-Community kennengelernt hat.

In vielen Büchern wird der Umgang mit Drogen meiner Meinung nach zu nachlässig gehandhabt. Ermittler, die meist gebrochene Existenzen sind und nur mit Hilfe von Alkohol und Tabak überleben können. Missbräuchlicher Alkoholkonsum, auch bei und von Jugendlichen, wird beschönigt oder verharmlost. Dieses Buch ist das krasse Gegenteil – weil es die Realität darstellt. Dem Leser wird gezeigt, dass es nicht DAS Ereignis gibt, welches einen in die Drogenszene abrutschen lässt. Vielmehr sind es viele kleine Gegebenheiten, die man anfangs nicht damit verknüpft. Die beiden Jugendlichen geben Einblicke in ihre Kindheit und reden generell sehr offen über die Geschehnisse.

Sehr authentisch zeigt dieses Buch, wie einfach es heutzutage ist, an Drogen zu kommen, ohne dass das Umfeld etwas davon mitbekommt. Es ist kein Bahnhof von Nöten, keine Hinterhofgasse und auch kein zwielichtiger Kiosk. Das Internet allein reicht schon aus. Mir selbst war das so gar nicht bewusst; in dieser Hinsicht hat mir die Autorin buchstäblich die Augen geöffnet. Aber auch, dass Josh und Leyla kein Geheimnis aus den Konsequenzen machen: soziale Isolation, den Drang, seine Grenzen immer ein Stückchen weiter zu drücken bis hin zum Kontrollverlust und die Selbstzerstörung, die sich jedoch erst viel später offenbart. Das zeichnet alles ein sehr reales Bild. Um dieses zu komplettieren, kommen nicht nur die beiden drogenabhängigen Jugendlichen zu Wort, sondern auch andere Betroffene und deren Eltern.

Isabell Beer ist es wichtig, Menschen und besonders Jugendliche aufzuklären. Sie möchte mit diesem Buch Lösungen vorgeben, insbesondere auch bereits abhängige Menschen zu schützen und ihnen einen sicheren Raum für den Konsum zu geben. Sie zeigt auf, dass sich die drogenpolitischen Zielsetzungen ändern müssen und auch in der Gesellschaft der Wandel von Stigmatisierung in Akzeptanz vorgenommen werden muss. Durch sogenannte „Konsumräume“ wird zum Beispiel dieser Ansatz in einigen Städten schon verfolgt.

Persönliches Fazit: Dieser Tatsachenbericht geht wirklich unter die Haut und ich brauchte viel länger für das Buch als normalerweise für andere. Ich musste es verinnerlichen, sacken lassen und darüber nachdenken, so sehr hat es mich betroffen gemacht. „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ von Christiane F. kann in den Schulen als Pflichtlektüre nun durch dieses zeitgemäße und nicht weniger erschreckende Buch ersetzt bzw. ergänzt werden.

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Veröffentlicht am 24.11.2021

Viele Themen wurden miteinander verbunden

New York Cannibals
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Ich habe schon mal eine Blut- und Plasmaspende abgegeben. Warum? Um zu helfen. Würde ich das wieder tun? Natürlich! Aber wie wäre es, wenn ich es nur des Geldes wegen täte? Wenn ich Blut spenden müsste, ...

Ich habe schon mal eine Blut- und Plasmaspende abgegeben. Warum? Um zu helfen. Würde ich das wieder tun? Natürlich! Aber wie wäre es, wenn ich es nur des Geldes wegen täte? Wenn ich Blut spenden müsste, um mir Lebensmittel kaufen zu können? Und zwar so häufig, dass mein Körper immer schwächer werden würde.

Zitat Seite 45: "Als die Nahrung ausging, kam es zu Fällen von Kannibalismus."

Dies ist ein Thema von vielen, das in "New York Cannibals" aufgegriffen wird. In der primären Storyline begleiten wir die aus Japan stammende Polizistin Azami Tanaka - eine taffe, stark tätowierte und durchtrainierte Frau, die von ihrem Adoptivvater Pawel großgezogen wurde. Ihr Erscheinungsbild bringt ihr nicht nur Respekt im Gym ein, sondern auch bei ihren Kollegen und auf den Straßen. Dort, wo Azami ihr Bestmögliches tut, um für Recht und Ordnung zu sorgen. Dort, wo sie eines Tages in einer dunklen Ecke ein Baby findet und sich dazu entschließt, es zu behalten. Dass das Neugeborene und ihr Adoptivvater irgendwie in tragischer Verbindung zueinander stehen, erfährt der Leser gemeinsam mit Azami im weiteren Verlauf der Story. Einmal mehr wird einem dabei bewusst, dass Vergangenes sich nicht ungeschehen machen lässt und es Menschen gibt, denen man besser kein zweites Mal begegnet.

Das 90er-Jahre New York als Setting faszinierte mich schon in anderen Geschichten. Die markanten Merkmale der Metropole bzw. ihrer Elendsviertel spiegeln sich allerdings nur bedingt in den Illustrationen wider. Es gibt zwar Graffitis an den Wänden, schmutzige Straßen und Coca-Cola-Schilder, aber aufgrund des Buchtitels habe ich deutlich mehr Bezug (zumindest am Rande erwähnt) erwartet. Zum Beispiel bekannte Sehenswürdigkeiten wie den Central Park in Manhattan, da Azami in diesem Bezirk wohnt. Davon abgesehen hat es mir viel Spaß gemacht, in den einzelnen Szenen zu versinken und die unterschiedlichen Figuren zu betrachten. Ich mochte insbesondere die düstere Kulisse des Undergrounds.

Zitat Seite 144: "In Städten wie dieser, wo die Götter sich mit den Menschen vermischen, braucht man eine eiserne Seele, um der Faszination zu widerstehen, die ihre Kräfte ausüben."

Fazit: Gewalt, Verbrechen, Herkunft, Hautfarbe, Homosexualität, Diversität, Handicaps, Steroide... diese Graphic Novel verbindet all diese Themen gekonnt mit spannenden Thriller-Noir-Elementen und großartigen Zeichnungen. Ich habe die Geschichte im Nullkommanix verschlungen. Lesen!

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Veröffentlicht am 20.07.2021

Spannend, beklemmend, wow!

The Nothing Man
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Mit "The Nothing Man" begehen wir zwei Pfade: die des Opfers und die des Täters.

Eve Blacks Familie wurde Opfer des irischen Serienmörders Jim Doyle alias The Nothing Man. Anfangs versucht Eve noch mit ...

Mit "The Nothing Man" begehen wir zwei Pfade: die des Opfers und die des Täters.

Eve Blacks Familie wurde Opfer des irischen Serienmörders Jim Doyle alias The Nothing Man. Anfangs versucht Eve noch mit allen Mitteln, ihre wahre Identität zu verbergen, doch dann stellt sie sich der Realität und schreibt ein Buch. Über alles, woran sie sich erinnern und was sie über Doyle in der Presse finden kann. Mit Hilfe des damaligen Ermittlers Edward Healy, recherchiert sie in alle erdenklichen Richtungen und kontaktiert sogar weitere Überlebende. All dies tut sie mit der Absicht, dem Nothing Man endlich ein Gesicht geben zu können. Und offenbar findet sie Gehör, denn ihre Geschichte wird prompt zu einem Bestseller. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch Jim Doyle auf dieses Buch aufmerksam wird. Wie besessen klebt er an jeder einzelnen Zeile, verfolgt seine eigene Geschichte und die seiner Opfer. Schockiert über Eves Optimismus, ihn fassen zu können, fasst er einen folgenschweren Entschluss: Sie muss sterben.

Auf den Leser warten hier jede Menge Nervenkitzel und explosive Ereignisse, die einmal mehr vor Augen führen, wie gefährlich es ist, ins Visier der falschen Person zu geraten. Ich möchte gewiss nicht mit Eve tauschen! Die Vorstellung, beobachtet zu werden, ist die eine Sache, aber wenn jemand tatsächlich versucht, mir nahe zu kommen,...

Der Autorin gelingt es mit ihrem einzigartigen Erzählstil, den Leser ins Geschehen zu integrieren und ihn an die Geschichte zu fesseln. Man springt zwischen Erzählweisen aus Opfer- und Tätersicht sowie zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her, erfährt alles, was man über die Taten des Nothing Man wissen muss. Man darf Kapitel aus Eves Buch lesen und Doyle dabei über die Schulter schauen, wie er jene selbst liest. Stets hat man das Gefühl, als sei man mittendrin, man fiebert und bangt mit, erfreut sich über jeden noch so kleinen Lichtblick und leidet bei jeder Sackgasse mit.

Catherine Ryan Howard bedient mit ihrer Geschichte auch das wachsende Interesse an True Crime und der Faszination an Serientätern, obwohl ihr Werk fiktiv ist. So hebt sich für mich ein Satz über Serientäter besonders hervor:

Zitat, S. 263: "Sie müssen es nicht tun, sie wollen es. Es gibt einen Unterschied zwischen Drang und Zwang".

Persönliches Fazit: Ein durchweg überzeugender und gelungener Thriller, der weniger auf Blut, dafür mehr auf Spannungselemente, unterschwellige Beklemmungsgefühle und Besessenheit setzt. Wow! Dies wird definitiv nicht mein letztes Buch dieser grandiosen Schriftstellerin gewesen sein. Unbedingt lesen!

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Veröffentlicht am 13.07.2021

Tolles Setting!

Mein Wille geschehe
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„Ich möchte beichten“. Mit diesen Worten mischt die Teenagerin Clara Stern die evangelische Kirche ganz schön auf. Pastor Theves findet diese Idee gar nicht schlecht und arbeitet direkt an der Umsetzung. ...

„Ich möchte beichten“. Mit diesen Worten mischt die Teenagerin Clara Stern die evangelische Kirche ganz schön auf. Pastor Theves findet diese Idee gar nicht schlecht und arbeitet direkt an der Umsetzung. Doch ein paar Mitglieder seiner Gemeinde sind darüber gar nicht erfreut. Dies und noch mehr Ereignisse führen dazu, dass der Pastor die Nerven verliert und sich zu einer Tat verleiten lässt, wegen der er eigentlich selbst die Beichte ablegen müsste. Doch anstatt in Panik zu verfallen und sich der Polizei zu stellen, bewahrt er einen kühlen Kopf und plant sein weiteres Vorgehen akribisch. Schwarze ist hier ein außergewöhnlicher Protagonist gelungen, der mich von Seite 1 an fasziniert hat.

„Ein Schlag. Das Geräusch war entsetzlich gewesen. Der reglose Körper lag mit halb geschlossenen und trüben Augen in verdrehter Haltung auf dem braunen Linoleumboden. Eine Blutlache breitete sich aus und erreichte gerade das vordere linke Bein des Altartisches.“ (Zitat)

Die Handlung wird hauptsächlich aus der Sicht von Pastor Theves erzählt. Wenige Male wechselt die Perspektive zu anderen Charakteren, wie z.B. dem Hauptkommissar René Wilmers oder dem Erzbischof Antonius Kluge. Diese Wechsel haben den Plot prima aufgelockert und meine Neugier immens gesteigert. Man erfährt, was man erfahren muss, und kommt damit prima durchs Geschehen. Bernd Schwarze legt sehr viel Wert aufs Detail und haucht den Charakteren Leben ein, was sie authentisch und real macht. Dies ist insbesondere seinem flüssigen Schreibstil geschuldet und dem interessanten Fachwissen, mit dem er mich zusätzlich fesseln konnte.

Persönliches Fazit: Ein genialer Krimi, der mich fesseln und begeistern konnte. Die heilige Kirche als Schauplatz einer Bluttat zu wählen, fand ich schaurig und mutig zugleich. Hier kommt garantiert jeder Krimi-Fan auf seine Kosten und kann nebenbei gleich noch die Beichte ablegen - AMEN!

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Veröffentlicht am 30.06.2021

Genialer Reihenauftakt

Das Buch des Totengräbers (Die Totengräber-Serie 1)
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Friedhöfe üben auf mich eine unglaubliche Faszination aus. Sie sind Orte der Ruhe, Stätten des Friedens. Sie symbolisieren die Endlichkeit und gleichzeitig stehen sie für ewiges Leben. Kein Wunder, dass ...

Friedhöfe üben auf mich eine unglaubliche Faszination aus. Sie sind Orte der Ruhe, Stätten des Friedens. Sie symbolisieren die Endlichkeit und gleichzeitig stehen sie für ewiges Leben. Kein Wunder, dass Oliver Pötzsch den Wiener Zentralfriedhof in seinem neuen Krimi zu einem seiner Hauptschauplätze macht.

Augustin Rothmayer ist eine merkwürdige Gestalt. Rau, griesgrämig, aber keineswegs unsympathisch. Zudem ist er eine wahre Koryphäe auf dem Gebiet der Erforschung des Todes:

„Im Gegensatz zu noch lebenden Menschen gerinnt das Blut bei Leichen nicht sofort, es bleibt oft noch mehrere Stunden rot und frisch. Forschungen haben gezeigt, daß sich aus einer Leiche bis zu vier Liter gewinnen lassen, wenn man sie nur ordentlich ausblutet.“ (Zitat, S. 329)

Leopold von Herzfeldt steht Rothmayer in Eigenwilligkeit in nichts nach. So ist es nicht verwunderlich, dass Herzfeldt, als Verfechter der modernen Kriminalistik, und Rothmayer, als Profi in Sachen Leichen, unfreiwillig zu einem grandiosen Ermittler-Duo werden. Doch wird es ihnen gelingen, den brutalen Frauenmörder zu entlarven und ihm das Handwerk zu legen?

Pötzsch versteht es, die Geschichte der Forensik und der modernen Kriminalistik mit einem Kriminalfall zu verbinden, der einem stellenweise das Blut in den Adern gefrieren lässt. Dabei lässt er historische Persönlichkeiten und Ereignisse so geschickt in seine Handlung einfließen, dass ich mich so einige Male gefragt habe, wo die Grenze zwischen Realität und Fiktion verschwimmt. So hält Pötzsch die Spannung von der ersten Seite an auf einem sehr hohen Niveau und treibt die Handlung schnell voran.

Intelligent und spannend erzählt Pötzsch die Geschichte um Inspektor Herzfeldt, Totengräber Augustin Rothmayer und die junge Telefonistin Julia Löwe, die auf der Suche nach dem Mörder nicht nur mit ihrer eigenen Vergangenheit, sondern auch mit Vorurteilen und Antisemitismus konfrontiert werden. Zudem wird es nicht bei den grauenhaften Frauenmorden bleiben. Das historische Wien hat noch einige abartige Verbrechen mehr zu bieten.

Der Autor hat eine authentische Umgebung erschaffen. Sämtliche Figuren sind glaubwürdig bis ins kleinste Detail durchdacht. Mit ihnen fügen sich nach und nach alle Handlungsstränge zu einem logischen Ganzen. Dabei verrät Pötzsch zu keiner Zeit zu viel und behält des Rätsels Lösung bis kurz vor Schluss. Für mich liefert er mit seinem neuen Buch eines der Krimihighlights des Jahres!

Persönliches Fazit: Oliver Pötzsch veröffentlicht mit „Das Buch des Totengräbers“ einen genialen Auftakt seiner neuen Totengräber-Serie. Dieses Buch ist nicht nur etwas für Fans von historischen Krimis, sondern gehört in jedes Bücherregal. Ich für meinen Teil freue mich schon jetzt darauf, mehr von Leo, Julia und Augustin zu lesen.

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